LVwG-150639/8/VG/WP

Linz, 21.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde der E E, x, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Februar 2015, GZ: Verk-960271/24-2015-Ba/Eis, betreffend Enteignung in einer Straßenangelegenheit

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriger Verfahrensgang:

 

1. Mit Eingabe vom 21. Mai 2014 beantragte das Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung (im Folgenden: Antragstellerin), bei der Oö. Landesregierung als zuständige Straßenbehörde unter Vorlage von Projektunterlagen die straßenbaurechtliche Bewilligung für die "Umfahrung Mattighofen-Munderfing, Abschnitt 1“ (im Folgenden kurz: Umfahrung Munderfing).

 

2. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 30. Juli 2014, GZ: Verk-960253/284-2014-Ba/Eis, wurde die beantragte straßenrechtliche Bewilligung nach Maßgabe des bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen Einreichprojektes straßenrechtlich bewilligt.

 

3. Die gegen diesen Bescheid ua von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 29. Mai 2015, GZ: LVwG-150368/52/RK/FE, als unbegründet abgewiesen.

 

4. Mit Bescheid vom 29. Juli 2014, GZ: N10-205-2013-Ps, erteilte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn der Antragstellerin die naturschutz­rechtliche Bewilligung für die Umfahrung Munderfing.

 

5. Am 28. April 2014 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eine wasserrechtliche mündliche Verhandlung zur Umfahrung Munderfing durchgeführt. Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung erstatteten die Amtssachverständigen für Hydrogeologie, Hydrologie, Landwirtschaft sowie für Wasserbautechnik Gutachten. Im Ergebnis wurde das Straßenbauvorhaben von allen beigezogenen Amtssachverständigen positiv bewertet.

 

6. Mit Bescheid vom 8. Juni 2015, Wa10-10-50-2014, wurde das Straßenbau­vorhaben von der Bezirkshauptmann­schaft Braunau am Inn wasserrechtlich bewilligt. Über die dagegen erhobene Bescheidbeschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis dato nicht entschieden.

 

7. Mit Eingabe vom 17. November 2014, GZ: GeoL-C-310305/15-2014-Gu, beantragte die Antragstellerin unter Vorlage von Grundeinlöseplänen, Grund­einlöseverzeichnissen und Grundbuchsauszügen bei der Oö. Landes­regierung (im Folgenden: belangte Behörde) die Durchführung eines Grundeinlöse- bzw Enteignungsverfahrens zur Verwirklichung des eingangs erwähnten Straßenbau­vorhabens Umfahrung Munderfing. Die Antragstellerin weist darin auf die bisherigen Bemühungen um eine gütliche Einigung mit der Bf hin.

 

8. Mit Erledigung vom 18. November 2014, GZ: Verk-960271/2-2014-Ba/Eis, wurden von der belangten Behörde mündliche Verhandlungen „zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts und zur Wahrung der Interessen der Parteien und Beteiligten“ für die Verhandlungstage 17. und 18. Dezember 2014 sowie 8. und 22. Jänner 2015 anberaumt. Das Programm sah die mündliche Verhandlung mit der Bf am 18. Dezember 2014 vor. In der Kundmachung wurde darauf hingewiesen, dass das Einreichprojekt sowie ein Grundeinlöseplan und ein Grundeinlöseverzeichnis bis zum Tage vor Beginn der jeweiligen mündlichen Verhandlung beim Amt der Oö. Landesregierung während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufliege. Auf die Folgen des Unterlassens der Erhebung von Einwendungen iSd § 42 Abs 1 und 2 AVG wurde hingewiesen.

 

9. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 urgierte die Bf, auf die Kundmachung der mündlichen Verhandlung zur Durchführung des Grundeinlöse- und Enteignungsverfahrens der belangten Behörde, GZ: Verk-96027/2-2014-Ba/Eis, bezugnehmend, bei der belangten Behörde die fehlende Übermittlung der den Angeboten zugrundeliegenden Bewertungsgutachten und forderte, die Antragstellerin habe Verhandlungen zur gütlichen Einigung unter Einhaltung einer Frist von mindestens 4 Wochen bzw 2 Wochen anzukündigen. Eine andere Vorgehensweise entspreche nicht den Vorgaben der Verwaltungsverfahrens­gesetze. Die Bf beantragte abschließend die Vertagung der Sitzung und regte an, das „Amt der Landesregierung [möge] die angeforderten Unterlagen vollinhaltlich mit angemessener Frist von mindestens 14 Tagen (nach Erhalt) vor einem neuen Termin für Grundeinlöseverfahren“ übermitteln. Das Schreiben der Bf traf aufgrund eines „Softwarefehlers der Postserver Onlinezustelldienst GmbH“ erst am 14. Jänner 2015 bei der belangten Behörde ein. Mit E-Mail vom 12. Jänner 2015 beantragte die Bf bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau aufgrund der (ohne Verschulden der Bf) nicht rechtzeitig bei der Behörde eingelangten Einwendungen die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“.

 

10. Am 18. Dezember 2014 fand die mündliche Verhandlung über den verfahrenseinleitenden Enteignungsantrag der Antragstellerin zur Einlösung der betroffenen Grundstücksteile der Bf statt. Die Bf nahm an dieser Verhandlung nicht teil. Der beigezogene straßenbautechnische Amtssachverständige erläuterte das Projekt und stellte in seinem Gutachten ausdrücklich fest: „Für die plangemäße Durchführung des Straßenprojektes ist aus dem Grundbesitz [der Bf] die dauernde Grundinanspruchnahme von 850 m² für Landesstraßen und 200 m² für Gemeindestraßen unbedingt erforderlich“. Darüber hinaus ist der Verhandlungsschrift das Bewertungsgutachten zur Ermittlung der Entschädigungshöhe beigefügt.

 

11. Am 26. Jänner 2015 fand eine weitere mündliche Verhandlung statt, in der das Vorbringen der Bf (siehe Punkt I.10.) erläutert und von der Antragstellerin festgehalten wurde, dass der Bf mehrfach (nachweislich) Angebote zur gütlichen Einigung übermittelt wurden respektive mehrfach zu einer Verhandlung zu Zwecken der gütlichen Einigung geladen wurde. Im Hinblick auf die Forderung nach Einhaltung einer mehrwöchigen Frist bei der Einladung zu mündlichen Verhandlungen verwies die Antragstellerin darauf, dass Verhandlungen zur gütlichen Einigung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung stattfänden und in diesem Bereich die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung fänden.

 

12. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2015 wurde dem Enteignungsantrag der Antragstellerin betreffend die Grundstücksteile der Bf stattgegeben (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurden die Anträge auf Vertagung bzw Abberaumung der Enteignungsverhandlung vom 18. Dezember 2014 abgewiesen. Dem von der Bf gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Spruchpunkt III. stattgegeben. In Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde die Entschädigung für die Grundinanspruchnahme festgesetzt; im Spruchpunkt V. wurde ausgesprochen, dass die Inbesitznahme der enteigneten Grundflächen durch die Antragstellerin von der Bf nach Rechtskraft dieses Bescheides und Auszahlung bzw gerichtlicher Hinterlegung der Entschädigung jederzeit zu dulden sei.

 

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, dass die Festlegung der Straße für den gegenständlichen Straßenabschnitt mit Verordnung der Oö. Landesregierung vom 29. Mai 2009, LGBl 52, erfolgt sei. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 30. Juli 2014 sei dieser Straßenabschnitt auch straßenrechtlich bewilligt worden. Damit seien die Notwendigkeit und das öffentliche Interesse an der Errichtung der Umfahrung Munderfing dokumentiert. Die naturschutzrechtliche Bewilligung sei mit Bescheid der Bezirkshauptmann­schaft Braunau am Inn vom 29. Juli 2014 erteilt worden. Hinsichtlich der wasserrechtlichen Bewilligung habe bereits eine wasserrechtliche mündliche Verhandlung samt Beiziehung von Amtssachverständigen stattgefunden. Eine Bewilligung habe bisher nur deswegen nicht erteilt werden können, weil das für die wasserrechtliche Bewilligung erforderliche dingliche Recht (nämlich das Eigentum an den von der Bewilligung betroffenen Grundflächen) noch nicht sichergestellt sei. Ob die Voraussetzung für die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung vorlägen, sei daher im Wege einer Vorfrage zu lösen. Hiezu seien die entsprechenden wasserrechtlichen Verfahrensunterlagen (Niederschrift samt der darin enthaltenen Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen) beigeschafft worden. Auf Basis der Gutachten der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, Hydrologie und Hydrogeologie könne bei befund- und projektgemäßer Ausführung und Beachtung der von den Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen davon ausgegangen werden, dass die wasserrechtliche Bewilligung zu erteilen sein werde. Durch die bereits vorliegenden Bewilligungen nach dem Oö. Straßengesetz 1991 und des Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 sowie der von der Enteignungsbehörde getroffenen Erwägungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 könne mit der bescheidmäßig verfügten Grundinanspruchnahme zweifellos die Notwendigkeit der Abdeckung des konkreten Bedarfes begründet werden. Somit sei im Enteignungsverfahren lediglich zu prüfen, ob die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der enteigneten Liegenschaften (bzw Liegenschaftsteile) als erwiesen anzusehen sei, dh ob diese im beantragten Umfang tatsächlich für die plangemäße Durchführung des Projektes erforderlich seien. Diesbezüglich wurden von den betroffenen Grundeigentümern keinerlei Ausführungen dahingehend getätigt, dass die von der Enteignung erfassten Grundflächen nicht für die Umsetzung dieses Projektes notwendig wären. Zudem ergäbe sich aus dem Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen mit hinlänglicher Deutlichkeit, dass die im Spruch dieses Bescheides umschriebenen Grundflächen für die Realisierung dieses Bauvorhabens im Sinne des § 36 Abs 2 Oö. Straßengesetz 1991 unbedingt notwendig seien.

 

Der Bescheid wurde der Bf am 27. Februar 2015 zugestellt.

 

13. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Bf beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge (1) der Bescheidbeschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen; (2) den gesamten angefochtenen Bescheid zur Gänze aufheben; (3) in eventu, nach Abschluss des Vorverfahrens eine mündliche Verhandlung durchführen. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges bringt die Bf auf das Wesentliche zusammengefasst vor:

(1) Unter dem Titel „Rechtswidrige Eilverfahren“ bringt die Bf vor, es hätten zum gleichen Zeitpunkt (3. und 4. Juli 2014) zwei verschiedene mündliche Verhandlungen („Umlegung der Landesstraße B147, straßenrechtliche Bewilligung, Neben und Begleitwege“) stattgefunden und sei daher das Recht der Bf auf Parteiengehör und „auf den ordnungsgemäßen Richter“ verletzt worden. (2) Im Hinblick auf § 36 Abs 1 Oö. Straßengesetz 1991 und die damit verbundene Voraussetzung des Versuchs der gütlichen Einigung zu Zwecken des Erwerbs der – zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens erforderlichen – Flächen der Bf, bringt diese vor, die Antragstellerin habe in bloß ungeeigneter Weise versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen. (3) In ihrem weiteren Vorbringen unterstellt die Bf der Antragstellerin, diese habe bereits in der Vergangenheit „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“ und durch Verwendung „[o]bjektiv falsche[r] Angaben“ versucht, im Wege der Enteignung landwirtschaftlich genützte Grundstücke der Bf in ihren Besitz zu bringen. Die belangte Behörde erziele – auch im gegenständlichen Verfahren – durch aktenwidrige Bescheidbegründungen ein der belangten Behörde genehmes Ergebnis. (4) Weiters bringt die Bf vor, das verfahrensgegenständliche Straßenbauvorhaben sei nicht wirtschaftlich und sei keine der Voraussetzungen des § 13 Oö. Straßengesetz 1991 als erfüllt anzusehen. (5) Abschließend behauptet die Bf, es bestünden erhebliche Zweifel an der Verfassungs- respektive Unionsrechtskonformität des Verweises in § 36 Abs 2 Oö. Straßengesetz 1991 zur sinngemäßen Anwendbarkeit des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes.

 

Dem Beschwerdeschriftsatz ist kein Kostenverzeichnis einer allfälligen – dem Verfahren beigezogenen – rechtsfreundlichen Vertretung (Rechtsanwalt) der Bf angeschlossen.

 

14. Mit Schreiben vom 14. April 2015, am darauffolgenden Tag beim Landesverwaltungsgericht eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vor. Es seien keine Aktenstücke von der Akteneinsicht ausgenommen, werde keine mündliche Verhandlung beantragt und ausdrücklich auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet. Zum Vorbringen der Bf unter dem Titel „Rechtswidrige Eilverfahren“ weist die belangte Behörde darauf hin, dass sich diese Einwendung auf das straßenrechtliche Bewilligungsverfahren beziehe und diesem Vorbringen damit hier keine rechtliche Bedeutung zukomme.

 

15. Mit Schreiben vom 22. April 2015, GZ: GeoL-C-310305/85-2015-Gu, übermittelte die Antragstellerin eine Stellungnahme zu den von ihr unternommenen Versuchen zur Erwirkung einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Bf zur Grundabtretung samt dem diesbezüglichen Schriftverkehr.

 

16. Mit Schreiben vom 9. Juni 2015, am darauffolgenden Tag beim Landesverwaltungsgericht eingelangt, ergänzte die belangte Behörde ihr Vorlageschreiben um folgende Hinweise: (1) Mit 30. April 2015 sei die Oö. Straßengesetz-Novelle 2015 in Kraft getreten. Durch die damit bewirkte Aktualisierung der Verweisungsbestimmung sei nunmehr § 7 Abs 3 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz im Hinblick auf den Kostenersatz anzuwenden. (2) Die gegen den straßenrechtlichen Bewilligungsbescheid erhobenen Beschwerden seien vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 29. Mai 2015 als unbegründet abgewiesen worden und sei (zumindest jetzt) von der Rechtskraft des straßenrechtlichen Bewilligungsbescheides auszugehen. (3) Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn habe mit Bescheid vom 8. Juni 2015 einen positiven Wasserrechtsbescheid erlassen und damit die im Enteignungsbescheid vertretene Ansicht bestätigt.

 

17. Mit Bescheid vom 2. Juni 2015 gab die belangte Behörde dem – im Beschwerdeschriftsatz gestellten – Antrag der Bf auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit näherer Begründung keine Folge. Dieser Bescheid wurde der Bf am 8. Juni 2015 zugestellt.

 

18. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf mit Schriftsatz vom 3. Juli 2015 eine – ebenfalls zur hg Zl. LVwG-150639-2015 protokollierte – Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und stellt die Anträge, das Landesverwaltungs­gericht möge in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird sowie nach Abschluss des Vorverfahrens eine mündliche Verhandlung durchführen.

 

19. Mit Schreiben vom 9. Juli 2015, am darauffolgenden Tag beim Landesverwaltungsgericht eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung samt bezughabendem Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Es seien keine Aktenstücke von der Akteneinsicht ausgenommen, werde keine mündliche Verhandlung beantragt und ausdrücklich auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.

 

 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, sowie durch Einsichtnahme in die Schriftsätze der Bf, das Erkenntnis des Landesverwaltungs­gerichts Oberösterreich vom 29. Mai 2015, GZ: LVwG-150368/52/RK/FE, den naturschutz­rechtlichen Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 29. Juli 2014, den wasser­rechtlichen Bewilligungsbescheid derselben vom 8. Juni 2015, die mit Schreiben vom 22. April 2015 übermittelte Stellungnahme der Antragstellerin samt Schriftverkehr mit der Bf betreffend die Versuche zur gütlichen Einigung sowie den – im von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorgelegten Verwaltungsakt zur hg Beschwerde der Bf betreffend Enteignung in einer Gemeindestraßen­angelegenheit (GZ: LVwG-150702-2015) enthaltenen – Schriftverkehr der belangten Behörde mit der Bf betreffend den von ihr gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der im Enteignungsantrag (vgl Grundeinlöseverzeichnis und Grundeinlöseplan) näher bezeichneten Grundstücksteile der Bf ergibt sich eindeutig und unstrittig aus dem Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen. Der unten wiedergegebene entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich aus den genannten Beweismitteln widerspruchsfrei.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungserheblichen Sachverhalt aus:

 

2.1. Die Antragstellerin beabsichtigt die Umlegung der Landesstraße B 147 (Umfahrung Munderfing). Dem geplanten Straßenbauvorhaben liegt eine Trassenverordnung der Oö. Landesregierung vom 29. Mai 2009, LGBl 52, zugrunde. Mit Eingabe vom 21. Mai 2014 beantragte die Antragstellerin bei der belangten Behörde die Erteilung der straßenrechtlichen Bewilligung gem §§ 31 und 32 Oö. Straßengesetz 1991.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 2014 wurde die Umfahrung Munderfing nach Maßgabe des bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen Einreichprojektes straßenrechtlich bewilligt. Mit hg Erkenntnis vom 29. Mai 2015, GZ: LVwG-150368/52/RK/FE, wurden die dagegen erhobenen Bescheidbeschwerden ua der auch hier beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen.

 

2.2. Die zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung, sowie die von der belangten Behörde  zunächst im Wege der Vorfragenbeurteilung geprüfte wasserrechtliche Bewilligung wurden von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn erteilt. Gegen die wasserrechtliche Bewilligung behängt eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

 

2.3. Da für dieses Straßenbauvorhaben auch Grundstücke der Bf beansprucht werden müssen, unternahm die Antragstellerin mehrere Versuche, mit der Bf eine gütliche Einigung herbeizuführen. Die Bf wurde von der Antragstellerin mit Schreiben vom 26. Juni 2014, GZ: GeoL-C-310305/1-2014, gemeinsam mit anderen Grundeigentümern, für eine Verhandlung zur gütlichen Einigung am 7. Juli 2014 am Gemeindeamt der Gemeinde Munderfing stattfindend, eingeladen. Aufgrund einer Eingabe der Bf erging von der Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Juli 2014 eine weitere schriftliche Einladung zu einer gütlichen Verhandlung am 21. Juli 2014. Da die Bf auch an dieser Verhandlung nicht teilnahm, wurde in ihrer Abwesenheit eine entsprechende Vereinbarung auf Basis des – von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen – Bewertungsgutachtens eines Sachverständigen erstellt, am Gemeindeamt der Gemeinde Munderfing hinterlegt und zugleich durch die Gemeinde Munderfing an die Bf mit der Bitte um Unterzeichnung übersandt. Eine Äußerung der Bf dazu erfolgte nicht. Mit einem weiteren Schreiben der Antragstellerin vom 31. Juli 2014 wurde der Bf ein komplettes Angebot, das alle vermögensrechtlichen Nachteile berücksichtigt, übermittelt und ersucht, sich bis 15. August 2014 für ein Angebot zu entscheiden. Auch innerhalb dieser Frist erfolgte keinerlei Äußerung durch die Bf. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 wurde die Bf nochmals zu einer Verhandlung am 24. Oktober 2014 zu Zwecken der gütlichen Einigung eingeladen. Auch an diesem Tag erschien die Bf nicht. Während der Verhandlung urgierte der Verhandlungsleiter telefonisch bei der Bf einen neuen Termin, der von der Bf abermals abgelehnt wurde. Die Bf wurde mehrmals darauf hingewiesen, bei der Antragstellerin in das Bewertungsgutachten Einsicht nehmen zu können. Die Bf erschien weder zu einer mündlichen Verhandlung, noch reagierte sie auf die von der Antragstellerin übermittelten Angebote zur gütlichen Einigung.

 

2.4. Da es somit zu keiner Einigung mit der Bf kam, die Flächen also durch die Antragstellerin nicht erworben werden konnten, hat diese unter Vorlage der Projektunterlagen die Durchführung eines straßenrechtlichen Grundeinlösungs- bzw Enteignungs­verfahrens beantragt.

 

Über diesen Antrag hat die belangte Behörde mündliche Verhandlungen am 17. und 18. Dezember 2014 sowie am 8. und 22. Jänner 2015 durchgeführt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2014 erstattete der straßenbautechnische Amtssachverständige ein Gutachten zur Notwendigkeit der Flächeninanspruch­nahme. Er führt diesbezüglich aus: „Für die plangemäße Durchführung des Straßenprojektes ist aus dem Grundbesitz [der Bf] die dauernde Grundinanspruchnahme von 850  für Landesstraßen und 200 m² für Gemeindestraßen unbedingt erforderlich“. Die Flächeninanspruch­nahme stellt sich wie folgt dar:

 

Grundeigentümer

EZ.

KG

Grundstücks-Nr.

beanspruchte Fläche für

das Land Oö

in

Bf

x

x

X1

X2

 

530

320

 

 

Der Bf wurde für die Inanspruchnahme der genannten Flächen eine Entschädigung idHv € 15.153,- zugesprochen.

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage

 

Dem gegenständlichen Beschwerdefall liegt eine auf §§ 35 und 36 Oö. Straßengesetz 1991 gestützte Enteignung von Teilen von Grundstücken der Bf zu Grunde. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Straßengesetzes 1991, LGBl 84, zuletzt geändert durch LGBl 2015/42, haben folgenden Wortlaut:

 

§ 35

Enteignung

(1) Für den Bau einer öffentlichen Straße kann das Eigentum an Grundstücken oder die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch die für Grundflächen gemäß § 11 Abs. 1a, die Anlage von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten, wie Streumaterialsilos, sowie die zur Aufrechterhaltung von Verkehrsbeziehungen und zur Entnahme von Straßenbaumaterial notwendigen Grundstücke können im Wege der Enteignung erworben werden. Für den Bau einer Straße, die einer Bewilligung nach § 32 bedarf, darf die Enteignung nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen. Auch für die Übernahme von bestehenden öffentlichen Straßen können das Eigentum und die erforderlichen Dienstbarkeiten (§ 5 Abs. 1) durch Enteignung in Anspruch genommen werden.

 

(2) Bei der Inanspruchnahme des Grundeigentums im Sinn des Abs. 1 auf der Grundlage einer gemäß § 11 Abs. 2 erlassenen Widmungsverordnung bleibt für den Enteignungsgegner der Einwand des fehlenden öffentlichen Interesses zulässig.

 

(3) Abs. 1 gilt sinngemäß auch für die Beseitigung von Bauten und Anlagen, die den Vorschriften des § 18 Abs. 1 und 2 widersprechen und die gefahrlose Benützbarkeit der Straße wesentlich beeinträchtigen, jedoch im Zeitpunkt ihrer Errichtung keinen straßenrechtlichen Bestimmungen widersprochen haben.

 

(4) Zu Enteignender ist der Eigentümer des Gegenstandes der Enteignung, weiters ein anderer dinglich Berechtigter, wenn das dingliche Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist sowie der dinglich und obligatorisch Berechtigte, sofern dieses Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist.

 

§ 36

Enteignungsverfahren

(1) Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte und des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der erforderlichen Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind, bei der Behörde anzusuchen. Zudem hat die antragstellende Straßenverwaltung glaubhaft zu machen, daß sie in offensichtlich geeigneter Weise, aber erfolglos, versucht hat, eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über die Grundabtretung zu erwirken.

 

(2) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie die Kosten des Enteignungsverfahrens entscheidet die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Bedacht zu nehmen ist.

 

(3) Wird ein Teil eines Grundstückes enteignet und sind alle oder einzelne verbleibende Grundstücksreste unter Berücksichtigung der bisherigen Verwendung nicht mehr zweckmäßig nutzbar, so sind über Antrag des Eigentümers die nicht mehr zweckmäßig nutzbaren Reste miteinzulösen.

 

(4) Der Enteignungsbescheid hat zugleich die Höhe der Entschädigung festzusetzen. Diese ist auf Grund des Gutachtens wenigstens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in Anwendung der in den §§ 4 bis 8 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.

 

(5) Die Höhe der festgesetzten Entschädigung kann im Verwaltungsweg nicht angefochten werden. Jede der Parteien kann aber, wenn sie sich durch die festgesetzte Entschädigung benachteiligt erachtet, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Landesgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit der Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Bei Zurückziehung des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarung die ursprünglich behördlich festgesetzte Entschädigung als vereinbart. Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege eines Übereinkommens sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche auf Befriedigung aus der Entschädigung, die dritten Personen auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, ist das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz sinngemäß anzuwenden.

 

(6) Der Vollzug des rechtskräftigen Enteignungsbescheides kann nicht gehindert werden, sobald die von der Behörde ermittelte Entschädigung oder eine Sicherheit für die erst nach Vollzug der Enteignung zu leistende Entschädigung an den Enteigneten ausbezahlt oder gerichtlich erlegt ist.

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde im Rahmen des § 27 VwGVG durch seine gem § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

A. Zu Spruchpunkt I (Ausspruch der Enteignung):

 

1. Zur Rechtmäßigkeit der Enteignung ist vorweg Folgendes festzuhalten:

 

1.1. Verfassungsrechtlich ist eine Enteignung dann zulässig, wenn ein konkreter Bedarf nach Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens besteht, wenn weiters das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es schließlich unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (vgl VwGH vom 21.3.2007, 2005/05/0297; 18.11.2003, 2001/05/0327 mwN). Die innere Rechtfertigung des in der Enteignung liegenden Eingriffes in das grundsätzlich als unverletzlich geschützte Eigentum liegt darin, dass die Erfüllung bestimmter, dem allgemeinen Besten – dem öffentlichen Interesse, dem öffentlichen Wohl – dienender und als solche gesetzlich festgelegter Aufgaben nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass eine Sache dem Eigentümer entzogen und auf die öffentliche Hand übertragen wird. Das Institut der Enteignung führt zwangsläufig zu einer Vermögensverschiebung, diese ist jedoch nicht der Zweck der Enteignung; die Enteignung hat von ihrer Anlage her nicht die Beschaffung von Vermögenswerten durch die öffentliche Hand zum Gegenstand, sondern ist ein Mittel, um der öffentlichen Hand die Erfüllung einer dem allgemeinen Besten dienenden öffentlichen Aufgabe zu ermöglichen, denn das öffentliche Interesse erfordert nur die Sache, nicht aber den Wert. Dies ist auch der Grund dafür, warum der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, es sei unzulässig, eine Enteignung vorzunehmen, wenn die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, für die das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorsieht, nicht unmittelbar bevorsteht, weil noch nicht alle anderen Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufgabe gegeben sind - Unzulässigkeit der sogenannten Enteignung auf Vorrat (VfSlg 8981/1980; vgl auch VwGH 9.9.2008, 2008/08/0076 mwN sowie Korinek, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Eigentumsschutzes und des Enteignungsrechts in Österreich, in: Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts [1994] 22ff).

 

1.2. Daran anknüpfend vertritt der Verwaltungsgerichtshof in stRsp (27.6.1978, 0434/76; 16.12.1982, 81/06/0095; 18.12.1984, 83/05/0212; 14.10.2005, 2004/05/0174; 21.3.2007, 2005/05/0297 sowie jüngst vom 19.3.2015, 2012/06/0038) den Standpunkt, die eine Voraussetzung der Enteignung bildende Notwendigkeit der Enteignung liege nur dann vor, wenn durch die Enteignung der Enteignungszweck unmittelbar verwirklicht werden könne. Letzteres treffe auch dann nicht zu, wenn sich Hindernisse für den geplanten Straßenbau aus anderen Gesetzen ergeben würden. Derartige Hindernisse können sich aus der Bewilligungspflicht der projektierten Maßnahmen nach anderen Materiengesetzen ergeben. Zur Frage, ob derartige Bewilligungen bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über die Enteignung in rechtskräftiger Form vorliegen müssen, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Entscheidungen den Standpunkt, dass trotz des Fehlens einer solchen Bewilligung eine Enteignung ausgesprochen werden dürfe. Die Enteignungsbehörde hat in diesem Fall entweder die Vorfrage, ob der erforderliche Bescheid erwirkt werden kann (die erforderliche Bewilligung zu erlangen sein wird), selbst zu beurteilen oder gemäß § 38 AVG das Enteignungsverfahren zu unterbrechen. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgesprochen, dass nicht alle Voraussetzungen bereits „im Entscheidungszeitpunkt vorliegen müssen, zumal für manche davon (z.B. Antragsvoraussetzungen) das Eigentum oder die Zustimmung der Eigentümer notwendig sind. Sollten sich Hindernisse ergeben, die der Realisierung entgegenstehen, kommt es dann gegebenenfalls unmittelbar auf Grund der Verfassung zu einem Rückübereignungsanspruch“ (VwGH 19.3.2015, 2012/06/0038).

 

1.3. Nach stRsp der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts enthält im Geltungsbereich jener gesetzlichen Vorschriften, die eine Festlegung der Trasse eines Straßenbauvorhabens durch generelle Normen vorsehen, bereits diese generelle Norm die einschlussweise Feststellung, dass die Anlegung oder Verlegung der Straße dem öffentlichen Interesse dient, welche Feststellung dann im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren ebenso wie im Enteignungs­verfahren in einer Weise Bindungswirkung entfaltet, die es dem von der Trassenführung betroffenen Liegenschaftseigentümer verwehrt, die Notwendigkeit des zur Enteignung führenden Straßenbauvorhabens zu bestreiten (VwGH 25.2.2010, 2010/06/0019; 24.11.2008, 2007/05/0310 [jeweils zum Oö. Landesstraßengesetz 1991]; 21.1.1992, 89/05/0152 [zum Oö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975]; 17.5.1988, 88/05/0032-0038; 28.6.1979, 2709, 2711/78; 27.9.1972, 239/72 sowie VfGH 1.7.1977, B432/77; 8.12.1979, V29, 33, 37/78; 22.6.1979, B476/76; 17.3.1976, B133/75; vgl auch Pauger, die Enteignung im Verwaltungsrecht, in: Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts [1994] 121).

 

1.4. Mit (Trassen-)Verordnung der Oö. Landesregierung vom 29. Mai 2009, LGBl 52, wurde die Trasse für das verfahrensgegenständliche Straßenbauprojekt festgelegt. Im Sinne der soeben dargestellten Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ist damit festgestellt, dass die Anlegung bzw Verlegung der Straße dem öffentlichen Interesse dient. Im Enteignungsverfahren wäre in dieser Hinsicht nur mehr die Frage zu prüfen, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich ist. Diesbezüglich hat der straßenbautechnische Amtssach­verständige – was von der Bf nicht bestritten wird – festgestellt, dass die durch den Enteignungsbescheid verfügte Grundinanspruchnahme für die plangemäße Durchführung des Straßenbauprojektes unbedingt erforderlich ist.

 

1.5. Die belangte Behörde hat unter Beachtung der stRsp des Verwaltungs­gerichtshofes die Frage der wasserrechtlichen Bewilligungsfähigkeit als Vorfrage selbst beurteilt und das Ergebnis ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Was die straßenrechtliche Bewilligung anbelangt, kann dies dahingestellt bleiben, da der straßenrechtliche Bewilligungsbescheid mittlerweile durch das Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich (Erkenntnis vom 29. Mai 2015, LVwG-150368) bestätigt wurde und damit (in rechtskräftiger Form) vorliegt. Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Beurteilung auf die – dem vorgelegten verwaltungsbehördlichen Akt beiliegende – Niederschrift der im Rahmen des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens durchgeführten mündlichen Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (Wasserrechts­behörde) am 28. April 2014 und die darin enthaltenen Befunde sowie darauf gegründeten Gutachten der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, Hydrogeologie, Hydrologie und Landwirtschaft. Zur Frage der (wasserrechtlichen) Bewilligungs­fähigkeit führt die belangte Behörde aus:

 

Auf Grundlage dieser Gutachten steht entgegen der Einwendungen von [...] fest, dass die geplanten Anlagen zur Beseitigung der Straßenoberflächenwässer und der Regenwässer dem Stand der Technik entsprechen und geeignet sind, diese Wässer vor deren Versickerung in den Untergrund derart vorzureinigen, dass eine benachteiligende Beeinflussung des Grundwassers ausgeschlossen werden kann.

 

Ferner steht fest, dass die Errichtung der Straßentrasse, der Fahrbahn und sonstiger dazugehörigen Nebeneinrichtungen für die Umfahrung Munderfing die Hochwasserabflusssituation nicht zum Nachteil angrenzender oder unterliegender Grundeigentümer verändern wird. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Abfuhr des anfallenden Hochwassers entsprechen in ihrer Konzeption ebenfalls dem Stand der Technik und sind ausreichend dimensioniert, um die Veränderung der hydrologischen Verhältnisse im Falle bis zu 100 jährlicher Hochwasserereignisse zu kompensieren.

 

Insgesamt darf davon ausgegangen werden, dass die geplanten Baumaßnahmen bzw. das beantragte Wasserbenutzungsrecht für die Oberflächenentwässerung bei befund- und projektsgemäßer Ausführung und Beachtung der von den Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, Hydrologie und Hydrogeologie vorgeschlagenen Auflagen öffentliche Interessen nicht beeinträchtigen und -abgesehen vom Grundeigentum - fremde Rechte im Sinne des 12 WRG nicht verletzen werden.

 

Auf Grund der dargelegten Erwägungen und der hier maßgeblichen Bestimmungen der §§ 9-13, 15, 21, 22, 32, 38, 50, 72, 98, 105, 111 und 112 Wasserrechtsgesetz (WRG) 1959, BGBl. Nr. 215, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 54/2014, kommt die Straßenbehörde zum Ergebnis, dass für das von der Landesstraßenverwaltung vorgelegte Projekt die wasserrechtliche Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als Wasserrechtsbehörde zu erteilen sein wird“.

 

1.6.1. Die belangte Behörde hat damit nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts eine dem Gesetz entsprechende Vorfragenbeurteilung hinsichtlich der ausständigen wasserrechtlichen Bewilligung vorgenommen und im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar begründet.

 

1.6.2. Die belangte Behörde ging in ihrer wasserrechtlichen Vorfragenbeurteilung offenbar implizit davon aus, die erforderliche Zustimmung werde nach erfolgter Enteignung durch den neuen Eigentümer (Antragstellerin) erfolgen. Damit ist sie im Recht. Dies aus folgenden Gründen:

 

1.6.3. Ausgehend vom Gedanken, die bloße Beschaffung von Vermögenswerten durch die öffentliche Hand im Wege der Enteignung hintanzuhalten, steht im Zentrum der stRsp des Verfassungsgerichtshofes zu den Anforderungen an eine Enteignung deren strikte Bindung an ein (konkretes) öffentliches Interesse (Zweckbindung). Aus dieser strengen Zweckbindung resultieren beispielsweise das Verbot der Enteignung auf Vorrat und der Enteignung zu fiskalischen Zwecken sowie das Gebot der Sachgerechtigkeit der Enteignung und zur Rückübereignung bei Zweckverfehlung (vgl dazu ausführlich Korinek, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Eigentumsschutzes und des Enteignungsrechts in Österreich, in: Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts [1994] 22ff). Die enge Zweckbindung erfordert es in denklogischer Hinsicht, dass der Verwirklichung der im öffentlichen Interesse gelegenen Aufgabe keine Hindernisse entgegenstehen. In diesem Sinne vertritt der Verfassungsgerichtshof in stRsp die Auffassung, die Enteignung sei unzulässig, wenn die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, für die das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorsieht, nicht unmittelbar bevorstehe, weil noch nicht alle anderen Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufgabe gegeben seien. Dient die strikte Zweckbindung – wie gezeigt – dem Hintanhalten bloßer Vermögensbeschaffung durch die öffentliche Hand im Wege der Enteignung, so bedeutet dies aber nicht, wie die dargelegte stRsp des Verwaltungsgerichtshofes zeigt (vgl Punkt IV.A.2.), dass im Zeitpunkt der Enteignung bereits alle sonstigen – zur Projektverwirklichung erforderlichen – Bewilligungen vorliegen müssen. Sofern die Enteignungsbehörde ihr Verfahren nicht gem § 38 AVG bis zum Vorliegen der erforderlichen Bewilligungen aussetzt, hat sie selbst zu beurteilen, ob diese zu erlangen sein werden. Es bedarf keiner gesonderten Erwähnung, dass die  Enteignungsbehörde bei der Beurteilung der Vorfrage alle Genehmigungs­voraussetzungen zu prüfen und – allenfalls unter Beiziehung von (Amts-)Sachverständigen – festzustellen hat, ob das Straßenbauvorhaben bewilligungsfähig ist. Bildet allerdings die Zustimmung des von der Verwirklichung des Straßenbauvorhabens betroffenen Grundeigentümers eine Genehmigungsvoraussetzung, so muss diese – wie der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgesprochen hat – zum Entscheidungs­zeitpunkt noch nicht vorliegen (VwGH 19.3.2015, 2012/06/0038 uHa VwGH 21.3.2007, 2005/05/0297, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt [Enteignungsverfahren, Beurteilung der wasserrechtlichen  Bewilligungsfähigkeit als Vorfrage und fehlende Sicherstellung des für die wasserrechtliche Bewilligung erforderlichen dinglichen (Eigentums-)Rechts] sowie implizit wohl VwGH 14.10.2005, 2004/05/0174). Die Rsp des Verwaltungsgerichtshofes ist damit vor dem dargestellten verfassungs­rechtlichen Hintergrund systemimmanent:

 

1.6.4. Wie bereits unter Punkt IV.A.1.4. dargelegt, ist durch die Trassenverordnung vom 29. Mai 2009, LGBl 52, das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Straßenbauvorhabens dokumentiert. Anders gewendet bringt der Verordnungsgeber damit zum Ausdruck, dass zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens das Interesse des Einzelnen gegenüber dem öffentlichen Interesse zurückzutreten hat. Besteht aber an der Verwirklichung des Straßenbauvorhabens ein öffentliches Interesse und liegen die (weiteren) Voraussetzungen der Enteignung vor, spielt bei der Beurteilung der Vorfrage, ob die wasserrechtliche Bewilligung zu erlangen sein wird, die Zustimmung des – von der Enteignung betroffenen – Noch-Eigentümers keine Rolle. Denn vor dem Hintergrund der verfassungsgesetzlich geforderten strengen Zweckbindung der Enteignung kommt es lediglich darauf an, ob die Verwirklichung des Zwecks der Enteignung unmittelbar bevorsteht, also die wasserrechtliche Bewilligung für das Straßenbauvorhaben zu erlangen sein wird. Davon kann die Enteignungsbehörde aber regelmäßig ausgehen, bedürfte es doch einer außergewöhnlichen Fallkonstellation, würde der Projektwerber (Antragstellerin) als (neuer) Eigentümer seinem (ihrem) eigenen Projekt im wasserrechtlichen Bewilligungs­verfahren die Zustimmung versagen.

 

Im Übrigen liegt mittlerweile die wasserrechtliche Bewilligung für das gegenständliche Straßenbauvorhaben vor (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. Juni 2015).

 

1.7. Abschließend ist festzuhalten, dass sich aus den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit den dazugehörigen Urkunden und Sachverständigengutachten zweifelsfrei ergibt, dass die im Spruch des angefochtenen Bescheides mit hinreichender Bestimmtheit umschriebenen Grundflächen für die Umsetzung des straßenbaurechtlichen Vorhabens notwendig im Sinne des § 36 Abs 2 Oö. Straßengesetz 1991 sind.

 

2. Zum Vorbringen der Bf:

 

2.1. Unter dem Titel „Rechtswidrige Eilverfahren“ bringt die Bf vor, es hätten zum gleichen Zeitpunkt zwei verschiedene mündliche Verhandlungen stattgefunden und sei daher das Recht auf Parteiengehör und „auf den ordnungsgemäßen Richter“ verletzt. Wie die belangte Behörde im Vorlageschreiben richtig ausführt, bezieht sich das Vorbringen der Bf auf das straßenrechtliche Bewilligungsverfahren (arg: „Umlegung der Landesstraße B147, straßenrechtliche Bewilligung, Neben und Begleitwege“). Damit verkennt die Bf den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend Enteignung in eine Straßenangelegenheit, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen ist.

 

2.2. Weiters behauptet die Bf, die Antragstellerin hätte in bloß ungeeigneter Weise versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen und sei damit einem wesentlichen Erfordernis der Enteignung nicht entsprochen worden.

 

Die Verhandlungspflicht zum Erwerb der für das Straßenbauvorhaben erforderlichen Grundstücksflächen wurzelt in der durch den Verfassungs­gerichtshof entwickelten stRsp zur Erforderlichkeit (Notwendigkeit) der Enteignung (vgl mit weiteren Hinweisen auf Judikatur und Literatur: VfSlg 13.579/1993). Im öffentlichen Interesse gelegen und in diesem Sinn erforderlich ist eine Enteignung nach dieser Rsp insbesondere dann, wenn ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers misslungen sind, das für einen öffentlichen Zweck benötigte Grundstück privatrechtlich zu angemessenen Bedingungen zu erwerben. Derartige ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers stellen sohin eine von der Enteignungsbehörde zu prüfende Bedingung der Zulässigkeit einer Enteignung dar.

 

Die Antragstellerin hat sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts – entgegen dem Vorbringen der Bf – ernsthaft bemüht, die entsprechenden Grundstücksflächen der Bf zu erwerben. Sie hat die Bf mehrfach zu mündlichen Verhandlungen geladen, wobei die Bf keiner dieser Einladungen gefolgt ist. Weiters hat die Antragstellerin auch auf schriftlichem Wege Verhandlungs­versuche unternommen und der Bf angemessene Kaufangebote unterbreitet. Auch diesbezüglich erfolgte keinerlei (positive wie negative) Reaktion durch die Bf. Wenn diese diesbezüglich behauptet, die Antragstellerin habe unter Außerachtlassung der Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze die Termine für mündliche Verhandlungen zu kurzfristig angesetzt, so ist ihr entgegenzuhalten, dass das Wesen des (verfassungsrechtlich) verpflichtenden privatrechtlichen Einigungsversuchs gerade darin liegt, dass der Enteignungswerber außerhalb eines behördlichen Verfahrens zu agieren hat, sohin die für behördliches Vorgehen geltenden Regeln nicht zur Anwendung gelangen. Die mangelnde Bereitschaft der Bf, in ernsthafte Verhandlungen mit der Antragstellerin einzutreten, ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts der Ablehnung eines angemessenen Angebots der Antragstellerin gleichzuhalten. Im Ergebnis ist das ernsthafte Bemühen der Antragstellerin um eine privatrechtliche Einigung misslungen, weshalb sich die Enteignung – in dieser Hinsicht – als erforderlich (notwendig) iSd oben dargelegten Rsp erweist.

 

2.3. Soweit die Bf Mutmaßungen über ein unlauteres Vorgehen der Antragstellerin bzw der belangten Behörde in der Vergangenheit anstellt und unter Hinweis darauf behauptet, die belangte Behörde würde auch in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit durch aktenwidrige Bescheid­begründungen ein ihr genehmes Ergebnis erzielen, so fehlt es für eine derart pauschal gehaltene Behauptung an näheren Angaben in der Beschwerde. Die Bf bleibt schuldig, die Aktenwidrigkeit der Bescheidbegründung in nur einem einzigen Punkt aufzuzeigen, weshalb auch auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen ist.

 

2.4. Was den Einwand der (mangelnden) Wirtschaftlichkeit des dem Enteignungsverfahren zugrunde­liegenden Straßenbauvorhabens betrifft, so kann dieser Einwand nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes im Enteignungsverfahren nicht mehr erhoben werden (VwGH 28.4.2006, 2004/05/0194; 21.3.2007, 2005/05/0297; 21.3.2007, 2006/05/0188; 24.11.2008, 2007/05/0310; 26.2.2009, 2006/05/0291).

 

2.5. Schließlich ist für das Landesverwaltungsgericht auf Basis des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich, inwiefern – wie von der Bf ins Treffen geführt – die Verweisungsbestimmung in § 36 Abs 2 Oö. Straßengesetz 1991 auf die (sinngemäße) Anwendbarkeit des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungs­gesetzes Verfassungsrecht bzw Unionsrecht widerstreitet. Die unsubstantiiert vorgebrachten Bedenken der Bf sind nicht geeignet, bei der erkennenden Richterin Zweifel an der Verfassungs- respektive Unionsrechtskonformität der genannten Bestimmung zu begründen.

 

B. Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

 

1. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinne des Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0009; 9.9.2014, Ro 2014/09/0049, zu § 24 VwGVG, mit Hinweis auf 23.1.2013, 2010/15/0196).

 

Mit einer Entscheidung über einen Antrag auf Enteignung wird nach stRsp des Verfassungsgerichtshofes (siehe die bei Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2 [2013] Rz 24/9 wiedergegebene stRsp) in der Regel eine Entscheidung über „civil rights“ (Randbereich) im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK getroffen.

 

2. Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rsp dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen würden. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten („rather technical nature of disputes“) auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

 

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (vgl zum Ganzen etwa VwGH 18.11.2014, 2013/05/0022, mwN, und Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014, 523, [533ff]).

 

3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG bisher ausgesprochen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei dann nicht erforderlich, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und die Rechtsfragen durch die bisherige (höchstgerichtliche) Rsp beantwortet seien und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007 uHa 23.2.2006, 2003/16/0079; 28.2.2011, 2007/17/0193, mwN; 14.12.2004, 2004/05/0079).

 

4. Im Sinne der oben dargelegten Rsp des EGMR ist im Hinblick auf die Klärung des Sachverhalts die Durchführung einer Verhandlung nicht geboten. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts war der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage geklärt, und konnte auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entschieden werden.  In der Beschwerde wurden auch keine Rechtsfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Die für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entscheidende Rechtsfrage, ob die Zustimmung der Grundeigentümer bei der vorfragenweisen Beurteilung der wasserrechtlichen Bewilligungsfähigkeit des – dem Enteignungsverfahrens zugrunde liegenden – Straßenbauvorhabens bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag vorliegen müsse, konnte anhand der bisherigen (ausführlich dargelegten) Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sowie unter Heranziehung der vom Verfassungs­gerichtshof entwickelten Leitlinien zur Zulässigkeit von Enteignungen beantwortet werden. Gleiches hat für die von der Bf aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Antragstellerin ihrer Verhandlungspflicht zum Erwerb der für das Straßenbauvorhaben erforderlichen Grundstücksflächen ernsthaft nachge­kommen ist und eine privatrechtliche Einigung iSd Rsp misslungen ist, zu gelten. Auch diese Rechtsfrage konnte anhand der bereits bestehenden Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts beantwortet werden. Ebenso konnte die Rechtsfrage, inwieweit der Einwand der mangelnden Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens im Enteignungsverfahren zu berücksichtigen ist, vom Verwaltungsgericht anhand der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden.

 

Im Ergebnis wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

 

 

V.           Im Ergebnis erweist sich die in Beschwerde gezogene Entscheidung der belangten Behörde als frei von Rechtsirrtümern. Das Vorbringen der Bf war nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu begründen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

VI.          Durch die Entscheidung in der Hauptsache erweist sich die Beschwerde betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als gegenstandslos.

 

 

VII.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Im Zentrum der gegenständlichen Entscheidung steht die Rechtsfrage, ob die Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer bei der vorfragenweisen Beurteilung der wasserrechtlichen Bewilligungsfähigkeit des – dem Enteignungsverfahrens zugrunde liegenden – Straßenbauvorhabens bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag vorliegen müsse. Zu dieser – im straßenrechtlichen Enteignungsverfahren nicht selten vorkommenden – Rechtsfrage besteht eine – in der Entscheidung näher dargelegte – Rsp des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zuletzt vom 19.3.2015, 2012/06/0038. Die Rechtsfrage wurde vom Landesverwaltungsgericht anhand dieser Rsp beantwortet. Gleiches hat für die von der Bf aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Antragstellerin ihrer Verhandlungspflicht zum Erwerb der für das Straßenbauvorhaben erforderlichen Grundstücksflächen ernsthaft nachge­kommen ist und eine privatrechtliche Einigung iSd Rsp misslungen ist, zu gelten. Auch diese Rechtsfrage konnte anhand der bereits bestehenden (in der Entscheidung zitierten) Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts beantwortet werden. Ebenso konnte die Rechtsfrage, inwieweit der Einwand der mangelnden Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens im Enteignungsverfahren zu berücksichtigen ist, vom Verwaltungsgericht anhand der zitierten Rsp des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden. Die Entscheidung über den Entfall der beantragten mündlichen Verhandlung konnte anhand der vom EGMR sowie vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Leitlinien getroffen werden.

 

Die ordentliche Revision ist daher unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 8. März 2016, Zl.: E 2472/2015-11