LVwG-000081/13/WEI

Linz, 25.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Ing. R S, Qualitätsmanager der Fa H KG, vertreten durch Dr. J H und Mag. Dr. T H, LL.M., Rechtsanwälte in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom         27. November 2014, Zl. SanRB96-82-2013, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 2 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. September 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht (§ 52 Abs 9 VwGVG) zu leisten. Weiters entfällt auch die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung gemäß § 71 Abs 3 LMSVG.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Straferkenntnis

 

Sie haben als gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 idgF verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes des Lebensmittelunternehmens H KG mit dem Sitz in  S, folgendes zu verantworten:

 

Das Lebensmittelunternehmen H KG, S, hat die als Lebensmittel einzustufende Ware „N a B P" am 27.05.2013 durch die gekühlte Aufbewahrung im Lager für Verkaufszwecke bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht.

Bei einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 27.05.2013 um 07:59 Uhr im Kühllager des Lebensmittelunternehmens H KG, S, wurden 3 Packungen (3 x 150 g) „N a B P" als amtliche Probe mit dem Probenzeichen 4017MUER0108/13 gezogen und dem Institut für Lebensmittelsicherheit Wien, Spargelfeldstr. 191, 1220 Wien, zur Begutachtung übergeben.

Laut Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien, Spargelfeldstr. 191, 1220 Wien, vom 20.08.2013, Dok.Nr. D-2541936, wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Probe mit der Bezeichnung „N a B P" ist genusstauglich, sie weist jedoch folgenden Mangel auf:

Auf der Verpackung der Probe ist jeweils ein Nettogewicht von 150 g deklariert. Tatsächlich liegen die Nettogewichte der drei Packungen jedoch bei 130 g, 131 g und 132 g, die Abweichungen betragen mehr als 12 %. Die Probe weist somit eine zur Täuschung über die Menge geeignete Angabe.

Die Ware ist daher nach den allgemeinen Anforderungen des § 5 Abs. 2 Ziffer 1 LMSVG mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe in Verkehr, obwohl es gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 LMSVG verboten ist, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 90 Abs. 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Ziffer 1 Lebensmitteisicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 sowie Art. 3 Ziffer 3 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002“

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bf „gemäß § 90 Abs. 1 Ziffer 1 LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006“ eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 50 Euro (10% der Strafe) und als Ersatz der Barauslagen für Lebensmitteluntersuchungskosten 82,16 Euro vorgeschrieben.

 

 

I.2. Zur Begründung des Straferkenntnisses führt die belangte Behörde aus:

 

„Anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision am 27.05.2013 um 07:59 Uhr im Lebensmittelunternehmen H KG in S, wurden durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan 3 Packungen (3 x 150 g) „N a B P" als Probe gezogen und dem Institut für Lebensmittelsicherheit Wien zur Begutachtung übermittelt.

 

Im Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit vom 20.08.2013, D-2541936, wurde folgendes festgestellt:

 

"Die vorliegende Probe mit der Bezeichnung „N a B P" ist genusstauglich, sie weist jedoch folgenden Mangel auf:

Auf der Verpackung der Probe ist jeweils ein Nettogewicht von 150 g deklariert. Tatsächlich liegen die Nettogewichte der drei Packungen jedoch bei 130 g, 131 g und 132 g, die Abweichungen betragen mehr als 12 %. Die Probe weist somit eine zur Täuschung über die Menge geeignete Angabe auf.

 

Die Ware ist daher nach den allgemeinen Anforderungen des § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe in Verkehr."

 

Der verantwortlich Beauftragte des Lebensmittelunternehmens H KG, Herr Ing. R S, wurde mit Schreiben vom 04.11.2013 aufgefordert, sich binnen 14 Tagen zu der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen.

 

Mit Eingabe vom 14.11.2013 wurde von den Rechtsvertretern des Beschuldigten folgende Rechtfertigung abgegeben:

 

„Der Beschuldigte bestreitet den ihm zur Last gelegten Sachverhalt, er bekennt sich nicht schuldig und wendet ein:

 

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, er habe das Lebensmittel „N a B P" mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht. Auf der Verpackung der Probe sei ein Nettogewicht von 150 g deklariert, tatsächlich lägen die Nettogewichte der drei Packungen bei 130, 131 und 132 g. Die Abweichungen würden mehr als 12 % betragen.

 

Der Vorwurf ist unrichtig.

 

Die H KG kennzeichnet das Produkt mit einem Gewicht von 150 g pro Packung und zwar egalisiert nach der Fertigpackungsverordnung 1993 (FPVO).

 

Im Unternehmen der H KG liegen Aufzeichnungen zu den durchgeführten Stichprobenmessungen für die betreffende Charge vor. Diese Charge ist konform mit den Anforderungen der FPVO.

 

Weiter hat die H KG die ihr zur Verfügung gestellte amtliche Gegenprobe im akkreditierten Institut Analytec Salzburg untersuchen lassen. Nach dem Gutachten vom 16.07.2013, Zahl: G185975/2013, ist die Ware in Hinsicht auf die Deklaration in Österreich verkehrsfähig. Unter den berücksichtigen Verordnungen wird auch die FPVO angeführt.

 

Beweis:

Gutachten von Analytec vom 16.07.2013, Einvernahme des Beschuldigten.

 

Da die Eichamtsauszeichnungen eine konforme Charge mit einer TU1-Abweichung bei 30 Stichproben ergibt und die Gegenprobe als konform mit der FPVO bewertet wurde, ist die Produktabwicklung, insbesondere die Produktauszeichnung korrekt und einwandfrei.

 

Die Bewertung „zur Irreführung geeigneten Angaben" ist nach der Betrachtung der Gesamtcharge nicht gerechtfertigt. Das Protokoll für die Charge wurde bereits vom Beschuldigten übergeben.

 

Die Messung der AGES Wien laut Prüfbericht Nr. 13058539-001 wird daher ausdrücklich bestritten.

 

Es wird daher der Antrag gestellt, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

Das Institut für Lebensmittelsicherheit Wien hat hiezu am 24.01.2014 folgende Stellungnahme abgegeben:

 

„Der Rechtfertigung des Rechtsvertreters der Firma H liegt ein Untersuchungszeugnis einer Packung der Probe „H B P 150 g" und eine Stichprobenstatistik über die gemessenen Füllmengen von 30 Packungen aus der Charge der beanstandeten Probe bei. Aus den firmeninternen Aufzeichnungen geht ein dokumentierter „Verletzer" mit 7,5 % Minusabweichung hervor. Aus dem Untersuchungszeugnis der Gegenprobe geht hervor, dass die ermittelte Füllmenge ebenfalls nur 138 g aufwies, anstatt der deklarierten 150 g.

 

Bei einer deklarierten Füllmenge von 150 g kann ein Konsument davon ausgehen, dass durchschnittlich tatsächlich 150 g der Ware netto enthalten sind. Im gegenständlichen Fall wiesen jedoch drei Packungen der als Planprobe beim Hersteller entnommen Probe die im Gutachten vom 19.08.2013 erwähnte Minusabweichung von mehr als 12 % auf. Diese Gewichtsabweichung entspricht etwa 2 Wurstblättern weniger pro Packung. Bei Kenntnis der Sachlage würde die Mehrheit der Verbraucher dies nicht akzeptieren.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 LMSVG idgF ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben im Sinne des zitierten Paragraphen sind insbesondere „zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

 

Bei der beanstandeten Probe entspricht die Menge des Lebensmittels nicht den Angaben auf dem Etikett, mit dem die Probe in Verkehr gebracht wird. Der Tatbestand der Irreführung ist daher eindeutig gegeben."

 

Darüber hat die Behörde erwogen:

 

Gemäß § 90 Abs. 1 Ziffer 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 idgF. begeht, wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung, in Verkehr bringt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z. 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Handels begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Im Fall der Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

 

Es ist gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 leg.cit. verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

 

Zu den Rechtfertigungsangaben der Rechtsvertreter des Beschuldigen wird folgendes ausgeführt:

 

Laut Gutachten des Institutes für Lebensmitteisicherheit Wien wiesen die Nettogewichte der drei Packungen 130 g, 131 g und 132 g auf. Auf der Verpackung der Probe wurde jeweils ein Nettogewicht von 150 g deklariert. Die Abweichungen betragen somit mehr als 12 %.

 

Aus dem Untersuchungszeugnis der Gegenprobe geht hervor, dass die ermittelte Füllmenge ebenfalls nur 138 g aufwies, anstatt der deklarierten 150 g. Aus den firmeninternen Aufzeichnungen geht ein dokumentierter „Verietzer" mit 7,5 % Minusabweichung hervor.

 

Es liegt somit eindeutig eine Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher-

Schutzgesetzes, BGBL I Nr. 13/2006 idgF vor. Der zur Last gelegte Sachverhalt stützt sich auf das Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien und ist somit fachlich untermauert.

 

Die Einspruchsangaben konnten zu keiner Änderung dieses Ergebnisses führen.

 

Gemäß § 16 Abs. 2 und 19 VStG 1991 idgF sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Demzufolge ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß zu verwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Der Unrechtsgehalt der Tat ist im vorliegenden Fall durch die Tatsache, dass auf der Verpackung der Probe jeweils ein Nettogewicht von 150 g deklariert wurde, die Nettogewichte tatsächlich jedoch bei 130 g, 131 g und 132 g liegen und die Abweichungen somit mehr als 12 % betragen, gegeben.

 

Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens wird die Schuldform zumindest der Fahrlässigkeit angenommen.

Strafmilderungsgründe konnten keine festgestellt werden. Straferschwerend war die Tatsache, dass der Beschuldigte bereits wegen Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes mit Erkenntnis des OÖ. Landesverwaltungsgerichtes vom 27.05.2014 rechtskräftig mit 150 Euro bestraft wurde.

 

Die verhängte Strafe entspricht daher dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Grad des Verschuldens.

 

Unter Heranziehung der in den §§ 32 bis 35 StGB genannten Bestimmungen ist jedoch aus dem Text des § 19 Abs. 2 VStG. 1991 auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten entsprechend Rücksicht zu nehmen.

 

Mit Schreiben vom 30.05.2014 wurde der Beschuldigte aufgefordert, binnen 14 Tagen seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten bekanntzugeben.

 

Es wurde daraufhin von den Rechtsvertretern des Beschuldigten mitgeteilt, dass er kein Vermögen besitzt, sein monatliches Nettoeinkommen ca. 2000 Euro beträgt und keine Sorgepflichten bestehen.

 

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Strafrahmen in der Höhe bis zu 50 000 Euro stellte nach Ansicht der Behörde der Betrag von 500 Euro die unterste Grenze darf, die gerade noch ausreichen müsste, den Beschuldigten in Hinkunft von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.“

 

 

II. Gegen dieses dem Bf am 3. Dezember 2014 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Beschwerde vom 30. Dezember 2014 (Postaufgabe), die bei der Strafbehörde am 2. Jänner 2015 einlangte. Zur Begründung führt die Beschwerde aus:

 

„Gegen das Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 27.11.2014 erhebt der Beschwerdeführer

 

BESCHWERDE

 

an das Verwaltungsgericht. Er ficht die Entscheidung zur Gänze an und zwar aus folgenden Gründen:

 

1. Angefochtener Bescheid:

 

Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.11.2014, SanRB96-82-2013.

 

 

2. Belangte Behörde:

 

Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.

 

 

3. Ablehnungsantrag gegen AGES:

 

Die Behörde bezieht sich auf ein Gutachten des Institutes für Lebensmittelsicherheit Wien. Aus der Aktenlage kann der Beschwerdeführer nicht feststellen, ob damit die AGES gemeint ist. Er lehnt jedenfalls die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) hiermit ab. Zu den Ablehnungsgründen verweist er auf die Beschwerde, welche im Verfahren SanRB-96-97-2012 anhängig ist.

 

 

4. Gründe:

 

a) Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

 

Die Behörde bezieht sich auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides auf die Stellungnahme des Instituts für Lebensmittelsicherheit Wien vom 21.01.2014. Nach der dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorliegenden Aktenlage wurde diese Stellungnahme weder dem Beschwerdeführer, noch dessen Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hatte keine Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren mit dieser Stellungnahme auseinander zu setzen. Die belangte Behörde hat damit das rechtliche Gehör nicht gewahrt. Hätte der Beschwerdeführer diese Stellungnahme gekannt, so hätte er dazu Stellung nehmen können und es wäre die Behörde zu einem anderen Bescheid gekommen, wie im Folgenden auszuführen ist.

 

b) Begründungsmängel:

 

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist mangelhaft. Die Behörde gibt zunächst das Gutachten wieder, es folgt die Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 14.11.2013, sodann wird die Stellungnahme des Instituts für Lebensmittelsicherheit Wien vom 24.01.2014 zitiert. Im Zuge der Erwägungen gibt die belangte Behörde die Rechtslage (unvollständig) wieder, stützt sich auf das Gutachten und das Untersuchungszeugnis über die Gegenprobe, zieht daraus den Schluss, es liege eine Verwaltungsübertretung vor und begründet dies letztlich mit dem Satz: „Die Einspruchsangaben konnten zu keiner Änderung dieses Ergebnisses führen."

 

Die Behörde hat sich mit den einzelnen Beweisergebnissen, vor allem aber mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Fertigpackungsverordnung 1993 (FPVO) nicht auseinandergesetzt. Der Begründung ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Rechtfertigung, vor allem aber seinen rechtlichen Argumenten, keine Bedeutung zukommen soll. Damit ist die Begründung mangelhaft geblieben.

 

c) Unrichtige rechtliche Beurteilung:

 

Die H KG etikettiert die Grammatur der Packung mit dem Zeichen „e". Gemäß § 10 der FPVO ist somit für den durchschnittlich informierten Verbraucher klar, dass es sich bei der Gewichtsangabe nicht um ein Mindestgewicht, sondern um ein Durchschnittsgewicht handelt und tolerierbare Abweichungen nach oben und unten vorliegen können. Ist dieses Zeichen direkt neben der Grammatur angeführt, kann keine Beurteilung ausschließlich nach dem LMSVG durchgeführt werden, sondern es muss die darauf anwendbare Verordnung (FPVO 1993 idgF) berücksichtigt werden. Auf diese Verordnung hat die Behörde keinen Bezug genommen. Der Inhalt des Etiketts müsste festgestellt werden.

 

Sodann liegen rechtliche Begründungsmängel vor: Die Behörde hat sich weder mit der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers gemäß § 9 VStG, noch mit dem Schuldprinzip auseinandergesetzt. Dazu fehlen Feststellungen im Sachverhalt, in der rechtlichen Begründung wird dies nicht einmal erwähnt. Selbst wenn der objektiv festgestellte Sachverhalt rechtlich zu beanstanden wäre, was ausdrücklich bestritten wird, ist damit noch nicht die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers begründet. Darüber hinaus fehlt es an einem Verschulden. Der Beschwerdeführer hat geeignete Kontrollmechanismen eingeführt und es wird die Produktion laufend überwacht. Jede Charge wird kontrolliert und es werden Stichprobenmessungen mit geeichten Wagen und mit qualifizierter Software in ausreichendem Umfang durchgeführt. Im Rahmen der Eigenkontrolle werden extern Analysen eingeholt und es werden auch die Gegenproben untersucht. Dem Beschwerdeführer können weder Ursache, noch Verschulden vorgeworfen werden.

 

d) Keine Auseinandersetzung mit den firmeninternen Aufzeichnungen:

 

Die Behörde führt begründend aus:

 

„Aus dem Untersuchungszeugnis der Gegenprobe geht hervor, dass die ermittelte Füllmenge ebenfalls nur 138 g aufwies, anstatt der deklarierten 150 g. Aus firmeninternen Aufzeichnungen geht ein dokumentierter „Verletzer" mit 7,5 % Minusabweichung hervor."

 

In § 9 FPVO 1993 idgF sind zulässige Minusabweichungen festgelegt. Aus der Tabelle kann für 150 g eine Minusabweichung von 4,5 % entnommen werden. Laut Anhang II zur FPVO ist ein Los annehmbar, wenn bei einer Stichprobe von 30 Packungen maximal eine Stichprobe zwischen der einfachen und der doppelten Minusabweichung liegt (4,5 % und 9 %). Dies trifft sowohl für die Gegenprobe als auch für die internen Aufzeichnungen zu.

 

e)

 

Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Gegenbeweise lassen Zweifel an den Messungen des Instituts für Lebensmittelsicherheit Wien aufkommen. Es wird daher vorsorglich beantragt, Erhebungen anzustellen, mit welcher Waage das Institut die Messungen vorgenommen hat und es wird beantragt, dem Institut die Eichunterlagen für diese Waage zur Vorlage aufzutragen.

 

 

5. Begehren:

 

Der Beschwerdeführer stellt hiermit den

ANTRAG,

 

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf sowie wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

6. Rechtzeitigkeit:

 

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerde­führers am 03.12.2014 zugestellt. Innerhalb offener Frist von vier Wochen, nämlich mit am 30.12.2014 zur Post gegebenem Schriftsatz/ wird die Beschwerde fristgerecht erhoben.

 

 

Wels, am 30.12.2014 Ing. R S“

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht hat am 22. September 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Bf, seines Rechtsvertreters und eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt, in der die eingeholten Stellungnahmen der Lebensmittelgutachter erörtert und der Bf zur Sache einvernommen wurde. Auf Grund der Aktenlage und der durchgeführten Verhandlung ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t:

 

III.1. Bei der am Standort des Lebensmittelunternehmens H KG in S, durchgeführten Lebensmittelkontrolle vom      27. Mai 2013 wurde vom Lebensmittelaufsichtsorgan um 07:59 Uhr im Kühllager eine Probe von 3 Packungen (3 x 150 g) „N a B P" (Probekennung Zl. 4017MUER0108/13) gezogen und in weiterer Folge zur Begutachtung bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) eingereicht. Eine Gegenprobe als augenscheinlich gleiche Wareneinheit wurde laut Probenbegleitschreiben ausgefolgt.

 

Im Amtlichen Untersuchungszeugnis der AGES, Institut für Lebensmittelsicherheit Wien, vom 20. August 2013, Dok.Nr.: D-2541936, wird im Teil „Gutachten“ ausgeführt, dass die vorliegende Probe mit der Bezeichnung „N a B P" genusstauglich sei, jedoch folgenden Mangel aufweise:

 

„Auf der Verpackung der Probe ist jeweils ein Nettogewicht von 150 g deklariert. Tatsächlich liegen die Nettogewichte der drei Packungen jedoch bei 130 g, 131 g und 132 g, die Abweichungen betragen mehr als 12 %. Die Probe weist somit eine zur Täuschung über die Menge geeignete Angabe auf.

 

Die Ware ist daher nach den allgemeinen Anforderungen des § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe in Verkehr."

 

Aus dem im Anhang angeschlossenen Lichtbild einer Packung ergibt sich die Haltbarkeitsangabe „13.06.13“ und darunter die Chargen- bzw Losnummer „L32210650“. Das Etikett enthält die Mengenangabe „150 g“, also ein überdimensionales „℮“ vor der Gewichtsangabe.

 

Die amtliche Gegenprobe (Probenkennung Zl. 4017MUER0108/13) wurde von der H KG am 31. Mai 2013 beim akkreditierten Institut „ANALYTEC“ Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik in Salzburg zur Begutachtung durch einen Ziviltechniker eingereicht. DI C F, Lebensmittelgutachter gemäß § 73 LMSVG, erstattete das Gutachten vom 16. Juli 2013, Zl. G185975/2013, mit dem die Verkehrsfähigkeit der Ware auch in Bezug auf die Deklaration festgestellt wird. Unter den berücksichtigten Verordnungen wird auch die Fertigpackungsverordnung 1993 (vgl StF BGBl Nr. 867/1993 idF BGBl II Nr. 115/2009; im Folgenden nur FPVO) genannt. Das Untersuchungszeugnis der „ANALYTEC“ weist zur untersuchten Gegenprobe mit der angegebenen Nennfüllmenge von 150 g eine ermittelte Füllmenge von 138 g aus. Auch wird der Probeninhalt durch ein Lichtbild der Packung mit den gleichen Angaben zur Haltbarkeit und Chargennummer identifiziert.

 

Zur Rechtfertigung des Bf vom 14. November 2013 wurde weiter der Ausdruck eines Formblattes mit der Überschrift „Stichprobenstatistik mit Attributen“ und der Zeitangabe 27.05.2013 06:28:12 vorgelegt. Aus den darauf ersichtlichen allgemeinen Informationen ergibt sich zu „Material Nummer 70301“ der Name „H.  B P 150g“ und die gegenständliche Charge L32210650. Hinsichtlich einer aus 30 Packungen bestehenden Stichprobe wird eine Gewichtsprüfung der Packungen beginnend um 06:25:23 Uhr bis 06:27:12 ausgewiesen. Abgesehen von einem „Verletzer“ mit 138,9 g (eingestuft als <TU1, dh Unterschreitung der zulässigen Mindestfüllmenge von 143,2 g) variieren die erhobenen Nettofüllmengen zwischen 147,3 g und 153,3 g. Der Bf brachte vor, dass es sich um eine mit den Anforderungen der FPVO konforme Charge „mit einer TU1-Abweichung bei 30 Stichproben“ (gemeint: bei 30 Packungen einer Stichprobe) gehandelt habe. Da auch die Untersuchung der Gegenprobe eine einwandfreie Produktauszeichnung ergeben habe, sei die Bewertung „zur Irreführung geeigneten Angaben“ bei Betrachtung der Gesamtcharge nicht gerechtfertigt. Die Messungen der AGES werden daher bestritten.

 

III.2. Mit Schreiben vom 18. November 2013 ersuchte die belangte Behörde die AGES um Stellungnahme zur Rechtfertigung des Bf. Mit E-Mail vom 7. März 2014 übermittelte die AGES ein mit 24.01.2014 datiertes weiteres „Amtliches Untersuchungszeugnis“ samt Kostenmitteilung ohne Prüfbericht, aber mit einem „Gutachten“, in dem allerdings zum wesentlichen Inhalt der Rechtfertigung betreffend die FPVO nicht Stellung genommen wird. Im Wesentlichen wird nur auf die vormals im Befund der AGES festgestellte Minusabweichung bei der amtlichen Probe von mehr als 12 % verwiesen, was etwa zwei Wurstblättern entspräche und bei Kenntnis von der Mehrheit der Verbraucher nicht akzeptiert werden würde. Dann wird § 5 Abs 2 LMSVG wiedergegeben und festgehalten, dass der Tatbestand der Irreführung eindeutig gegeben sei. Die belangte Behörde hat danach das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

III.3. Über Antrag des Bf ersuchte das Oö. Landesverwaltungsgericht die AGES bzw deren Institut für Lebensmittelsicherheit Wien unter Hinweis auf die Argumentation der Beschwerde und die Bestimmungen der Fertigpackungsverordnung 1993 um eine Auskunft zur verwendeten Waage und um Vorlage von Kopien der Eichunterlagen, die die zuverlässige Verwendung der Waage bestätigen können. Daraufhin legte dieses Institut ein „Kalibrierprotokoll Waagen“ vom 25. März 2013 zum Gerät Nr.: 083 (Gerätecodierung 6/WO6) und ein weiteres „Amtliches Untersuchungszeugnis“ vom 8. April 2015 samt Kostenmitteilung vor, das eine als „Gutachten“ bezeichnete Antwort auf das hg. Ersuchen mit folgendem Inhalt enthält:

 

„G U T A C H T E N

 

Mitteilung zur Verwendung geeichter Waagen zum Verfahren LVwG-000081/2/WEI, (Auftragsnummer 13058539)

 

Im Anhang befindet sich das Kalibrierprotokoll zur Waage, welche für die Gewichtsmessungen der Packungen der Probe ‚N a B P‘ wie im Amtlichen Untersuchungszeugnis dargelegt, eingesetzt wurde. Daraus ist erkennbar, dass die Messunsicherheit für den gesamten Wägebereich 0,8g, für einen Bereich von 200g (wie bei der der Beschwerde zugrunde liegenden Probe) 0,1g (0,05%) beträgt. Die tatsächliche Minusabweichung der Probe liegt jedoch bei 12 %, die maximale Abweichung durch Messunsicherheit spielt somit keine Rolle.

Die Waage wird routinemäßig im Halbjahresabstand kalibriert.“

 

 

III.4. Zu der vorgelegten „Stichprobenstatistik mit Attributen“ ist nach den glaubhaften Angaben des Bf (vgl Tonbandprotokoll ON 12ad, Seiten 2 f) davon auszugehen, dass die verwendete Verpackungsmaschine pro Maschinentakt sechs Fertigpackungen in zwei Reihen herstellt. Ein Arbeiter entnimmt pro Taktung eine Packung für die Stichprobe, legt sie auf eine Waage, die neben dem Gewicht auch die genaue Zeit festhält. Die unterschiedlichen zeitlichen Abstände in der Stichprobenstatistik zwischen drei und fünf Sekunden erklären sich aus der Arbeitsweise des Arbeiters. Die Angabe „Karton“ im Formblatt „Stichprobenstatistik mit Attributen“ statt „Packung“ ist im Programm vorgegeben. Sie ist insofern unzutreffend, als die Maschine keine Kartons, sondern Fertigpackungen produziert. Die Gesamtzahl der Fertigpackungen der Charge waren 180 Stück, weil das Programm automatisch entsprechend der Fertigpackungsverordnung die Zahl von 30 Fertigpackungen für die Stichprobe vorsah, während es bei einer Stückzahl der Charge von über 500 für die Stichprobe 50 Fertigpackungen vorgeben würde.

 

III.5. Die wesentlichen Kriterien für die Verkehrsfähigkeit von Fertigpackungen, in denen Erzeugnisse in einheitlichen Nennfüllmengen in den Verkehr gebracht werden sollen, regelt die Fertigpackungsverordnung in den §§ 7 ff sowie in ihrem Anhang 2. Im vorliegenden Fall sind zunächst die folgenden Begriffsbestimmungen des § 8 FPVO beachtlich:

 

Nennfüllmenge (Qn) ist das auf der Fertigpackung angegebene Gewicht oder Volumen. Die Füllmenge einer Fertigpackung ist die Erzeugnismenge, die die Fertigpackung tatsächlich enthält. Die Minusabweichung einer Fertigpackung ist die Erzeugnismenge, um die die Füllmenge unter der Nennfüllmenge liegt. Die Mindestfüllmenge errechnet sich aus der Nennfüllmenge verringert um die maximal zulässige Minusabweichung (§ 9). Die Mindestfüllmenge ist die Erzeugnismenge, die in einer Fertigpackung enthalten sein muss, um nicht als fehlerhafte Packung zu gelten.

 

Nach der Tabelle im § 9 Abs 1 FPVO beträgt die zulässige Minusabweichung bei einer Nennfüllmenge von 100 g bis 200 g  4,5 %. Die Füllmenge darf aber im Mittel nicht niedriger sein als die Nennfüllmenge (Abs 2). Der Anteil an Fertigpackungen, der die zulässigen Minusabweichungen nach Abs 1 überschreitet, muss so niedrig sein, dass das Los den Vorschriften im Anhang 2 entspricht (Abs 3).

 

Nach § 10 Abs 1 FPVO darf der Hersteller das Zeichen „℮“, das sich auf die Nennfüllmenge bezieht, nur auf Fertigpackungen anbringen, die der Fertigpackungsverordnung entsprechen.

 

§ 10 Abs 2 FPVO bestimmt für Fertigpackungen, deren Minusabweichung die nach dem § 9 Abs 1 FPVO festgelegten Werte um mehr als das Doppelte überschreiten, dass sie nicht mit dem Zeichen nach Abs 1 versehen und nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Demnach ist eine derart fehlerhafte Packung nicht verkehrsfähig und auszuscheiden.

 

Im Ergebnis impliziert also das der Nennfüllmenge beigesetzte „℮“ zulässige Minusabweichungen, setzt dabei aber weiter die Einhaltung der zusammenhängenden Bedingungen der Prüfvorschriften des Anhangs 2 voraus, die im Mittel eine der Nennfüllmenge bis auf die Standardabweichung entsprechende Füllmenge gewährleisten sollen.

 

Die Prüfung eines Loses von Fertigpackungen (vgl Anhang 2 Pkt. 2) erfolgt stichprobenweise und umfasst zwei Teile:

 

Die Prüfung, die sich auf die Füllmenge jeder einzelnen Fertigpackung der Stichprobe erstreckt sowie die Prüfung, die sich auf den Mittelwert der Füllmengen aller Fertigpackungen der Stichprobe erstreckt. Ein Los von Fertigpackungen entspricht, wenn die Ergebnisse beider Prüfungen den Annahmekriterien entsprechen.

 

Für die Prüfung der Füllmenge einer Fertigpackung (Anhang 2 Pkt. 2.2.) ergibt sich die zulässige Mindestfüllmenge durch den Abzug der zulässigen Minusabweichung von der Nennfüllmenge (vgl Tabelle im § 9 Abs 1 FPVO). Die Fertigpackungen, deren Füllmenge geringer ist als die zulässige Mindestfüllmenge, werden als fehlerhaft bezeichnet.

 

In der im Anhang 2 unter Punkt 2.2.1. angeführten Tabelle für die nicht zerstörende Prüfung werden je nach Losumfang die Stichproben und die Bedingungen für die Annahme des Loses geregelt. Beim gegenständlichen Losumfang im Bereich von 100 bis 500 Fertigpackungen umfasst die Stichprobe 30 Stück und beträgt die für die Anzahl der fehlerhaften Packungen vorgesehene Annahmezahl 1 und die Ablehnungszahl 3. Für den Fall der dazwischen liegenden Zahl 2, also bei zwei fehlerhaften Fertigpackungen, muss eine zweite Stichprobe entsprechend den Vorgaben der Tabelle im Punkt 2.2.1. des Anhangs untersucht werden. Die dann für die beiden Stichproben im kumulierten Umfang vorgesehene Annahmezahl beträgt 4 und die Ablehnungszahl 5.

 

Der laut Gewichtsprüfung nach der vorgelegten Stichprobenstatistik angegebene „Verletzer“ von 138,9 g überschreitet die zulässige Minusabweichung von 4,5 % (= 6,75 g von 150 g) bzw verfehlt die erforderliche Mindestfüllmenge von 143,25 g (in Stichprobenstatistik als TU1 angegeben). Es handelt sich um eine fehlerhafte Fertigpackung im Rahmen der Stichprobe von 30 Packungen, die im Hinblick auf die Annahmezahl 1 toleriert wird. Nach Anhang 2 Punkt 2.2.1. wird bei Einhaltung der Annahmezahl das gesamte Los als annehmbar angesehen.

 

Allerdings muss auch noch der bei der zweiten Teilprüfung eines Loses von Fertigpackungen errechnete Mittelwert der Füllmengen der Stichprobe den Annahmekriterien im Anhang 2 Punkt 2.3. FPVO entsprechen. Nach der dort angeführten Tabelle gilt für die beim gegenständlichen Losumfang vorgesehene Stichprobe das Annahmekriterium, dass der Mittelwert der Füllmengen größer/gleich der Nennfüllmenge minus 0,503 Standardabweichung sein muss.

 

Die Gewichtsprüfung der im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrolle gezogenen Stichprobe weist laut vorgelegter Stichprobenstatistik 30 Fertigpackungen mit Füllmengen zwischen 147,3 g und 153,3 g und einem „Verletzer“ mit 138,9 g aus. Dabei enthalten 22 Fertigpackungen eine Füllmenge größer/gleich 150 g und nur 8 Fertigpackungen eine Füllmenge unter der Nennfüllmenge von 150 g. Die Prüfung des Mittelwerts der Füllmengen der Stichprobe ergibt 150,363 g (4510,9 g : 30). Damit ist das Annahmekriterium eindeutig erfüllt, zumal der Mittelwert sogar über der angegebenen Nennfüllmenge liegt.

 

III.6. Im Ergebnis bescheinigt die vorgelegte „Stichprobenstatistik mit Attributen“, dass die Charge bzw das Los von Fertigpackungen, aus dem auch die von der AGES beanstandeten Fertigpackungen der amtlichen Probe stammen, den Annahmekriterien der Fertigpackungsverordnung entspricht, zumal die Annahmezahl 1 für die gezogene Stichprobe von 30 Fertigpackungen im Hinblick auf nur eine fehlerhafte Fertigpackung (Überschreitung der zulässigen Minusabweichung von 4,5 %) erfüllt war und der Mittelwert der Füllmengen der Stichprobe die Nennfüllmenge nicht unterschritten hat. Die von der H KG beauftragte Untersuchung der vom Lebensmittelaufsichtsorgan ausgefolgten amtlichen Gegenprobe durch das akkreditierte Institut „ANALYTEC“ (Lebensmittelgutachter gemäß § 73 LMSVG) ergab eine Füllmenge von 138 g. Diese unterschreitet zwar die zulässige Minusabweichung von 4,5 % und damit die Mindestfüllmenge nach dem Anhang 2 der FPVO, es handelt sich aber noch um eine an sich verkehrsfähige Fertigpackung. Das Los wäre unter den Bedingungen der FPVO annehmbar. Im Gegensatz dazu hat die AGES, Institut für Lebensmitteluntersuchung Wien, bei Untersuchung der amtlichen Probe Füllmengen im Bereich zwischen 130 bis 132 g (also 18 bis 20 g weniger als 150 g) festgestellt, was eine Minusabweichung von deutlich mehr als 13,5 g bzw 9 % der Nennfüllmenge (= 136,5 g oder TU2) und damit um mehr als das Doppelte der zulässigen Minusabweichung nach § 9 Abs 1 FPVO bedeutet. Bei einer derart qualifizierten Abweichung von der Nennfüllmenge darf diese fehlerhafte Fertigpackung gemäß § 10 Abs 2 FPVO nicht in Verkehr gebracht werden. Sie wäre somit verkehrsunfähig.

 

Es erscheint dem erkennenden Richter außergewöhnlich, dass die Ergebnisse der Gewichtsprüfung im Befund der Lebensmittelgutachter betreffend amtliche Probe und Gegenprobe so weit voneinander abweichen. Die AGES hat ein Kalibrierungsprotokoll vom 25. März 2013 über die Einstellung der verwendeten Waage vorgelegt und dazu vorgebracht, dass im Halbjahresabstand kalibriert werde und die Messunsicherheit der Waage von 0,1 g keine Rolle spiele. Nachweise über eine amtliche Eichung der verwendeten Waage wurden von der AGES nicht vorgelegt. An sich unterliegen die im amtlichen oder rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendeten Messgeräte zur Bestimmung der Masse gemäß § 8 Abs 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) der Eichpflicht. Für die AGES gilt diese Eichpflicht aber nicht, weil sie unter die Ausnahmen der Z 3 und Z 4 des § 8 Abs 7 MEG fällt. Wie nämlich aus dem Amtlichen Untersuchungszeugnis vom 20. August 2013 ersichtlich, ist die AGES eine mit Bescheid des BMWA akkreditierte Prüf- und Inspektionsstelle und damit auch eine Konformitätsbewertungsstelle im Sinne des Akkreditierungsgesetzes 2012 (BGBl I Nr. 28/2012 idF BGBl I Nr. 40/2012), die der Eichpflicht nicht unterliegt. Dies gilt ebenso für die „ANALYTEC“, die nach ihrem Briefpapier (vgl Bundeswappen und Akkreditierungszeichen) auch eine akkreditierte Prüf- und Inspektionsstelle ist.

 

Ansonsten hat im geschäftlichen Verkehr die Gewichtsprüfung der Fertigpackungen von Stichproben mit geeichten Waagen zu erfolgen. Insofern brachte der Bf unwiderlegt vor, dass die Stichprobenmessung mit geeichter Waage und qualifizierter Software durchgeführt wird. Das Lebensmittelaufsichtsorgan ist nach § 55 Abs 2 MEG befugt, die ordnungsgemäße Verwendung und die Gültigkeit der Stempel eichpflichtiger Messgeräte zu kontrollieren. Im gegenständlichen Fall ist keine Beanstandung aktenkundig geworden. Mangels gegenteiliger Hinweise ist von der ordnungsgemäßen Gewichtsprüfung der Fertigpackungen der Stichprobe mittels geeichter Waage auszugehen. Der in der vorgelegten Stichprobenstatistik ausgewiesene „Verletzer“ liegt mit einer Füllmenge von 138,9 g nahe bei den 138 g der amtlichen Gegenprobe (Minusabweichung 12 g oder 8%), die im Untersuchungszeugnis der „ANALYTEC“ angegeben werden. Dieser Umstand indiziert die Richtigkeit der Gewichtsprüfung der Stichprobe im Betrieb der H KG, beweist sie allerdings noch nicht. Dagegen fällt die von der AGES ermittelte große Minusabweichung von bis zu 20 g (über 13 %) deutlich aus dem Rahmen. Der Widerspruch erscheint nach den aktenkundigen Umständen nicht aufklärbar.

 

Da der Bf dem Amtlichen Untersuchungszeugnis der AGES durch das Gutachten der „ANALYTEC“ (Lebensmittelgutachter gemäß § 73 LMSVG) auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist und durch die vorgelegte „Stichprobenstatistik mit Attributen“ bescheinigt hat, dass die Bezug habende Charge bzw das Los von Fertigpackungen auch nach der vorgeschriebenen doppelten Prüfung des Anhangs 2 der FPVO den Annahmekriterien entsprochen hat, liegen Beweismittel vor, deren Bedeutung und Aussagekraft den erkennenden Richter an der Richtigkeit der Gewichtsmessungen der AGES zweifeln lassen. Im Strafverfahren darf ein den Beschuldigten belastender Sachverhalt nur angenommen werden, wenn entsprechende Feststellungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getroffen werden können. Dies ist nach Überzeugung des erkennenden Richters auf Basis der in Frage zu stellenden Messung der AGES nicht möglich. Deshalb ist im Zweifel zugunsten des beschuldigten Bf davon auszugehen, dass die Gewichtsprüfung der amtlichen Probe durch die AGES – aus welchen Gründen auch immer - fehlerhaft war und von der günstigeren Gewichtsmessung der amtlichen Gegenprobe von 138 g auszugehen. Mangels gegenteiliger Beweise muss außerdem im Hinblick auf die zur gegenständlichen Charge vorgelegte Stichprobenstatistik angenommen werden, dass ein nach den Vorschriften der FPVO annehmbares Los von Fertigpackungen vorlag.

 

 

 

 

 

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:

 

IV.1.Gemäß § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 67/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 50.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung in Verkehr bringt.

 

Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro, festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist bis zu sechs Wochen festzusetzen.

 

IV.2. Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung nach § 3 Z 9 LMSVG, die zunächst grundsätzlich auf den     Art 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist.

 

Nach dem Art 3 Z 8 der EG-BasisVO, das ist die Verordnung (EG) 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl 2020 L 31 idF ABl 2003 L 245 und ABl 2006 L 100), bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Im Absatz 2 des § 3 Z 9 LMSVG wird davon abweichend bei ursprünglich auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen (wie im früher geltenden § 1 Abs 2 LMG 1975) angeordnet, dass als "Inverkehrbringen" auch das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen ist. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein "Inverkehrbringen" liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 LMSVG bleiben davon unberührt.

 

Das LMSVG kennt demnach zwei teilweise verschiedene Begriffe des "Inverkehrbringens", wobei grundsätzlich der engere Begriff nach der EG-BasisVO anzuwenden ist. Für die auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassenen Verordnungen (vgl zu deren Weitergeltung § 98 Abs 1 LMSVG) gilt der alte Begriff des § 1 Abs 2 LMG 1975 weiter (vgl Blass ua, LMR3 § 3 LMSVG Rz 35).

 

Das Inverkehrbringen der beanstandeten Ware wird durch die Lagerung im Kühllager des gegenständlichen Lebensmittelunternehmens für Verkaufszwecke in ausreichender Weise umschrieben. Das Bereithalten im Warenausgang, das die Weitergabe an Erwerber (seien es auch andere Unternehmer) oder Transporteure bezweckt, erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen des § 3 Z 9 LMSVG. Damit wurde dem Bf ein Inverkehrbringen der Ware im Lebensmittelunternehmen, für das er verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, angelastet.

 

IV.3. § 5 LMSVG regelt allgemeine Anforderungen beim Inverkehrbringen von Lebensmittel.

 

Nach § 5 Abs 2 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

 

1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

2. Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

3. Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

 

Zum Merkmal der irreführenden Angaben im Straftatbestand des § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG ergibt sich im Zusammenhang mit § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG, dass insbesondere zur Irreführung geeignete Angaben gemeint sind, die dort als „zur Täuschung geeignete Angaben“ über die aufgezählten wesentlichen Eigenschaften eines Lebensmittels bezeichnet werden.

 

Zur Irreführung geeignete Angaben über Lebensmittel sind solche, bei denen die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang steht. Nicht nur unrichtige Angaben, sondern auch an sich richtige Behauptungen können im Zusammenhang mit täuschender Aufmachung, dem Verschweigen wesentlicher Umstände oder mehrdeutigen Wendungen einen bedenklichen Gesamteindruck hinterlassen, der von einem nicht unerheblichen Teil der Adressaten zu falschen Vorstellungen über Eigenschaften des Lebensmittels führen kann (vgl bspw VwGH 20.09.2012; Zl. 2011/10/0128: „Lebensmittelzubereitung“ als unzureichende Beschreibung für „Analogkäse“; VwGH 9.11.1992, Zl. 91/10/0105: Schweinskarree ohne Knochen als „Filet-Ersatz“; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

Bei der Beurteilung der Irreführungs- bzw Täuschungseignung einer Angabe in der Deklaration von Lebensmitteln kommt es nach der in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die mutmaßliche (wahrscheinliche) Auffassung bzw Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (vgl mit Hinweisen auf EuGH-Judikatur VwGH 22.11.2006, Zl. 2003/10/0042; VwGH 20.09.2011, Zl. 2011/10/0128; VwGH 26.09.2011, Zl. 2010/10/0145 = VwSlg 18217 A/2011). Die nationalen Gerichte haben sich unter Berücksichtigung dieses normativen Maßstabs der mutmaßlichen Erwartung eines aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers eine Überzeugung zu bilden, ob bestimmte Angaben irreführen können. Dabei wird die Eignung zur Irreführung entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 2 UWG angenommen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann (vgl mwN VwGH 27.07.2007, Zl. 2004/10/0172). Es handelt sich bei der Irreführungseignung bzw der Wirkung einer Ankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise grundsätzlich um eine Rechtsfrage (vgl etwa VwGH 04.09.2000, Zl. 97/10/0167; VwGH 18.10.1993, Zl.93/10/0143; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

IV.4. Das Maß- und Eichgesetz – MEG (StF BGBl Nr. 152/1950, zuletzt geändert mit BGBl I Nr.10/2015) enthält in den §§ 24 ff Bestimmungen über Fertigpackungen. Nach § 25 MEG müssen Fertigpackungen gleicher Nennfüllmenge so hergestellt werden, dass die Füllmenge zum Zeitpunkt der Herstellung im Mittel die Nennfüllmenge nicht unterschreitet und die nach § 27 festgelegte Minusabweichung nicht überschreitet. Auch im Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens darf die Füllmenge eine nach § 27 festgelegte Minusabweichung nicht überschreiten.

 

§§ 27 und 28 MEG enthalten Verordnungsermächtigungen für den Wirtschaftsminister betreffend die Festlegung von Anforderungen für Fertigpackungen oder von Ausnahmen. Insbesondere sind die zulässigen Abweichungen und Streuungen der Füllmengen von Fertigpackungen (§ 27 Z 2), die für die Bestimmung der Füllmenge erheblichen Bedingungen und Methoden (§ 27 Z 14) sowie Art und Umfang der Prüfung der Überwachung und Einhaltung der Vorschriften über Fertigpackungen (§ 27 Z 15) durch Verordnung festzulegen. Die Fertigpackungsverordnung 1993 (StF BGBl Nr. 867/1993 idF BGBl II Nr. 115/2009) ist auf Grundlage dieser Ermächtigungen erlassen worden.

 

Nach Ansicht des erkennenden Richters kann die Frage der Täuschungseignung von Angaben über die Füllmenge eines Lebensmittels in Fertigpackungen nicht ohne Berücksichtigung der besonderen Anforderungen nach den Vorschriften des Maß- und Eichgesetzes und der darauf beruhenden Fertigpackungsverordnung 1993, die ebenfalls dem Schutz des Rechtsverkehrs vor falschen Angaben dienen, gelöst werden. Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebietet, dass die in der spezielleren Fertigpackungsverordnung zugelassenen Toleranzen und Bedingungen für die Füllmenge auch lebensmittelrechtlich beachtlich sein müssen, zumal andernfalls unlösbare Widersprüche aufkommen können.

 

Der normative Maßstab der Erwartung eines aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers steht damit völlig im Einklang. Für die Irreführungseignung kommt es nämlich nicht auf einen „uninformierten“ Ignoranten, sondern auf den „aufmerksamen und verständigen“ Durchschnittsverbraucher als Maßfigur an, der mündig und in der Lage ist, sich gegebenenfalls nähere Informationen über das Zeichen „℮“ vor der Nennfüllmenge zu beschaffen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Judikatur des EuGH, wonach der aufmerksame und verständige („mündige“) Durchschnittsverbraucher durch die Etikettierung und insbesondere auch das Zutatenverzeichnis (zB bloße Angabe von E-Nrn) ausreichend informiert wird (vgl Blass ua, LMR³ LMSVG § 5 Rz 21).

 

Auch wenn der Verbraucher keine Kenntnis über die genaue Bedeutung des Zeichens ℮“ bei der angegebenen Nennfüllmenge einer Fertigpackung haben wird, muss ihm schon durch die Art der Deklaration bewusst werden, dass dieses Zeichen offensichtlich einen unmittelbaren Bezug zur Nennfüllmenge hat. Der aufmerksame und verständige Verbraucher wird sich gegebenenfalls darüber informieren, dass dieses Zeichen die Einhaltung der Prüf- und Annahmekriterien für ein Los nach der Fertigpackungsverordnung zum Ausdruck bringt, mit denen gewisse Toleranzen und Bedingungen verbunden sind. Auch wenn er kein Spezialwissen über die Kriterien der Losprüfung nach der Fertigpackungsverordnung (dazu näher Pkt. III.5) hat, wird er der Sache nach annehmen, dass es bei der Nennfüllmenge von maschinell hergestellten Fertigpackungen nur um Durchschnittswerte gehen kann, weil dabei technisch bedingte Abweichungen (Schwankungen) der Füllmengen im Herstellungsprozess schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlich sind. Er kann aber auf Basis der Fertigpackungsverordnung darauf vertrauen, dass die Prüfvorschriften für ein Los im Mittel eine der Nennfüllmenge bis auf die Standardabweichung entsprechende Füllmenge gewährleisten.

 

Beim dargelegten Auslegungsmaßstab für die Täuschungseignung kann „eine zur Irreführung geeignete Angabe“ in Bezug auf die Füllgewichtsangabe auf einer Fertigpackung nicht vorliegen, wenn und soweit die Prüf- und Annahmekriterien der Fertigpackungsverordnung für das betreffende Los eingehalten worden sind.

 

IV.5.  Die belangte Behörde hat dem Bf das Inverkehrbringen des Lebensmittels mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe über eine Eigenschaft iSd § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG vorgeworfen, weil die Füllmengen der untersuchten drei Packungen der amtlichen Probe (130 bis 132 g) um mehr als 12 % vom deklarierten Nettogewicht von 150 g abweichen würden. Sie beruft sich begründend auf das Amtliche Untersuchungszeugnis und eine ergänzende Stellungnahme der AGES.

 

Unter Punkt III.6. wurde näher dargestellt, dass nach den Umständen des Falles Zweifel an der Höhe der Gewichtsangaben der AGES zu den Füllmengen der amtlichen Probe von mehr als 12 % Minusabweichung der Nennfüllmenge entstanden sind, zumal die auf gleicher fachlicher Ebene erfolgte Untersuchung der amtlichen Gegenprobe mit einem Gewicht von 138 g eine deutlich geringere Minusabweichung von 8 % aufwies, bei der unter den weiteren Bedingungen der Losprüfung nach der FPVO noch eine verkehrsfähige Fertigpackung vorliegen kann. Deshalb war im Zweifel zugunsten des Bf von der günstigeren Minusabweichung der vergleichbaren Gegenprobe auszugehen.

 

Auf Basis der Feststellungen zur Fertigpackungsverordnung unter III.5 und nach Würdigung der Beweise unter III.6 ergibt sich weiter, dass der Bf mit der vorgelegten „Stichprobenstatistik mit Attributen“ bescheinigen konnte, dass das gegenständliche Los von Fertigpackungen, aus dem amtliche Probe und Gegenprobe stammen, trotz eines „Verletzers“ von 138,9 g in der Stichprobe     (= Minusabweichung von 11,1 g oder 7,4 %) den Annahmekriterien der Fertigpackungsverordnung entsprach. Das ganze Los galt damit als annehmbar und insgesamt verkehrsfähig.

 

In rechtlicher Beurteilung der Fakten geht das erkennende Gericht von der bereits oben unter IV.4. dargelegten Auffassung aus, dass die Täuschungseignung einer mit dem Zeichen ℮“ bezeichneten Nennfüllmenge solange nicht gegeben sein kann, als dieses Zeichen nach den einschlägigen Bestimmungen zulässigerweise verwendet werden darf. Dies ist der Fall, wenn die Minusabweichung der Füllmenge im Rahmen der Toleranzen der Fertigpackungsverordnung liegt und bei der Losprüfung die Annahmekriterien der Tabellen für die zweiteilige Stichprobenprüfung im Anhang 2 - entweder schon nach einer Stichprobe oder gegebenenfalls nach einer vorgeschriebenen zweiten (kumulierten) Stichprobe - erfüllt sind. Denn unter Einhaltung dieser Voraussetzungen der Verordnung darf das Zeichen auch auf fehlerhaften Fertigpackungen, die die zulässige Minusabweichung überschreiten, noch angebracht sein. Erst bei einer qualifizierten Minusabweichung um mehr als das Doppelte der gemäß § 9 Abs 1 FPVO zulässigen Minusabweichung gilt unabhängig vom Ergebnis der Stichprobenprüfung für die betroffene Fertigpackung ein absolutes Verbot des Inverkehrbringens nach § 10 Abs 2 FPVO.

 

Der aufmerksame und verständige Verbraucher wird durch die Kennzeichnung des Nettogewichts einer Fertigpackung mit dem Zeichen „℮“ ausreichend darauf hingewiesen, dass die Angabe der Nennfüllmenge unter den Bedingungen der Fertigpackungsverordnung als Durchschnittswert mit möglichen Minusabweichungen gilt. Unter Zugrundelegung dieses normativen Maßstabes scheidet eine Irreführungsmöglichkeit bei einem insgesamt annehmbaren Los aus, soweit nicht eine absolut verkehrsunfähige Fertigpackung mit qualifizierter Minusabweichung nach § 10 Abs 2 FPVO vorliegt.

 

IV.6. Im Ergebnis ist im vorliegenden Fall von einem den Vorschriften der Fertigpackungsverordnung noch entsprechenden Los mit vereinzelt fehlerhaften Fertigpackungen mit Minusabweichungen zwischen 4,5 % und 9 % auszugehen, die aber noch im Rahmen der Annahmekriterien der FPVO liegen. Die Kennzeichnung der Nennfüllmenge mit dem Zeichen ℮“ war daher bei allen Fertigpackungen zulässig. Eine Irreführung der Verbraucher scheidet unter diesen Umständen aus.

 

Der Beschwerde war daher stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt sowohl die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 66 Abs 1 VStG) als auch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 52 Abs 9 VwGVG) und weiter die Verpflichtung gemäß § 71 Abs 3 LMSVG zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung, zumal insofern ein Straferkenntnis und damit eine Verurteilung vorausgesetzt wird.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist in der Frage der Irreführungseignung von Angaben in der Deklaration von Lebensmitteln nicht vom normativen Maßstab der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Da es um die Nennfüllmenge ging, wurden auch die einschlägigen Vorschriften der Fertigpackungsverordnung 1993 betreffend die Anforderungen und Prüfkriterien zu den Mengenangaben dargestellt und mitberücksichtigt. Die Rechtslage ist insofern eindeutig. Dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt noch nicht vorliegen dürfte, bedeutet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof wäre sonst häufig zur Entscheidung berufen, obwohl die Rechtslage geklärt ist und es – wie im gegenständlichen Fall - im Wesentlichen um Fragen der Einzelfallgerechtigkeit geht (vgl etwa VwGH 23.9.2014, Zl. Ro 2014/01/0033). Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof  beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß

 

LVwG-000081/13/WEI vom 25. November 2015

 

Erkenntnis

 

 

§ 5 Abs 2 Z 1 LMSVG

§ 90 Abs 1 Z 1 LMSVG

Fertigpackungsverordnung 1993 - FPVO

 

 

 

Bei divergierenden Gewichtsmessungen von Lebensmittelgutachtern auf gleicher fachlicher Ebene bzw akkreditierten Prüf- und Inspektionsstellen hinsichtlich der amtlichen Probe (AGES stellte mit 130 bis 132 g eine Minusabweichung von 12 bis 13,33%, demnach weit über 9%, fest, was nach § 10 Abs 2 FPVO Verkehrsunfähigkeit bedeutete) und der amtlichen Gegenprobe (ANALYTEC stellte 138 g oder 8% Minusabweichung fest) ist im Zweifel zugunsten des Bf von der günstigeren Gewichtsangabe im vorgelegten Gutachten zur Gegenprobe auszugehen, die sich noch im Toleranzbereich der FPVO befindet. Die vom Bf vorgelegte „Stichprobenstatistik mit Attributen“ bescheinigte weiter die Einhaltung der Losprüfungs- und Annahmekriterien im Anhang 2 der FPVO. Mangels anderer Beweise war von einem insgesamt annehmbaren Los auszugehen.

 

Für die Rechtsfrage der Irreführungseignung gilt nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur der normative Maßstab der mutmaßlichen Erwartung eines „aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“. Die Frage der Irreführungs- bzw Täuschungseignung von Angaben über die Nennfüllmenge eines Lebensmittels in Fertigpackungen kann entsprechend dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht ohne Berücksichtigung der besonderen Vorschriften des Maß- und Eichgesetzes und der darauf beruhenden FPVO, die ebenfalls dem Schutz des Rechtsverkehrs vor falschen Angaben dienen, gelöst werden. Die nach der FPVO zugelassenen Toleranzen und Bedingungen für die Nennfüllmenge von Fertigpackungen sind auch lebensmittelrechtlich beachtlich. Demnach liegt „eine zur Irreführung geeignete Angabe“ in Bezug auf das Nennfüllgewicht auf einer Fertigpackung nicht vor, wenn und soweit die Prüf- und Annahmekriterien der FPVO für das betreffende Los eingehalten worden sind.

 

Der normative Maßstab der Erwartung eines aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers steht damit völlig im Einklang. Für die Irreführungseignung kommt es nämlich nicht auf einen „uninformierten“ Ignoranten, sondern auf den „aufmerksamen und verständigen“ Durchschnittsverbraucher als Maßfigur an, der mündig und in der Lage ist, sich gegebenenfalls nähere Informationen über das Zeichen „℮“ vor der Nennfüllmenge zu beschaffen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Judikatur des EuGH, wonach der aufmerksame und verständige („mündige“) Durchschnittsverbraucher durch die Etikettierung und insbesondere auch das Zutatenverzeichnis (vgl zB bloße Angabe von E-Nrn) ausreichend informiert wird (vgl Blass ua, LMR³ LMSVG § 5 Rz 21).

 

Durch die Art der Deklaration des Zeichens „℮“ bei der Nennfüllmenge einer Fertigpackung muss dem Verbraucher bewusst werden, dass es offensichtlich einen unmittelbaren Bezug zur Nennfüllmenge hat. Der aufmerksame und verständige Verbraucher wird sich gegebenenfalls darüber informieren, dass dieses Zeichen die Einhaltung der Prüf- und Annahmekriterien für ein Los nach der FPVO zum Ausdruck bringt, mit denen gewisse Toleranzen und Bedingungen verbunden sind. Auch ohne Spezialwissen über die Kriterien der Losprüfung nach der FPVO, wird der verständige Verbraucher der Sache nach annehmen, dass es bei der Nennfüllmenge von maschinell hergestellten Fertigpackungen nur um Durchschnittswerte gehen kann, weil technisch bedingte Abweichungen (Schwankungen) der Füllmengen im Herstellungsprozess schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlich sind. Er kann aber auf Basis der FPVO darauf vertrauen, dass die Prüfvorschriften für ein Los im Mittel eine der Nennfüllmenge bis auf die Standardabweichung entsprechende Füllmenge gewährleisten.

 

 

Schlagwörter:

 

Irreführung; Füllmenge; Toleranz; Abweichung