LVwG-600892/8/SE

Linz, 15.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Sigrid Ellmer über die Beschwerde von Frau C H, X, L, vom 19. Mai 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. April 2015 GZ. VerkR96-2363-2014, wegen Überschreitung der zulässigen Höchst-geschwindigkeit

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. a Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG eingestellt.

 

II.      Gemäß  § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (kurz: belangte Behörde) vom 22. April 2015, GZ: VerkR-96-2363-2014, wurde Frau C H, X, L, (kurz: Beschwerdeführerin) die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Zif. 10 a StVO 1960 vorgeworfen und über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 23 Stunden verhängt. Weiters wurde sie von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 10 Euro verpflichtet.  

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):  

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

 

Sie haben in nachstehend angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem kundgemachten zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 19 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zur Ihren Gunsten abgezogen

 

Tatort: Gemeinde Linz, Salzburger Straße bei km 84,20 m vor km 186,10 stadtauswärts.

Tatzeit: 14.04.2013, 15:40 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. a Zif. 10 a StVO

 

Fahrzeug:

Kennzeichen x, PKW, F C, schwarz

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich gemäß

ist, die Ersatzfreiheitsstrafe

von

 

50,00 Euro 23 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a

Straßenverkehrsordnung, StVO,

BGBl. I Nr. 159/1960, idgF

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafverfahrens (VStG) zu zahlen:

10,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro).

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 60,00 Euro.“

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin als Lenkerin des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen x im Gebiet der Stadtgemeinde Linz, Salzburger Straße, 84,20 m vor km 186,10, stadtauswärts, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem innerhalb des Stadtgebietes liegenden Bereichs kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 19 km/h überschritten habe. Die Messung mittels dem Lasergerät, Type Tru Speed, Lasergerätenummer TS 002958 sei eindeutig und gültig.

Die erste taugliche Verfolgungshandlung sei am 24. Jänner 2014 (Strafverfügung) erfolgt. Die einjährige Frist zwischen dem Zeitpunkt der Begehung der Tat am 14. April 2013 und der Erlassung der Strafverfügung sei noch nicht abgelaufen gewesen, weshalb die Verfolgungsjährung aktuell nicht sechs Monate sondern ein Jahr betrage.

Es seien keine konkreten und substanziellen Entlastungsgründe vorgebracht worden. Die verhängte Geldstrafe sei sowohl aus Gründen der Generalprävention als auch der Spezialprävention notwendig.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der  Beschwerde.

 

Darin führt sie zusammenfassend aus, dass bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei, weil zum Zeitpunkt 14. April 2013 noch eine sechsmonatige Verfolgungsverjährung in Kraft gewesen sei. Darüber hinaus liege unter der im Spruch getroffenen Tatortannahme bei km 84,20 m vor km 186,10 der unterstellte Tatort bei Straßenkilometer 102 der B1 in Niederösterreich. Weiters befinde sich im gegenständlichen Bereich kein Verkehrszeichen nach § 52 lit.a Z 10a StVO 1960. Es sei falsch, dass es sich um eine Übertretung „außerhalb eines Ortsgebietes“ handle. Eine Lasermessung exakt am Standort km 186,1 sei –wie auch vom beigezogenen Amtssachverständigen bestätigt- aufgrund des Straßenverlaufes nicht möglich. Das Kennzeichen des gegenständlichen Fahrzeuges laute x und nicht x.

 

I.3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 21. Mai 2015, eingelangt am 25. Mai 2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2  VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I.4. Am 22. Jänner 2016 stellte die zuständige Richterin bei einem Lokalaugenschein fest, dass sich der Bereich Linz, Salzburger Straße, Straßenkilometer 186,1 im Ortsgebiet der Stadtgemeinde Linz befindet. Eine gesonderte Geschwindigkeitsbeschränkung ist für diesen Bereich nicht verordnet.

 

I.5. Im Zuge der am 10. Februar 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h gefahren sei. Der mutmaßliche Tatort befinde sich im Stadtgebiet von Linz. Die Lasermessung sei vom Polizeiauto heraus durchgeführt worden, jedenfalls sei kein Polizist/keine Polizistin außerhalb des Polizeiautos zu sehen gewesen.

 

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde als Zeuge befragt und gab zusammenfassend an, dass er nach persönlicher Begutachtung des angegebenen Messstandortes festgestellt habe, dass eine Messung von diesem nicht möglich sei, insbesondere wegen der dort vorhandenen Betonmauer.  Zuvor sei eine Strafverfügung an ihn als Zulassungsbesitzer ergangen. In dieser Strafverfügung sei ein anderer Messstandort angeführt.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde auch die amtshandelnde Polizeibeamtin in der gegenständlichen Angelegenheit als Zeugin befragt. Sie konnte sich aufgrund des langen Zurückliegens der Amtshandlung nicht mehr genau daran erinnern. In einem von ihr vorgelegten Heft, in dem sie ihre Wahrnehmungen bei dienstlichen Einsätzen, auch bei Lasermessungen, notiert, fand sich auch ein Eintrag: „x F dunkel, 72 km/h, 84,2 m, stadtauswärts, 15:40“.

Die Zeugin legte dar, dass an der angeführten Messstelle üblicherweise das Polizeiauto möglichst versteckt geparkt werde und der Polizist/die Polizistin, welche(r) die Lasermessung durchführt, sich immer hinter der Betonmauer befinde. Überdies wären immer zwei Polizeibeamte anwesend, wobei diese hintereinander stehen würden.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am
10. Februar 2016.  

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vom 22. April 2015 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin „... außerhalb eines Ortsgebietes..., die durch Straßenverkehrszeichen in diesem kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h .... überschritten“ hat. Weiters wurde als Tatort angegeben: „Gemeinde Linz, Salzburger Straße bei km 84.20 m vor km 186,10 stadtauswärts“. Überdies ist als Kennzeichen des Fahrzeuges „x“ angeführt.

 

Tatsächlich liegt der Tatort innerhalb des Ortsgebietes der Stadtgemeinde Linz, Salzburger Straße 84,20 m vor km 186,10 und das Kennzeichen lautet „x“. In diesem Bereich ist kein Vorschriftszeichen „Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)“ von 50 km/h vorhanden.

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt und dem abgeführten Ermittlungsverfahren.  

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:  

 

Hinsichtlich dem Einwand der eingetretenen Verfolgungsverjährung gem. § 31 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. 52/1991, in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung, ist auszuführen, dass für Übergangsfälle, in denen die Verjährungsfrist nach der bisherigen Rechtslage am 1. 7. 2013 oder später enden würde, sich die Verfolgungsverjährungsfrist um weitere sechs Monate verlängert. Einer solchen Sichtweise steht weder § 1 Abs. 2 VStG noch Art. 7 Abs. 1 EMRK entgegen. Ist hingegen bereits vor dem 1. 7. 2013 wegen Ablaufs der bis dahin geltenden sechsmonatigen Frist Verjährung eingetreten, beginnt die Verjährungsfrist nicht neuerlich zu laufen (vgl. dazu Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 31 VStG, Rz 2).

 

Die Tatzeit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung ist der 14. April 2013. Am 1. Juli 2013 war demnach die sechsmonatige Verjährungsfrist noch nicht beendet, weshalb auf den gegenständlichen Fall die einjährige Verfolgungsverjährung anzuwenden ist. Die Strafverfügung  -als erste taugliche Verfolgungshandlung gem. § 32 Abs. 2 VStG- ist an die Beschwerdeführerin am 24. Jänner 2014 ergangen. Mit E-Mail vom 2. Februar 2014 wurde dagegen Einspruch erhoben. Die einjährige Frist endete aber erst am 14. April 2014. Somit ist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten.

 

Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Es bedarf daher im Bescheidspruch der Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzten Verwaltungsvorschriften erforderlich sind. Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist der Ausspruch über Zeit und Ort der Begehung.

 

Die Tat ist hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.   die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehen aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2.   die Identität der Tat insbesondere nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht.

 

Es muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Betreffenden die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen und der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. In jedem konkreten Fall ist zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z 1 VStG genügt.

 

Die Umschreibung dieser Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1. 7. 2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12. 3. 2010, 2010/17/0017; 17. 4. 2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl. VwGH 20. 7. 1988, 86/01/0258; 31. 1. 2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23. 4. 2008, 2005/03/0243).

 

Der Tatort wird im gegenständlichen Fall als „außerhalb des Ortsgebietes, Gemeinde Linz, Salzburger Straße bei km 84,20 m vor km 186,10 stadtauswärts“ festgestellt. Dieser im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Tatort ist selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen Schreibfehlers noch dermaßen unschlüssig, dass er den Erfordernissen der Konkretheit gem. § 44 a Z 1 VStG nicht entspricht. Überdies ist es zudem nicht ausreichend, wenn die Umschreibung der Tat nur in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausreichend präzise ist.

 

Gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn u. a. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann. Mangels ausreichender Konkretheit des Tatortes gilt die vorgeworfene Tat als nicht erwiesen. Auf die weiteren Einwendungen war nicht mehr näher einzugehen. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.


 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Sigrid Ellmer