LVwG-850378/16/Wg

Linz, 23.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der W N S - F v Z-, S-, K- u D
GmbH & Co KG, R, S, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 24. Juni 2015, GZ: RM-Gew-150038-05, wegen des Widerrufes der Zuweisung einer Marktkoje

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben. Die Bescheide des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom
24. Juni 2015 und des Magistrates vom 27. Mai 2015 werden ersatzlos behoben.  

 

 

II.      Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.1.      Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz widerrief unter Hinweis auf ausstehende Marktgebühren mit Bescheid vom 27. Mai 2015, GZ: 203-DM13/15-Da, gemäß § 6 Z 7.7. der Linzer Marktordnung die Zuweisung der Verkaufskoje 13 a/b/c/d am L S der Beschwerdeführerin (Bf). Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 24. Juni 2015, GZ: RM-Gew-150038-05, mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruch des Bescheides wie folgt zu lauten hat: „Die mit Bescheid des Magistrates Linz vom 01.12.2014, GZ 203 DM13/14 Ne, erfolgte Zuweisung der Verkaufskoje 13 a/b/c/d am L S (Ausmaß: 76 m2) wird widerrufen. Der Widerruf wird an dem der Zustellung des Bescheides folgenden Monatsletzten wirksam. Die Verkaufskoje ist innerhalb von zwei Wochen ab Wirksamkeit des Widerrufs in ordnungsgemäßem Zustand dem Wirtschaftsservice der Stadt Linz zu übergeben.“

 

1.2.      Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich führte am 18. November 2015 eine öffentliche Verhandlung durch. Der Akteninhalt wurde eingehend erörtert und als Beweis­mittel verwertet.  Der Verhandlungsleiter stellte die beabsichtigte Entscheidung vorläufig zur Diskussion. Nachdem die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet hatten, verfügte der Verhandlungsleiter den Schluss der Beweisaufnahme.

 

2.           Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sach­verhalt fest:

 

Unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Bf ist die N S P GmbH. B S A ist handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser GmbH, U N Gesellschafterin der GmbH und Kommanditistin der Bf. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz wies mit dem bereits erwähnten Bescheid vom 1. Dezember 2014, GZ: 203 DM/13/14 Ne, der Bf auf Grundlage der Linzer Marktordnung die beschriebene Marktkoje unter Bindung an näher bezeichnete Auflagen zu.  Spruchabschnitt I.b. lautet: „Die Marktgebühr wird monatlich, in der in der jeweils geltenden Linzer Marktgebührenordnung festge­setzten Höhe eingehoben. Die Gebühr wird mit gesonderter Rechnung vorge­schrieben und ist im Voraus zu entrichten. Das sind derzeit 1.313,28 Euro (inkl. 20 % USt)“.

 

Im Buchungssystem des Magistrates waren mit Stand Mai 2015  Mahngebühren und Säumniszuschläge (Belegdatum 12. Dezember 2014, 13. Februar 2015,
13. März 2015, 10. April 2015, 15. Mai 2015) sowie Marktgebühren (Belegdatum 12. Jänner 2015, 13. Februar 2015, 18. März 2015, 14. April 2015) und Wasser-kostenersatz für das 1. und 2. Halbjahr 2014 (Belegdatum 11. Juli 2014 und
28. Jänner 2015) vermerkt. Der Gesamtbetrag an offenen Forderungen belief sich auf 6.503,72 Euro.

 

Über die Korrespondenz vor Erlassung des Widerrufsbescheides vom
27. Mai 2015 - insbesondere betreffend die im Akt befindliche Mahnung vom
16. April 2015 - sind keine Rückscheine vorhanden. Die Bf bestreitet, die Mahnung erhalten zu haben. Es steht daher nicht fest, dass eine Mahnung zugegangen ist und dass die Bf trotz Mahnung eine Zahlung nicht geleistet hat. Es steht aber fest, dass die Kommanditistin U N über den Zahlungsrückstand Bescheid wusste, hat sie doch bei der Mitarbeiterin des Wirtschaftsservices des Magis­trates der Landeshauptstadt Linz, Frau M D um Zahlungsaufschübe ersucht. Den Behördenvertretern ist bewusst, dass U N nicht vertretungsbefugt für die GmbH & Co KG ist, weil sie lediglich Kommanditistin der GmbH & Co KG ist. Dessen ungeachtet ist klar dokumentiert, dass der Magistrat nachweislich mit U N Kontakt aufgenommen hat und hier auch Gespräche betreffend Zahlungsaufschub statt­gefunden haben. Über die einzelnen Gespräche mit Frau N gibt es keine Aktenvermerke oder ähnliches. Frau D hielt aber immer mit der Leiterin des Wirtschaftsservices, Frau Dr. K, bezüglich der Vorgangs­weise Rücksprache.

 

Der Magistrat erließ unter Hinweis darauf, dass die „offenen Marktgebühren auch nach mündlicher bzw. schriftlicher Fristsetzung bis 30. April 2015 vom
16. April 2015 nicht eingezahlt“
worden wären, den Bescheid vom 27. Mai 2015,
GZ: 203-DM13/15-Da. Der Spruch dieses Bescheides lautet: „Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Wirtschaftsservice/Märkte, widerruft gem. § 6 Abs. 7
Z 7.7. der Linzer Marktordnung 1983 idgF mit sofortiger Wirksamkeit die Zuwei­sung für die Ihnen zugeteilte Markteinrichtung im Ausmaß von 76 m2 und fordert Sie gleichzeitig auf, diese in ordnungsgemäßem Zustand bis 31. Mai 2015 (Bezahlung des Rückstandes und Rückgabe des Schlüssels) bei sonstiger Zwangs­folge dem Wirtschaftsservice der Stadt Linz/Märkte zu übergeben.“

 

Die Bf stellte in weiterer Folge den Betrieb der gegenständlichen Koje mit
1. Juni 2015 ein. Grund dafür war der Widerrufsbescheid vom 27. Mai 2015. Die Bf nahm in diesem Schwebezustand von einer weiteren Inbetriebnahme Abstand. Der Magistrat versuchte am 2. Juni 2015 die Übergabe der Markt­koje durchzu­führen. Seitens der Bf war kein Vertreter anwesend. Die Koje war geschlossen. Der ausständige Betrag in der Höhe von 6.503,72 Euro wurde mit 26. Juni 2015 an den Magistrat überwiesen. Die Bf überwies auch die Standgebühr für
Juni 2015. Diese wurde aber vom Magistrat an die Bf rücküberwiesen, weil das Widerrufsverfahren anhängig war und die Behörde in dieser Zeit keine Zahlungen entgegennehmen wollte. Der Magistrat sendete daher für den Zeitraum nach Erlassung des Widerrufsbescheides auch keine Rechnungen über Standgebühren aus.

 

Die Koje wurde keinem anderen Rechtsträger zugewiesen, weshalb die Behördenvertreter infolge aufschiebender Wirkung der Berufung und der Beschwerde davon ausgehen, dass nach wie vor die ursprüngliche Zuweisung aus dem Jahr 2014 wirksam ist. Im bekämpften Bescheid wurde der erstinstanzliche Spruch des Widerrufsbescheides vom 27. Mai 2015 abgeändert.

 

3.     Beweiswürdigung:

 

Einleitend (1.) werden Beschwerdegegenstand und Ablauf des verwaltungs-gerichtlichen Ermittlungsverfahrens zusammengefasst wiedergegeben. In der Sache selbst (2.) ergibt sich der Sachverhalt unstrittig aus dem vorgelegten Verfahrensakt. Der Sachverhalt wurde in der mündlichen Verhandlung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich eingehend erörtert.

 

4.           Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Zum Adressaten des Widerrufsbescheides:

 

Die in der Beschwerde beanstandete - mit dem Zuweisungsbescheid vom
1. Dezember 2014 übereinstimmende - Adressierung des erstinstanzlichen Wider­rufsbescheides an die „N GmbH & Co KG zeigt im Ergebnis keine relevante Rechtswidrigkeit auf. Die Zuweisung ist unbestritten wirksam erfolgt, weshalb die Bf mit weiteren Zustellungen an denselben Adressaten rechnen musste. Im bekämpften Bescheid erfolgte eine ausdrückliche Klarstellung des Adressaten.

 

4.2.      Zum Widerruf:

 

§ 6 Z 7.7. der Marktordnung der Landeshauptstadt Linz lautet:

 

7. Ein Widerruf der Zuweisung ständiger Standplätze und Monatsstandplätze kann jederzeit aus wichtigen Gründen ausgesprochen werden. Solche sind insbesondere gegeben, wenn

...

7.7. die Marktgebühren nicht regelmäßig oder rechtzeitig bezahlt werden oder die Marktpartei trotz Mahnung mit deren Bezahlung drei Monate im Rückstand ist und/oder über das Vermögen der Marktpartei einmal der Konkurs eröffnet wurde oder ihr Unternehmen zur Zwangsversteigerung oder -verpachtung kommen soll.

 

Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2015 aus: „Aufgrund des fehlenden Rückscheines ist nicht verifizierbar, dass eine Mahnung zugegangen ist und dass die Bf trotz Mahnung eine Zahlung nicht geleistet hat. Nach dem Wortlaut des § 6 Z 7.7. Marktordnung, welcher mehrere - alternativ - verwirklichbare Widerrufstatbestände enthält, ist bei nicht rechtzeitiger oder nicht regelmäßiger Bezahlung der Marktgebühren ein Widerruf auch ohne vor­heriger Mahnung zulässig (siehe auch Begründungsabschnitt III.3. des Berufungs­bescheides). Dass die nach der Neuzuweisung vom 1.12.2014 fällig gewordenen Marktgebühren 02/2015 bis 05/2015 nicht rechtzeitig und nicht regelmäßig (= bis zur jeweiligen Fälligkeit) bezahlt wurden, ist unstrittig und durch die im vorgelegten Akt enthaltenen SAP-Ausdrucke belegt. Die betref­fenden Monatsgebühren wurden nämlich erst am 26.06.2015 beglichen (siehe die angeschlossenen SAP-Ausdrucke, aus denen unter ‚Basisdatum‘ auch das jeweilige Fälligkeitsdatum ersichtlich ist). Die Frage, ob bei nicht rechtzeitiger und/oder nicht regelmäßiger Bezahlung der Marktgebühren vor dem Widerruf der Zuweisung eine förmliche per RSb zugestellte Mahnung erforderlich ist, stellt ebenso eine reine Rechtsfrage dar, wie die Frage, ob durch die nachträgliche Begleichung offener Marktgebühren ein einmal bereits verwirklichter Widerrufs­tatbestand wieder wegfällt.“ 

 

Die Anwendung des § 6 Z 7 der Marktordnung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (arg. „kann“, zum Begriff des pflichtgemäßen Ermessens vgl. VwGH 8.7.2015, GZ: Ra 2015/11/0036, VwGH 9.10.2002, GZ: 2002/04/0118). Die Markt­partei hat gegenüber der Behörde grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung (vgl. Beschluss des VGH Bayern vom 4.7.2011, GZ: 15 ZB 09.1237). Die Behörde hat sich gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG bei der Ermessensübung vom „Sinn des Gesetzes“ leiten zu lassen und unterliegt dabei nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Verwaltungsgericht.

 

Marktgebühren im einschlägigen Terminus des § 6 Z 7.7. der Marktordnung sind die Gebühren laut III./1. der Marktgebührenordnung betreffend die Koje. Es handelt sich um die Standgebühren für eine Koje. Als Koppelungsvorschrift bezeichnet man im Verwaltungsrecht eine Rechtsnorm, die sowohl auf der Tat­bestandsseite einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält als auch auf der Rechtsfolgenseite Ermessen einräumt (vgl. Hartmut Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. Beck, München 1997, § 7 Rn. 48).

 

Die Ermessensübung der ersten Instanz setzt erkennbar eine Mahnung voraus (arg. „auch nach mündlicher bzw. schriftlicher Fristsetzung“), die im vorliegenden Fall aber nicht erwiesen ist. Mangels Mahnung ist der dritte Widerrufsgrund unstrittig nicht erfüllt. Der erstinstanzliche Widerrufsbescheid stellt keine Mahnung im Sinne des § 6 Z 7.7. Marktordnung dar. Das Nachschieben von Gründen im Wege einer Berufungsentscheidung ist gemäß § 66 Abs. 4 AVG ausdrücklich zulässig. Die belangte Behörde führt die ersten beiden Wider­rufsgründe des § 6 Z 7.7. ins Treffen. Diese knüpfen an einen Zahlungsverzug an, wobei - unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes - weitere Umstände hinzutreten müssen, die im Ergebnis einen „wichtigen Grund“ darstel­len. § 33 Abs. 2 MRG ist dabei entgegen der Ansicht der Bf nicht unmittelbar maßgeblich.

 

Wenn sich die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung des Landesver­waltungsgerichtes Oberösterreich darauf bezog, bei der geplanten Übergabe am 2. Juni 2015 sei kein Vertreter der Bf anwesend gewesen, ist festzuhalten, dass die Wirkungen des erstinstanzlichen Bescheides aufgeschoben waren und am
2. Juni 2015 noch keine durchsetzbare Verpflichtung zur Übergabe bestand. Gleichzeitig stellt es noch keinen triftigen Grund für einen Widerruf dar, wenn die Bf unter Hinweis auf die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Anordnung und den damit verbundenen Schwebezustand die Koje seit 1. Juni 2015 geschlossen hält. Die Gebühr für Juni 2015 wurde vom Magistrat rücküberwiesen und wurden keine weiteren Rechnungen ausgestellt. Im Ergebnis ergibt sich aus der nicht rechtzeitigen Bezahlung der Marktgebühren bis 26. Juni 2015 kein wichtiger Grund, der einen Widerruf rechtfertigen würde. Abgesehen davon hat das Verwal­tungsgericht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Es besteht kein Neuerungsverbot. Der Bescheid des Magistrates ist in der Berufungsentscheidung aufgegangen.
Zur Klarstellung war nicht nur der Berufungsbescheid, sondern zugleich der Bescheid des Magistrates ersatzlos zu beheben. Die Rechtsmittel der Bf sind abschließend als erledigt anzusehen (vgl. LVwG-150604/2/MK, LVwG-150646/5/DM/MP).

 

5.     Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil keine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zur Frage vorliegt, ob im gegenständlichen Fall der Widerruf als zulässige Ermessensentscheidung der Behörde im Sinne des Art. 130 Abs. 3
B-VG anzusehen ist und - auch wenn die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt wurde - auf die Rechtslage im Zeitpunkt des erst- oder zweitinstanzlichen Bescheides abzustellen ist. Ob die für Leistungsbescheide geltende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die rechtsgestaltende Wirkung eines Widerrufes angewendet werden kann, ist unklar (vgl. VwGH 24.10.2001, GZ: 2000/04/142). Die Zustellung des Widerrufsbescheides erster Instanz ersetzt wohl keine Mahnung (vgl. OGH 29.4.1997, 1Ob151/97f).

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesver­waltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl