LVwG-650533/3/Br

Linz, 10.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter            Mag. Dr. Bleier über die Beschwerde des C J B, geb. x 1979, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 29. Oktober 2015, GZ: VerkR21-571-2015/BR, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse AM,  

 

zu Recht:

 

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; der

Entzug der Lenkberechtigung für die  Klasse AM wird behoben.

 

 

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit dem oben bezeichneten Bescheid in Bestätigung deren Mandatsbescheides vom 29.10.2015 dem Beschwerdeführer in Anwendung des § 57 Abs.1 des Allgemeinen Verwaltungsver­fahrensgesetzes 1991, dessen Lenkberechtigung  für die Klassen AM, A, B und F (Führerschein ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 22.10.2012, GZ: 12/617974) auf die Dau­er von 15 Monaten, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme am 20.10.2015, demnach bis einschließlich 20.01.2017, entzogen. Auf die weiteren Anordnungen ist hier mangels Beschwerdebezug nicht einzugehen.

 

Einer Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs.2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

I.1. Begründend führte die Behörde folgendes aus:

Gegen den Mandatsbescheid vom 29.10.2015, VerkR21-571-2015/BR, haben Sie das Rechtsmit­tel der Vorstellung eingebracht. Die Vorstellung richtete sich lediglich gegen die Entziehung der Führerscheinklasse AM. Aufgrund der Entfernung Ihres Arbeitsplatzes (A Ranshofen) zu Ih­rem Wohnort und den unterschiedlichen Arbeitszeiten (Schichtbetrieb), sodass für Sie die Verwen­dung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht in Frage kommt, meinen Sie, es wären ausreichende Gründe für die Anwendung des § 24 Abs.1 vorletzter Satz FSG vorhanden. Sie stellten den An­trag, es möge von der Entziehung der Führerscheinklasse AM Abstand genommen werden.

 

 

Hierüber hat die Behörde wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 Ziffer 2 FSG 1997 darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

 

Eine Person gilt gemäß § 7 Abs.1 Ziffer 1 FSG dann nicht als verkehrszuverlässig, wenn aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfährzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbe­sondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einem durch Sucht­gift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

 

Dies ist gemäß § 7 Abs.3 Ziffer 1 FSG insbesondere dann der Fall, wenn jemand ein Kraftfahr­zeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1 b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 zu beurteilen ist.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist die Lenkberechtigung zu entziehen, wenn ihr Besitzer nicht mehr ver­kehrszuverlässig ist. Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig.

 

Gemäß § 24 Abs.3 FSG hat die Behörde eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung wegen einer Übertretung nach § 99 Abs.1 oder 1 a StVO erfolgt.

 

Gemäß § 24 Abs.3 FSG hat die Behörde bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitli­che Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie gem. § 14 Abs.2 FSG-GV die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Die Entziehungsdauer endet nicht vor Befolgungjder Anordnung.

 

Gemäß § 14 Abs.2 FSG-GV haben Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von-1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG 1997 ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß Abs.3 hat dieser bei mangelnder Verkehrszuverläs­sigkeit mindestens drei Monate zu betragen, falls im § 26 FSG für diese Übertretung keine andere Entziehungsdauer festgesetzt ist.

 

Wird beim Lenken oder in Betrieb nehmen eines Kraftfahrzeuges ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 innerhalb von 5 Jahren ab Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 -begangen, ist die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs,2 Ziffer 2 FSG auf mindestens 12 Monate zu entziehen.

 

Gemäß § 29 Abs.2 Ziffer 1 FSG hat die Behörde von der vollstreckbaren Entziehung der Lenkbe­rechtigung den Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, mit dem das Delikt begangen wurde, wenn er nicht selbst der betroffene Lenker war, zu verständigen.

 

Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

Gemäß § 2 Abs.3 Ziffer 7 FSG umfasst jede der in Abs.1 Ziffer 2 bis 15 genannten Klassen die Lenkberechtigung für die Klasse AM, weshalb Ihnen auch das Lenken von Motorfahrrädern, vier­rädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten wird.

 

Gemäß § 30 Abs.2 FSG hat die Behörde einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines, der einen Wohnsitz in Öster­reich hat, die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen.

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.            die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.            die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führer­schein auszustellen.

 

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1.            um eine Entziehung gemäß § 24 Abs.3 achter Satz oder

2.    um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die aus­schließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hin­sichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs.3 Z. 7 FSG besitzt.

 

Bei der im vorigen Absatz zitierten Gesetzesstelle handelt es sich um eine Kannbestimmung. Dar­aus lässt sich nach Ansicht der Kraftfahrbehörde ableiten, dass sehr wohl zu prüfen ist, ob auf­grund der Umstände von einer gewissen Unbedenklichkeit im Zusammenhang mit zu erwartenden Alkoholdelikten ausgegangen werden kann. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, LVwG-650165/4/Zo/CG vom 20.08.2014, ist zu entnehmen, dass bei wiederholter Auffälligkeit und hoher Alkoholisierungsgrad eine strengere Auslegung dieser Ausnahmebestimmung angebracht erscheint.

 

Aufgrund der geschilderten persönlichen Verhältnisse würde einer Anwendung der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung grundsätzlich nichts im Wege stehen. Bei der Prüfung der Umstände ist al­lerdings folgender Sachverhalt zu werten: Sie haben am 20.10.2015 um 21.50 Uhr am Untermarkt beim Ausparken ein Fahrzeug beschädigt und sodann Ihre Fahrt nach M, das ca. 8 km entfernt ist, fortgesetzt. Eine Stunde nach dem Verkehrsunfall hat sich beim Alkomattest ein Atemluftalkoholgehalt von 1,15 mg/l ergeben. Trotz dieser starken Beeinträchtigung ist es Ihnen gelungen, offenbar unbeschadet nach Maria Schmölln zu gelangen und Ihr Fahr­zeug in Winkelpoint, abseits der Hauptroute zu Ihrem Wohnsitz in einer Hofeinfahrt abzustellen. Im Jahr 2011 wurde Ihnen Ihre Lenkberechtigung wegen Begehung eines Alkoholdeliktes (Bestrafung § 99 Abs.1 StVO) für die Dauer von 8 Monaten entzogen. In den Verwaltungsvormerkungen findet sich im Jahr 2012 ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht.

 

Der nunmehrige Vorfall deutet darauf hin, dass Sie zu starkem Alkoholkonsum neigen und es so­mit der Kraftfahrbehörde wegen möglicher Eigen- und Fremdgefährdung nicht vertretbar erscheint, Sie als Lenker eines einspurigen Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es war spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

 

II. In der fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Beschwerde tritt der Beschwerdeführer weder der ausgesprochenen Entzugsdauer noch den begleitenden Maßnahmen entgegen, sondern begehrt lediglich vom Entzug der Lenkberechtigung AM für Motorfahrräder Abstand zu nehmen:

Gegen den Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19.11.2015, VerkR21-571-2015/BR, erhebe ich insoweit

 

BESCHWERDE

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, als in diesem Bescheid beim Entzug der Lenkberechtigung der Klasse AM das Lenken von Motorfahrrädern nicht vom Entzug ausgenommen wurde.

 

Das gegenständliche Rechtsmittel ist iSd § 7 Abs. 4 VwGVG fristgerecht eingebracht, weil der Bescheid, weil der Bescheid meinem ausgewiesenen Rechtsvertreter am letz­ten Freitag den 20.11. zugestellt worden ist.

 

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgese­hen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs.3 Z. 7 besitzt (§ 24 Abs.1 vorletzter und letzter Satz FSG).

 

Im vorletzten Absatz der Bescheidbegründung führt die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aus, dass aufgrund der geschilderten persönlichen Verhältnisse einer Anwendung dieser Bestimmung grundsätzlich nichts im Wege stehen würde. Es sei aber zu berücksichtigen, dass ich beim letzten Vorfall am 20.10.2015 stark al­koholisiert war und Fahrerflucht begangen habe, nachdem beim Ausparken ein Fahr­zeug beschädigt wurde und mir bereits im Jahr 2011 die    Lenkberechtigung wegen ei­nes Alkoholdelikts entzogen wurde und eine Verwaltungsvormerkung aus dem Jahr 2012 betreffend Verkehrsunfall mit Fahrerfluch vorliegt.

 

Die Kraftfahrbehörde unterscheidet also zwischen objektiven und subjektiven Krite­rien und vertritt die Rechtsansicht, dass vom Entzug der Klasse AM das Lenken von Motorfahrrädern nur dann ausgenommen werden kann, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Diese Rechtsansicht ist nicht richtig, das Gesetz fordert lediglich „besonders berück­sichtigungswürdige Gründe".

 

Im aktuellsten Erkenntnis vom 29.06.2015, welches im gegebenen Zusammenhang ergangen ist, führt das LVwG Oö. zur Geschäftszahl LVwG-650418/2/Br, im Wesent­lichen aus, dass laut den Gesetzesmaterialien der Gesetzgeber damit Härtefälle zu vermeiden versucht und den Behörden damit die Möglichkeit eröffnet hat, in beson­ders berücksichtigungswürdigen Fällen (etwa um eine Arbeitsstelle zu erreichen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar wäre) die Berechtigung zum Lenken von Mopeds zu belassen.

Mit der Vorstellung habe ich meine Schichtplan vorgelegt und ausgeführt, dass die Strecke zwischen meinem Wohnort in M und meiner Arbeitsstelle, der Firma A in R 23 km beträgt, welche zur Erreichung der ersten und drit­ten Schicht mit öffentlichen Verkehrsvermitteln gar nicht und auch bei der zweiten Schicht ebenfalls nur mit unzumutbaren Fahr- und Wartezeiten zurückgelegt werden kann.

Für den schon in der Vorstellung angeführten Kredit für das Haus Maria Schmolln x muss ich monatlich € 600,-- zurückzahlen, was nur geht, wenn ich meine gut bezahlte Arbeitsstelle in der A (€ 1.600,-- netto monatlich) behalten; weiters bin ich für ein Kind im Alter von einem halben Jahr sorgepflichtig, meine Lebensgefährtin ist in Karenz.

 

Mir ist bewusst, dass ich es mir selbst zuzuschreiben habe, dass ich mich nun in dieser misslichen Lage befinde; ich bereue mein Verhalten wirklich, der Entzug der Lenkberechtigung und der Folgen führen mir das Unrecht meiner Verhaltensweise tagtäglich schmerzhaft vor Augen.

 

Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass bei Vorliegen des Sonderfalls der Entziehung des § 26 Abs.2 Z. 2 FSG ein Absehen vom Entzug der Lenkberechtigung der Klasse AM betreffend Motorfahrräder nicht möglich sein soll, hätte er dies auch so normiert, was aber nicht der Fall ist (vgl. auch LVwG-650065/7/Wr/SA vom 19.02.2014 - drittes Alkoholdelikt binnen fünf Jahren).

 

Da besonders berücksichtigungswürdige Gründe iSd § 24 Abs.1 vorletzter Satz FSG vorliegen, wird höflich der

ANTRAG

 

gestellt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge den Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19.11.2015, VerkR21-571-2015/BR, insoweit abändern, dass vom Entzug der Lenkberechtigung der Klasse AM betreffend Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen wird.

 

Mattighofen, am 24.11.2015. C B“       

 

 

III. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat den Verwaltungsakt mit Vorlageschreiben vom 26.11.2015, GZ: VerkR21-571-2015/BR, dem Oö. Landesverwaltungsgericht unter Anschluss eines Inhaltsverzeichnisses zur Entscheidung  über die Beschwerde vorgelegt.

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oö. begründet (Art. 130 Abs.1 Z 1 iVm Art. 131 Abs.1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs.1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

Nach § 28 Abs.2 VvGVG hat das Landesverwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich hier bereits aus der Aktenlage, sodass eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs.2 VwGVG nicht erforderlich war.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt dem sich ein Auszug aus dem Führerscheinregister sowie die Verkehrsunfallmeldung angeschlossen findet. Nachgeholt wurde noch ein Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister.

 

 

 

 

V. Sachverhaltsfeststellungen:

 

Laut Verkehrsunfallbericht der Polizeiinspektion Altheim, GZ: C2/12639/2015 hat der Beschwerdeführer am 20.10.2015 um 21:45 Uhr, in Mauerkirchen am Untermarkt 2, beim Ausparken ein anderes Fahrzeug touchiert und diesem eine leichte Eindellung an dessen rechter Seite zugefügt. Die Geschädigte folgte offenbar dem Fahrzeug des Beschwerdeführers und verständigte auch die Polizei, sodass der Beschwerdeführer offenbar in der Nähe seines Fahrziels mit dem Vorfall konfrontiert und nach Feststellung von Alkoholisierungssymptome zu einem Atemlufttest aufgefordert werden konnte. Dieser erbrachte mit 1,15 mg/l einen hochgradigen Alkoholisierungsgrad.

Mangels gegensätzlicher Indizien kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund seines physischen Zustandes den Streifkontakt subjektiv  offenbar gar  nicht mitbekommen hat.

Dem Beschwerdeführer wurde bereits vor etwa viereinhalb Jahren – vom 28.5.2011 bis 28.1.2012 -  die Lenkberechtigung wegen einer Alkofahrt schon einmal in der Dauer von acht Monaten entzogen.

Der Beschwerdeführer hat im Rahmen der Vorstellung durch Vorlage eines Schichtkalenders bereits dargelegt, dass sich sein Weg zum Arbeitsplatz (A R) auf 23 km beläuft, wobei die Schichten um 06:00 Uhr, 14:00 Uhr und 22:00 Uhr beginnen.

Es liegt demnach auf der Hand, dass, betreffend den von der öffentlichen Verkehrsanbindung entlegenen Ort Maria Schmolln, der Arbeitsplatz zur Nachtschicht mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht und zur Nachmittagsschicht auch nur schwer erreichbar  ist.

Das der Erhalt des Arbeitsplatzes als „besonders berücksichtigungswürdiger Grund“ gilt, kann daher nicht bezweifelt werden. Das Landesverwaltungsgericht folgt daher der Darstellung des Beschwerdeführers.

 

 

VI. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. [...]

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person dann als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder durch einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist.

Gemäß des ersten Teilsatzes des § 7 Abs.4 FSG zufolge sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

§ 24 Abs.3 FSG lautet:

„Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung

…..

Z3:

wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 oder 1a StVO.

 

VI.1. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss zählt wohl zu den schwersten und gröbsten Verstößen gegen die Verkehrssicherheit (VwGH 27.2.2004, 2002/11/0036 uva.) und ist als besonders verwerflich und gefährlich zu qualifizieren, zumal durch Alkohol beeinträchtige Lenker eine hohe potenzielle Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen. Eine sachliche Differenzierung ergibt sich jedoch in der Art des gelenkten Fahrzeuges.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Mindestdauer der Verkehrsunzuverlässigkeit im Wege der „Sonderfälle der Entziehung“ im § 26 FSG geregelt. Eine sachliche Differenzierung ergibt sich jedoch in der Art des gelenkten Kraftfahrzeuges.

Für die Begehung eines Deliktes nach § 99 Abs.1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab Begehung eines Deliktes nach § 99 Abs.1 StVO hat der Gesetzgeber in § 26 Abs.2 Z2 FSG eine Mindestentziehungszeit von zwölf Monaten festgelegt.

Die Mindestentziehungsdauer darf laut gesicherter Judikatur (nur) dann überschritten werden, wenn Umstände vorliegen, die aufgrund der Verwerflichkeit oder Gefährlichkeit der strafbaren Handlung (§ 7 Abs.4 FSG) die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen (vgl. VwGH 19.8.2014, 2013/11/0038, VwGH 16.10.2012, 2009/11/0245 uvm.). Es muss demnach ein zusätzliches (negatives) Wertungskriterium hinzutreten.

Diese Wertung erblickt hier die Behörde – was in diesem Verfahren auf sich bewenden bleiben kann – in dem vom Beschwerdeführer verschuldeten, jedoch laut seiner Darstellung unbemerkt gebliebenen Verkehrsunfall, anlässlich dessen sich der Beschwerdeführer vom Unfallort entfernte, was von der Behörde als Fahrerflucht gewertet wurde.

Zu bemerken gilt es, dass sich der Beschwerdeführer  im Zusammenhang mit dem konkreten Vorfall geständig gezeigt hat.

Der Behörde ist wohl beizupflichten, dass persönliche und berufliche Interessen bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses an sich grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben (VwGH 24.9.1999, 99/11/0166).

Jedoch kann gemäß § 24 Abs.1 letzter Satz idF der 14. FSG-Novelle, in Kraft seit dem 19.01.2013 bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen von der Entziehung der Klasse AM - der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern - abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs.3 Z7 besitzt.

Laut den Gesetzesmaterialen hat der Gesetzgeber damit Härtefälle zu vermeiden gesucht und den Behörden damit die Möglichkeit eröffnet, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen [etwa um eine Arbeitsstelle zu erreichen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar wäre] die Berechtigung zum Lenken von Mopeds (nicht aber vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen) zu belassen (s. 1203 der Beilagen XXIV.GP - Regierungsvorlage).

Ein derart berücksichtigungswürdiger Fall wird hier vom Landesverwaltungsgericht in der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als familienerhaltender Schichtarbeiter zum  Erhalt seines Arbeitsplatzes in Verbindung mit seinen familiären Unterhaltspflichten zweifelsfrei als begründet gesehen.

In Abwägung der Interessenslage gilt es festzuhalten, dass mit dem Lenken eines Mopeds keine mit einem Pkw vergleichbare Gefahrenpotenzierung für andere Verkehrsteilnehmer verbunden ist. Das öffentliche Interesse einem Menschen den Arbeitsplatz zu erhalten damit dieser für seine Familie zu sorgen in der Lage bleibt, wird vom Landesverwaltungsgericht in Abwägung der Interessenslage im Sinne des Antrages bewertet. Im Sinne der Verkehrssicherheit scheint es vertretbar den Beschwerdeführer nicht jeglicher motorisierter Mobilität zu entledigen und ihm zuzumuten zur Nachtzeit  mit dem Fahrrad insgesamt 46 km  zurücklegen zu müssen um den Arbeitsplatz zu erreichen.

Der Beschwerde kam daher in deren eingeschränkten Umfang Berechtigung zu.

 

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des       Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r