LVwG-400106/2/ER

Linz, 11.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde von Frau E. H., vertreten durch Rechtsanwältin Mag. P. K., x, M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 6. Mai 2015, GZ. VerkR96-17319-2013, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Bundesstraßenmautgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 6. Mai 2015, VerkR96-17319-2013, verhängte der Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf an der Krems (im Folgenden: belangte Behörde) über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) eine Strafe in der Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 20 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 und § 11 Abs 1 Bundesstraßen­mautgesetz – BStMG.

 

Der Spruch lautet wie folgt:

Sie haben am 6.5.2013 um 17.05 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen x im Gemeindegebiet von A., auf der A7 beim Knoten L. bei ABKm. 0,853 und somit auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Es war am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht, welche abgelaufen war.“

 

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Bf gegen die Strafverfügung vom 20. August 2013 Einspruch erhoben habe, welchen sie damit begründet habe, eine gültige Jahresvignette mit sich geführt zu haben. Sie sei ferner benachteiligt, weil sie Wechselkennzeichenbesitzerin sei und daher zwei Jahresvignetten besitzen müsse.

Die belangte Behörde führte ferner an, dass auf Beweisfotos der A. ersichtlich sei, dass nur abgelaufene Jahresvignetten auf dem Fahrzeug ange­bracht gewesen seien. Die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung sei daher als erwiesen anzusehen. Am Fahrzeug sei eine Mautvignette angebracht gewesen, welche abgelaufen war.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Beschwerde vom 8. Juni 2015, in der die Bf – rechtsfreundlich vertreten – beantragt, das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu mit einer Ermahnung vorzugehen, in eventu die verhängte Strafe außerordentlich zu mildern. Ferner regte sie an, das Oö. Landesverwaltungsgericht möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung des BStMG wegen Verfassungswidrigkeit in Hinblick auf Wechselkennzeichen stellen.

Ferner beantragte die Bf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Begründend führte die Bf im Wesentlichen aus, dass sie im Besitz von zwei gültigen Jahresvignetten gewesen sei. Dass am Fahrzeug abgelaufene Vignetten angebracht gewesen seien, wurde von der Bf nicht bestritten, dies sei aber rechtlich jedenfalls zulässig.

Die belangte Behörde habe den Sachverhalt – insbesondere in Hinblick darauf, dass die Bf Wechselkennzeichenbesitzerin sei – nicht hinreichend festgestellt, ferner habe die belangte Behörde nicht festgestellt, welche Fahrzeugtypen die Bf angemeldet habe. Außerdem sei die belangte Behörde nicht auf das Vorbringen der Bf eingegangen, wonach sie im Besitz von zwei gültigen Jahresvignetten gewesen sei.

Weiters brachte die Bf umfassende Erwägungen zur behaupteten Verfassungs­widrigkeit des BStMG vor.

 

I.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 16. Juni 2015 dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

Das Oö. Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die Beschwerdeschrift. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, ist gemäß § 44 Abs 2 VwGVG keine Verhandlung durchzuführen.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungs­relevanten   S a c h v e r h a l t   aus:

 

Mit Strafverfügung vom 20. August 2013 wurde der Bf vom Bezirkshauptmann des Bezirks Linz-Land Folgendes vorgeworfen:

 

„Tatort: Gemeindegebiet von A., Mautabschnitt, Richtungsfahrbahn:

Knoten L. A7 bei km 0.853

Tatzeit: 06.05.2013, 17.05 Uhr

Fahrzeug: PKW x

 

1. Sie haben ein Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Es war am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht, welche abgelaufen war.

(...)“

Gegen diese Strafverfügung erhob die Bf rechtzeitig Einspruch.

 

Am 16. September 2013 trat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land das gegen­ständliche Verwaltungsstrafverfahren an die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems, in deren Sprengel die Bf ihren Hauptwohnsitz hat, ab.

Mit dem nunmehr bekämpften Straferkenntnis verhängte die belangte Behörde eine Verwaltungsstrafe, wobei der Tatvorwurf im Spruch jenem der Strafver­fügung entspricht.

Unbestritten war am verfahrensgegenständlichen Fahrzeug zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt eine abgelaufene Vignette angebracht.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

III. Gemäß § 20 Abs 1 BStMG in der zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr 82/2007, begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 € bis zu 3000 € zu bestrafen.

 

Gemäß § 10 Abs 1 BStMG idF BGBl I Nr 82/2007 unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß dem dritten Absatz des Abschnitts 7.1. der Mautordnung in der zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt geltenden Version 34 sollte im Interesse der Verkehrssicherheit und um eine wirksame und benutzerfreundliche Kontrolle der Entrichtung der zeitabhängigen Maut zu gewährleisten, tunlichst neben der jeweils gültigen Vignette höchstens eine zweite Vignette am Kraftfahrzeug angebracht sein.

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Sowohl in der Strafverfügung vom 20. August 2013 als auch im – beinahe zwei Jahre später ergangenen – angefochtenen Straferkenntnis wurde der Bf vorgeworfen, die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht war, die abgelaufen war. Weder aus der Strafverfügung noch aus dem Spruch des Straferkenntnisses geht jedoch hervor, dass die Bf keine gültige Vignette angebracht gehabt hätte.

Zwar weist die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses darauf hin, dass auf einem Foto der ASFINAG ersichtlich sei, dass nur abgelaufene Jahresvignetten angebracht gewesen seien, führt aber in den Erwägungen sinngemäß wieder aus, dass die Bf die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet habe, zumal am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht gewesen sei, die abgelaufen war.

 

Die Mautordnung präzisiert als Durchführungsverordnung zum BStMG (vgl
etwa VwGH 20.9.2001, 2001/06/0096; VwGH 18.6.2003, 2001/06/0173), in Abschnitt 7 unter welchen Bedingungen eine Vignette angebracht werden muss, um die Maut ordnungsgemäß zu entrichten. Gerade in diesem Abschnitt findet sich jedoch auch eine Bestimmung, aus der hervorgeht, dass das Belassen von abgelaufenen Vignetten nicht dazu führt, dass (bloß) dadurch die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wäre.

 

Aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses geht jedoch mit keinem Wort hervor, dass die Bf über keine gültige oder eine nicht der Mautordnung entsprechend angebrachte Vignette verfügt hätte. Es ist aus dem Spruch lediglich der Vorwurf abzuleiten, dass die Bf eine Vignette am Fahrzeug angebracht hatte, die abgelaufen war. Allein dies stellt aber keine Verwaltungs­übertretung iSd BStMG dar.

 

 

V. Zumal der Bf im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses eine „Tat“ vorgeworfen wurde, die nicht mit Strafe bedroht ist, war das angefochtene Straferkenntnis im Ergebnis gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

Es war daher auf das weitere Vorbringen der Bf nicht mehr näher einzugehen.

 

Bei diesem Ergebnis war der Bf weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens noch zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter