LVwG-000079/2/WEI

Linz, 06.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des W H, vertreten durch Dr. M M, Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 13. November 2014, Zl. SanRB96-41-2014-Prö, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG iVm der Verordnung (EG) Nr. 852/2004

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht (§ 52 Abs 9 VwGVG) zu leisten. Auch die Verpflichtung zum Ersatz der Untersuchungskosten gemäß § 71 Abs 3 LMSVG entfällt.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Straferkenntnis

 

Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F K Cafe und Konditorei GmbH  und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher folgende Verwaltungsübertretung zu vertreten:

 

Anlässlich einer am 05.05.2014 um 09:30 Uhr durch ein Aufsichtsorgan gem. § 24 LMSVG durchgeführten Kontrolle gem. § 35 LMSVG wurden im genannten Betrieb Uhr folgende Proben entnommen:

 

1.) Vanilleeis, Probenzeichen 4000MAYW0045/14 (U Zahl 14045395-001 vom 14.05.2014), und

2.) Kaffeeeis, Probenzeichen 4000MAYW0044/14 (U Zahl 14045396-001 vom 14.05.2014)

 

von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung (AGES) untersucht und es wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

 

1.) die vorliegende Probe „Vanilleeis" bestand aus 5 Teilproben.

Der Grenzwert „m" für Enterobacteriaceae wurde bei 4 von 5 Teilproben überschritten.

 

Die vorliegende Teilprobe 1 wies eine Kontamination im Ausmaß von 30 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 2 wies eine Kontamination im Ausmaß von 50 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 4 wies eine Kontamination im Ausmaß von 40 KBE/g auf.

Die vorliegende Teiiprobe 5 wies eine Kontamination im Ausmaß von 60 KBE/g auf.

 

Diese Kontamination lässt eindeutig darauf schließen, dass bei der Produktion nicht die gebotene nötige Hygiene eingehalten wurde.

 

Gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g. F. über Lebensmittelhygiene hat der Lebensmittelunternehmer, die nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel zu treffen.

 

Nach Anhang II, Kapitel IX, Ziffer 3 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen.

 

Die vorliegende Probe entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. über Lebensmittelhygiene.

 

 

2.) die vorliegende Probe „Kaffeeeis" bestand aus 5 Teilproben.

Der Grenzwert „m" für Enterobacteriaceae wurde bei allen Teilproben überschritten.

 

Die vorliegende Teiiprobe 1 wies eine Kontamination im Ausmaß von 20 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 2 wies eine Kontamination im Ausmaß von 40 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 3 wies eine Kontamination im Ausmaß von 20 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 4 wies eine Kontamination im Ausmaß von 20 KBE/g auf.

Die vorliegende Teilprobe 5 wies eine Kontamination im Ausmaß von 50 KBE/g auf.

 

Diese Kontamination lässt eindeutig darauf schließen, dass bei der Produktion nicht die gebotene nötige Hygiene eingehalten wurde.

 

Gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. über Lebensmitteihygiene hat der Lebensmittelunternehmer, die nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel zu treffen.

 

Nach Anhang II, Kapitel IX, Ziffer 3 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen.

 

Die vorliegende Probe entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. über Lebensmittelhygiene.

 

Die Proben wurden in der Eisvitrine für den Verkauf bereitgehalten und befanden sich daher in Verkehr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

1.) § 90 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Lebensmittelsicherheits-und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG, BGBI.Nr. 13/2006 j.dg.F. in Verbindung mit Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. über Lebensmittelhygiene.

2.) § 90 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Lebensmittelsicherheits-und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG, BGBI.Nr. 13/2006 j.dg.F. in Verbindung mit Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 i.d.g.F. über Lebensmittelhygiene.

...“

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde gemäß § 90 Abs 3 LMSVG über den Bf zu 1) und 2) je eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitstrafe von 30 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu Spruchpunkten 1) und 2) wurden dem Bf gemäß § 64 VStG je 30 Euro (10% der Geldstrafe) und gemäß § 71 Abs 3 LMSVG der Ersatz der Untersuchungskosten der AGES von je 301,78 Euro vorgeschrieben (Gesamtbetrag 1.263,56 Euro).

 

I.2. Zur Begründung des Straferkenntnisses führt die belangte Behörde aus:

 

„Seitens des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Ernährungssicherheit und Veterinärwesen wurde mit Eingabe vom 11. Juli 2014 Anzeige über den im Spruch angeführten Sachverhalt erstattet.

 

Mit Strafverfügung vom 03. September 2014 wurde Ihnen der zur Last gelegte Sachverhalt vorgeworfen.

 

Gegen diese Strafverfügung haben Sie nunmehr vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. M M Einspruch erhoben, mit der Begründung, dass der Beschuldigte eine Rechtfertigung nicht abgeben könne, da diesem die Protokolle und Berichte der AGES nicht zur Verfügung stehen würden.

 

Im Zuge des Verfahrens wurden kostenpflichtige Kopien des Aktes hergestellt.

 

Am 22. Oktober 2014 legten Sie der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung Mikorbiologische Prüfberichte des Unternehmens Bioanalyticum - Insitut für Mikorbiologie und Hygiene Dr. Mag. R e.U. - über die Probenaufarbeitung mit Datum vom 25.06.2014 vor.

 

Diese haben jedoch für Sie keine schuldentlastende Wirkung, da mit dem Einspruch die Proben vom 05.05.2014 beanstandet wurden und diese somit mit dem Prüfbericht vom 25.06.2014 nicht widerlegt werden können.

 

Mit Schreiben vom 28.10.2014 wurden Sie aufgefordert, Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben, ansonsten würden die von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vorgenommenen Einschätzungen wie folgt der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden:

 

Monatliches Nettoeinkommen 3.000,00 Euro, durchschnittliches Vermögen, keine Sorgepflicht.

 

Die von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vorgenommenen Einschätzungen haben Sie im Zuge des Verfahrens nicht korrigiert.

 

 

Gemäß § 39 AVG kann die Behörde, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, das Ermittlungsverfahren für geschlossen erklären. Neue Tatsachen und Beweismittel sind von der Behörde nur zu berücksichtigen, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens eine anders lautende Entscheidung der Sache herbeiführen könnten.

 

Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises. Die Behörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, das zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

 

Im Ermittlungsverfahren sind keine neuen Tatsachen und Beweise hervorgekommen, weshalb von der Behörde über den Verfahrensgegenstand entschieden wird.

 

Die Behörde geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Anlässlich einer von G M (Aufsichtsorgan gem. § 24 LMSVG) durchgeführten Kontrolle gem. § 35 LMSVG, wurden im Betrieb F K Cafe und Konditorei GmbH, am 05.05.2014 um 09:30 Uhr folgende Probe entnommen, von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung (AGES) untersucht und wie folgt beurteilt:

 

Probe

U Zahl vom

Mangel

Probenzeichen

Vanilleeis

14045395-001 14.05.2014

Verstoß gegen die VO 852/2004 EG über Lebensmittelhygiene

4000MAYW0044/14

Kaffeeeis

14045396-001 14.05.2014

Verstoß gegen die VO 852/2004 EG über Lebensmittelhygiene

4000MAYW0045/14

Zum Zeitpunkt der Probenziehung wurde der Mangel nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht.

 

Die Probe wurde in der Eisvitrine für den Verkauf bereitgehalten und befand sich daher im Verkehr. Die Beobachtungen wurden im Rahmen einer dienstlichen Wahrnehmung gemacht.

 

Das Gutachten der AGES mit der Auftragsnummer 14045395 brachte folgendes Ergebnis:

 

Die vorliegende Probe "Vanilleeis" (bestehend aus 5 Teilproben) weist, wie aus dem Prüfbericht/Befund hervorgeht, eine Kontamination mit Enterobacteriaceae im Ausmaß von 30 KBE/g, 50 KBE/g, <10 KBE/g, 40 KBE/g und 60 KBE/g auf.

 

Nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 idgF. über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel, Prozesshygienekriterien Anhang I, Kapitel 2.2.8 Speiseeis und vergleichbare gefrorene Erzeugnisse auf Milchbasis, darf der Grenzwert für Enterobacteriaceae am Ende des Herstellungsprozesses, bei 5 Teilproben (n = 5) nur bei 2 Teilproben (c = 2) zwischen 10 KBE/g (m) und 100 KBE/g (M) betragen. Der Grenzwert „M" darf nicht überschritten werden.

 

Bei der vorliegenden Probe wird der Grenzwert "m" für Enterobacteriaceae bei 4 von 5 Teilproben überschritten. Das Ergebnis ist als unbefriedigend zu beurteilen.

 

Gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. über Lebensmittelhygiene obliegt es dem Lebensmittelunternehmer, die nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel zu treffen.

Nach Anhang II, Kapitel IX Z 3 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen.

Die deutliche Überschreitung der Prozesshygienekriterien deutet auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware hin, welche insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Zutaten, Temperaturkontrolle und eine entsprechende Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten etc. zu vermeiden wäre.

 

Aufgrund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses sind die hygienischen Bedingungen des entsprechenden Herstellungsprozesses als unbefriedigend zu beurteilen. Der Lebensmittelunternehmer hat die gemäß der guten Hygienepraxis erforderlichen betrieblichen Maßnahmen zur Verbesserung der Herstellungshygiene zu ergreifen sowie die Rohstoffqualität zu kontrollieren.

 

Die vorliegende Probe entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. über Lebensmittelhygiene.

Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. ist gemäß §4 Abs.1 LMSVG im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

 

 

Das Gutachten der AGES mit der Auftragsnummer 14045396 brachte folgendes Ergebnis:

 

Die vorliegende Probe "Kaffeeeis" (bestehend aus 5 Teilproben) weist, wie aus dem Prüfbericht/Befund hervorgeht, eine Kontamination mit Enterobacteriaceae im Ausmaß von 20 KBE/g, 40 KBE/g, 20 KBE/g, 20 KBE/g, 50 KBE/g auf.

 

Nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 idgF. über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel, Prozesshygienekriterien Anhang I, Kapitel 2.2.8 Speiseeis und vergleichbare gefrorene Erzeugnisse auf Milchbasis, darf der Grenzwert für Enterobacteriaceae am Ende des Herstellungsprozesses, bei 5 Teilproben (n = 5) nur bei 2 Teilproben (c = 2) zwischen 10 KBE/g (m) und 100 KBE/g (M) betragen. Der Grenzwert "M" darf nicht überschritten werden.

Bei der vorliegenden Probe wird der Grenzwert "m" für Enterobacteriaceae bei allen 5 Teilproben überschritten. Das Ergebnis ist als unbefriedigend zu beurteilen.

 

Gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. über Lebensmittelhygiene obliegt es dem Lebensmittel Unternehmer, die nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel zu treffen.

Nach Anhang II, Kapitel IX Z 3 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen.

Die deutliche Überschreitung der Prozesshygienekriterien deutet auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware hin, welche insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Zutaten, Temperaturkontrolle und eine entsprechende Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten etc. zu vermeiden wäre.

 

Aufgrund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses sind die hygienischen Bedingungen des entsprechenden Herstellungsprozesses als unbefriedigend zu beurteilen. Der Lebensmittelunternehmer hat die gemäß der guten Hygienepraxis erforderlichen betrieblichen Maßnahmen zur Verbesserung der Herstellungshygiene zu ergreifen sowie die Rohstoffqualität zu kontrollieren.

 

Die vorliegende Probe entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. über Lebensmittelhygiene.

Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 idgF. ist gemäß §4 Abs.1 LMSVG im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat erwogen:

 

Gemäß § 90 Abs. 3 LMSVG begeht, wer den in der Anlage genannten unmittelbaren Rechtsakten der europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 od. § 15 zuwider handelt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu € 50.000,00, im Wiederholungsfall bis zu € 100.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

 

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene, Artikel 4 Abs. 1 haben Lebensmittelunternehmer, die in der Primärproduktion tätig sind und die in Anhang 1 aufgeführten und damit zusammenhängenden Vorgänge durchführen, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang 1, Teil A sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. /2004* zu erfüllen.

 

Gemäß Anhang II Kapitel III, Ziffer 3 sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre. Die deutliche Überschreitung der Prozesshygienekriterien deutet auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware hin, welche insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Zutaten, Temperaturkontrolle und eine entsprechende Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten etc. zu vermeiden wäre.

 

Aufgrund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses sind die hygienischen Bedingungen des entsprechenden Herstellungsprozesses als unbefriedigend zu beurteilen. Der Lebensmittelunternehmer hat die gemäß der guten Hygienepraxis erforderlichen betrieblichen Maßnahmen zur Verbesserung der Herstellungshygiene zu ergreifen sowie die Rohstoffqualität zu kontrollieren.

 

Das LMSVG sieht hinsichtlich des Verschuldens keine eigene Regelung vor. Es kommt daher § 5 Abs. 1 VStG zum Tragen, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn ein Verbot zuwidergehandelt wird oder ein Verbot nicht befolgt wird und zum Tatbestand eine Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft machen kann, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erste Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen.

Sie haben im Verfahren im Rahmen Ihrer Mitwirkungspflicht Proben vorgelegt, die dadurch, dass sie nicht zum gleichen Zeitpunkt wie die Probenentnahme durch das befugte Kontrollorgan erfolgten, die Proben des befugten Kontrollorganes nicht wiederlegen. Somit können Sie die von Ihnen vorgelegten Proben von der Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht entlasten.

Einen Schuldentlastungsbeweis in subjektiver Hinsicht im Sinne der vorstehenden Gesetzesbestimmung vermochten Sie nicht zu erbringen. Es war Ihnen daher zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann nicht als gering gewertet werden, zumal dem LMSVG (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes) eine besondere Sorgfalt zukommen zu lassen ist.

 

Die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Im Zuge des Verfahrens wurden die von Ihnen bekanntgegebenen Einkommens- Vermögensund Familienverhältnisse geschätzt und von Ihnen nicht korrigiert und der Strafbemessung zugrunde gelegt.

Monatliches Nettoeinkommen 3.000,00 Euro, durchschnittliches Vermögen, keine Sorgepflichten.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.“

 

 

II. Gegen dieses dem Bf am 17. November 2014 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Beschwerde vom 12. Dezember 2014, die rechtzeitig bei der Strafbehörde am 15. Dezember 2014 einlangte. Zur Begründung führt die Beschwerde aus:

 

 

„Der Beschwerdeführer erhebt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.11.2014, zugestellt am 17.11.2014, GZ SanRB96-41-2014-Prö, fristgerecht

 

BESCHWERDE:

 

 

1.   Das Straferkenntnis wird zur Gänze angefochten. Der Beschwerdeführer hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung weder in objektiver, noch in subjektiver Hinsicht begangen.

 

2.   Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F K Cafe und Konditorei GmbH zu vertreten, dass die nötige Hygiene bei der Produktion des Speiseeises nicht eingehalten worden sei.

 

Dies ist gänzlich unzutreffend.

 

3.   Das Straferkenntnis ist keinesfalls hinreichend bestimmt. Als Tatvorwurf wird festgestellt "Diese Kontamination lässt eindeutig darauf schließen, dass bei der Produktion nicht die gebotene nötige Hygiene eingehalten wurde."

 

Diese Feststellung ist von keinem Beweisergebnis gedeckt. Wie die belangte Behörde der Meinung sein kann, dass bei der Produktion nicht die gebotene nötige Hygiene eingehalten wurde, ist aus dem Akt nicht ersichtlich.

 

Das Straferkenntnis, insbesondere die "Tathandlung", ist daher nicht hinreichend bestimmt.

 

Darüber hinaus wurde auch nicht festgestellt, wo diese Proben gezogen wurden. Nicht festgestellt werden kann, ob es sich dabei um Eis gehandelt hat, das tatsächlich zum Verkauf bereitgehalten wurde, da nicht ersichtlich ist, wo sich die angeführte Eisvitrine örtlich befunden hat.

 

4.   Darüber hinaus wurde in der Konditorei, wie bereits auch in der Stellungnahme vom 22.10.2014 dargetan wurde, auch eine Hygieneschulung vorgenommen.

 

5.   In jedem Fall trifft den Beschwerdeführer kein Verschulden an einer allfälligen Verunreinigung. Er hat sämtliche zumutbaren Schritte gesetzt, um die Hygiene einzuhalten.

 

6.   Weiters ist darauf hinzuweisen, dass das der Verwaltungsübertretung zugrundegelegte Einkommen zu hoch bemessen wurde. Mit Schreiben vom 28.10.2014 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis zum 15.11.2014 sein Einkommen bekanntzugeben. Am 14.11.2014 wurde per Post und auf vorab per Email bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer arbeitsrechtlich ein monatliches Einkommen von € 250,00 bezieht. Das Straferkenntnis ist jedoch vom 13.11.2014 und wurde somit dem Straferkenntnis auch nicht die Erhebungen betreffend des Einkommens zugrundegelegt, da das Erkenntnis am 13.11.2014 erlassen wurde, die Frist zur Stellungnahme jedoch bis zum 15.11.2014 war.

 

Aus all diesen Gründen stellt daher der Beschwerdeführer nachstehende

 

ANTRÄGE:

 

1.      Eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht anzuberaumen;

 

2.      Der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.11.2014, SanRB96-41-2014-PrÖ, dahingehend abzuändern, dass das Strafverfahren zur Gänze eingestellt wird;

 

3.      Der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.11.2014, SanRB96-41-2014-Prö,aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Linz, am 12. Dezember 2014 W H“

 

 

III. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

 

Zu dem aus der Aktenlage feststellbaren Sachverhalt kann grundsätzlich auf das angefochtenen Straferkenntnis und seine Darstellung in tatsächlicher Hinsicht verwiesen werden. Die Probenahme am 5. Mai 2014 im Betrieb der F K Cafe und Konditorei GmbH am H wird entsprechend der Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung (Lebensmittelaufsicht) vom 11. Juli 2014 beschrieben und die Ergebnisse der dazu eingeholten Prüfberichte und Gutachten nach den Amtlichen Untersuchungszeugnissen der AGES werden angeführt. Danach waren bezüglich der Probenahme vom Vanilleeis 4 der 5 Teilproben und der Probenahme vom Kaffeeeis alle 5 Teilproben mit Enterobacteriaceae kontaminiert, zumal der nach den Prozesshygienekriterien gemäß Anhang I Kapitel 2.2.8 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 maßgebliche Grenzwert „m“ von 10 KBE/g (Kolonien bildende Einheiten/Gramm) jeweils überschritten wurde und die Proben insgesamt als unbefriedigend zu beurteilen waren. Nach den Interpretationsanweisungen der zitierten Verordnung weisen die Testergebnisse auf die mikrobiologischen Bedingungen des entsprechenden Herstellungsprozesses hin.

 

Die Beschwerde wendet sich gegen die auf Basis der Untersuchungsergebnisse der AGES zur Kontamination der Teilproben getroffene allgemeine Feststellung der belangten Behörde, dass die gebotenen Hygiene bei der Produktion nicht eingehalten worden sei, und rügt dazu das Fehlen eines aktenkundigen Beweisergebnisses. Die Tathandlung sei auch nicht hinreichend bestimmt.

 

Mit Eingabe vom 22. Oktober 2014 wurden im Rahmen der Eigenkontrolle eingeholte mikrobiologische Prüfberichte vom 27. Juni 2014 des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene Dr. Mag. R e.U. (Gutachter gemäß § 73 LMSVG) zu Nrn. P340614/44 (Kaffeeeis) und P340614/43 (Vanilleeis) betreffend je 5 Teilproben (Stichprobe) des Speiseeis (Herstellung 25.06.2016) vorgelegt, bei denen die Untersuchung auf Enterobacteriaceae durchwegs Werte unter 10 KBE/g ergab und damit der Grenzwert „m“ nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) 2073/2005 der Kommission über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel im Anhang I Kapitel 2.2.8. für Speiseeis bei allen Teilproben eingehalten wurde. Außerdem wird auf eine Hygieneschulung in der Konditorei K am 1. August 2014 verwiesen und dazu ein von den unterwiesenen Personen unterschriebenes Protokoll vorgelegt, das als Thema allgemeine Hygienerichtlinien und Arbeitsabläufe angibt.

 

Die tatsächlichen Umstände sind an sich nicht strittig, nur deren Interpretation und rechtliche Bedeutung für den erhobenen Vorwurf. Dabei geht es neben den technischen Vorgaben durch die zitierte Verordnung vorwiegend um die Lösung von Rechtsfragen.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Rechtslage

 

Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 67/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 50.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 4 Abs 1 LMSVG sind die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften im Rahmen des LMSVG zu vollziehen. Nach Abs 3 kann die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Verordnung nähere Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte erlassen.

 

Im Teil 2 der Anlage zum LMSVG wird in der Ziffer 1 die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004) angeführt. Die noch auf Grund des Lebensmittelgesetzes (LMG) 1975 erlassene Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl II Nr. 31/1998, ist gemäß § 95 Abs 7 Z 12 LMSVG mit In-Kraft-Treten des LMSVG am 1. Jänner 2006 außer Kraft getreten.

 

Nach der Begriffsbestimmung im Art 2 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene bezeichnet für Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck

 

„a) ‚Lebensmittelhygiene‘ (im Folgenden ‚Hygiene‘ genannt) die Maßnahmen und Vorkehrungen, die notwendig sind, um Gefahren unter Kontrolle zu bringen und zu gewährleisten, dass ein Lebensmittel unter Berücksichtigung seines Verwendungszwecks für den menschlichen Verzehr tauglich ist;

...

f) ‚Kontamination‘ das Vorhandensein oder das Hereinbringen einer Gefahr;

... .“

 

Gemäß Art 3 der zitierten EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene stellen Lebensmittelunternehmer sicher, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die einschlägigen Hygienevorschriften dieser Verordnung erfüllt sind.

 

Nach dem Art 4 Abs 2 der EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Abs 1 (Primärproduktion) nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen. Dieser Anhang II enthält allgemeine Hygienevorschriften für alle Lebensmittelunternehmer, außer denen für die Anhang I (Primärproduktion) gilt.

 

Gemäß Kapitel IX Z 3 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene sind Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

 

Gemäß Art 4 Abs 3 der EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene treffen Lebensmittelunternehmer gegebenenfalls die folgenden spezifischen Hygienemaßnahmen:

a)   Erfüllung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel;

b)   Verfahren, die notwendig sind, um den Zielen zu entsprechen, die zur Erreichung der Ziele dieser Verordnung gesetzt worden sind;

c)   Erfüllung der Temperaturkontrollerfordernisse für Lebensmittel;

d)   Probenahme und Analyse.

 

Nach Art 4 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 werden die im Absatz 3 genannten Kriterien, Erfordernisse und Ziele sowie die entsprechenden Methoden für die Probenahme und die Analyse von der Kommission festgelegt. Dazu ist mit den entsprechenden Durchführungsbestimmungen die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 ergangen. Nach dem Art 1 dieser Verordnung werden die mikrobiologischen Kriterien sowie die Durchführungsbestimmungen festgelegt, die von Lebensmittelunternehmern bei der Durchführung allgemeiner und spezifischer Hygienekriterien gemäß Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 einzuhalten sind.

 

Folgende Begriffsbestimmungen des Art 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sind gegenständlich relevant:

„...

d)  ‚Prozesshygienekriterium‘: ein Kriterium, das die akzeptable Funktionsweise des Herstellungsprozesses angibt. Ein solches Kriterium gilt nicht für die im Handel befindlichen Erzeugnisse. Mit ihm wird ein Richtwert für die Kontamination festgelegt, bei dessen Überschreitung Korrekturmaßnahmen erforderlich sind, damit die Prozesshygiene in Übereinstimmung mit dem Lebensmittelrecht erhalten wird;

....

l) ‚Einhaltung der mikrobiologischen Kriterien‘: die Erzielung befriedigender oder akzeptabler Ergebnisse gemäß Anhang I bei der Untersuchung anhand der für das Kriterium festgelegten Werte durch Probenahme, Untersuchung und Durchführung von Korrekturmaßnahmen gemäß dem Lebensmittelrecht und den von der zuständigen Behörde gegebenen Anweisungen;

...“

 

Art 3 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 wiederholt die schon aus Art 4 Abs 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 folgende Verpflichtung der Lebensmittelunternehmer sicherzustellen, dass Lebensmittel die mikrobiologischen Kriterien des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 einhalten. Die Lebensmittelunternehmer haben dazu Maßnahmen im Rahmen ihrer auf HACCP-Grundsätzen beruhenden Verfahren (vgl dazu Art 5 VO [EG] Nr. 852/2004 betreffend Grundsätze der Gefahrenanalyse und der Überwachung kritischer Kontrollpunkte) zu treffen, um zu gewährleisten, dass die Prozesshygienekriterien eingehalten werden. Im Art 5 Abs 2 lit a) bis g) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 werden die von Lebensmittelunternehmern zu beachtenden HACCP-Grundsätze für ein System zur Eigenkontrolle aufgelistet.

 

Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis sollen Lebensmittelunternehmern auf freiwilliger Basis dabei helfen, die Anforderungen der Lebensmittelhygienevorschriften einhalten zu können (vgl näher Blass ua, LMR3 Art 7 ff VO [EG] 852/2004). Zu diesem Thema ist auf den Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung von HACCP-gestützten Verfahren und zur Erleichterung der Umsetzung der HACCP-Grundsätze in bestimmten Lebensmittelunternehmen hinzuweisen (Wiedergabe bei Blass ua, LMR3 VII C 5). Außerdem ist auf die entsprechenden Hygieneleitlinien hinzuweisen, die vom Bundesministerium für Gesundheit (aufrufbar über www.bmg.gv.at) im Internet veröffentlicht werden. Zur Geschäftszahl BMGF-75210/0054-IV/B/10/2005 vom 19.12.2005 wurde etwa die Leitlinie für eine gute Hygienepraxis und die Anwendung der Grundsätze des HACCP in gewerblichen Konditoreien veröffentlicht.

 

Als Sorgfaltsmaßstab wird mit Rücksicht auf die jeweilige Verarbeitungs- und Vertriebsstufe von Lebensmitteln auf einen einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters (zur sog. differenzierten Maßfigur näher Burgstaller in Wiener Kommentar2 § 6 Rz 38 u 48 ff), also im konkreten Fall auf einen einsichtigen und gewissenhaften Konditor abzustellen und zu fragen sein, welche angemessenen Vorsorgemaßnahmen man bei der Herstellung und dem Feilhalten von Speiseeis von einem solchen Konditor erwarten konnte, um den durch bestimmte Prozesshygienekriterien vorgeschriebenen Hygienestandard einzuhalten. Ebenso wie die Richtlinien des ÖLMB kraft Verkehrssitte als Verkehrsnormen gelten, die das Maß der Sorgfaltspflicht für Angehörige des angesprochenen Verkehrskreises bestimmen (vgl Leukauf/Steininger StGB3 § 6 Rz 11), fließen auch die Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (Hygienepraxis) als solche Verkehrsnormen in die Beurteilung der gebotenen Sorgfalt ein. Verkehrsnormen sind zwar nicht unmittelbar rechtlich verbindlich, dienen aber als Mittel zur Feststellung der Verkehrssitte (Sorgfaltsregeln, die innerhalb eines Verkehrskreises beachtet werden), die als ein rechtlich delegierter Beurteilungsmaßstab anzusehen ist (vgl mwN Burgstaller in Wiener Kommentar2 § 6 Rz 47).

 

IV.2. Spruchkonkretisierung bei gebotenen Vorsorgemaßnahmen

 

Aus den dargestellten Rechtsvorschriften ergibt sich allgemein, dass Lebensmittelunternehmer zur Einhaltung von mikrobiologischen Kriterien für Lebensmittel bzw von vorgeschriebenen Prozesshygienekriterien im Herstellungsprozess geeignete Vorsorgemaßnahmen im Rahmen ihrer auf HACCP-Grundsätzen beruhenden Verfahren zu ergreifen haben, wobei insbesondere die Gefahren zu ermitteln und die kritischen Kontrollpunkte zu ihrer Vermeidung oder Reduzierung zu bestimmen sowie effektive Verfahren zur Überwachung der Kontrollpunkte festzulegen und durchzuführen sind. Auch die "Vorschriften für Lebensmittel" im Kapitel IX des Anhangs II der EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene zielen auf derartige Vorsorgemaßnahmen ab, um hygienische Nachteile zu vermeiden, den Verderb zu verhindern und allgemein Schutz vor Kontaminationen zu gewährleisten.

 

Zum vergleichbaren früheren § 3 Lebensmittelhygieneverordnung 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2004/10/0029, klargestellt, dass nach der Lebensmittelhygieneverordnung nicht das Inverkehrbringen von hygienisch negativ beeinträchtigten Lebensmitteln, sondern die Unterlassung von geforderten Vorsorgemaßnahmen unter Strafe gestellt wurde. Dabei verwies der Verwaltungsgerichtshof auf das ähnliche Tatbild des § 20 LMG 1975, die Unterlassung der Vorsorge zur Vermeidung der hygienisch nachteiligen Beeinflussung, bei dem die Verwaltungsstrafbehörde nach seiner Judikatur verpflichtet war, im Tatvorwurf eine individualisierte Umschreibung jener Handlungen vorzunehmen, die der Täter hätte setzen müssen (Hinweis auf VwSlg 10998 A/1983; VwGH 19.11.1990, Zl. 98/10/0201; VwGH 11.11.1991, Zl. 91/10/0026). Da auch der § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung Verpflichtungen des Inhabers oder Geschäftsführers eines Lebensmittelinternehmens so umschrieb, dass diese dafür Sorge zu tragen haben, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden und sich daraus unterschiedliche Anforderungen je nachdem, auf welcher Stufe des Inverkehrbringens das Unternehmen tätig ist, ergaben, erforderte der § 44a Z 1 VStG im Fall einer Bestrafung gemäß § 74 Abs 4 Z 1 LMG iVm § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung ebenfalls eine konkrete Umschreibung der vom Täter unterlassenen Maßnahmen. Dabei ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs unter Bezugnahme auf kritische Punkte im Prozessablauf des Lebensmittelunternehmens darzustellen, welche wirksamen Prüf- und Überwachungsverfahren dafür vorhanden sein müssen, und ob der Beschuldigte die Feststellung der kritischen Punkte schuldhaft unterlassen oder ungeachtet ihrer Feststellung nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat. Mit der bloßen Wiederholung des Tatbestands oder dem bloßen Vorwurf, der Beschuldigte habe der hygienisch nachteiligen Beeinflussung „nicht ordnungsgemäß vorgebeugt“ wird dem Konkretisierungsgebot nicht entsprochen (Hinweis auf VwSlg 10998 A/1983).

 

Diese Grundsätze sind auch für die gegenständliche Sach- und Rechtslage einschlägig, bei der es im Wesentlichen ebenfalls um den Vorwurf der Unterlassung von Maßnahmen zur Vermeidung einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung bzw fallbezogen von Sicherheitsmaßnahmen zur Einhaltung von Prozesshygienekriterien (bestimmte mikrobiologische Kriterien von Speiseeis) geht. Die nunmehr seit der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene geltende Rechtslage ist mit jener nach der Lebensmittelhygieneverordnung 1998 vergleichbar. Auch Art 4 der zitierten EG-Verordnung geht allgemein von der Einhaltung von Hygienevorschriften und davon aus, dass die Lebensmittelunternehmer gegebenenfalls besondere Hygienemaßnahmen zu ergreifen haben (Abs 3). Im Art 5 der zitierten EG-Verordnung (Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte) werden Lebensmittelunternehmer verpflichtet, Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten. Das Gleiche konnte auch im § 3 Lebensmittelhygieneverordnung nachgelesen werden.

 

IV.3. Spruchanforderungen und substanzielle Spruchmängel

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuord­nung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11466 A/1984 und VwSlg 11894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522).

 

Wie schon unter IV.2. näher ausgeführt, geht es auch im vorliegenden Fall um Zuwiderhandlungen durch Unterlassung gebotener Vorsorgemaßnahmen und damit um die gleiche Art Unterlassungsdelikt wie in dem zu § 3 Lebensmittelhygieneverordnung 1998 ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. März 2007, Zl. 2004/10/0029. Dessen grundlegenden Aussagen sind demnach einschlägig und auf den gegenständlichen Fall übertragbar.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis nur die inhaltlich dürftige Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorgans über die Probenahme vom 5. Mai 2014 und die dazu eingeholten amtlichen Untersuchungszeugnisse der AGES ausgewertet. Der Spruch erschöpft sich in der Darstellung der Ergebnisse dieser Untersuchung und der fachlichen Beurteilung der Proben als „unbefriedigend“. Aus der festgestellten Kontamination wird geschlossen, dass die gebotene Hygiene bei der Produktion nicht eingehalten worden sei, ohne dazu irgendwelche konkreten Umstände aufzuzeigen. Dann wird auf Pflichten des Lebensmittelunternehmers nach Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 hingewiesen und ganz allgemein festgestellt, dass der Lebensmittelunternehmer die nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel zu treffen habe. Nach Anhang II Kap IX Z 3 seien Lebensmittel auf allen Stufen der Erzeugung, Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen.

 

Für den Vorwurf der Unterlassung von nötigen Maßnahmen zur Einhaltung mikrobiologischer Kriterien genügt es nicht, bloß das Untersuchungsergebnis in Bezug auf gezogene amtliche Proben zu beschreiben, weil im modernen Schuldstrafrecht wie auch im Verwaltungsstrafrecht eine bloße Erfolgshaftung des Täters nicht in Betracht kommen kann. Dem Täter muss vielmehr ein konkretes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Unterlassung von gebotenen Maßnahmen bezogen auf die jeweilige Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufe des Unternehmens angelastet und ein auf diese Weise bestimmter Verhaltensvorwurf im Spruch gemacht werden.

 

Die belangte Behörde hat aber nur auf Pflichten des Lebensmittelunternehmers in Rechtsvorschriften abstrakt hingewiesen, ohne einen bestimmten, durch konkrete Umstände individualisierten Verhaltensvorwurf zu umschreiben. Es mangelt dem Spruch daher an der nach dem § 44a Z 1 VStG erforderlichen Konkretisierung in Bezug auf die vom Beschuldigten unterlassenen Maßnahmen, sei es nun, dass er kritische Punkte im Prozessablauf (Herstellungsprozess oder beim Feilhalten in der Eisvitrine) entweder gar nicht bestimmt hat oder unbeachtet ließ und die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen nicht festgelegt oder nicht (ausreichend) umgesetzt wurden.

 

IV.4. Ergebnis

 

Die belangte Behörde hat die aus der gegebenen Rechtslage beim fahrlässigen Unterlassungsdelikt abzuleitenden Anforderungen an den Spruch offensichtlich verkannt. Weder im Spruch noch in der Begründung hat sich die Strafbehörde auch nur ansatzweise mit der Problematik auseinandergesetzt. Dementsprechend ist dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt auch keine taugliche Verfolgungshandlung zu entnehmen. Nach Ablauf der Jahresfrist des § 31 Abs 1 VStG ist mittlerweile längst Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Da das angefochtene Straferkenntnis dem Bf weder ein bestimmtes und hinreichend konkretisiertes Verhalten vorwirft, noch Feststellungen zu den gebotenen Hygienemaßnahmen trifft, war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren wegen Fehlens einer substanziell zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 (Verfolgungsverjährung) VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt sowohl die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 66 Abs 1 VStG) als auch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 52 Abs 9 VwGVG) und weiter gemäß § 71 Abs 3 LMSVG die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung, zumal insofern ein Straferkenntnis und damit eine Verurteilung vorausgesetzt wird.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof  beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß