LVwG-750288/6/MB

Linz, 05.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des T G, vertreten durch K Rechtsanwälte OG, F, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 25. Juni 2015, GZ. Sich20-15-2015-KG,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und die Rechtswidrigkeit des Bescheides der belangten Behörde vom 25.6.2015, GZ: Sich20-15-2015-KG festgestellt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 25. Juni 2015, GZ: Sich20-15-2015-KG, forderte der Bezirkshauptmann von Perg (in weiterer Folge: belangte Behörde) den Beschwerdeführer T G (in weiterer Folge: Bf) auf, sich an einem näher bestimmten Zeitpunkt – den 21. Juli 2015, 14:00 Uhr - bei der Polizeiinspektion Perg einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen und an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken. Als Rechtsgrundlagen dienten §§ 77 Abs. 2 iVm 65 Abs. 1 und 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), sowie § 19 AVG. Die aufschiebende Wirkung wurde von der belangten Behörde nicht ausgeschlossen.

 

Begründet wurde dies wie folgt:

Am 16. Februar 2015 berichtete die Polizeiinspektion St. Georgen/Gusen, dass Sie im Verdacht stehen, am 22.11.2014 5:30 - 6:00 Uhr in einem Zimmer des Hotels „D" in X, T, an der stark alkoholisierten bzw. sich im Zustand voller Berauschung befindenden N S einen Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben.

Nach Ihrer diesbezüglichen Vernehmung bei der Polizeiinspektion sollten Sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden. Diese wurde jedoch von Ihnen auf Anraten Ihrer rechtsanwältlichen Vertretung abgelehnt.

Da ganz eindeutig aufgrund des geschilderten Sachverhaltes die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung bestanden, wurden Sie in der Folge von dieser Behörde am 26. Februar 2015 formlos zu dieser erkennungsdienstlichen Behandlung aufgefordert.

Daraufhin teilten Sie durch Ihre rechtsanwältliche Vertretung der Bezirkshauptmannschaft Perg mit, dass Sie der Aufforderung nicht nachkommen werden, weil die ggstl Aufforderung noch nicht bescheidmäßig erfolgte. Des weiteren sei aus der Aufforderung nicht erkennbar, weshalb die Behörde eine erkennungsdienstliche Behandlung für notwendig erachte. Abschließend teilten Sie in der Eingabe mit, dass am 12.3.2015 um 10:00 Uhr vor dem Landesgericht Linz eine kontradiktorische Vernehmung gemäß $ 165 StPO durchgeführt wird und damit zu rechnen ist, dass die Staatsanwaltschaft Linz in nächster Zeit eine Entscheidung dahingehend treffen wird, Ob überhaupt Anklage gegen Sie erhoben wird.

Daraufhin wurde seitens der Behörde am 21.5.2015 bei der Staatsanwaltschaft Linz der ggstl Verfahrensstand erfragt. Im Antwortschreiben, das am 3.6.2015 bei der Behörde einlangte, teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass der Abschluss der Ermittlungen gegen Sie derzeit nicht absehbar sei.

(...)

 

Dazu hat nun die Bezirkshauptmannschaft Perg erwogen:

Wie bereits im Sachverhalt dargestellt stehen Sie im Verdacht eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben. Sie werden verdächtigt, am 22.11.2014 5:30 - 6:00 Uhr in einem Zimmer des Hotels „D" in X, T, an der stark alkoholisierten bzw. sich im Zustand voller Berauschung befindenden N S einen Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben.

Demnach wäre es im Rahmen eines Geschäftstreffens in X nach Konsum einer erheblichen Menge an Alkohol in den Morgenstunden des 22.11.2014 zwischen Ihnen und Frau S zu einem Geschlechtsverkehr gekommen. Dieser Geschlechtsakt sei nach Aussage von Frau S nicht mit ihrem Einverständnis passiert. Sie hätten sich vielmehr, während Frau S betrunken in Bett schlief, zu ihr gelegt. Erst als Frau S munter wurde hätte sie bemerkt, dass Sie bei ihr lagen. Diese nahm auch dann erst wahr, dass sie nunmehr nackt sei, obwohl sie sich mit einem Stringtanga bekleidet zuvor zu Bett begab. Zusätzlich bemerkte sie erst zu diesem Zeitpunkt, dass Sie vaginal in sie eingedrungen waren.

Aufgrund dieses angezeigten Sachverhaltes wurden Sie am 26.2.2015 für den Termin 27.3.2015, 14:00 Uhr formlos zum Zweck der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Polizeiinspektion Perg geladen. Dieser Aufforderung sind Sie nicht gefolgt.

 

Nachdem die Ihnen vorgehaltene Tat aufgrund der Art und Weise, aber auch aufgrund des von Ihnen gezeigten Persönlichkeitsbildes jederzeit wieder zu erwarten ist, ist zur Vorbeugung eines solchen weiteren gefährlichen Angriffes (vor allem Bildaufnahmen zur Wiedererkennung) die bescheidmäßige Vorschreibung dieser erkennungsdienstlichen Behandlung unbedingt erforderlich.

 

Sollten Sie auch dieser Aufforderung unentschuldigt nicht Folge leisten, wird im Sinne des § 19 AVG Ihre zwangsweise Vorführung veranlasst.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, mit der die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt wird. Begründet wurde dies wie folgt:

 

Der Beschwerdeführer wurde am 26.02.2015 formlos schriftlich aufgefordert, sich am 27. März 2015 um 14:00 Uhr bei der Polizeiinspektion Perg einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen.

Begründend wurde dabei lediglich angegeben, dass mit Bericht der Polizeiinspektion St. Georgen an der Gusen vom 16. Februar 2015 bekanntgeworden wäre, dass der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, durch sexuellen Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben. Da die Voraussetzungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung im gegenständlichen Fall gegeben wären wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen.

Am 16.02.2015 war von der Polizeiinspektion St. Georgen/Gusen berichtet worden, dass der Beschwerdeführer im Verdacht stünde, am 22.11.2014 um ca. 05:30 Uhr - 06:00 Uhr, in einem Zimmer des Hotels „D" in X, T, an der stark alkoholisierten bzw. sich im Zustand voller Berauschung befindenden N S einen Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben.

Bereits am 15.12.2014 war von den nunmehr einschreitenden Rechtsanwälten unter Vollmachtsbekanntgabe ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt worden und hat bereits am 26.01.2015 die Beschuldigtenvernehmung des nunmehrigen Beschwerdeführers im Beisein seines ausgewiesenen Verteidigers stattgefunden.

Am 12.03.2015 hat vor dem Landesgericht Linz zu 18 HR 28/15f eine kontradiktorische Einvernahme unter Beteiligung des Beschwerdeführers als Beschuldigter im Beisein des Verteidigers stattgefunden. Auch auf Grund dieses Umstandes erging am 13.03.2015 daher eine Mitteilung an die nunmehr belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer der - ohnedies formlosen - Aufforderung der belangten Behörde, sich am 27.03.2015 um 14:00 Uhr bei der Polizeiinspektion Perg einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, in Folge Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen keine Folge leisten würde.

Hierauf wurde von der belangten Behörde der nunmehr bekämpfte Bescheid erlassen und wurde der Beschwerdeführer dabei aufgefordert, sich am 21.07.2015 um 14:00 Uhr bei der Polizei Perg während der Dienstzeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen und an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

Begründend wurde von der belangten Behörde dabei angegeben, dass die dem Beschwerdeführer vorgehaltene Tat auf Grund der Art und Weise, aber auch auf Grund des vom Beschwerdeführer gezeigten Persönlichkeitsbildes jederzeit wieder zu erwarten wäre und zur Vorbeugung eines solchen weiteren gefährlichen Angriffs die bescheidmäßige Vorschreibung dieser erkennungsdienstlichen Behandlung, konkret vor allem Bildaufnahmen zur Wiedererkennung, unbedingt erforderlich wäre.

Diese Ansicht ist rechtlich verfehlt.

Von der Staatsanwaltschaft Linz (9 St 18/15p) wurde am 15.06.2015 Anklage erhoben, welche Anklageschrift den ausgewiesenen Verteidigern und nunmehr einschreitenden Rechtsanwälten am 22.06.2015 zugestellt worden ist. Das Ermittlungsverfahren ist daher beendet und ist sowohl die Identität des Beschwerdeführers als auch sämtliche maßgebenden Umstände der Anklagebehörde, dem ordentlichen Gericht und auch den Sicherheitsbehörden längst bekannt, zumal der Beschwerdeführer bereits am 26.01.2015 polizeilich als Beschuldigter einvernommen worden war und dieser bereits im Zuge der kontradiktorischen Vernehmung vom 12.03.2015 ausdrücklich als Beschuldigter beizuziehen war.

Der Beschwerdeführer wurde am x in L geboren, er ist österreichischer Staatsbürger, für niemanden sorgepflichtig und ledig. Der Beschuldigte schloss nach der Pflichtschule die HTL mit Matura ab und ist dieser bei der Fa. T in L als Projektabwickler (Konstrukteur) tätig, wobei aus dieser Beschäftigung ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 2.000,00 bezogen wird. Weder besitzt der nunmehrige Beschwerdeführer besonderes Vermögen, noch belasten ihn außergewöhnliche Schulden. Der Beschwerdeführer hat einen festen ordentlichen Wohnsitz, sein Mobiltelefon ist angemeldet und ist dieser noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.

 

II.

 

Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung 1. Instanz ist gemäß §§ 7 ff VwGVG die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig. Der Bescheid zu Sich20-15-2015-KG vom 25.06.2015 wurde den ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretern am 07.07.2015 zugestellt und ist die Beschwerde daher auch rechtzeitig.

III.

 

Die in Beschwerde gezogene erkennungsdienstliche Behandlung ist ein Akt der Sicherheitsverwaltung. Zweck von erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist es, die Wiedererkennung eines Menschen zu ermöglichen.

Nach § 65 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder der Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint. Nach § 64 Abs 3 Sicherheitspolizeigesetz ist erkennungsdienstliche Behandlung das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

Nach § 64 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz sind erkennungsdienstliche Maßnahmen technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

Wesentlich in der Bestimmung des § 64 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz ist die Formulierung, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen sind, die seine Wiedererkennung ermöglichen.

Im Zusammenhang mit der Formulierung des § 65 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, wonach erkennungsdienstliche Maßnahmen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich sind, kann daraus nur der Schluss abgeleitet werden, dass solche vorbeugende erkennungsdienstliche Maßnahmen nur dann erforderlich sind, wenn eine Wiedererkennung eines möglichen Beschuldigten bzw. Täters im Falle einer Nichtvornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen erschwert würde.

Die belangte Behörde vermeint darüber hinaus, dass wegen der Art und der Ausführung der Tat und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers es zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe unbedingt erforderlich wäre vor allem Bildaufnahmen zur Wiedererkennung anzufertigen.

Gemäß § 16 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand nach dem

1. Strafgesetzbuch,

2. Verbotsgesetz,

3. Fremdenpolizeigesetz,

4. Suchtmittelgesetz

handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.

Gemäß § 16 Abs 3 Sicherheitspolizeigesetz ist ein gefährlicher Angriff auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Absatz 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

Gemäß § 16 Abs 4 Sicherheitspolizeigesetz ist Gefahrenerforschung die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhalts. Die sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung ist dabei gemäß § 28a Sicherheitspolizeigesetz die Gefahrenerforschung.

Gegenständlich liegt lediglich ein Verfahren wegen einer einmaligen - angeblichen -Tatbegehung nach § 205 Abs 1 und 3 StGB vor, welches Verfahren sich zwischenzeitig bereits im Hauptverfahrensstadium befindet.

Die Gefahrenerforschung obliegt nunmehr einzig dem ordentlichen Gericht und sind darüber hinaus auch bereits sämtliche maßgebenden Umstände bekannt, widrigenfalls bereits ex lege seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft gerade nicht Anklage hätte erhoben werden können. Konkret bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer sowohl nunmehr, als auch bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, unzweideutig als möglicher Beschuldigter feststand, weshalb weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen, die seine Wiedererkennung im Sinne des § 64 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz ermöglichen, keinesfalls notwendig oder gerechtfertigt sind. Die Annahme weiterer gefährlicher Angriffe durch die belangte Behörde als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung 1. Instanz scheidet jetzt von vornherein aus, da eine Gefährlichkeitsprognose nunmehr ausschließlich von Seiten der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts vorzunehmen ist und hätten diese Behörden gegebenenfalls die hiefür gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu verfügen bzw. zu entsprechend beantragen.

Der Normzweck des § 65 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - die Ermöglichung der Wiedererkennung - war bereits deutlich vor der gegenständlichen Bescheiderlassung am 25.06.2015 erreicht und ergibt sich zusammengefasst sohin, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Vorschreibung von erkennungsdienstlichen Behandlungen nicht vorliegen, weshalb nunmehr gestellt wird der

 

Antrag,

 

das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge der Beschwerde Folge geben und bereits auf Grund der Aktenlage feststellen, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

 

3. Mit Schreiben vom 3. August 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht vorgenommen.

 

 

II.

 

1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 8. Mai 2015 unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt. Ferner fand am 15. September 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich stellt zusätzlich zu den sich aus dem Akt und den Schriftsätzen unstrittig ergebenden Sachverhaltselementen (s Pkt. I) nachfolgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bf steht im Verdacht, mit einer stark alkoholisierten bzw. sich im Zustand voller Berauschung befindenden Person den Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben (§ 205 StGB). Das Verfahren war im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichtes unterbrochen. Es hat bereits eine kontradiktorische Einvernahme stattgefunden.

 

Das Ziel der erkennungsdienstlichen Behandlung ist vor allem die Aufnahme eines Bildes vom Bf. Dieses Bild wird den jeweiligen Polizeiinspektionen zur Verfügung gestellt, womit es über die EKIS-Datenbank abrufbar ist und der Bf von den jeweiligen Organen wiedererkannt werden kann. Die Begründung der „Gefährdungsprognose“ der belangten Behörde gründet sich vor allem auf die „Art und Weise“ der Tat. Dies insofern als die Tat aufgrund erheblichen Alkoholeinflusses begangen wurde und dieser auch beim Opfer vorhandene Alkoholeinfluss vom Bf ausgenutzt wurde. Weiters geht die belangte Behörde davon aus, dass der Bf als Bekannter des Chefs lediglich Chauffeurdienste durchgeführt habe und ihn auch diese gegenüber den übrigen Teilnehmern externe Position nicht abgehalten hat, übermäßig viel Alkohol zu konsumieren und die Tat durchzuführen. Zudem hat ihn auch das freundschaftliche Verhältnis zu seinem Chef nicht davon abgehalten, die Tat in der Gestalt auszuführen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass der Bf von der belangten Behörde nicht vorgeladen und auch nicht einvernommen wurde.

 

Darüber hinaus gilt festzustellen, dass sich der Bf auf freien Fuß befindet. Die Untersuchungshaft wurde nicht verhängt. Der Bf hat keine weiteren anhängigen Verfahren bei der belangten Behörde und trat bisher weder behördlich noch gerichtlich in Erscheinung. Weitere Vorfälle in Zusammenhang mit dem Genuss von Alkohol liegen nicht vor und kann diesbezügliche vom erkennenden Gericht kein Anhaltspunkt für eine Kontinuität festgestellt werden. Ein weiterer exzessiver Alkoholkonsum seit der Tat kann ebenso nicht festgestellt werden. Weiters kam es seit der vermeintlichen Tat zu keinen Zwischenfällen – jedweder Art. Festzustellen ist zudem, dass der Bf beim entscheidenden Gericht den Eindruck eines normalen Jugendlichen hinterlassen hat. Der Bf verantwortet sich ruhig und schlüssig. Es ist erkennbar, dass die Situation der laufenden Verfahren eine starke Belastung für den Bf darstellt und er sich der lebenseinschneidenden Konsequenzen dieser Verfahren (gerichtlich wie behördlich) bewusst ist.

 

Zum Anlassfall ist festzustellen, dass der Bf daraus die Lehre gezogen hat, dass er sich beim Fortgehen die Situationen genauer anschauen werde und überdies er sich nunmehr bewusst ist, wie dumm solche Sachen möglicherweise auch ausgehen können.

 

Zudem ist festzustellen, dass der Bf keinen Kontakt mehr zu der Gruppe, mit der er in X fortgegangen ist, hat, sondern nur mehr zu seinem Chef, der auch sein Freund ist. Weiters ist festzustellen, dass er derzeit nicht in einer Beziehung ist.

 

III.

 

1. Gem § 16 Abs. 2 SPG ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

3. nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder

4. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, ausgenommen der Erwerb oder Besitz von Suchtmitteln zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs. 2, 30 Abs. 2 SMG), oder

5. nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007), BGBl. I Nr. 30, oder

6. nach dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG), BGBl. I Nr. 146/2011,

handelt.

 

Gem § 16 Abs. 3 SPG ist ein gefährlicher Angriff auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

 

Gem § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte vorsätzliche Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

 

Gem § 77 Abs. 1 SPG hat die Behörde einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern. Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß § 77 Abs. 1 SPG nicht nach, so ist ihm nach § 77 Abs. 2 SPG die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen.

 

2.1. § 65 Abs. 1 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden, Menschen, die im Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, unter weiteren Voraussetzungen erkennungsdienstlich zu behandeln. Diese Befugnis dient sicherheitspolizeilichen Zielsetzungen, nämlich der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe vorzubeugen. Sie ist gefährlichkeitsbezogen (vgl. Hauer/Keplinger, SPG4, 693).

 

2.1.1. Zunächst ist zu erkennen, dass diese sicherheitsbehördliche Befugnis auf Basis eines Verdachtes einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (nicht: strafbare Handlung und auch nicht Tat!) erfolgt. Dieser Verdacht ist vor dem Hintergrund der verschiedenen Verdachtsgrade (vgl. z.B. in der StPO) als weit gefasst anzusehen, zumal kein dringender Verdacht gefordert wird (VwGH 22.3.2000, 99/01/0034). Insofern wird ein nicht rechtskräftig strafgerichtlich festgestellter Lebenssachverhalt für eine juristische Prognose zu Grunde gelegt und daran eine grundrechtsrelevante Befugnis gekoppelt. Daher ist ein derartiger Eingriff an strenge Voraussetzungen geknüpft (VwGH 16.12.1998, 97/01/0793). Zudem ist hierbei auch auf § 29 SPG (Verhältnismäßigkeit) Bedacht zu nehmen.

 

Bezüglich des Verdachts, der Bf habe eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung begangen, bestehen keine Zweifel, und wurde dies auch nicht bestritten. Der Bf steht im Verdacht der Begehung des Deliktes des § 205 StGB.

 

2.1.2. Die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG ist aber an weitere Voraussetzungen geknüpft:

 

Der Bf muss entweder im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig geworden sein oder die erkennungsdienstliche Behandlung muss sonst auf Grund der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheinen.

 

Im vorliegenden Fall bestehen keinerlei Hinweise darauf, dass der Bf im Rahmen einer „kriminellen Verbindung“ tätig geworden ist.

 

2.1.2.1. Zur Alternative „Art und Ausführung der Tat“ kommt es auf die konkrete Ausführung der konkreten Tat an (s bspw VwGH 19.4.2012, 2012/01/0011). Unter Tat ist hier die mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung zu verstehen. MaW ein verwirklichter Lebenssachverhalt, der nicht voll deliktisch sein muss.

 

In diesem Punkt genügt es nach der Intention des Gesetzgebers, wenn die abstrakte Form der Wahrscheinlichkeit, die an die verwirklichte Tat anknüpft, den Schluss rechtfertigt, dass die Tat nach allgemeiner Lebenserfahrung keine Einzeltat bleiben wird (s EBRV 272 BlgStenProt NR 23. GP, 9).

 

Diese Voraussetzung stellt sich als komplex und vielschichtig dar. Aus der Grundintention des Gesetzgebers kriminalpolizeilich Auffällige mit Rückfallsgefährlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, lässt sich aber erkennen, dass der Schwerpunkt auf der Begründung auf einer Art Gefährlichkeitsprognose iS der Rückfallswahrscheinlichkeit liegt. Die vorgelagerten Tatbestandselemente stellen insofern (nur) die möglichen Ansatzpunkte für eine derartige Prognose dar.

 

Die Art der Tat stellt sich als Handlung dar, die sich möglicherweise unter den Tatbestand des § 205 StGB subsumieren lässt. Derartige Sexualtaten sind – im Hinblick auf die statistische Rückfallsgefahr (s dazu EBRV 272 BlgStenProt NR 23. GP, 9) – im Vergleich etwa zur Suchtgiftkriminalität – als nicht gesteigert auffällig zu sehen (s bspw Eisenriegler, Resozialisierung von Sexualstraftäter, RZ 2001, 85ff). Weiters ist zu erkennen, dass die Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung als spontan entstandene, nicht geplante Tat zu erkennen ist, die sich in einem gelockerten, durch Alkohol beeinflussten, jugendlichen Umfeld ergeben hat. Auch ist zu erkennen, dass sich die Tat nicht wiederholt hat und der Bf auch nicht weiter in Erscheinung getreten ist (dies erscheint etwa dann indiziert, wenn jemand jahrelang Suchtgift angebaut und auch Jugendlichen überlassen hat; VwGH 13.10.2009, 2009/17/0196). Auch hat die Tat keine Gewalt, Drogen oder psychisch auffälligen Momente enthalten.

 

Will man dem Tatbildelement der Ausführung der Tat über die Art der Tat hinausgehenden Sinn zuerkennen, so fließen hier auch nicht strafrechtlich tatbildliche Sachverhaltselemente in die Beurteilung mit ein. Diesbezüglich ist zu erkennen, dass der Bf das Tatgeschehen nicht aktiv gesteuert hat. Er hat den „Betäubungszustand“ auch nicht beim Opfer herbeigeführt. Vielmehr ist dies im Rahmen der Abendgestaltung ohne sein Zutun erfolgt. Weiters ist zu erkennen, dass der Bf nicht initiativ Anschluss an den tatrelevanten Personenkreis gesucht hat, sondern von seinem Freund als „Chauffeur“ hinzugezogen wurde. Auch ist ersichtlich, dass es zu keiner Gewaltanwendung im Rahmen des Tatherganges gekommen ist. Aus dem Nachtatverhalten ergibt sich zudem, dass der Bf nicht in der Tatsituation verhaftet ist und das vermeintliche Opfer ohne einen Widerstand überwinden zu müssen aus der Situation entweichen konnte. Auch ergeben sich für den nächsten Tag keine Übergriffe. Hinzutritt, dass sich der Bf seit seiner Tat wohlverhalten hat und keinerlei Anhaltspunkte für eine Verhaltensmuster im Zusammenhang mit dem Genuss von Alkohol gegeben sind. Dies gilt sowohl für Sexualdelikte als auch für sonstige den gefährlichen Angriff im Rahmen des Sicherheitspolizeigesetzes erfüllende Straftaten.

 

2.1.2.2. Betreffend die Persönlichkeit ist zunächst auszuführen, dass die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei keinerlei Anhaltspunkte für physische oder psychische Störungen in der Person des Bf ergeben. Dies findet Bestätigung durch die öffentliche mündliche Verhandlung. Der Bf hinterließ beim entscheidenden Gericht den Eindruck eines normalen Jugendlichen. Er verantwortete sich ruhig und schlüssig. Es ist zudem erkennbar, dass die Situation der laufenden Verfahren eine starke Belastung für den Bf darstellt und er sich der lebenseinschneidenden Konsequenzen dieser Verfahren (gerichtlich wie behördlich) bewusst ist. Der Bf hat glaubwürdig dargelegt, dass er aus dem Vorfall eine Lehre gezogen habe und in Zukunft, solle es wieder zu einer ähnlichen Situation kommen, besonders sensibel agieren werde. Aus diesem Grund vermag auch das Argument der belangten Behörde, es sei auf Grund der Hemmungslosigkeit des Bf in Verbindung mit Alkoholkonsum zu befürchten, es könne in der Zukunft wieder zu einem ähnlichen Vorfall kommen, nicht zu überzeugen. Dies insbesondere deshalb, als der Bf glaubhaft machen konnte, in Verbindung mit Alkoholkonsum bisher weder gewalttätig in Erscheinung getreten zu sein, noch Auffälligkeiten in Hinblick auf das Thema Sexualität aufzuweisen.

 

2.2. Aus all diesen Umständen kann sohin die Prognose der belangten Behörde nicht geteilt werden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass die Tat keine Einzeltat bleiben wird.

 

3. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung in die Grundrechte des Bf eingreift, war selbige sowohl hinsichtlich der negativen Gefährlichkeitsprognose als auch des Grundsatzes der Verhältnismäßig nicht zulässig.

 

4. Da der im Spruch des Bescheides der belangten Behörde fixierte Termin bereits in der Vergangenheit liegt, aber die Rechtsfolgen bei Wegfall der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wiederum schlagend werden können, war die Rechtswidrigkeit des Bescheides der belangten Behörde festzustellen, um diese Wirkung hintanzuhalten.

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter