LVwG-600826/2/ZO/CG

Linz, 17.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn F S M, geb. 1980, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B H, I, vom 19.03.2015, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Vöcklabruck vom 19.02.2015, Zl. VerkR96-15045-2014 wegen einer Übertretung des KFG,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat dem Beschwerdeführer in Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, dass er als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den Kennzeichen FK-x, FK-x, welches mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgerüstet ist, sich bei der Bedienung des Kontrollgerätes nicht an die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes gehalten habe. Er habe

am 27.04.2014 von 15:47 Uhr bis 20:23 Uhr,

am 28.04.2014 von 01:14 Uhr bis 05:28 Uhr,

am 01.05.2014 von 15:30 Uhr bis 20:16 Uhr,

am 02.05.2014 von 02:15 Uhr bis 05:31 Uhr,

am 04.05.2014 von 15:38 Uhr bis 05.05.2014 um 02:05 Uhr,

am 11.05.2014 von 15:35 Uhr bis 12.05.2014 um 00:35 Uhr,

am 18.05.2014 von 15:28 Uhr bis 19.05.2014 um 00:41 Uhr,

seine Fahrerkarte nicht im Kontrollgerät verwendet. Dies stelle anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABl. Nr. L29, einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar.

 

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs.1b KFG iVm § 102a Abs.4 KFG i.d.g.F. begangen, weshalb über ihn gemäß    § 134 Abs.1b KFG eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro (Ersatzfreiheitstrafe 180 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 90 Euro verpflichtet.

 

2.           In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass er in den relevanten Zeiträumen kein aufzeichnungspflichtiges Fahrzeug gelenkt habe sondern lediglich als Beifahrer unterwegs gewesen sei. Es sei für den Meldungsleger daher ohne Probleme möglich gewesen, die Lenk- und Ruhezeiten auszuwerten, weshalb er den Kontrollzweck nicht vereitelt habe.

 

Er habe bereits bei der Kontrolle angegeben, dass der Slot 2 einmal kurz defekt gewesen sei. Er habe die Fahrerkarte erst nach mehrmaligen Versuchen vom Slot 2 entnehmen können. Aufgrund dieses Defektes sei auch der Rhythmus der 24-Stunden-Zeiträume gestört worden. Eine Werkstattbestätigung betreffend dieses Defektes könne er nicht vorlegen, weil sich das Fahrzeug nicht mehr im Fuhrpark seiner Arbeitgeberin befinde.

 

Aus den Auswertungsprotokollen ergebe sich, dass verschiedenste Zeiträume am 22.06.2014 korrigiert worden seien. Es sei daher für ihn nicht mehr nachvollziehbar, worauf eine Zeitkorrektur einen Monat nach der Kontrolle gestützt werde und nach welchen Kriterien diese Zeitkorrekturen durchgeführt worden seien. Auch der Amtssachverständige habe zu diesen Korrekturtabellen keine Ausführungen gemacht.

 

Weiters habe die Behörde die Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG falsch angewendet, das Straferkenntnis nicht ausreichend begründet und bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt, dass er als Alleinverdiener für seine Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig sei sowie eine monatliche Darlehensrate in Höhe von 250 Euro zu bezahlen habe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 8.4.2015 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich war.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Beschwerdeführer befand sich zu den im Spruch angeführten Zeiten als Beifahrer im gegenständlichen LKW. Er hatte seine Fahrerkarte jedoch nicht im Kontrollgerät eingelegt.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

5.1. Gemäß § 102a Abs.4 KFG 1967 haben sich Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgerüstet sind, bei der Bedienung des Kontrollgerätes an die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes zu halten. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Kontrollgerät auf Fahrten in Betrieb ist und dass ihre Fahrerkarte im Kontrollgerät verwendet wird. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht die in der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 vorgesehenen Ausdrucke, die Fahrerkarte und die mitgeführten Schaublätter des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage, falls sie in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt haben, das mit einem analogen Kontrollgerät ausgerüstet ist, auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage und werden dafür auch keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen.

Gemäß Art. 4 lit.c der Verordnung (EG) 561/2006 bezeichnet der Ausdruck „Fahrer“ jede Person, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt oder sich in einem Fahrzeug befindet, um es – als Bestandteil seiner Pflichten – gegebenenfalls lenken zu können.

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

5.2. Aus Art.4 lit.c der Verordnung (EG) 561/2006 ist abzuleiten, dass auch der Beifahrer als „Fahrer“ anzusehen ist. Den Beifahrer treffen daher dieselben Pflichten wie den Fahrer. Dieser Grundsatz ist auch auf die Bestimmung des       § 102a Abs.4 KFG anzuwenden, weshalb auch den Beifahrer eines LKW die dort angeführten Verpflichtungen des Lenkers treffen.

Die Bestimmung des § 102a Abs.4 KFG legt für den Lenker eines kontrollgerätepflichtigen LKW (und damit auch für den Beifahrer) verschiedenste Pflichten fest:

1)          In Satz 1 dieser Bestimmung ist angeführt, dass sich der Lenker bei der Bedienung des Kontrollgerätes an dessen Bedienungsanleitung zu halten hat.

2) In Satz 2 (1. Halbsatz) dieser Bestimmung wird der Lenker verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Kontrollgerät auf Fahrten in Betrieb ist;

3) In Satz 2 des § 102 Abs.4 KFG (2. Halbsatz) wird der Lenker dazu verpflichtet, die Fahrerkarte im Kontrollgerät zu verwenden;

weiters sind in dieser Bestimmung die Pflicht des Lenkers angeführt, den Kontrollorganen verschiedene Unterlagen auszuhändigen bzw. entsprechende Bestätigungen mitzuführen.

§ 102a Abs.4 KFG verpflichtet den Lenker eines kontrollgerätepflichtigen LKW daher zu verschiedensten Handlungen. Verstößt er gegen eine dieser Verpflichtungen, so begeht er, je nachdem um welche konkrete Pflicht es sich handelt, (nur) eine bestimmte von mehreren möglichen der dort genannten Verwaltungsübertretungen. Es ist daher erforderlich, dass dem Lenker eindeutig vorgehalten wird, gegen welche der in § 102a Abs.4 KFG angeführten Verpflichtungen er konkret verstoßen hat.

 

Im gegenständlichen Fall hat die Behörde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er sich bei der Bedienung des Kontrollgerätes nicht an dessen Bedienungsanleitung gehalten habe. Weiter ist angeführt, dass er zu bestimmten Zeiten seine Fahrerkarte nicht im Kontrollgerät verwendet hat. Dabei handelt es sich – wie bereits oben dargestellt – um zwei verschiedene Verpflichtungen des Lenkers: Einerseits muss er die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes einhalten, andererseits muss er seine Fahrerkarte im Kontrollgerät verwenden. Die erste Verpflichtung ist in § 102a Abs.4 1. Satz KFG festgelegt, die zweite in  § 102a Abs.4 2. Satz, 2. Halbsatz KFG. Aus der von der Behörde verwendeten Formulierung, welche diese beiden Verpflichtungen zu einer einzigen vermischt, ist nicht eindeutig ableitbar, was dem Beschwerdeführer exakt vorgeworfen wird:

Hat er nun gegen die Bedienungsanleitung verstoßen oder hat er zu bestimmten Zeiten seine Fahrerkarte nicht verwendet?

Auch die von der Behörde angeführte verletzte Rechtsvorschrift, nämlich § 102a Abs.4 KFG, kann diese Unklarheit nicht beseitigen. Aus der pauschalen Anführung des gesamten § 102a Abs.4 KFG kann nicht abgeleitet werden, gegen welche der zahlreichen dort angeführten Verpflichtungen der Lenker konkret verstoßen haben soll.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z. 1 VStG muss einem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung hinsichtlich Tatzeit, Tatort und Tathandlung in so konkretisierter und individualisierter Weise vorgeworfen werden, dass keinerlei Gefahr einer Doppelbestrafung besteht und der Beschuldigte in seinen Verteidigungsrechten nicht eingeschränkt ist (sh. z.B. VwGH 14.2.1985, 85/02/0013 und 23.11.2000, 98/07/0173). Im konkreten Fall ist jedoch aufgrund der nicht eindeutigen Formulierung der Tathandlung im Spruch nicht klar, ob der Beschuldigte wegen eines Verstoßes gegen die Bedienungsanleitung (gegen welchen?) oder wegen des Nichtverwendens der Fahrerkarte verfolgt wurde. Der Beschuldigte wusste daher nicht, gegen welchen dieser beiden möglichen Tatvorwürfe er sich hätte verteidigen sollen, weshalb er in seinen Verteidigungsmöglichkeiten zumindest eingeschränkt war.

 

Der unklare Tatvorwurf ist in allen im Akt befindlichen Verfolgungshandlungen (Aufforderung zur Rechtfertigung, Übersendung einer Aktenkopie und Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme) gleich formuliert, sodass für den Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht ausreichend klar war, welcher der beiden möglichen Verstöße ihm vorgeworfen wird. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen war.

 

Zu II.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Gottfried Zöbl