LVwG-400120/2/ER

Linz, 03.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des Herrn S H, x, Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 23. Februar 2015, VerkR96-2907-1-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Bundesstraßenmautgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 23. Februar 2015, VerkR96-2907-1-2014, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) über den nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 37 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Bundesstraßenmautgesetz – BStMG. Im Spruch führte die belangte Behörde aus, dass der Bf zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort ein mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, „ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliegt. Es wurde festgestellt, dass der Vertrag zu dem betreffenden Fahrzeug ungültig war, den Verhaltenspflichten gemäß § 8 Abs. 2 BStMG nicht entsprochen wurde und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde.

 

I.2. Gegen dieses – nachweislich erst am 7. August 2015 zugestellte – Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in der dieser ausführte, dass auf Nachfrage bei seiner Firma ein Fehler in der Abrechnungssoftware bzw der Datenübertragung zwischen „toll collect Deutschland“ und der „Go-Maut“ in Österreich vorgelegen sei.

 

I.3. Mit Schreiben vom 26. August 2015 legte die belangte Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Am 14.12.2013 lenkte der Bf um 3:11 Uhr das mehrspurige KFZ mit dem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen mit dem amtlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet St. Marienkirchen bei Schärding auf der Autobahn A8 auf der Fahrbahn Richtung Staatsgrenze bei Straßenkilometer 70.050.

 

Mit Strafverfügung vom 19. August 2014, VerkR96-2907-1-2014, warf die belangte Behörde dem Bf vor, am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit das angegebene KFZ gelenkt zu haben, „ohne die fahrleistungsabhängige Maut entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen KFZ, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliegt. Es wurde festgestellt, dass das Fahrzeuggerät ein ungenügendes Mautguthaben aufwies und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde.

 

Gegen diese am 20. August 2014 zugestellte Strafverfügung erhob der Bf rechtzeitig Einspruch. Am 14. Oktober 2014 ersuchte die belangte Behörde die A um eine Stellungnahme zum Einspruch des Bf. Mit E-Mail vom 20. Oktober 2014 legte die A eine Stellungnahme vor. Mit Schreiben vom 18. November 2014, abgesendet am 19. November 2014, wurde seitens der belangten Behörde versucht, dem Bf diese Stellungnahme samt der Aufforderung zur Äußerung zuzustellen; dieses Schreiben wurde jedoch aufgrund einer falschen Adressierung am 17. Dezember 2014 an die belangte Behörde retourniert. Das Schreiben samt der Stellungnahme der A und der Aufforderung zur Äußerung vom 18. November 2014 wurde von der belangten Behörde am 29. Dezember 2014 erneut an den Bf – diesmal an die richtige Adresse – abgesandt. Mit Schreiben vom 4. Jänner 2015 äußerte sich der Bf dazu schriftlich. Die belangte Behörde erließ in Folge dessen das angefochtene Straferkenntnis, das dem Bf nachweislich erst am 7. August 2015 zugestellt wurde und wogegen er rechtzeitig Beschwerde erhob.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig widerspruchsfrei und unbestritten aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

III. Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; (...).

 

Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

(...)

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2012/04/0020, (vgl darüber hinaus VwGH 6.6.2012, 2011/08/0368; VwGH 22.5.2012, 2010/04/0146) zu tauglichen Verfolgungshandlungen Folgendes festgehalten (Hervorhebungen nicht im Original):

Eine Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben; das erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2010/07/0150, mwN, und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), 617, E 86 zu § 32 VStG wiedergegebene Rechtsprechung).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Verfolgungshandlung entnommen werden können, wegen welcher Tat sich die Verfolgung der Behörde gegen die beschuldigte Person richtet. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, VwSlg. 11.894A/1985, wurde zur Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a (jetzt § 44a Z. 1) VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung nur dann entsprochen werde, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen, die auf § 44a Z. 1 VStG abstellen, sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 22. März 2012, Zl. 2010/07/0150 sowie Zl. 2010/09/0044, und vom 18. Oktober 2010, Zl. 2011/02/0281, jeweils mwN, sowie die bei Walter/Thienel, aaO, 616, E 83 zu § 32 VStG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

 

Aus dieser Rechtsprechung ist zusammenfassend abzuleiten, dass (...) an die Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z. 1 VStG.“

 

Dabei kommt es entsprechend dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs darauf an, „..., dass sich der gegen den Beschuldigten gerichtete Tatvorwurf auf alle wesentlichen Sachverhaltselemente bezogen hat und diese eine richtige Subsumtion zuließen (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, aaO, 620, E 107ff zu § 32 VStG wiedergegebene hg. Rechtsprechung, insbesondere E 118 und 119).“

 

Zusammenfassend hielt der Verwaltungsgerichtshof Folgendes fest:

Entscheidend ist, dass sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat und somit eine konkrete Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG vorliegt.“

 

IV.2.1. Wie unter I.4. festgestellt, wurde dem Bf mit Strafverfügung vom 19. August 2014, vorgeworfen, am 14. Dezember 2013 um 3:11 Uhr das mehrspurige KFZ mit dem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen mit dem amtlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet St. Marienkirchen bei Schärding auf der Autobahn A8 auf der Fahrbahn Richtung Staatsgrenze bei Straßenkilometer 70.050 gelenkt zu haben, „ohne die fahrleistungsabhängige Maut entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen KFZ, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliegt. Es wurde festgestellt, dass das Fahrzeuggerät ein ungenügendes Mautguthaben aufwies und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde.

 

Mit dieser Strafverfügung wurde dem Bf als Tathandlung vorgeworfen, einen LKW, dessen Fahrzeuggerät ein ungenügendes Mautguthaben aufgewiesen habe, auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

 

Der im Spruch des am 7. August 2015 zugestellten, angefochtenen Straferkenntnisses enthaltene Tatvorwurf richtet sich hingegen darauf, dass der Bf einen LKW auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, und ein Fahrzeuggerät mitgeführt habe, dessen Vertrag ungültig gewesen sei, den Verhaltenspflichten gemäß § 8 Abs 2 BStMG nicht entsprochen und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei.

 

IV.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis festgehalten hat, muss eine Verfolgungshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss.

 

Mit der Strafverfügung vom 19. August 2014 wurde dem Bf innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs 1 VStG jedoch eine Tathandlung vorgeworfen, deren Sachverhaltselemente sich nicht mit der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen in Einklang bringen lassen.

 

Zumal die Strafverfügung vom 19. August 2014 somit einen anderen Tatvorwurf beinhaltet als das angefochtene Straferkenntnis, stellt diese Strafverfügung keine taugliche Verfolgungshandlung für die im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfene andere Tathandlung iSd zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dar.

 

Zwar wurde von der belangten Behörde am 29. Dezember 2014 an den Bf eine Stellungnahme der A samt einer Aufforderung zur Äußerung abgesendet, diese stellt jedoch keine rechtzeitige Verfolgungshandlung iSd § 31 Abs 1 iVm § 32 Abs 2 VStG dar, zumal zwischen der vorgeworfenen Tatzeit (dem 14. Dezember 2013) und dem Datum der Absendung (dem 29. Dezember 2014) bereits mehr als ein Jahr vergangen ist.

 

Auch das Straferkenntnis wurde dem Bf nachweislich erst am 7. August 2015 – somit deutlich nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist – zugestellt, weshalb auch dieses keine rechtzeitige Verfolgungshandlung darstellt.

 

IV.4. Zumal die Strafverfügung vom 19. Dezember 2014 keine taugliche Verfolgungshandlung für den im angefochtenen Straferkenntnis enthaltenen Tatvorwurf und die Aufforderung zur Äußerung samt Stellungnahme der A vom 29. Dezember 2014 keine rechtzeitige Verfolgungshandlung für den im angefochtenen Straferkenntnis enthaltenen Tatvorwurf darstellt, kommt das Oö. Landesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist.

 

 

V. Im Ergebnis war aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straf­erkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

Bei diesem Ergebnis war dem Bf weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter