LVwG-410649/15/FP/BZ

Linz, 12.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde des Finanzamtes x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 25. März 2015, GZ Pol96-275-2013, betreffend die Einstellung eines Verwaltungs-strafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz (mit­be­teiligte Partei: N A, geb. x),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) hat Herrn N A mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Mai 2013 (im Folgenden: mitbeteiligte Partei oder Beschuldigter) folgenden Tatvorwurf zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zu rechtfertigen:

 

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Außenvertretungsbefugter der G s.r.o. mit Sitz in W, gemäß § 9 VStG strafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Eigentümer zumindest von 1.1.2012 bis 11.4.2013 die Glücksspielgeräte

1.   ‚Auftragsterminal‘ mit der Seriennummer x, Typenbezeichnung: A-T1,

2.   ‚Auftragsterminal‘ mit der Seriennummer x, Typenbezeichnung: A-T1,

3.   ‚Auftragsterminal‘ mit der Seriennummer x, Typenbezeichnung: A-T1,

betriebsbereit und eingeschaltet im öffentlichen Lokal ‚D‘, Betreiber: I KG, mit Sitz in T, aufgestellt hat und mit diesen Geräten wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt wurden, mit denen aufgrund der in Aussicht gestellten Gewinne und der möglichen Einsätze in der Höhe von 0,20 bis 4,50 Euro in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wurde, obwohl Sie nicht im Besitz einer hiefür erforderlichen Konzession gewesen sind und die Geräte nicht nach den Bestimmungen des § 4 Glücksspielgesetz vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen waren.

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamts x am 11.4.2013 um ca. 8.40 Uhr im öffentlichen Lokal ‚D‘, Betreiber: I KG, mit Sitz in T, dienstlich festgestellt, indem die oa. Geräte betriebsbereit vorgefunden und getestet wurden.

 

Verwaltungsübertretungen nach § 9 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), i.V.m. § 2, i.V.m. § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, i.d.g.F.

 

I.2. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. März 2015, GZ Pol96-275-2013, wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) von der Fortführung des gegen den
Beschuldigten geführten Verwaltungsstrafverfahrens nach § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) wegen des Verdachts einer Übertretung des Glücksspielgesetzes durch die unternehmerische Beteiligung an einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs. 4 GSpG am 11.04.2013 um 8.40 Uhr im Lokal „D“ in T, mit den näher bezeichneten Geräten, abgesehen und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Begründend wurde neben Darlegung des Sachverhaltes und der rechtlichen Grundlagen ausgeführt:

„Nach damaliger Rechtslage normierte § 52 Abs. 2 GSpG, dass es sich nicht mehr um geringe Beträge handelt und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück, wenn in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet werden. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt.

§ 168 Abs. 1 StGB normierte zum Zeitpunkt der Kontrolle am 11.04.2013, wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

Daraus folgt, dass eine Bestrafung nach der Verwaltungsstrafbestimmung zu unterbleiben hat, wenn sich der Täter nach § 168 StGB strafbar gemacht hat.

Des Weiteren war nach ständiger Rechtsprechung des OGH der Tatbestand des § 168 StGB auch bei geringen Einsätzen dann erfüllt, wenn sogenannte ‚Serienspiele‘ vorliegen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat ua. in seinem Erkenntnis vom 23.12.2013, VwSen-360385/12/WEI/Ba, festgestellt, dass etwa die technische Ausgestaltung von Glücksspielgeräten mit einer sog. ‚Automatic-Start-Taste‘, welche nur einmal betätigt werden muss, um eine beliebige Anzahl an Spielvorgängen mit jeweils zuvor bestimmten Teileinsatzbeträgen rasch hintereinander ablaufen zu lassen, die vorsätzliche Veranstaltung von Serienspielen indiziert und damit die Zurückdrängung der Strafbestimmungen des GSpG hinter jene des StGB bewirkt.

Wie sich aus den finanzpolizeilichen Unterlagen, eindeutig ergibt, waren die Geräte FA Nr. 1 bis 3 mit einer ‚Auto-Start-Taste‘ ausgestattet.

Somit lag auch ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vor.

Nachdem, in Anbetracht der gerichtlichen Zuständigkeit, die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, ist von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

I.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Finanzamtes x (im Folgenden: beschwerdeführende Partei) vom 15. April 2015, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Aussprache einer Bestrafung beantragt werden.

 

Die Beschwerde ist wie folgt begründet:

 

„Bei einer durch die Finanzpolizei (FPT x) am 11.04.2013, im Lokal mit der Bezeichnung ‚D‘, in T, Betreiber I KG, durchgeführten Kontrolle wurden vier Eingriffsgegenstände mit der Finanzamtskennzeichnung ‚FA 1‘ bis ‚FA 4‘ betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden.

Mit Anzeige vom 17.04.2013 wurde eine Bestrafung des Beschuldigten als vertretungsbefugtes Organ der G s.r.o. wegen der unternehmerischen Beteiligung an Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen iSd. § 2 Abs. 4 GSpG, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte beantragt.

Mit Bescheid der BH Linz-Land vom 25.03.2015 wurde, von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Verdachts einer Übertretung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 des Glücksspielgesetzes 1989 bezüglich der Eingriffsgegenstände mit der Finanzamtskennzeichnung ‚FA 1‘ bis ‚FA 3‘ abgesehen und das Verwaltungsstrafverfahren mit der nachfolgenden Begründung eingestellt. ‚Nachdem, in Anbetracht der gerichtlichen Zuständigkeit, die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, ist von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.‘

Dazu wird ausgeführt:

Der Verfassungsgerichtshof befasste sich in seiner Entscheidung vom 10.03.2015, Zl. G 203/2014-16, G 255/2014-15, G 256/2014-16, G 262/2014-15, G 1/2015-15, G 8/2015-13, G 18/2015-13, G 27/2015-10, G 31/2015-10, G 108/2015-3, G 116-117/2015-3, G 119/2015-3 mit der Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 3 GSpG idgF und führte dazu aus:

2.1.3.2. [...]

‚Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Novellierung der Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 GSpG durch BGBl. I 13/2014 das Konzept einer ziffernmäßigen betragsmäßigen Trennung der Zuständigkeit der Strafgerichte einerseits und der Verwaltungsstrafbehörden andererseits aufgegeben. Der Gesetzgeber hat nun das – bei einer Scheinkonkurrenz von gerichtlichem Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht häufig verwendete – Konzept der (ausdrücklichen oder formellen) Subsidiarität der einen gegenüber der anderen Strafbestimmung verwirklicht. Die Besonderheit besteht hier (lediglich) darin, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs. 3 GSpG idF BGBl. I 13/2014 nicht den Vorrang der gerichtlichen Strafbestimmung, sondern der Verwaltungsstrafbestimmung vorsieht. Der Straftatbestand des § 168 StGB ist demgemäß nur dann anwendbar, wenn die Handlung nicht schon nach § 52 Abs. 1 GSpG idF BGBl. I 13/2014 mit Strafe bedroht ist.‘ (Rz 124)

‚Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Subsidiaritätsregelung des § 52 Abs. 3 GSpG idF BGBl. I 13/2014 in klarer, dem Bestimmtheitsgebot des Art. 18 B-VG entsprechender Weise zunächst festgelegt, dass die Anwendung des § 168 StGB gegenüber den Verwaltungsstraftatbeständen des § 52 Abs. 1 GSpG subsidiär ist. Des Weiteren hat der Gesetzgeber auch klar zum Ausdruck gebracht, unter welchen Voraussetzungen eine Tat wegen der Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestands gemäß § 52 GSpG idF BGBl I 13/2014 zu verfolgen ist und damit auch wer zur Verfolgung solcher Verwaltungsübertretungen zuständig ist.‘ (Rz 129)

2.3.3. ‚Der Verfassungsgerichtshof kann die verfassungsrechtlichen Bedenken des Landesverwaltungsgerichts Burgenland gegen § 52 Abs. 3 GSpG idF BGBl. I 13/2014 nicht teilen‘ (Rz 142) und sieht sohin auch keinen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK:

‚Der Bundesregierung ist darin zuzustimmen, dass der Gesetzgeber es durch die Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs. 3 GSpG idF BGBl. I 13/2014 von vornherein ausschließt, wegen ein und derselben Handlung sowohl wegen der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 52 GSpG als auch wegen eines Strafdelikts gemäß § 168 StGB bestraft (und damit auch verfolgt) zu werden. Die ausdrückliche Subsidiaritätsregelung des § 52 Abs. 3 GSpG sieht nämlich gerade vor, dass eine Bestrafung eines Verhaltens nach beiden Straftatbeständen (Verwaltungsstraftatbestand nach dem Glücksspielgesetz und gerichtlicher Straftatbestand des § 168 StGB) nicht stattfinden darf. Wird durch ein Verhalten sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG und der Straftatbestand des § 168 StGB verwirklicht, darf gemäß § 52 Abs. 3 GSpG nur eine verwaltungsbehördliche Verfolgung und Bestrafung nach § 52 GSpG erfolgen.‘ (Rz 143)

In seiner Entscheidung vom 10.03.2015, (E 1139-1140/2014-14 befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage des Günstigkeitsvergleichs und führte dazu aus:

2.3.

‚Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass § 1 Abs. 2 VStG den Anforderungen des Art. 7 EMRK entsprechend einen umfassenden Günstigkeitsvergleich mehrerer in Betracht kommender Rechtslagen ermöglicht. Ein solcher Günstigkeitsvergleich hat sich nicht ausschließlich auf die materiellen Strafbestimmungen, sondern auf die Rechtslage als solche zu beziehen und daher – wie in den vorliegenden Fällen – auch Subsidiaritätsbestimmungen zu berücksichtigen.‘ (RZ 24)

2.4.

‚Zum Zeitpunkt der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten war der bewilligungslose Betrieb eines Glücksspielautomaten – sei es nach § 168 StGB (gerichtlich) oder nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (verwaltungsbehördlich) – jedenfalls strafbar. Nach der zum Zeitpunkt der Begehung der Taten (bzw. der Erlassung der Strafbescheide erster Instanz) geltenden Rechtslage bestand hinsichtlich Glücksspielautomaten mit einem möglichen Höchsteinsatz über € 10,- auf Grund des § 52 Abs. 2 GSpG idF vor der Novelle BGBl. I 13/2014 eine ausschließliche Zuständigkeit der Strafgerichte für die Strafverfolgung. Nach der zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark geltenden Rechtslage bestand für solche Ausspielungen gemäß § 52 Abs. 3 GSpG idF der Novelle BGBl. I 13/2014 hingegen eine Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden für die Verfolgung (vgl. dazu auch VfGH 10.3.2015, G 203/2074 ua.) [...]‘ (RZ 25)

‚Für den Verfassungsgerichtshof besteht vor diesem Hintergrund kein Zweifel, dass die Anwendung der Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs. 1 Ziffer 1 GSpG, welche im Gegensatz zur gerichtlichen Strafnorm des § 168 StGB keine Primärfreiheitsstrafe vorsieht, für den Beschwerdeführer in seiner Gesamtauswirkung günstiger ist. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat daher zu Recht angenommen, dass im Fall mögliche Höchsteinsätze von über € 10,- auf den – den Bestrafungen zugrunde liegenden – Glücksspielautomaten gleichermaßen eine Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden für die Verfolgung der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten anzunehmen wäre. Der Verfassungsgerichtshof kann demgemäß weder einen Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG noch gegen das Doppelbestrafungsverbot gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK oder eine Verletzung von Art. 6 EMRK erkennen.‘ (RZ 26)

Zur Frage der Bestrafung:

2.6.2.

‚Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat in seinen Entscheidungen dahingestellt gelassen, ob auf den – den Bestrafungen zugrunde liegenden – Glücksspielautomaten Höchsteinsätze von über oder unter € 10,- möglich waren. Wie unter Pkt. III.2.4. ausgeführt, ergibt sich in beiden Fällen eine Anwendung der Verwaltungsstrafbestimmungen und nicht der gerichtlichen Strafbestimmung auf die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten. Für die Frage, ob das Landesverwaltungsgericht in den vorliegenden Fällen überhaupt in der Sache zuständig war, ist die Einsatzhöhe der Glücksspielautomaten daher nicht entscheidungsrelevant. Relevanz hätte eine solche Feststellung ausschließlich für die Frage, ob in den Beschwerdefällen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG idF vor der Novelle BGBl. I 13/2014 oder § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG idF der Novelle BGBl. I 13/2014 anzuwenden war. Die beiden Bestimmungen unterscheiden sich – soweit hier interessierend – in ihrem Strafrahmen. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat seinen Bestrafungen den niedrigeren Strafrahmen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG idF vor der Novelle BGBl. I 13/2014 zugrunde gelegt. Darin kann der Verfassungsgerichtshof kein willkürliches Verhalten des Landesverwaltungsgerichts Steiermark erkennen.‘ (RZ 32)

Aufgrund der dargestellten Einsatzhöhen bei gegenständlichen Geräten ist jedenfalls von einer Anwendung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und sohin einer Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde auszugehen.

Dies wird ebenso durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs bestätigt.“

 

I.4. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 21. April 2015 die Beschwerde dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter zu entscheiden.

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. August 2015. Zu dieser Verhandlung sind ein Vertreter der beschwerdeführenden Partei sowie der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei erschienen. Zeugenschaftlich einvernommen wurde Herr A B von der Finanzpolizei.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oö. geht bei seiner Entscheidung – ergänzend zu I.1. – von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Bei einer von der Abgabenbehörde als Organ der öffentlichen Aufsicht am 11. April 2013 um 08:40 Uhr im Lokal mit der Bezeichnung „D“ in T, durchgeführten Kontrolle wurden folgende Geräte betriebsbereit vorgefunden, mit Versiegelungsplaketten versehen und vorläufig beschlagnahmt:

 

FA-Nr. Gehäusebezeichnung Seriennummer Typenbezeichnung

1             Auftragsterminal x A-T1

2 Auftragsterminal x A-T1

3 Auftragsterminal x A-T1

 

Die G s.r.o. ist Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Geräte. Die mitbeteiligte Partei war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ständiger Vertreter dieser Gesellschaft in Österreich.

 

Die verfahrensgegenständlichen Geräte standen von 01.01.2012 bis 11.04.2013 im oa. Lokal eingeschaltet und betriebsbereit für Spieler zur Verfügung.

 

Die belangte Behörde hat dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist den unter I.1. dargestellten Sachverhalt vorgeworfen.

 

II.3. Beweiswürdigung: Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchs­frei aus den im Akt befindlichen schriftlichen Unterlagen.

 

 

III. Rechtsgrundlagen

 

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von bis zu 40.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG daran beteiligt.

 

Gemäß § 44a Verwaltungsstrafgesetz (VStG) hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nach wie vor Anwendung findet – hat die Rechtsmittelinstanz nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die belangte Behörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. VwGH 15.02.2013, 2012/09/0046 mwN sowie VwGH 28.02.1997, 95/02/0601). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG bzw. § 50 VwGVG (vgl. VwGH 03.09.1996, 96/04/0080 mwN). Dabei ist Sache des Rechtsmittelverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheids der Behörde bildet (vgl. ua. VwGH 23.10.1995, 94/04/0080). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

IV.2. Die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG stellt die Verwirklichung verschiedener Tatbilder unter Strafe, nämlich das Veranstalten, Organisieren, unternehmerisch Zugänglichmachen oder die Beteiligung als Unternehmer an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG.

 

Da nun die Art der Verwirklichung der Verwaltungsübertretung in verschiedenen Erscheinungsformen möglich ist, hat der Tatvorwurf detaillierte Angaben zu Tatbegehungsform zu enthalten, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Tatvorwurf nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar.

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Tatvorwurfes iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 18.10.2011, 2011/02/0281 unter Bezugnahmen auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl. speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.03.2010, 2010/17/0017).

 

IV.3. Der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Mai 2013 ist nicht zu entnehmen, welches Tatbild der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung die mitbeteiligte Partei verwirklicht haben soll. Auch sonst hat die belangte Behörde dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keinen ausreichend konkretisierten Vorwurf gemacht.  Es liegt daher ein unbestimmter Tatvorwurf vor. Ein unbestimmter Tatvorwurf versetzt den Beschuldigten einerseits nicht in die Lage, auf einen konkreten Vorwurf bezogene Beweise anzubieten, und vermag ihn andererseits auch mangels genau feststehender Identität der Tat nicht vor einer weiteren Verfolgung zu schützen.

 

Da weder der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Mai 2013 noch sonst der Aktenlage ein konkreter Tatvorwurf zu entnehmen ist, kann dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt keine taugliche Verfolgungshandlung der Behörde, die zur Vollziehung des Verwaltungsstrafrechtes berufen ist (BH), entnommen werden. Der Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung ermöglicht keine unverwechselbare Differenzierung hinsichtlich der Identität der Tat. Dargestellt wird, dass das Unternehmen, welches vom Beschuldigten ständig vertreten wird, Glücksspielgeräte aufgestellt hat und damit Glücksspiele durchgeführt wurden. Es bleibt offen, ob dem Unternehmen damit das Veranstalten, das Zugänglich-machen oder eine im Gesetz vertypte Beteiligung vorgeworfen wird.  Es mangelt dem Vorwurf somit an der notwendigen Konkretisierung und ist der Beschuldigte insofern nicht vor Doppelbestrafung geschützt, als er nicht in die Lage versetzt wird, sich konkret gegen einen Vorwurf zu wehren. Er kann dem Vorwurf nicht entnehmen, was ihm die Behörde letztlich anlasten will.

Angesichts der längst abgelaufenen Verfolgungsverjährungsfrist war dem Verwaltungsgericht eine Korrektur bzw. die Formulierung eines konkretisierten Spruchs verwehrt. Mangels einer gesetzgemäßen behördlichen Verfolgungs-handlung ist nach Ablauf der Jahresfrist des § 31 Abs. 1 VStG somit Verfolgungsverjährung eingetreten und wäre schon allein aus diesem Grund das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG zur Einstellung zu bringen.

Auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei war daher nicht mehr näher einzugehen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Nur am Rande sei bemerkt, dass der Beschuldigte nicht Geschäftsführer, sondern ständiger Vertreter der G s.r.o. war.

V. Im Ergebnis war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die Einstellung des Strafverfahrens auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Z 1 VStG zu bestätigen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl