LVwG-600936/17/MZ

Linz, 15.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des C W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10.3.2015, VerkR96-1492-2014, betreffend ein Strafverfahren wegen einer Überschreitung der Straßenverkehrsordnung,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, als die Geldstrafe auf 110,- Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 44 Stunden und der Beitrag zu den Kosten des Behördenverfahrens auf 11,- Euro herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.           Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten.

 

III.           Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10.3.2015, VerkR96-1492-2014, wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) vorgeworfen, er habe – nach Abzug der Messtoleranz – am 4.5.2014 um 02:25 Uhr mit dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Langenstein, Landesstraße Ortsgebiet, Gusen, Nr 569 bei km 15.200, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 35 km/h überschritten. Der Antragsteller habe daher § 20 Abs 2 StVO 1960 überschritten, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs 2d StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 180,00 EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden, verhängt wurde.

 

II. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

In seiner Beschwerde führt der Bf – soweit für dieses Verfahren von Relevanz – wörtlich aus:

 

„Ich weise überdies nochmals daraufhin, dass ich die mir zur lastgelegte Tat nicht begangen habe und die Angaben des Anzeigers schon allein technisch unmöglich sind.“

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.12.2015. Der Bf ist der Verhandlung unter Verweis auf einen Gehörsturz entschuldigt ferngeblieben; diesbezügliche medizinische Unterlagen wurden nicht beigebracht. Eine Vertagung der Verhandlung wurde weder beantragt noch lässt sich der Eingabe vom 14.12.2015 eine solche Intention entnehmen.

 

 

 

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Der bislang unbescholtene Bf lenkte am 4.5.2014 um 2:25 Uhr das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Langenstein, Landesstraße Ortsgebiet, Gusen, Nr 569 bei km 15.200, mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h.

 

Der Bf verfügt über ein monatliches Netto-Einkommen von 1.200 Euro, ist verheiratet und es treffen ihn sieben Sorgepflichten. Diesbezüglich ist auf die unwidersprochene Schätzung der belangten Behörde vom 3.6.2014 sowie auf die Eingabe des Bf vom 24.6.2014 zu verweisen.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.) § 20 Abs 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 1960/159 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lautet:

„Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.“

 

§ 99 Abs 2d StVO 1960 lautet:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 70 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.“

 

§ 99 Abs 2e StVO 1960 lautet:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.“

 

b) Es bestehen in casu keine Zweifel darüber, dass der Ort, an dem die verfahrensgegenständliche Geschwindigkeitsmessung erfolgte, im Ortsgebiet liegt. Gemäß § 20 Abs 2 StVO 1960 darf daher, da – soweit ersichtlich – die Behörde keine höhere Geschwindigkeit erlaubt hat, ein Fahrzeug nicht schneller als mit 50 km/h gelenkt werden.

 

Im ggst Fall ist daher zu klären, mit welcher Geschwindigkeit der Bf sein Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat. Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge stellt das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und das Ablesen der Geschwindigkeit von dessen Tachometer grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit dar. Voraussetzung hiefür ist jedoch, dass das Nachfahren über eine Strecke und über eine Zeitspanne erfolgt, die lange genug sind, um die Einhaltung etwa derselben Geschwindigkeit wie der des beobachteten Fahrzeuges prüfen und sodann das Ablesen der eigenen  Geschwindigkeit ermöglichen zu können (VwGH 30.5.2007, 2003/03/0155). Eine Beobachtungsstrecke von ca 100 m wird für ausreichend erachtet (vgl VwGH 18.9.1991, 91/03/0061). Bei einem entsprechenden Ausmaß der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung kommt dem Umstand, dass der Tachometer des Dienstfahrzeugs nicht geeicht war, keine Bedeutung zu (vgl VwGH 15.5.1990, 89/02/0162; 20.7.2004, 2002/03/0195).

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der als Zeuge befragte Meldungsleger schlüssig und glaubwürdig dargelegt, dass die Nachfahrt über eine, anhand markanter Geländepunkte nachvollziehbare, Strecke von ca 400 Metern erfolgt ist und der Abstand konstant ca 30 bis 40 Meter betrug. Der Zeuge gab zudem an, als Lenker des Dienstkraftfahrzeuges mehrfach die am Tachometer angezeigte Geschwindigkeit von 100 km/h abgelesen zu haben und sich erinnern zu können, seinen Kollegen ausdrücklich darauf angesprochen zu haben, dass der Lenker des verfolgten Fahrzeuges seine Geschwindigkeit nicht reduziere.

Da der Tachometer des polizeilichen Dienstfahrzeugs nicht geeicht war, hat freilich zugunsten des Bf ein adäquater Abzug der angezeigten Geschwindigkeit zu erfolgen. Vor diesem Hintergrund vermag es vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn für das weitere Verfahren davon ausgegangen wurde, dass der Bf das in Rede stehende Fahrzeug am Tatort mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h gelenkt hat.

 

Der objektive Tatbestand des § 20 Abs 2 StVO 1960 ist daher erfüllt.

 

c.) Umstände, welche das Verschulden des Bf ausschließen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs 1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite zu bejahen ist.

 

d.1) Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

d.2) Die von der belangten Behörde verhängte Strafe wurde mit 180,- Euro festgesetzt. § 99 Abs 2d StVO 1960 sieht bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 30 km/h eine Mindeststrafe von 70 Euro vor. Der Bf hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h überschritten. Es ist daher legitim, etwas mehr als die vorgenannte Mindeststrafe der weiteren Strafbemessung zugrunde zu legen. Eine Erhöhung um mehr als das 2,5-fache scheint jedoch, da keine Erschwerungsgründe vorliegen, insb vor dem Hintergrund des § 99 Abs 2e StVO 1960 nicht angebracht. Dieser legt nämlich für den Fall, dass eine Person die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h überschreitet, lediglich eine Mindeststrafe in der Höhe von 150,- Euro fest.

 

Da der Bf die Geschwindigkeit um weniger als 40 km/h überschritten hat, scheint es dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mangels im Verfahren bekannt gewordener straferschwerender Umstände und in Anbetracht der oben genannten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht angebracht, über die in § 99 Abs 2e StVO 1960 normierte Mindeststrafhöhe hinaus zu gehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass eine Bestrafung des Bf in der Höhe von 110,- Euro – diese liegt wie die Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Bf in etwa zwischen den Untergrenzen von § 99 Abs 2d und 2e leg cit – ausreicht, um den Bf in Hinkunft von derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Entsprechend ist die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen und der Verfahrenskostenbeitrag zum behördlichen Verfahren zu reduzieren.

 

e) Gem § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellung von Geschwindigkeitsübertretungen im Wege der Nachfahrt oben zitierte, nicht uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die gegenständliche Entscheidung dieser Rechtsprechung entspricht und die Frage, ob gerade im Fall des Bf bei der Nachfahrt alle Parameter zur Feststellung der konkreten Geschwindigkeit eingehalten wurden, nicht verallgemeinerungsfähig ist.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs-gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs-gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s e

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer