LVwG-600835/13/FP

Linz, 18.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von M M-A, geb. x 1966, vertreten durch Mag. A T, Rechtsanwalt in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 13. März 2015, GZ: VerkR96-357-2014, wegen mehrerer Verstöße gegen die StVO, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe Folge gegeben, dass das bekämpfte Straferkenntnis im Hinblick auf die Spruchpunkte 2 und 3 aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren gem. § 45 Abs 1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt wird.

Im Hinblick auf Spruchpunkt 1 wird die Strafe auf 60 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 27 Stunden, herabgesetzt sowie der Textteil des Spruchs bei 1. dahingehend konkretisiert, dass er wie folgt zu lauten hat: „Sie haben bei Beendigung eines Überholvorganges, durch verfrühtes Einscheren nach rechts, weil Sie sich noch neben einem Zivilfahrzeug der Polizei befanden, den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Der Lenker des genannten Fahrzeuges musste dieses abbremsen um eine Kollision zu vermeiden.“

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.     

  

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten. Die Kosten des behördlichen Strafverfahrens reduzieren sich auf 10 Euro (§ 64 VStG, 10%, mind. 10 Euro).

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Das dem Verfahren zugrundeliegende Straferkenntnis der belangten Behörde lautet wie folgt:

 

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

 

Tatort: Gemeinde Sonnberg im Mühlkreis, Landesstraße Freiland, Richtung/Kreuzung: Zwettl/Rodl, Nr 126 bei Strkm 21,200, Leonfeldner Bundesstraße, ca 50 bis 70 Meter vor einer unübersichtlichen Linkskurve, keine Steigung oder Gefälle

Tatzeit: 02.01.2014. 16:05 Uhr

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Citroen Evasion

 

1.         Sie haben den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies

ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 11 Abs 1 StVO 1960 BGBl Nr 159/1960 idgF

 

2.         Sie haben den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nach rechts nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 11 Abs 2 StVO

 

3.         Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das

Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne

andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 16 Abs 1 litc StVO

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafe verhängt:

 

 

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

gemäß

 

 

 

 

zu 1.

90,--  Euro

41 Stunden

§ 99 Abs 3 lit a StVO

zu 2.    

30,-- Euro

12 Stunden

§ 99 Abs 3 lit a StVO

zu3.    

100,-- Euro       

46 Stunden

§ 99 Abs 3 lit a StVO

 

Allfällige weiter Aussprüche (zB über die Anrechnung der Vorhaft, über den Verfall oder über privatrechtliche Ansprüche): —

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

30,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro / Übertretung (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 250.00 Euro.

 

Zahlungsfrist:

Wird keine Beschwerde erhoben, so ist dieses Straferkenntnis sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag ist in diesem Fall binnen zwei Wochen entweder mit dem beiliegenden Zahlschein zu überweisen oder bei uns einzuzahlen. Bitte bringen Sie in diesem Fall dieses Straferkenntnis mit.

Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann der Gesamtbetrag eingemahnt werden. In diesem Fall ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Erfolgt dennoch keine Zahlung, wird der ausstehende Betrag vollstreckt und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die diesem Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe voll-zogen.

 

Begründung:

 

1.1 Auf Grund einer Anzeige von GrInsp B F, (vormals Polizeiinspektoon Oberneukirchen) vom 06.01.2014 wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 30.01.2014 zum selben Aktenzeichen, wegen Übertretungen der §§ 15 Abs 3, 16 Abs 1 lit c und Abs 2 lit b StVO über Sie eine Geldstrafe von insgesamt 240,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 111 Stunden verhängt.

Dagegen haben Sie mit Schreiben Ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 12.02.2014 rechtzeitig Einspruch erhoben.

Nach Einvernahme des Anzeigelegers am 03.03.2014 wurde das Verfahren wegen der Übertretung des § 15 Abs 3 StVO (Spruchpunkt 1. der Strafverfügung vom 30.01.2014) gemäß §45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt, Ihnen jedoch mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28.04.2014 der nunmehr geänderte Tatvorwurf zur Kenntnis gebracht.

Es wurde ein verkehrstechnisches Gutachten eines Amtssachverständigen der Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Verkehr, des Amtes der Oö Landesregierung eingeholt und der Anzeigeleger zu diesem Zwecke um ergänzende Stellungnahme ersucht (Stellungnahme vom 14.07.2014).

 

1.2 Sie haben sich nach Einspruch zu den Vorwürfen mit Schreiben vom 18.03.2014, 15.05.2014 und 27.01.2015 geäußert und bringen zum nunmehr relevanten Tatvorwurf zusammengefasst vor:

Festzuhalten sei, dass bereits die Tatortangabe unrichtig bzw unkonkretisiert sei, da bei der tatsächlichen Örtlichkeit des Überholmanövers eine Steigung bzw ein Gefälle vorliege. Die Behörde sei zu Beginn des Verfahrens davon ausgegangen, dass der Beginn und das Ende des Überholmanövers in einem Bereich von 50 bis 70 Meter stattgefunden haben, was technisch unmöglich sei. Dies habe dazu geführt, dass ein unrichtiger Tatvorwurf eingestellt werden musste. Da bereits in diesem Fall der Nachweis für die unrichtige Behauptung der Behörde erbracht sei, könne auch bei den noch immer gemachten Vorwürfen in keiner Weise von einer Richtigkeit ausgegangen werden. Zumal es nicht einmal einen unbeteiligten Zeugen für diesen Vorwurf gebe. Es werde überdies bestritten, dass sich der Überholvorgang an der vom Polizisten behaupteten Örtlichkeit, welche auf dem von ihm vorgelegten Lichtbild ersichtlich sei, zugetragen habe.

Der 1. Tatvorwurf werde durch die Einvernahme des Meldungslegers in keiner Weise bestätigt. An der Vorfallörtlichkeit habe man ausreichend Sicht. Es mache einen großen Unterschied, ob die Entfernung zur Linkskurve nun 50 m oder 70 m betragen habe. Außerdem sei es wichtig, die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge anzugeben. Andere Straßenbenützer, die irgendwie gefährdet werden hätten können, seien gar nicht vorhanden gewesen.

Zum Tatvorwurf Nummer 2. führen Sie aus, dass nicht einmal vom Meldungsleger behauptet werde, dass Sie den rechten Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt haben. Vielmehr habe er angegeben, dass Sie den Fahrstreifenwechsel nach rechts bereits begonnen haben, als Sie noch neben dem Meldungsleger gefahren seien. Dies sei aber völlig unmöglich, da es dann zu einer Kollision gekommen wäre. Schon daraus ergebe sich, dass der Seitenabstand ausgereicht habe. Im Übrigen habe der Meldungsleger in diesem Fall gar nicht erkennen können, ob Sie den Fahrstreifenwechsel nun angezeigt haben oder nicht.

Tatvorwurf Nummer 3. sei ebenfalls nicht nachvollziehbar Es gelte das schon zu Tatvorwurf Nr 1. gesagte. Davon abgesehen entspreche dieser Tatvorwurf dem Vorwurf Nr 1. Man versuche, aus einem Tatbestand mehrere zu machen, was völlig unzulässig sei.

Der Anzeigeleger mache keine Angaben über die Geschwindigkeit der beiden überholten Fahrzeuge und des überholenden Fahrzeugs, die Länge der überholten Fahrzeuge, des Seitenabstandes und des Tiefenabstandes zwischen diesen. Daher lasse sich gar nicht errechnen, ob der Überholvorgang nun der StVO entsprochen habe. Wenn der Anzeigeleger angebe, das er das überholende Fahrzeug zwar wahrgenommen, aber nicht sagen könne, wo sich dieses befunden habe, sei anzunehmen, dass er das Fahrzeug eben nicht wahrgenommen habe.

Das eingeholte Gutachten zeige gravierende Mängel. Es werde angenommen, dass das Überholmanöver 70m vor der angeblich unübersichtlichen Linkskurve geendet habe. Dies wäre aber selbstverständlich ausreichend gewesen. Das Gutachten nehme dazu jedoch keinerlei Stellung. Zudem konnte keine Angabe zu den Tiefenabständen gemacht werden. Es sei nicht richtig, dass der Polizist abbremsen habe müssen, weil Sie sich einordneten. Dies wäre wegen dem Einordnen eines schnelleren Fahrzeuges ohnehin völlig unnötig. Überhaupt lege der Sachverständige seinem Gutachten Annahmen zu Grunde, die Jedoch reine Spekulation und völlig unzulässig seien.

Sie haben das Überholmanöver in korrekter und gesetzeskonformer Weise durchgeführt. Außerdem sei die verhängte Strafe viel zu hoch.

 

2. Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

2.1       Sie lenkten am 02.01.2014 gegen 16:05 Uhr den PKW Citroen Evasion, Kennzeichen x in der Gemeinde Sonnberg im iViühlkreis auf der B 126 Leonfeldner Bundesstraße in Richtung Zwettl an der Rodl. Die Straße verläuft an der von Ihnen zu diesem Zeitpunkt befahrenen Stelle in dieser Richtung von einer Rechtskurve bei Strkm 21,6 kommend über ein ca. 400 m gerade verlaufendes Straßenstück in eine Linkskurve. Die Straße weist keine nennenswerte Steigung oder Gefälle auf. Sie bewegten sich in einer Kolonne mehrerer Fahrzeuge. Vor Ihnen befanden sich zumindest noch drei Fahrzeuge, darunter - als zweites Fahrzeug - der Dienstwagen von Grlnsp F. Die Kolonne fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h, zwischen den Fahrzeugen bestand ein Tiefenabstand von ca. 22 bis 25 m.

Obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, überholten Sie zumindest zwei Fahrzeuge der Kolonne, ehe Sie den Überholvorgang ca. 50m bis 70m vor der Linkskurve, bei Strkm 21,2, beenden wollten. Zwar stand Ihnen bei Beginn des Überholmanövers (maximal) eine (ausreichende) Sichtweite von 420m zur Verfügung, aufgrund des Kolonnenverkehrs konnten Sie aber nicht abschätzen, ob es nicht beim Wiedereinordnen in die Kolonne zu Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer kommen würde.

Ohne den Fahrtrichtungsanzeiger aktiviert zu haben und ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, wechselten Sie vom linken auf den rechten Fahrstreifen. Dadurch wurde Grlnsp F, der sich zu diesem Zeitpunkt parallel auf dem rechten Fahrstreifen befand, zum unvermittelten abbremsen seines PKW gezwungen, um eine Kollision zu vermeiden.

2.2       Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren. Die Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf der Anzeige vom 06.01.2014 und der Einvernahme des Meldungslegers, sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.07.2014.

2.2.1     Soweit von Ihnen die Konkretisierung des Tatortes auf sachverhaltsebene bezweifelt wird, ist Ihnen entgegenzuhalten, dass der Tatort bereits mit der Anzeige des Meldungslegers unter Angabe des exakten Straßenkilometers bezeichnet wurde.

Zwar ist Ihnen beizupflichten, wenn Sie ausführen, dass der Beginn und das Ende des Überholvorgangs nicht auf denselben Ort zusammenfallen können, jedoch war der unter Spruchpunkt 1. der Strafverfügung vom 30.01.2014 angegebene Tatvorwurf, der diesen Einwand betrifft, auf einen Irrtum bei der Anzeigeerstattung zurückzuführen, welcher im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei aufgeklärt werden konnte (AV vom 22.04.2014). Dies resultierte in der Folge in einem geänderten Tatvorwurf. Der von Ihnen monierte Widerspruch konnte also ohnehin aufgelöst werden.

Anhand der Angaben des Meldungslegers im Ermittlungsverfahren war letztlich zu jeder Zeit zweifelsfrei klargestellt, dass mit Strkm 21,200 der Leonfeldner Bundesstraße jener Ort bezeichnet wurde, an dem Sie versuchten, sich mit einem Fahrspurwechsel nach rechts wieder in den Verkehr einzuordnen und den Anzeigeleger zu einem Bremsmanöver nötigten; sohin den Überholvorgang beendeten.

2.2.2     Dem Meldungsleger kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass seine Angaben ungenau wären oder diese keine Feststellungen zuließen: So beinhaltet bereits die Anzeige Angaben über die von Ihm selbst eingehaltene Fahrgeschwindigkeit, die auch vom Sachverständigen in der Folge seinem Gutachten zugrunde gelegt werden konnte. Dass Grlnsp F weder zum Abstand zu dem vor ihm oder hinter ihm fahrenden PKW, noch zum eingehaltenen Seitenabstand zu dem ihn überholenden PKW präzise, in Längeneinheiten gefasste, Abstandsangaben machen konnte, kann die Glaubwürdigkeit des Zeugen indes nicht erschüttern. Wenn er etwa angibt, dass das Fahrzeug hinter ihm einen „passenden Sicherheitsabstand" eingehalten habe, so ist darin eine Angabe auf Basis seiner Ausbildung und Erfahrung als Polizeibeamter zu sehen. Eine

zentimetergenaue Angabe kann von Ihm mangels entsprechenden Messgeräts nicht verlangt werden und wäre auch reine Spekulation.

Dementsprechend zeugen die getätigten Aussagen vom verantwortungsbewussten Handeln eines Zeugen im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens, der sich dieses Umstandes wohlbewusst ist.

Die Behörde vertritt die Auffassung, dass die Angaben des Anzeigenlegers schlüssig sind und der Wahrheit entsprechen. Dazu ist auszuführen, dass sich aus den Bestimmungen des § 50 AVG iVm § 289 StGB (strafbarer Tatbestand der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde) ergibt, dass jedermann, der Beweisaussagen vor einer Behörde, sohin auch vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung tätigt, zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet ist. Die Strafdrohung des § 289 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist so gravierend, dass es gewichtiger Interessen an einem bestimmten Verfahrensausgang bedarf, um sich durch eine falsche Aussage der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Liegen keine Anhaltspunkte für derartige Interessen vor, so muss davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Anzeigers und Zeugen den Tatsachen entsprechen und - in Abwägung mit Ihrem Vorbringen sowie mit allen übrigen Beweismitteln - im Rahmen der Rechtsfindung heranzuziehen sind. Als Polizeibeamter würde er sich zudem dienstrechtlichen Sanktionen aussetzen. Eine allenfalls - wie im gegenständlichen Verfahren - gegebene Beamtenstellung derjenigen, die Beweisaussagen tätigen, bedeutet zwar keinesfalls von vornherein eine besondere Qualifikation ihrer Beweisaussage, es erscheint jedoch naheliegend, dass Polizeibeamte auf Grund ihrer Ausbildung und Diensterfahrung Geschehnisse und Sachverhaltsabläufe genauer wiedergeben können, als andere Personen.

Die Angaben des Meldungslegers über den von Ihnen durchgeführten Überholvorgang sind nachvollziehbar, der Geschehensablauf lässt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang bringen und wird auch aus technischer Sicht vom schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Amtssachverständigen gestützt. Die Angaben des Zeugen über den Vorgang des Wiedereinordnens, den kleiner werdenden Seitenabstand sowie die Angabe, wonach er bremsen musste um eine Kollision zu vermeiden, sind aus technischer Sicht nachvollziehbar.

Weiter wird im Gutachten unter Zugrundelegung der vom Anzeigeleger eingehaltenen Geschwindigkeit und der örtlichen Gegebenheiten ausgeführt, dass es durchaus plausibel ist, dass Sie mehrere Fahrzeuge „in einem" überholten. Entsprechend der Angaben des Zeugen war daher festzustellen, dass es sich dabei um zumindest zwei Fahrzeuge gehandelt hat.

Es bestehen daher keinerlei Bedenken, die Angaben des Meldungslegers den Feststellungen zugrunde zu legen.

2.2.3     Dass es Ihnen bereits aufgrund der Fahrzeugkolonne bei Überholbeginn nicht erkennbar war, ob Sie sich nach dem Überholvorgang wieder gefahrlos einordnen konnten, „da [Sie] vor Überholbeginn den Tiefenabstand vor dem Zivilstreifenwagen nicht ausreichend taxieren konnten" wird ebenfalls durch das Gutachten bestätigt. Es entspricht auch der allgemeinen Erfahrung, dass bei Kolonnenverkehr zu Beginn eines Überholvorganges eine Behinderung anderer Fahrzeuge beim späteren Einordnen in die Kolonne nicht ausgeschlossen werden kann (vgl auch VwGH 18.11.1992, 92/03/0060).

Die im Gutachten getroffene Abschätzung des eingehaltenen Tiefenabstandes von etwa 1 s bzw. 22 bis 25 m zwischen den Fahrzeugen der Kolonne basiert auf der Zeugenaussage („passender Sicherheitsabstand") die durch den Sachverständigen konkretisiert werden konnte. An dieser Vorgehensweise ergeben sich keinerlei Bedenken. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die auf Basis der Angaben des Anzeigelegers im Gutachten getroffenen Annahmen die Schlüssigkeit des Gutachtens erschüttern könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Dipl. Ing. H bei der Erstellung seines Gutachtes auf seine fachliche Ausbildung und seine langjährige Erfahrung als verkehrstechnischer Sachverständiger zurückgriff, der Sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten konnten.

2.2.4     Dass Sie sich vor dem Fahrstreifenwechsel nicht entsprechend versicherten, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert oder gefährdet werden können, ergibt sich schon daraus, dass es in der Folge tatsächlich zu einer Behinderung Anderer gekommen ist.

2.2.5     Der Umstand, dass Sie vor dem beabsichtigten Fahrspurwechsel nicht blinkten, ergibt sich ebenfalls aus den Angaben des Anzeigelegers: Dieser gibt an, dass er den beabsichtigten Fahrstreifenwechsel erst durch die Bewegung Ihres Fahrzeuges nach rechts bemerkte. Ihr Einwand, wonach der Polizist gar nicht erkennen habe können, ob ein links neben Ihm fahrendes Fahrzeug nach rechts blinkt oder nicht, ist nicht einsichtig. Ein aufmerksamer Fahrzeuglenker achtet auch auf das ihn umgebende Verkehrsgeschehen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Anzeigeleger das Verhalten eines neben ihm fahrenden Fahrzeuges nicht erkennen konnte.

GrInsp F gab zudem an, Sie bei der nachfolgenden Anhaltung selbst eingestanden, nicht geblinkt zu haben, was von Ihnen in der Folge auch zu keinem Zeitpunkt bestritten wurde.

2.2.6     Entgegen der Anzeige und der Aussage des Meldungslegers konnte nicht festgestellt werden, dass der Überholvorgang vor einer unübersichtlichen Kurve stattfand (Tatvorwurf Nr 4. der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.01.2015). Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, errechnet sich für das Überholen von zwei Fahrzeugen in einem, bei einer von diesen eingehaltenen Geschwindigkeit von 80 km/h, eine erforderliche Gesamtsichtweite von ca 394m. Die örtlichen Gegebenheiten ließen eine Sichtweite von ca 420m zu. Unter Annahme der für Sie günstigsten Umstände war ein sicheres Überholen möglich. Eine entsprechende Feststellung konnte aufgrund der Erhebungen nicht getroffen werden.

 

3. In rechtlicher Hinsicht hat die Behörde wie folgt erwogen:

3.1       Da nicht festgestellt werden konnte, dass Sie vor einer unübersichtlichen Stelle ein Fahrzeug überholt haben, war der zuletzt in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.01.2015 genannte Tatvorwurf wegen einer Übertretung des § 16 Abs 1 lit c StVO (Tatvorwurf 4.) gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Soweit von Ihnen in rechtlicher Hinsicht die Konkretisierung des Tatortes moniert wird, ist Ihnen entgegenzuhalten, dass vom Gesetzgeber nicht gefordert wird, dass der Tatort mit „physikalischer" Genauigkeit angegeben wird. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung des Tatortes haben jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl VwGH 28.11.2008, 2008/02/0200). Hinsichtlich der Tatvorwürfe 1. und 2. können durch die Angabe der Straßennummer im Zusammenhang mit der Angabe des Straßenkilometers keinerlei Zweifel über die ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs aufkommen (zu 3. siehe weiter unten).

3.2       Wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften die Straßenverkehrsordnung 1960 oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und die Übertretung nicht nach einer anderen Bestimmung zu bestrafen ist, begeht eine Venwaltungsübertretung und ist gem § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 mit einer Geldstrafe bis zu 726,-Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

3.3       Zu 1.: Der Lenker eines Fahrzeuges darf die Fahrtrichtung gem § 11 Abs 1 StVO nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben Sie am angegebenen Ort auf den rechten Fahrstreifen gewechselt, ohne sich entsprechend zu überzeugen ob dies möglich ist. Durch dieses Fahrmanöver wurde GrInsp F gezwungen seinen PKW abzubremsen um eine Kollision zu vermeiden. Daher haben Sie die genannte Bestimmung in objektiver Hinsicht übertreten.

Entgegen Ihrem Vorbringen, ist weder der Abstand zur nachfolgenden Linkskurve, noch die eingehaltene Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge für eine Übertretung nach der genannten Bestimmung relevant. Der Tatort ist - wie bereits ausgeführt - ausreichend konkretisiert, wie sich der weitere Straßenverlauf gestaltete, ist im Hinblick auf den Fahrstreifenwechsel ohne Belang.

Nicht nachvollziehbar ist Ihr Vorbringen, wonach es keine anderen Verkehrsteilnehmer gegeben habe, die gefährdet werden konnten, da Sie ja durch Ihr Fahrmanöver tatsächlich einen anderen Verkehrsteilnehmer gezwungen haben zu bremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass ein Fahrstreifenwechsel schon dann unzulässig ist, wenn es zu einer bloßen Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer kommen kann. Wobei nach ständiger Rechtsprechung eine Behinderung bereits vorliegt, wenn ein anderer Fahrzeuglenker zum Bremsen oder Ablenken genötigt wird.

3.4       Zu 2.: Der Lenker eines Fahrzeuges hat die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens gemäß § 11 Abs 2 StVO so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt. Sie haben vor der Durchführung des genannten Manövers den Wechsel des Fahrstreifens nicht angezeigt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach der genannten Bestimmung begangen, zumal der parallel zu Ihnen Fahrende durch den unangekündigten Fahrstreifenwechsel tatsächlich behindert wurde.

3.5       Zu 3.: Der Lenker eines Fahrzeuges darf gemäß § 16 Abs 1 lit c StVO nicht überholen wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Nach dem festgestellten Sachverhalt war nicht einwandfrei erkennbar, ob Sie Ihr Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Dennoch überholten Sie zumindest zwei vor Ihnen fahrende Fahrzeuge „in einem". Dadurch haben Sie die genannte Bestimmung überschritten.

§ 16 Abs 1 lit c StVO pönalisiert einen Überholvorgang, wenn für den Überholenden unter Zugrundelegung der bei Beginn des Überholvorganges vorliegenden Verhältnisse nicht erkennbar ist, ob er sich an dessen Ende gefahrlos einordnen kann. Im gegenständlichen Fall kam es zu einem solchen Überholmanöver, welches durch die Angabe des exakten Straßenkilometes an dem es endete eindeutig und zweifelsfrei bezeichnet wird. Der Tatvorwurf nimmt zwar auf die Entscheidung des Überholenden Bezug, Tathandlung ist aber das Überholen selbst (arg: „darf nicht überholen"). Nun ist es zwar offenkundig, dass das gegenständliche Überholmanöver eine längere Strecke in Anspruch genommen hat. Nichtsdestotrotz können keinerlei Zweifel aufkommen, welche Tathandlung nun gemeint ist. Die Gefahr einer Doppelbestrafung, wie auch die Möglichkeit, dass Sie Ihre Verteidigungsrechte nicht in gesetzmäßiger weise wahren konnten, scheidet daher aus und die Konkretisierung des Tatortes genügt auch in diesem Fall dem Gesetz.

Ihr Vorbringen, wonach andere Straßenbenützer, die irgendwie gefährdet werden hätten können, gar nicht vorhanden gewesen seien, geht - wie schon hinsichtlich des 1. Spruchpunktes und unter 3.3 ausgeführt - ins Leere. Die genannte Bestimmung verlangt nicht, dass es tatsächlich zu einer konkreten Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (vgl VwGH 27.02.1992, 91/02/0145), sondern stellt nur darauf ab, ob die Möglichkeit einer solchen erkennbar war. Nach dem festgestellten Sachverhalt war diese Erkennbarkeit infolge des Kolonnenverkehrs nicht gegeben. Der Umstand, dass sich in der Folge dieses Risiko tatsächlich realisierte, bestätigt diesen Befund lediglich.

3.6       Ihr Einwand, wonach der Seitenabstand zwischen Ihrem Fahrzeug und dem des Anzeigelegers ja ausreichend sein musste, da es ja andernfalls zu einer Kollision gekommen wäre, liefe darauf hinaus, dass ein Fahrzeuglenker nicht vor einem drohenden, sondern erst nach einem erfolgten Zusammenstoß Gegenmaßnahmen zu ergreifen hätte. Die Erforderlichkeit eines Bremsmanövers aufgrund von zu geringem Abstand abschätzen zu können, ist jedem Fahrzeuglenker zuzumuten.

Zudem ist der eingehaltene Seitenabstand gar nicht Teil eines Tatvorwurfs, weshalb Sich Ihre dahingehenden Ausführungen letztlich erübrigen.

3.7 Gemäß § 5 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Da es sich bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen um bloße Ungehorsamsdelikte handelt, hätten Sie glaubhaft machen müssen, dass Sie an der Verletzung der zitierten Bestimmungen kein Verschulden trifft, weil Ihnen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften unmöglich war.

Nach dem festgestellten Sachverhalt haben Sie mehrere Fahrzeuge „in einem" überholt, obwohl Sie nicht erkennen konnten, ob ein sicheres Einordnen möglich ist. Ein Risiko, dass sich infolge des Wiedereinordnens ohne zu blinken und ohne auf andere Verkehrsteilnehmer zu achten, wodurch ein anderer Lenker zum Abbremsen gezwungen wurde, auch realisiert hat. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für einen Entfall des Verschuldens sprechen würden. Vielmehr ist von gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern rücksichtslosem, zumindest aber fahrlässigen Verhalten Ihrerseits auszugehen.

Es erscheint für die Behörde daher zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen haben und Ihnen die Tat in objektiver und auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen ist.

 

4. Strafbemessung:

4.1       § 19 Abs 1 VStG zufolge ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bezüglich Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse geht die Behörde mangels Bekanntgabe von einem Einkommen iHv mtl 1.200,-- , keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus.

4.2       Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass im hs Verwaltungsbezirk noch keine gleichartigen Verwaltungsübertretungen bekannt waren. Straferschwerende Umstände waren nicht bekannt.

Gem § 49 Abs 2 VStG kann in dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis keine höhere Strafe verhängt werden, als in der Strafverfügung. In Anbetracht der beträchtlichen, mit der Begehung dieser Taten verbundenen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer können Sie sich nicht als beschwert erachten, da sich die verhängten Strafen in allen Punkten am unteren Ende des Strafrahmens bewegen. Die verhängten Geldstrafen sind jedenfalls angemessen und erforderlich, um Sie in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Verwaltungsstraftaten abzuhalten.

4.3       Die Vorschreibung der Kosten des Verfahrens des Verwaltungsstrafverfahrens ist eine gesetzliche Folge des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer (Bf) mit Schriftsatz vom 13. April 2015 rechtzeitig Beschwerde und brachte vor wie folgt:

 

„a) Sachverhalt:

Am 02.01.2014 um 16.05 Uhr lenkte der nunmehrige Beschwerdeführer seinen PKW der

Marke Audi mit KZ: x in der Gemeinde Sonnberg im Mühlkreis, Richtung/Kreuzung:

Zwettl/Rodl, B 126, Leonfeldner Bundesstraße, überholte zwei Fahrzeuge und ordnete sich nach dem Übermanöver wieder auf den rechten Fahrstreifen ein. Mit Strafverfügung der BH Urfahr-Umgebung vom 30.01.2014, GZ: VerkR96-357-2014, wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, ca. 50 bis 70 Meter vor einer unübersichtlichen Linkskurve (keine Steigung oder Gefälle) den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt, weiters ein Fahrzeug überholt zu haben, obwohl nicht einwandfrei erkennbar gewesen sei, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern und weiters vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein Fahrzeug überholt zu haben und wurde ihm dafür eine Gesamtgeldstrafe von EUR 240,-- auferlegt.

Da jeder dieser Vorwürfe vom Beschwerdeführer bestritten wird, wurde fristgerecht Einspruch erhoben und ausgeführt, dass aus der Strafverfügung nicht hervorgehe, ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer den Überholvorgang anzeigte und wie lange der Fahrtrichtungsanzeiger in Bewegung war. Das nicht rechtzeitige Anzeigen deutet nämlich darauf hin, dass der Überholvorgang sehr wohl angezeigt wurde, jedoch nicht rechtzeitig.

Hinsichtlich des Vorwurfes der Nichterkennung, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr gefahrlos eingeordnet werden könne, wurde beantragt, bekannt zu geben, mit welcher Geschwindigkeit die beteiligten Fahrzeuge fuhren, in welchem Tiefenabstand sich das Beschwerdeführerfahrzeug zu Beginn des Überholmanövers zum davor befindlichen Fahrzeug befand, wie lange das Überholmanöver dauerte, wie weit an gegenständlicher Örtlichkeit die Sicht ist und ob Fahrzeuge entgegen gekommen sind. In der Strafverfügung selbst gab es nämlich darüber keine näheren Informationen. Hinsichtlich des Vorwurfes des Überholens vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) wurde eingewendet, dass der Überholvorgang weit vor der nächsten Kurve beendet werden konnte. Im Übrigen wurde auch die Strafhöhe bekämpft. Aus der Strafverfügung sowie der darauf aufgrund des Einspruches erfolgenden Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.03.2014, ist zu entnehmen, dass das Überholmanöver angeblich ca. 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Linkskurve begonnen oder dort auch beendet wurde und sämtliche Delikte in diesem Bereich begangen worden seien. Jedenfalls wurde die Zeugenaussage des Herrn Grplnsp. B F an den nunmehrigen Beschwerdeführervertreter übermittelt. Dieser gab an, dass ein aufgelockerter Kolonnenverkehr herrschte, wobei die Fahrgeschwindigkeit 80 km/h betrug und er sich mit dem Dienstwagen Audi A3 mit Deckkennzeichen innerhalb dieser Kolonne befunden habe. Im Innenrückspiegel habe er einen überholenden PKW (Beschwerdeführerfahrzeug) bemerkt, der zumindest 2 PKW's überholt habe und zwar den PKW hinter dem Dienstfahrzeug und das Dienstfahrzeug selbst. 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Kurve habe der Beschwerdeführer sein Fahrzeug auf den rechten Fahrstreifen lenken können. Der Meldungsleger B F habe deshalb abbremsen müssen.

Am 18.03.2014 erfolgte seitens des Beschwerdeführervertreters eine Stellungnahme, worin daraufhin gewiesen wurde, dass die Aussagen des Zeugen Insp. F den Vorwürfen der BH Urfahr-Umgebung widerspreche, weil die BH davon ausgeht, dass der

bevorstehende Überholvorgang ca. 50 - 70m vor der unübersichtlichen Linkskurve begonnen  wurde („sie haben den bevorstehenden Oberholvorgang nicht rechtzeitig angezeigt: Tatort: ca. 50 - 70m vor der unübersichtlichen Linkskurve"). Der Polizist ging jedoch von einer Beendigung des Überholvorganges ca. 50 - 70m vor der besagten Kurve aus.

Daraus ergibt sich, dass der von der Behörde behauptete Tatort unrichtig ist. Weiters dauert ein Überholvorgang von 2 Fahrzeugen mehr als 200m, was abhängig von der Geschwindigkeit der beiden überholten Fahrzeuge, der Geschwindigkeit des überholenden

Fahrzeuges sowie der Länge der überholten Fahrzeuge und des zwischen den überholten

Fahrzeugen befindlichen Tiefenabstandes ist.

Dennoch erging eine neuerliche Aufforderung zur Rechtfertigung, datiert mit 28.04.2014, zu GZ: VerkR96-357/2014-STU, wobei nunmehr zum Teil neue Vorwürfe gemacht wurden. So wurde unter Punkt 1) nunmehr neu behauptet, der nunmehrige Beschwerdeführer habe den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei (wiederum mit dem behaupteten Tatort: ca. 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Linkskurve).

Weiters wurde dem Beschwerdeführer unter Punkt 2) vorgeworfen, den bevorstehenden

Wechsel des Fahrstreifens nach rechts nicht angezeigt zu haben, wodurch sich andere

Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten (wiederum Tatort ca. 50 -70m vor der besagten Kurve).

Weiters wurde ihm unter Punkt 3) vorgeworfen, ein Fahrzeug überholt zu haben, obwohl

nicht einwandfrei erkennbar gewesen sei, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in

den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern (wiederum Tatort ca. 50 - 70m vor besagte Linkskurve) und unter Punkt 4), ein Fahrzeug vor einer unübersichtlichen Stelle überholt zu haben (wiederum Tatort ca. 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Linkskurve).

Am 15.05.2014 wurde fristgerecht eine Rechtfertigung an die Behörde übermittelt, wobei

wiederum sämtliche Tatvorwürfe bestritten wurden, da die Einvernahme des Meidungslegers nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht den geringsten Beweis für die Richtigkeit dieser Vorwürfe erbringen konnte.

 

Es wurde der Antrag gestellt, der Meldungsleger möge befragt werden, mit welcher Geschwindigkeit das Beschuldigtenfahrzeug fuhr, in welchem Abstand vor der angeblich unübersichtlichen Linkskurve das Überholmanöver begonnen und in welchem Abstand vor der Linkskurve das Überholmanöver beendet wurde, in welchem Tiefenabstand sich das Beschuldigtenfahrzeug zu Beginn des Überholmanövers zum davor befindlichen Fahrzeug befand, wie groß der Tiefenabstand zwischen den vor dem Beschuldigtenfahrzeug befindlichen Fahrzeug und dem Fahrzeug des Meldungslegers war, wie lange das Überholmanöver dauerte, wie weit an gegenständlicher Örtlichkeit zu Beginn des Überholmanövers die Sicht war und ob Fahrzeuge entgegen gekommen sind. Weiters wurde beantragt, einen Lokalaugenschein durchzuführen sowie einen Amtssachverständigen aus dem Gebiet Verkehrswesen beizuziehen. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.01.2015, wurden seitens der nunmehr belangten Behörde die zuletzt gemachten Vorwürfe wiederholt, und es wurde weiters eine Sachverhaltsdarstellung des Rev. Insp. B F vorgelegt. Der Meldungsleger konnte in keiner Weise angeben, wo sich das Beschuldigtenfahrzeug befunden habe, als er dieses im Rückspiegel wahrgenommen habe. Der Beschwerdeführer habe insgesamt 2 PKW's überholt. Hinsichtlich des Abstandes des hinter dem Dienstfahrzeug befindlichen Fahrzeuges, konnte der Meldungsleger keine Angaben machen. Er meinte nur, dass dieses einen „passenden Sicherheitsabstand" (?!) einhielt. Dies ist jedoch ein relativer Begriff und nicht einmal ansatzweise eine Entfernungsangabe. Zum Tiefenstand zum vor ihm befindlichen Fahrzeug konnte er ebenfalls keine Angaben machen. Er selbst sei mit ca. 80 km/h gefahren. Das Einordnen des Beschwerdeführerfahrzeuges sei ca. 50 - 70m vor der unübersichtlichen Linkskurve erfolgt. Ein Tiefenabstand zwischen dem Beschwerdeführer- und dem Polizeifahrzeug konnte nicht angegeben werden. Hinsichtlich des Gegenverkehrs konnte der Meldungsleger feststellen, dass keine Sichteinschränkung (abgesehen von der natürlichen Sichtbeschränkung der Kurve) gegeben war, die Sichtweite jedoch je nach Standort 100 - 120m aus Sicht des Gegenverkehrs gewesen sei und nach seiner Ansicht nach keine Reduzierung der erlaubten Geschwindigkeit (100 km/h) wegen Fahren auf Sicht erforderlich gewesen sei. Auf Basis dieser spärlichen Angaben wurde ein Gutachten des SV Dipl.-HTL-Ing. R H erstattet und dem Beschwerdeführervertreter vorgelegt. In diesem Gutachten behauptete der SV, dass aus der Anzeige zu entnehmen sei, dass der Beginn des Überholmanövers nicht bekannt sei. Dies widerspricht jedoch der Strafverfügung, weil dort bereits behauptet wurde, dass 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Kurve bei Km 21.200 der bevorstehende Überholvorgang nicht rechtzeitig angezeigt wurde. Das bedeutet natürlich, dass laut Behörde in diesem Bereich der Überholvorgang begonnen wurde. Vielmehr habe sich laut SV bei StrKm 21,200 der Überholer vor dem Zivilstreifenwagen eingeordnet, also das Überholmanöver beendet.

Der SV bestimmte den Überholweg, wobei er zuerst davon ausging, dass der Überholer ursprünglich beabsichtigte, 3 PKW zu überholen. Diese Annahme ist jedoch ohne realen Hintergrund. Der SV gibt an, dass bei der größenmäßigen Einhaltung eines Sekundenabstandes ein Tiefenabstand von etwa 22 - 25m bestanden habe. Er geht von einer Ausgangsgeschwindigkeit des Überholers von ca. 100 km/h und von einer Überholbeschleunigung von 1,0 m/s² aus und errechnete einen Überholweg von ca. 208m.

Rechnet man für den Gegenverkehr eine Geschwindigkeit von ca. 100 km/h, so ergibt sich eine erforderliche Gesamtsichtweite von ca. 394m.

Wenn der Überholvorgang im Ausgangsbereich der Kurve nach StrKm 21,6 begonnen hätte, lag laut SV eine ausreichende Sichtweite vor. Der SV ist der Ansicht, dass die Sichtweite für sich betrachtet im Hinblick auf die angegebene Kolonnengeschwindigkeit von ca. 80 km/h für das Überholen von 2 PKW ausreichend gewesen ist.

Wenn die Kolonne mit ca. 80 km/h gefahren wäre und sie als Tiefenabstand etwa 1 Sekunde (22 - 25m) einhielt, so konnte der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Überholbeginn laut SV nicht erkennen, ob er sich ca. 400m weiter vorne wieder in die Kolonne gefahrlos einordnen könne, da er vor Überholbeginn den Tiefenabstand vor dem Zivilstreifenwagen nicht ausreichend taxieren könnte.

Bei einem Tiefenabstand von 22 - 25m und Fahrgeschwindigkeit der Kolonne von ca. 80

km/h sei es für den SV nachvollziehbar, dass das Einordnen begonnen habe, bevor das

Zivilstreifenfahrzeug überholt worden sei. Der SV erstattete sein Gutachten auf Basis von Annahmen, die er willkürlich selbst getroffen hat, für die es jedoch keinerlei Substrat gab. Dies wurde auch in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27.01.2015 festgehalten. Obwohl der SV keinerlei Nachweis für ein Fehlverhalten des Beschwerdeführers erbringen konnte, erging das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis vom 13.03.2015 zu Verk96-35-/2014, dem Beschwerdeführervertreter zugestellt am 17.03.2015.

B E W E I S :

PV des Beschwerdeführers

- beizuschaffender Akt der BH Urfahr-Umgebung zu GZ: VerkR96-357-2014;

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die nunmehrige Beschwerde.

 

b) Zulässigkeit der Beschwerde:

Der nunmehrige Beschwerdeführer ist zur Erhebung der Beschwerde berechtigt, weil er in

seinem subjektiven Rechten, ein ordnungsgemäßes Verwaltungsstrafverfahren zu erhalten sowie ein ordnungsgemäßes Überholmanöver durchführen zu dürfen, verletzt wurde. Das angerufene Verwaltungsgericht ist zuständig und die Beschwerde ist angesichts des Zustelldatums 17.03.2015 fristgerecht vorgebracht worden.

 

c) Beschwerdeqründe:

1.) Mangelhafte und unrichtige Sachverhaltsfeststellunq aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:

Gemäß Punkt 1) des Straferkenntnisses wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe den Fahrstreifen am 02.01.2014 um 16.05 Uhr im Bereich StrKm 21,200, Leonfelder Bundesstraße, ca. 50 - 70m vor einer unübersichtlichen Linkskurve (keine Steigung oder Gefälle) gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Die Behörde geht davon aus, dass sich die Kolonne mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h fortbewegt habe und zwischen den Fahrzeugen der Tiefenabstand ca. 22 - 25m betragen habe.

 

Diese Annahme ist völlig unrichtig. Es ist dies ein völlig frei erfundener Tiefenabstand und ist dies aktenwidrig. Ein derartiger Tiefenabstand geht aus dem Akt nirgends hervor. Es wäre dies auch ein äußerst knapper Tiefenabstand. Vielmehr gab der Zeuge Grp.lnsp. F an, dass es sich um eine aufgelockerte Kolonne handle. Zum Abstand zum vor ihm befindlichen Fahrzeug und zu dem hinter ihm befindlichen Fahrzeug konnte er überhaupt keine näheren Angaben machen. Jedenfalls ist eine Kolonne bei einem Tiefenabstand der Fahrzeuge von 22-25 m nicht aufgelockert. Der SV ging in seinem Gutachten von einem Abstand von 1 Sekunde aus, was frei erfunden ist. Daraus ergibt sich ein Tiefenabstand bei 80 km/h von 22 - 25m. Auf diesen grundlos angenommenen Angaben beruht sein gesamtes Gutachten. Der Beschwerdeführer wurde nicht einmal befragt. Das Tiefenabstand des Polizeifahrzeuges zum davor befindlichen Fahrzeug betrug vielmehr zumindest 70-80m. Der Beschwerdeführer beabsichtigte niemals, das vor dem Polizeifahrzeug fahrende Fahrzeug zu überholen

 

B E W E I S :

PV des Beschwerdeführers

Zeugin C M-A, p.A. des Beschwerdeführers

 

Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht einwandfrei erkennen konnte, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne weitere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Es wird damit argumentiert, dass dem Beschwerdeführer zu Beginn des Überholmanövers maximal eine ausreichende Sichtweite von 420m zur Verfügung gestanden habe, aufgrund des Kolonnenverkehrs er jedoch nicht abschätzen habe können, ob es nicht beim Wiedereinordnen in die Kolonne zur Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer kommen würde. Auch diese Behauptung ist nicht nachvollziehbar. Der SV gab auf Seite 2 seines Gutachtens an, dass sich bei einer Ausgangsgeschwindigkeit des Überholmanövers von ca. 100 km/h und einer Überholbeschleunigung von 1,0 m/s^ ein Überholweg von ca. 208m ergebe. 208m sind leicht zu überschauen und ist es daher für den Beschwerdeführer möglich gewesen, zu erkennen, dass er sich vor dem Polizeifahrzeug wieder in die Kolonne einordnen kann, zumal das vor dem Polizeifahrzeug befindliche Fahrzeug zumindest 70 - 80m vor diesem fuhr. Ein Überholweg von 208m bei einer Sichtweite von zumindest 420m ist völlig ausreichend.

 

B E W E I S :

- PV des Beschwerdeführers;

- Lokalaugenschein;

- beizuziehender verkehrstechnischer Sachverständiger;

 

Wenn der SV auf Seite 2 seines Gutachtens davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Überholbeginn nicht erkennen konnte, ob er sich ca. 400m weiter vorne wieder in Kolonne gefahrlos einordnen könne, so ist diese Annahme schlicht und einfach falsch. Er selbst berechnet den Überholweg lediglich mit 208m und der Beschwerdeführer muss daher lediglich erkennen können, ob er sich 208m nach Beginn des Überholvorganges wieder einordnen kann. Dies ist leicht möglich. 208m sind von jedermann leicht zu überblicken.

 

B E W E I S :

- beizuziehender verkehrstechnischer Sachverständiger;

Es muss auch weiters bestritten werden, dass der Fahrtrichtungsanzeiger nicht aktiviert

worden sei. Der Polizist konnte dies nicht einmal erkennen, weil bei Einordnen der Beschwerdeführer laut Aussage des Meldungslegers neben ihm fuhr und daher aus der Sitzposition des Polizisten nicht erkennbar war, ob das neben ihm befindliche Fahrzeug den Blinker aktiviert hatte oder nicht; schon gar nicht, wie lange dieser Fahrtrichtungsanzeiger in Bewegung war.

 

B E W E I S :

- PV des Beschuldigten;

- Stellprobe

- beizuziehender verkehrstechnischer Sachverständiger;

 

Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt ergibt sich sohin keineswegs aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren. Aus der Einvernahme des Meldungslegers ist nichts

Wesentliches zu entnehmen. Er konnte nicht einmal simple Fragen betreffend den Tiefenabstand zwischen den Fahrzeugen beantworten. Dies ist ihm auch zum Vorwurf zu

machen. Aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung als Polizeibeamter hätte er jedenfalls

den Abstand zumindest in Fahrzeuglängen angeben können müssen. Eine zentimetergenaue Angabe ist naturgemäß nicht notwendig. Die mangelnden Ausführungen sind darauf zurückzuführen, dass der Meldungsleger offensichtlich nicht ausreichend aufmerksam war. Der Tatort wurde nach wie vor nicht konkretisiert. Es gibt vage Angaben von 50 - 70m vor Beginn einer Linkskurve, wobei der Meldungsleger selbst in seiner Aussage behauptete, dass dort 100 - 120m Sichtweite bestand.

Das verkehrstechnische Sachverständigen-Gutachten beruht auf Annahmen, die in keiner

Weise existent sind. Vielmehr ereignete sich der Vorfall dergestalt, dass der Beschuldigte in einem Abstand von zumindest 420m vor dem Beginn der Linkskurve den Überholvorgang, also nach Strkm 21,600, begonnen hat und sich nach Betätigung des rechten Fahrtrichtungsanzeigers nach Überholen des Polizeifahrzeuges gefahrlos vor diesem einordnete und somit das Überholmanöver in keiner Weise zu beanstanden war.

 

B E W E I S :

- PV des Beschuldigten;

- Zeugin C M-A, p.A. des Beschwerdeführers

- Lokalaugenschein;

- beizuziehender verkehrstechnischer Sachverständiger;

 

Da sohin das Gutachten darauf beruht, dass der Polizist einen Tiefenabstand von etwa 1

Sek. bzw. 22 - 25m einhielt (dies kann vom Polizisten nicht bestätigt werden, weil dieser von einem aufgelockerten Kolonnenverkehr ausging und nicht von einem dichten Kolonnenverkehr), beruht das Gutachten auf willkürlichen Annahmen und ist daher nicht

heranzuziehen. In keiner Weise richtig ist, dass Herr Insp. F gezwungen war, sein Fahrzeug unvermittelt abbremsen zu müssen aufgrund des Wieder-Eingliederns in den rechten Fahrstreifen. Der Sachverständige ging davon aus, dass sich das vor Insp. F

 

Der Vorwurf unter Punkt 1), den Fahrstreifen gewechselt zu haben, ohne sich davon zu

überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und der Vorwurf unter Punkt 3), ein Fahrzeug überholt zu haben, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, ist ident. Es handelt sich hier um eine Doppelbestrafung, welche rechtlich unzulässig ist. Der Beginn des Überholmanövers ist in keiner Weise konkretisiert. Nach wie vor wird nicht bekannt gegeben, wo das Überholmanöver begonnen hat. Hinsichtlich des in Punkt 3) des Straferkenntnisses gemachten Vorwurfes ist festzuhalten, dass gerade hier die Behörde feststellen hätte müssen, wo das Überholmanöver begonnen hat, denn nur daraus ist ersichtlich, ob es gefahrlos durchgeführt werden kann. Die Behörde hat auch nicht korrekt festgehalten, dass das Überholmanöver laut Sachverständigem nur 208m dauert und ist hier ein sekundärer Feststellungsmangel festzuhalten. Bei einem Überholweg von lediglich 208m ist leicht zu erkennen, dass man danach das Fahrzeug gefahrlos in den Straßenverkehr wieder einordnen kann. Die Sachverhaltsfeststellung der Behörde war somit nicht ausreichend, um eine richtige rechtliche Beurteilung durchführen zu können. Davon abgesehen, wurde hier auch der Tatort unrichtig festgehalten, denn bei Beginn des Überholmanövers befand sich das Fahrzeug keineswegs bei StrKm 21,200 und somit 50 - 70m vor einer angeblich unübersichtlichen Linkskurve, sondern war dort ja laut Behörde angeblich das Ende des Überholmanövers. Es wurde sohin der Tatort des Überholbeginns falsch bezeichnet und ist dies rechtswidrig.

Allenfalls kann hier (nämlich beim genannten Tatort Strkm 21,200) das Wiedereinordnen,

also der Spurwechsel, bestraft werden. Dies ist jedoch bereits unter Punkt 1) geschehen. Es handelt sich sohin um eine Doppelbestrafung, die unzulässig ist. Das Überholmanöver ist keineswegs dadurch eindeutig und zweifelfrei bezeichnet, in dem es das Ende festhält,

sondern muss selbstverständlich der Beginn des Überholmanövers zweifelsfrei und eindeutig bezeichnet werden, weil man bei Beginn des Überholmanövers beurteilen können muss, ob dieses mit einem gefahrlosen Einordnen beendet werden kann. Die Tathandlung ist hier selbstverständlich der Beginn des Überholmanövers und nicht das Ende, weil das Ende wurde ja bereits mit Punkt 1) bestraft.

 

4.) Bekämpfung der Strafhöhe:

Die Delikte zu Punkt 1) und Punkt 3) wurden wesentlich zu hoch bestraft. Es gibt keine

Erschwerungsgründe, jedoch Strafmilderungsgründe (bisherige Unbescholtenheit). Die

Strafmilderungsgründe sind nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Strafe ist daher

herabzusetzen.

d) Beschwerdeanträqe:

Aus diesen Gründen richtet der Beschwerdeführer an das Verwaltungsgericht für das Land die

 

A N T R Ä G E :

1.) eine mündliche Verhandlung durchzuführen, einen Sachverständigen für Verkehrswesen beizuziehen, einen Lokalaugenschein durchzuführen, den Beschwerdeführer und die Zeugin C M-A einzuvernehmen und

 

2.) das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren

einzustellen;

 

in eventu

3.) die Strafhöhe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen;

in eventu

 

4.) das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung

eines neuen Straferkenntnisses an die Behörde zurück zu verweisen.

 

I.3. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Bezug habendem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 17. April 2015 zur Entscheidung vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.

Das Landesverwaltungsgericht entscheidet durch den nach der Geschäfts-verteilung zuständigen Einzelrichter (§ 2 VwGVG).

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt und öffentliche mündliche Verhandlung in welcher der Bf und zwei Zeugen einvernommen wurden und der Amtssachverständige, Dipl.-HTL-Ing. R H ein Sachverständigengutachten erstattete. Zudem hat der ASV bereits im Vorfeld eine Videoaufnahme des Straßenverlaufes hergestellt. Das Video wurde in der Verhandlung verwertet.

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher  S A C H V E R H A L T  steht fest:

 

Der Spruch des vorliegenden Straferkenntnisses lautet im Hinblick auf Spruchpunkt 1 wie folgt:

 

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

 

Tatort: Gemeinde Sonnberg im Mühlkreis, Landesstraße Freiland, Richtung/Kreuzung: Zwettl/Rodl, Nr 126 bei Strkm 21,200, Leonfeldner Bundesstraße, ca. 50 bis 70 Meter vor einer unübersichtlichen Linkskurve, keine Steigung oder Gefälle

Tatzeit: 02.01.2014. 16:05 Uhr

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Citroen Evasion

 

1.         Sie haben den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 11 Abs 1 StVO 1960 BGBl Nr 159/1960 idgF

 

Mit Schreiben vom 3. März 2014 verständigte die belangte Behörde den Bf von einem Ergebnis der Beweisaufnahme und übermittelte in diesem Zuge eine Niederschrift über die Einvernahme des Meldungslegers an den Bf. Diese enthält folgenden Passus: „Der Angezeigte konnte sein Fahrzeug erst c. 50 bis 70 Meter vor der unübersichtlichen Kurve auf den rechten Fahrstreifen lenken und dies auch nur, da ich abgebremst habe. Befragt, warum ich abgebremst habe, gebe ich an, dass der Angezeigte den Fahrstreifenwechsel nach rechts bereits begann, als er noch neben mir fuhr – sodass mir gar nichts anderes überig blieb, als mein Fahrzeug abzubremsen, da es sonst zu einem seitlichen Zusammenstoß gekommen wäre.

 

In ihrer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. April 2014, zugestellt am 29. April 2014 warf die belangte Behörde dem Bf folgendes vor: „Sie haben den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

[...] Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: 11 Abs 1 StVO“.

 

Der Bf fuhr am 2. Jänner 2014 um 16:05 mit seinem PKW mit dem Kennzeichen W-68091 R auf der Landesstraße Nr. 126 von Bad Leonfelden kommend Richtung Zwettl an der Rodl.

Die genannte Landesstraße verläuft am Ort, nach einer langgestreckten Linkskurve etwa bei StrKm 21,6, über eine Strecke von etwa 420 m annähernd gerade. Der Bf überholte dort 2 Fahrzeuge und ordnete sich unmittelbar vor einer Zivilstreife der Polizei wieder in den Verkehr ein. Der Bf leitete sein Einschermanöver bereits ein, als er sich noch neben dem zu überholenden Fahrzeug des Zeugen F befand. Der Zeuge F musste sein Fahrzeug abbremsen um eine Kollision zu verhindern.

Es herrschte aufgelockerter Kolonnenverkehr. Der Bf hat zwei Fahrzeuge überholt. Es kann nicht festgestellt werden, wie groß die Abstände zwischen den einzelnen Fahrzeugen in der Kolonne waren. Es kann nicht festgestellt werden, welche Überholgeschwindigkeit der Bf einhielt.     

Es kann nicht festgestellt werden, an welcher Stelle der Bf sein Überholmanöver eingeleitet hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bf beim Einschervorgang nach rechts nicht geblinkt hat. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, ob ein allfälliges „Komfort-Blinken“ (2 – 3 Blinkimpulse) für den Lenker des Zivilstreifenwagens in ausreichendem Maß erkennbar waren und ob das allfällige Blinken bis zum Ende des Überholmanövers angedauert hat.

 

 

II.3. Die Feststellungen zur Spruchformulierung ergeben sich aus dem vorliegenden Straferkenntnis.

Im Hinblick auf Spruchpunkt 3. des vorliegenden Straferkenntnisses konnte das Verwaltungsgericht aufgrund des abgeführten Beweisverfahrens nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellen, ob dem Bf ein Verstoß gegen § 16 Abs 1 lit c StVO angelastet werden kann. Dies ergibt sich insbesondere aus der Aussage des Bf selbst, der einen Hergang des Überholmanövers schilderte, welcher, nach dem technischen Sachverständigen-gutachten möglich und im Falle der Richtigkeit der Angaben korrekt war. Der Bf war für das Gericht subjektiv glaubwürdig, was insbesondere daraus geschlossen werden kann, dass er oftmals zugestanden hat, sich nicht mehr sicher zu sein und auf das lange Zurückliegen der Geschehnisse verwies. Das Gericht hatte insofern nicht den Eindruck, dass die Aussage des Bf „vorbereitet“ war. Es war dies angesichts des Umstandes, dass das Gericht in der Verhandlung ein vom ASV hergestelltes Video verwertete, das dem Bf zuvor nicht bekannt war, auch kaum möglich. Die Aussage der Ehefrau des Bf brachte kaum verwertbare Erkenntnisse, zumal sie sich an die Geschehnisse, insbesondere die für das Verfahren wesentlichen Details nicht mehr erinnern konnte bzw. überhaupt keine Wahrnehmungen hatte.

Einen gleichsam subjektiv glaubwürdigen Eindruck machte der Zeuge F. Wie beim Bf waren jedoch auch die Erinnerungen des Zeugen F bereits erheblich getrübt, was angesichts des langen Zurückliegens der Geschehnisse kaum verwunderlich ist. Der Zeuge gestand dies bereits bei Beginn der Vernehmung unumwunden zu und machte er zudem deutlich, dass er erst auf das Fahrzeug des Bf aufmerksam wurde, als sich dieser bereits in Überholposition befand. Verständlichermaßen waren die Erinnerungen des Beamten im Hinblick auf die Bedrängnis, in die er vom Bf gebracht wurde, besonders deutlich, zumal er bemüht sein musste, einen Verkehrsunfall zu verhindern.

Im Hinblick auf § 13 Abs 1 lit c StVO waren jedoch sämtliche Angaben der Befragten objektiv nicht geeignet, den Bf belastende Feststellungen mit jener für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, zu treffen. So fehlten wesentliche belastende Momente, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000, 97/03/0120 heraus gearbeitet hat (Beginn des Überholvorganges, Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges, Tiefenabstand der überholten Fahrzeuge zueinander usw.) bzw. lagen diesbezüglich nur Angaben des Bf vor, bei deren Berücksichtigung nach dem Sachverständigengutachten von einem „korrekten“ Überholmanöver auszugehen gewesen wäre. Allfällige den Bf belastende Momente waren objektiv gesehen zu wage. So fehlen Wahrnehmungen des Zeugen F zum Teil vollkommen (er wurde auf das Überholmanöver erst aufmerksam, als dieses bereits fast abgeschlossen war), bzw. waren diese nicht ausreichend präzise (aufgelockerte Kolonne, Überholgeschwindigkeit: „das ist reine Spekulation“). Der Bf gab bspw. an, das Überholende liege bei etwa StrKm 21,3 bzw. 15 – 20 m davor. Der Zeuge F nahm dieses im gerichtlichen Verfahren bei etwa 21,2 bzw. 21,27 an. Die Angaben im Akt sprechen von ca. 50 – 70m vor der Kurve (etwa StrKm 21,15 bis 21,17) wobei diese stets ungefähr („ca.“) sind und sich bereits hier deutliche Abweichungen ergeben. Der ASV war insofern bereits im behördlichen Verfahren gezwungen, bestimmte Annahmen zu treffen, die nicht objektiviert sind (Überholgeschwindigkeit, Abstände). Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mussten etwa die Geschwindigkeit des angeblich vorausfahrenden LKW und der ihm folgenden PKW  sowie deren Tiefenabstand mit nicht objektivierten Werten („aufgelockerte Kolonne“) angenommene werden. Auch die besonders wesentliche Überholgeschwindigkeit ist im Ergebnis offen. Die Angaben des Bf waren hier wage („Ich schätze,...“, „Ich kann mir vorstellen,...“), jene des überholten Polizeibeamten fehlen naturgemäß vollends („das ist reine Spekulation“). Aufgrund dessen ist das Gericht nicht in der Lage, den für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Nachweis (an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit!) zu erkennen, um den Bf belastende Feststellungen treffen zu können, die nach der Judikatur des VwGH zur erfolgreichen Anlastung des Deliktes des § 16 Abs 1 lit c StVO erforderlich sind (siehe oben) bzw. darf dem Bf iSd Grundsatzes in dubio pro reo kein nachteiliger Sachverhalt unterstellt werden.

Ähnlich verhält sich die Situation im Hinblick auf Spruchpunkt 2: Was das Blinken beim Einschervorgang betrifft, waren die Angaben des Bf und die Wahrnehmungen des Zeugen F ebensowenig ausreichend um Feststellungen zu treffen, die eine Anlastung des angezogenen Tatbestandes in ausreichender Weise zu tragen in der Lage sind. Der Bf gab in der Verhandlung an, geblinkt zu haben, aber nur ein sogenanntes Komfortblinken durchgeführt zu haben. Der Zeuge F hatte keine Wahrnehmungen zu einem Blinkvorgang und gab an, den Bf wohl angezeigt zu haben, weil der Bf das Nichtblinken aus seiner Sicht zugestanden habe. Insbesondere gab der Zeuge an, keine Angaben dazu machen zu können, ob damals vom Blinken beim Aus- oder beim Einscheren die Rede war. Es ist als Sicht des Gerichtes daher in keiner Weise geklärt, ob und wann der Bf  den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat und ist insbesondere nicht mehr klärbar von welchem Manöver seinerzeit die Rede war. Die Angaben des Bf in der Verhandlung, beim Einschermanöver geblinkt (wenn auch nur durch Komfortblinken) zu haben, ist nicht widerlegbar. Insbesondere kann, „in dubio“, nicht zulasten des Bf davon ausgegangen werden, dass das von ihm behauptete Komfortblinken, zum Anzeigen des Spurwechsels nicht ausgereicht habe.

 

Zum ersten Spruchpunkt ist folgendes auszuführen:

Naturgemäß waren die Erinnerungen des Meldungslegers zum Einschervorgang nach dem Überholmanöver wesentlich deutlicher. Der Polizeibeamte führte etwa aus, er habe das Fahrzeug (in Überholposition) im Rückspiegel wahrgenommen und habe es, als es sich neben dem Zivilstreifenwagen befand, begonnen auf seinen Fahrstreifen zu drängen. Er habe sein Fahrzeug stark abbremsen müssen um eine Kollision zu vermeiden. Der Zeuge gab an, sich in Bedrängnis gebracht gefühlt zu haben. Befragt zum Blinken, gab der Zeuge an, dass er hier keine Angaben machen könne, zumal „es ja doch eher ein Stress war“ um einen Unfall zu vermeiden. Das Gericht erachtet die Angaben des Zeugen als glaubwürdig. Dass der Zeuge zu diesem Sachverhaltskomplex eine wesentlich „frischere“ Erinnerung hat, liegt auf der Hand, zumal ihn das Verhalten des Bf zu unmittelbarem, aktivem Handeln gezwungen hat (er wurde gefährdet) und es letztlich Anlass für die Anhaltung war. Dies ergibt sich etwa aus der Aussage des Zeugen, dass er den Bf auf die Notwendigkeit des Bremsens hingewiesen hat. Der Bf gab in diesem Zusammenhang lediglich in allgemeiner Art und Weise an, dass das Manöver für ihn harmlos und für alle Verkehrsteilnehmer sicher gewesen sei und er es so wahrgenommen habe, dass ein Einordnen ohne Schneiden sicher gewesen sei. Auf Befragen durch den ASV, ob „quasi nach Fahrschule“ das Zivilfahrzeug bereits im Innenspiegel sichtbar gewesen sei, gab der Bf an, er sei der Ansicht, dass man sich nach 20 Jahren Fahrerfahrung nicht erst so spät einordnen müsse, wenn das überholte Fahrzeug im Rückspiegel sichtbar sei. Er sei am zu überholenden Fahrzeug vorbei gefahren und habe in eine kleine Lücke eingeschert. Es lässt diese Darstellung eine in gewisser Weise „negativ-routinierte“ und leicht selbstüberschätzende Einstellung zur Verkehrssicherheit erkennen, die übersieht, dass es beim notwendigen Abstandhalten zu anderen Verkehrsteilnehmern nicht um den Überholer, sondern um den Überholten geht, zumal dieser derjenige ist, der bei riskanten Überholmanövern idR gefährdet und zum Handeln gezwungen wird. 

Die Ehefrau des Bf konnte keinerlei ergiebige Angaben machen. Sie könne sich nicht erinnern, dass ihr Mann das überholte Fahrzeug geschnitten habe. Dies wäre wohl irgendwie holprig gewesen. Sie könne sich an das Einschermanöver nicht erinnern. Hätte es eine Situation gegeben in der sie sich nicht sicher gefühlt hätte, wäre das in ihr drinnen und hätte sie sich dies gemerkt, so die Annahme der Zeugin.

Insgesamt sind die subjektiv glaubwürdigen Aussagen des Bf und seiner Ehefrau, nicht geeignet, die gleichfalls glaubwürdigen und schlüssigen Angaben des Zeugen F zu erschüttern. Dies ergibt sich schon alleine aus dem Umstand, dass die im Zuge eines Überholmanövers durch „Schneiden“ zu aktivem Handeln gezwungene Person jedenfalls wesentlich präsentere Erinnerungen haben muss, als jene Personen, die lediglich in einer eher passiven Rolle befindlich sind. Insofern ist auch kaum verwunderlich, dass wohl weder der Bf, noch seine Frau etwas vom riskanten Einschermanöver bemerkt haben und ist die Annahme der Zeugin, es hätte doch „irgendwie holprig“ sein müssen kaum nachvollziehbar, wenn ihr Ehemann einen Überholvorgang in einem Zug, aber schlicht zu früh, abschließt. Es ist anzunehmen, dass der Bf und seine Ehefrau schlicht nichts von der Gefährlichkeit der Situation gemerkt haben.

Das Gericht folgt somit den völlig schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Zeugen F. Dieser stand unter Wahrheitspflicht und wurde an seinen Diensteid erinnert und wäre kaum nachvollziehbar, würde dieser ohne triftigen Grund und unter Erfindung eines derartigen Sachverhalts ein Fahrzeug anhalten. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass ein erfahrener Exekutivbeamter eine derartige Situation richtig einzuschätzen vermag und nicht „schreckhaft“ ein Art Notbremsmanöver einleitet, wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist. Es gibt insofern keinen Anlass, die Aussage des Zeugen anzuzweifeln.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

III.1. Rechtliche Grundlagen

 

§ 11 Abs 1 und 2 StVO in der Fassung BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005 lauten:

 

§ 11. Änderung der Fahrtrichtung und Wechsel des Fahrstreifens.

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

(2) Der Lenker eines Fahrzeuges hat die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.

[...]

 

§ 16 Abs 1 lit c StVO in der Fassung BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994 lautet:

 

§ 16. Überholverbote.

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:

            [...]

            c)         wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern,

            [...]

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.2.1. Zu Spruchpunkt 1:

 

III.2.1.1.

In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“

 

In seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass "‘Sache‘ des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“

 

Das Verwaltungsgericht ist iSd der dargestellten Judikatur sohin auf die Überprüfung der durch den behördlichen Bescheidspruch begrenzten Sache beschränkt.

 

Die belangte Behörde wirft dem Bf im ersten Spruchpunkt ihres Straferkenntnisses vor, den Fahrstreifen gewechselt zu haben, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

     

„Die Umschreibung der Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1. 7. 2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12. 3. 2010, 2010/17/0017; 17. 4. 2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl VwGH 20. 7. 1988, 86/01/0258; 31. 1. 2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23. 4. 2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 unterliegen (vgl VwGH 24. 4. 2008, 2007/07/0124).

(Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 2).“

 

Die Tat ist dabei so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel, besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Täter in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257).

 

Eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; (VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0006;).

 

Der Bf hat evidentermaßen Fall ein Überholmanöver vorgenommen. Dieses leitete er mittels Fahrtrichtungswechsels ein und beendete es durch einen Fahrtrichtungswechsel. Er hat somit zwei Fahrtrichtungswechsel vorgenommen.

Aus dem vorliegenden Spruch erhellt jedoch nicht, ob die belangte Behörde dem Bf den einleitenden oder den abschließenden Fahrtrichtungswechsel vorwirft. Beide Varianten wären denkbar, als die Behörde dem Bf einerseits ankreidet generell ein Überholmanöver eingeleitet zu haben, andererseits dem Bf ein problematischer Einschervorgang vor dem Zivilstreifenfahrzeug vorgeworfen wird.

Im Sinne der obigen Judikatur hat die belangte Behörde dem Bf demnach in konkretisierter Art und Weise vorzuwerfen, dass er beim Einschervorgang den Zeugen F gefährdet hat.

Der ggst. Spruch entspricht also nicht den Vorgaben des VwGH.

 

Zumal die belangte Behörde dem Bf sein Verhalten im Verfahren jedoch in ausreichender Art und Weise vorgehalten hat (Aufforderungen zur Rechtfertigung iVm mit dem Einvernahmeprotokoll vom 3. März 2014), hat sie im Hinblick auf den Vorwurf, dass der Bf den Fahrstreifenwechsel nach rechts bereits begonnen hat, als er noch neben dem Zeugen F fuhr und ihn dadurch gezwungen hat sein Fahrzeug abzubremsen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern, eine Verfolgungshandlung (§ 31 VStG) gesetzt und ist das Verwaltungsgericht daher verpflichtet, den Spruch entsprechend zu korrigieren (vgl. VwGH 7. Juni 2000, 97/03/0120).

Dementsprechend sprach der Verwaltungsgerichtshof zuletzt wie folgt aus: „Es ist grundsätzlich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der Berufungsbehörde, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung (wozu auch der Tatort gehört) durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. E 16. September 2010, 2010/09/0155)“ (20. Mai 2015;  Ra 2014/09/0033).

 

III.2.1.2. zum objektiven Tatbestand:

 

Das strafbare Verhalten nach Abs 1 besteht in der Unterlassung des Lenkers, sich davon zu überzeugen, dass die Änderung der Fahrtrichtung oder der Wechsel des Fahrstreifens ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, wobei zum Tatbild nicht gehört, dass eine Gefährdung anderer Straßenbenützer erfolgt ist. VwGH 25. 1. 2005, 2001/02/0154“ [Pürstl, StVO-ON14.00 § 11 StVO, E 1. (Stand: Oktober 2015, rdb.at)]

 

Ein Fahrstreifenwechsel hat zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist; eine Behinderung liegt insb dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen und Auslenken genötigt wird. – Die Frage der Zeichengebung ist von untergeordneter Bedeutung und stellt nur eine zusätzliche Verpflichtung für den Lenker dar, der die Fahrtrichtungsänderung oder den Fahrstreifenwechsel vornehmen will. OGH 28. 6. 1978, 8 Ob 103/78 ZVR 1979/60“ (aaO E 8).

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes steht fest, dass der Bf ein Überholmanöver vorgenommen hat und bereits, als er sich noch neben dem überholten Fahrzeug des Zeugen F befand, wieder auf den rechten Fahrstreifen drängte. Er hat es sohin unterlassen, sich zu überzeugen, dass sein Einscheren den Zeugen F nicht gefährdet oder behindert. Aufgrund der tatsächlich eingetretenen Gefährdung des Zeugen ist evident, dass sich der Bf nicht ausreichend von der Sicherheit seines Fahrmanövers überzeugt hat. Der Bf hat dabei sein Einschermanöver zu früh eingeleitet und hat der den Zeugen dazu gezwungen, sein Fahrzeug abzubremsen um Platz für den Bf zu schaffen. Der Zeuge F wurde vom Bf behindert und letztlich auch gefährdet, da es ohne Handeln des Zeugen zu einem Unfall gekommen wäre.

 

Der Bf übersieht in Zusammenhang mit dem ggst. Deliktsvorwurf, dass es vorliegend einzig und allein auf den Umstand ankommt, dass er den Zeugen F „geschnitten“ hat und ihn zu einer unfallvermeidenden Maßnahme gezwungen hat. Es kommt nicht darauf an, wo (50 – 70m vor der Kurve) er sein diesbezügliches Fehlverhalten gesetzt hat und ist auch nicht relevant, wie groß der Tiefenabstand war. Dies sind Sachverhaltselemente, die im Hinblick auf § 16 Abs 1 lit c StVO von Relevanz sind. Näheres hiezu in der Beweiswürdigung und weiter unten.

Spruchpunkt 3 behandelt die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Gegenverkehrs, Spruchpunkt 1 jene im Hinblick auf den Zeugen F.

Insofern behandeln die Vorwürfe auch unterschiedliche Sachverhaltsstränge und ist schon aus diesem Grund eine Doppelbestrafung ausgeschlossen.

 

Zum Vorbringend des Bf, der Tatort sei nicht ausreichend konkretisiert ist ihm entgegen zu halten, dass vorliegend eine Konkretisierung im Hinblick auf das Straßenstück, auf welchem das Überholmanöver stattgefunden hat, zu erfolgen hatte und dies geschehen ist. Es ist jedoch nicht erforderlich eine tatortmäßige Konkretisierung im Hinblick auf jede einzelne Handlung des Bf (zB das Einschermanöver) vorzunehmen, da er auch ohne diese ausreichend in die Lage versetzt wird, sich gegen den Vorwurf zu wehren und keine Gefahr der Doppelbestrafung besteht (vgl. hiezu etwa VwSlg 11.894 A/1985; zB VwGH 27. 4. 2012, 2011/02/0324 „die Angabe eines Straßenstücks ist auch ohne genaue Kilometerangabe ausreichend“, VwGH 8. 2. 1990, 89/16/0044).

 

Auch das Vorbringen des Bf, dass ein nicht ausreichender Seitenabstand nur dann angenommen werden kann, wenn es zur Kollision gekommen wäre ist kaum nachvollziehbar. Das Verhalten des Zeugen F hat dazu geführt, dass die Kollision verhindert wurde und liegt es in der Natur der Sache, dass ein Seitenabstand im Zuge eines Einschermanövers, welchen vorzeitig eingeleitet wird, zunehmend geringer wird. Es muss aber nicht zwingend zu einer Kollision kommen und ist eine Behinderung und Gefährdung bereits gegeben, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen genötigt wird.   

 

Der Bf hat sohin den Tatbestand des § 11 Abs 1 StVO in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

III.2.1.3. Zur subjektiven Tatseite:

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, soweit die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Da die hier anzuwendende Bestimmung der StVO über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

 

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (sog. „Ungehorsamsdelikt“).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist ein Ungehorsamsdelikt, zumal schon das „Nicht-Überzeugen“ mit Strafe bedroht ist. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für ihre Entlastung spricht (vgl. VwGH 23. Dezember 1991, 88/17/0010 mwN).

 

Es sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Bf subjektiv entlasten könnten bzw. darstellen könnten, dass er zur Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt subjektiv nicht in der Lage oder ihm diese nicht zumutbar gewesen wäre. Fahrlässiges Verhalten setzt das Außerachtlassen zumutbarer Sorgfalt voraus (vgl. VwGH 26.04.2001, 2000/07/0039).

 

Von Kraftfahrzeuglenkern wird verlangt, dass sie stets aufmerksam sind. Gerade Situationen, wie Überholmanöver verlangen dabei besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt und dürfen solche nur eingeleitet werden, wenn der Lenker sicher sein kann, keine anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Hätte der Bf im vorliegenden Fall die gebotene Sorgfalt walten lassen, hätte er entweder nicht überholt oder hätte er nicht bereits neben dem Zeugen mit seinem Einschermanöver begonnen. Es wäre für den Bf, etwa wenn er davon ausging, dass die zur Verfügung stehende Strecke zu kurz war, ein Leichtes gewesen, durch Abstandnahme vom Überholmanöver die vorliegende gefährliche Situation hintanzuhalten. Bei ausreichender Strecke, hätte es wohl ausgereicht, wenige Momente später nach rechts zu lenken und hätte er den Zeugen dann nicht behindert und gefährdet.

 

Es war insofern gemäß § 5 Abs. 1 VStG zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen. Mangelndes Verschulden (§ 5 Abs 2 VStG) konnte der Bf mit seiner Verantwortung nicht glaubhaft machen.

 

Der Bf hat die Tat daher auch subjektiv zu verantworten.

 

III.2.2. Zu den Spruchpunkten 2 und 3:

 

Wie sich aus Punkt II.3. ergibt, konnten dem Bf diese Taten nicht erwiesen werden. In Bezug auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands und auch die Rechtswidrigkeit ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht beweispflichtig (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 8 mwN).

 

Im Hinblick auf das Nichtanzeigen der Fahrtrichtungsänderung fehlt es insbesondere an objektivierbaren Wahrnehmungen von Zeugen und ließ die Aussage des Bf bei der Anhaltung nicht einmal den Schluss zu, ob sie sich auf das hier relevante Einschermanöver bezog. Angesichts der Darstellung des Bf, geblinkt zu haben, aber mangels jeglicher Beweisergebnisse, wann und wo dieses Blinken stattgefunden hat und wie schnell der Bf fuhr (wesentlich für die notwendige Dauer), konnte ihm kein belastender Sachverhalt nachgeweisen werden.

 

Was Spruchpunkt 3 betrifft hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000, 97/03/0120 wie folgt ausgesprochen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im E vom 12. März 1986, Zl 85/03/0152, ausgesprochen hat, setzt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Überholmanövers aus der Sicht des § 16 Abs 1 lit c StVO die Feststellung jener Umstände voraus, die für die Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung sind. Diese sind in erster Linie die Geschwindigkeit des überholenden und des zu überholenden Fahrzeuges, bei mehreren zu überholenden Fahrzeugen deren Anzahl und Tiefenabstand. Ferner sind Feststellungen über die dem Lenker des überholenden Fahrzeuges zur Zeit des Beginns des Überholvorganges zur Verfügung stehenden Sichtstrecke erforderlich. Schließlich sind noch Feststellungen über das Vorhandensein allfälliger bereits im Zeitpunkt des Beginnes des Überholmanövers dem Lenker erkennbarer Hindernisse zu treffen, die unter Berücksichtigung der erforderlichen Überholstrecke einem gefahrlosen Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten. Es kommt somit darauf an, dass unter Zugrundelegung der bei Beginn des Überholvorganges vorliegenden Verhältnisse ein gefahrloses Einordnen am Ende des Überholvorganges möglich sein muss. Wesentlich ist, dass ein Überholvorgang begonnen wird, obwohl der Lenker des überholenden Fahrzeuges nicht erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.“

 

Wie bereits unter II.3. dargestellt, fehlen wesentliche Beweisergebnisse im Hinblick auf diesen Tatbestand, welche dazu geeignet werden, einen den Bf belastenden Sachverhalt anzunehmen. Vorliegend konnte insbesondere der Tiefenabstand zwischen den überholten Fahrzeugen und die Überholgeschwindigkeit nicht objektiviert werden, jedoch sind diese Werte, etwa für eine Feststellung der Überholstrecke von besonderer Bedeutung. Zumal aber auch kein dem Bf negativ anlastbarer Beginnpunkt des Überholmanövers und auch der Endpunkt nicht zweifelsfrei feststellbar waren und der Sachverständige dargestellt hat, dass, sofern den Aussagen des Bf gefolgt wird, ein korrektes Überholmanöver vorlag, war von dem für den Bf günstigeren Sachverhalt auszugehen, bzw. konnte eine Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 13 Abs 1 lit c nicht erwiesen werden.

 

Das Verwaltungsstrafverfahren war insofern im Hinblick auf die Spruchpunkte 2. und 3. zur Einstellung zu bringen.

 

III.2.3. Zur Strafbemessung im Hinblick auf Spruchpunkt 1.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Die Beeinträchtigung des Rechtsgutes ist vorliegend nicht unbeträchtlich, da es nicht nur zu einer Behinderung, sondern zu einer Gefährdung eines anderen Verkehrsteilnehmers gekommen ist und nur durch dessen Eingreifen ein Unfall verhindert werden konnte.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechts sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Bei der Strafzumessung handelt es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (statt vieler VwGH 28.11.1966, 1846/65) innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessens­aktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. ua. VwSlg 8134 A/1971). § 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafzumessung sind, egal ob sie durch Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46 VStG) erfolgt.

Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände. Neben den explizit Genannten, wie insbes. Verschulden und Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, findet sich hinsichtlich der Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe ein Verweis auf die §§ 32 bis 35 StGB.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können. Nach Abs. 3 leg. cit. ist maßgeblich, wie intensiv ein Täter durch seine Handlung Pflichten verletzt hat, wie reiflich er seine Tat überlegt hat, wie sorgfältig er sie vorbereitet oder wie rücksichtslos er sie ausgeführt hat. Besondere Milderungsgründe liegen ua im Fall eines reumütigen Geständnisses, eines bisherigen ordentlichen Lebenswandels bzw. bisheriger Unbescholtenheit, achtenswerter Beweggründe, bloßer Unbesonnenheit, einer allgemein begreif­lichen heftigen Gemütsbewegung  oder, wenn die Tat unter einem Umstand, der einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommt, begangen wurde, vor (vgl. § 34 StGB).

 

Der Bf hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dargelegt, über ein Einkommen von 40.000 Euro p.a. aus Unternehmensgewinnen zu verfügen. Der Bf ist zudem sorgepflichtig für seine Frau und 3 erwachsene Kinder.

 

Aktenkundig ist, dass keine Verwaltungsvorstrafen der Beschuldigten vorliegen. Dies stellt einen Strafmilderungsgrund dar.

 

Strafmildernd ist weiters zu berück­sichtigen, dass das Verfahren insgesamt ca. 2 Jahre gedauert hat (VwGH 14. Oktober 2011, 2009/09/0239).

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie unter Berücksichtigung der Angemessenheit der Strafe im Verhältnis zum Schuldgehalt und zum Unrechts­gehalt der Tat sowie zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen erscheint die festgesetzte Strafe in Höhe von 60 Euro als angemessen.

Das Gericht ist überzeugt, dass die verhängte Strafe ausreicht, den Bf künftig anzuhalten, aufmerksamer zu sein und bei Überholmanövern größere Sorgfalt walten zu lassen.  

 

IV. Bei diesem Ergebnis entfällt ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 52 Abs 2 VwGVG). Der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens reduziert sich auf den Mindestbetrag von 10 Euro (§ 64 Abs 2 VStG). Die Ersatzfreiheitsstrafe war verhältnismäßig zu reduzieren. 

 

V. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

VI. Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht verallgemeinerungsfähig. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. P o h l