LVwG-601193/2/MB/SA

Linz, 01.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des W K, geb. x 1939, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. Dezember 2015, GZ VerkR96-14659-2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben als die Strafe zu Spruchpunkt 1 mit 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 110 Stunden), zu Spruchpunkt 2 mit 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 75 Stunden) festgesetzt wird. Darüber hinaus wird das Straferkenntnis der belangten Behörde bestätigt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu leisten. Der Verfahrenskostenbeitrag vor der belangten Behörde reduziert sich zu Spruchpunkt 1 auf 20 Euro und zu Spruchpunkt 2 auf 15 Euro.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) hat W K (dem nunmehrigen Beschwerdeführer – im Folgenden: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vom 11. Dezember 2015, GZ  VerkR96-14659-2015, die Begehung von Verwaltungsübertretungen nach 1) § 4 Abs. 1 lit.a StVO und 2) § 4 Abs. 5 StVO vorgeworfen und über ihn gemäß 1) § 99 Abs. 2 lit.a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 250 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 122 Stunden sowie 2) § 99 Abs. 3 lit.b eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 96 Stunden, verhängt. Weiters wurde er von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 45 Euro verpflichtet.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

 

1) Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort

angehalten.

 

Tatort: Gemeinde Neukirchen an der V.

 

Tatzeit: 12.07.2015, 14:30 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 1 lit. a StVO

 

2) Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

 

Tatort: Gemeinde Neukirchen an der Vöckla, Landesstraße Freiland, Zipf, Gamperner Landesstraße L1274.

 

Tatzeit: 12.07.2015, 14:30 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 5 StVO

 

Fahrzeuge: Kennzeichen x, PKW, Mercedes-Benz Kennzeichen x, PKW, Mercedes-Benz

 

Wegen   dieser  Verwaltungsübertretung(en)   wird   über   Sie   folgende   Strafe   verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

 

1) 250,00 Euro 122 Stunden § 99 Abs. 2 lit. a StVO

2) 200,00 Euro 96 Stunden § 99 Abs. 3 lit. b StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

45,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 495,00 Euro.“

 

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

 

„Gemäß § 4 Abs.5 StVO.1960 haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizeiinspektion vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen, oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO.1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

 

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO.1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO.1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36,00 bis 2.180,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeiinspektion verständigt.

Die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung wurde aufgrund der Meldung durch den Unfallgegner bei der Polizeiinspektion Obernberg am 12.07.2015 zur Anzeige gebracht. Aus der Sachverhaltsdarstellung geht hervor, dass es zu einer Berührung der Außenspiegel beider Fahrzeuge gekommen sei. Das Kennzeichen x wurde wegen Fahrerflucht angezeigt, da dieser ohne anzuhalten weitergefahren war.

Eine EUCARIS-PRÜM Abfrage bestätigte die Angaben hinsichtlich des Kennzeichens zur angeführten PKW-Marke.

 

Aufgrund dieser Anzeige wurde Ihnen von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck der Sachverhalt mit Aufforderung zur Rechtfertigung am 25.08.2015 zur Last gelegt und Ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

 

In Ihrer Rechtfertigung vom 09.09.2015 geben Sie wörtlich Folgendes an:

„Ich sehe das Ganze nicht als Verkehrsunfall, sondern nur als Berührung beider Außenspiegel, wobei meinerseits kein Schaden entstand. Es besteht daher ein Ermessensspielraum. Dadurch auch kein Grund mein Fahrzeug anzuhalten. Aus meiner Sicht fuhr das entgegenkommende Fahrzeug zu weit links zur Mitte der Straße. Ich ersuche deshalb, den Vorfall nochmals zu überprüfen.“

 

Aufgrund Ihrer Rechtfertigung wurde Ihnen mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 01.10.2015 der Unfallbericht mit Sachverhaltsdarstellung des Unfallgegners der PI Obernberg zur Kenntnis gebracht.

 

Am 20.10.2015 langte von Ihrem nunmehrigen Rechtsanwalt ein Einspruch mit Antrag auf Akteneinsicht ein.

 

Diesem Ersuchen wurde am 29.10.2015 durch Übermittlung einer Aktenkopie an Ihren Rechtsanwalt entsprochen.

 

Der darauffolgenden Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen ausdrücklich bestritten würden, da Sie den Unfall/Vorfall weder optisch, seismisch, noch auditiv wahrgenommen hätten. Es würde an Ihrem Fahrzeug kein korrespondierender Schaden sich befinden, welcher auf den angeblichen Unfall zurückzuführen sei. Sie stellen gleichgehend den Antrag auf Beiziehung eines Amtssachverständigen zum Beweis dafür, dass der vorliegende Schaden nicht mit einer angeblichen Verwaltungsübertretung in Zusammenhang gebracht werden kann und dies mangels korrespondierendem Schaden an Ihrem Fahrzeug.

 

Die Behörde hat hierzu erwogen:

 

Die Verwaltungsübertretung ist für die Behörde aufgrund der vorliegenden Aktenunterlagen und Ihres schriftlichen Geständnisses als erwiesen anzusehen, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

 

Sie geben in Ihrer Rechtfertigung vom 09.09.2015 selber zu, dass es nur (!) zu einer Berührung beider Außenspiegel kam, wobei Ihrerseits kein Schaden entstanden sei. Eine Schadenskorrespondenz daher mit Hilfe eines Sachverständigen abzuklären ist aufgrund dieses Geständnisses nicht mehr erforderlich. Die Straßenverkehrsordnung spricht davon, dass alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten haben. Weiters haben Sie ohne unnötigen Aufschub nicht die nächste Polizei- oder Bundespolizeidienststelle vom Verkehrsunfall verständigt und dies, obwohl Sie davon sprechen eine Berührung beider Außenspiegel bemerkt zu haben.

Es geht nicht - wie Sie in Ihrem Einspruch anführen - um einen Ermessensspielraum und damit einen Grund gehabt zu haben, weswegen Sie das Fahrzeug nicht anhielten, sondern um den objektiven Tatbestand, der durch Ihr Verhalten absolut erfüllt ist.

 

Ob an Ihrem Fahrzeug bzw. Außenspiegel schließlich ein Schaden entstanden ist, hat mit den Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen nichts zu tun, da alleine Ihre Wahrnehmung der von Ihnen zugegebenen Berührung mit einem anderen Fahrzeug ausreicht, nicht ohne Weiteres davon auszugehen oder gar auszuschließen, dass am gegnerischen Fahrzeug kein Schaden entstanden wäre.

 

Zu Ihren Einkommens-, Vermögen- und Familienverhältnissen haben Sie trotz Aufforderung keine Angaben   gemacht,   wobei   von   folgender  Schätzung   ausgegangen   wird:   monatliches Nettoeinkommen von Euro 1300,00, keine Sorgepflichten, kein Vermögen. Es lagen weder straferschwerende, noch strafmildernde Umstände vor.

 

Die Höhe des Strafbetrages ist aus Sicht der Behörde gerechtfertigt.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten begründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis wurde durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter des Bf frist­gerecht die Beschwerde vom 12.1.2016 erhoben. Der Bf führt darin ua. wie folgt aus:

 

„In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsfreund gegen das da. Straferkenntnis Zahl VerkR96-14659-2015 vom 11.12.2015 an das Landesverwaltungsgericht Oö das Rechtsmittel der

 

BESCHWERDE

 

und führe diese aus wie folgt:

 

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfange und Inhalte nach wegen Rechtswidrigkeit/Mangelhaftigkeit bekämpft und im einzelnen ausgeführt wie folgt:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird mir angelastet wie folgt:

 

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

 

(…)

 

Es wurde deshalb über mich eine Gesamtgeldstrafe von € 495,- (inkl. Verfahrenskosten) verhängt.

 

Das Verfahren blieb deshalb mangelhaft, da den von mir bzw. meinem ausgewiesenen Rechtsfreund gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen wurde und wird daher nochmals ausgeführt wie folgt:

 

Aufgrund der gegebenen Sachlage wird die mir angelastete Verwaltungsübertretung ausdrücklich bestritten, da ich den der Verwaltungsübertretung zugrunde liegenden Vorfall / Unfall weder optisch, seismisch noch auditiv wahrgenommen habe.

 

Bezüglich der im Zuge der Aktenabschrift übermittelten Lichtbildbeilagen der LPD- wird darauf verwiesen, dass sich an meinem Fahrzeug kein korrespondierender Schaden am Außenspiegel befindet / ein solcher nicht festzustellen ist, weshalb ausdrücklich bestritten wird, dass der vorliegende. Schaden am linken Außenspiegel des anderen Fahrzeuges auf jenen angeblichen Unfall zurückzuführen ist.

 

In diesem Zusammenhang wird gestellt der

 

ANTRAG

 

auf Beiziehung eines KFZ-techn. Sachverständigen zum Beweise dafür, dass der vorliegende Schaden nicht mit der angeblichen Verwaltungsübertretung in Zusammenhang gebracht werden kann, dies mangels korrespondierendem Schaden am Fahrzeug des Einschreiters; lediglich eventualita weiters zum Beweise dafür, dass die Fahrzeugstreifung weder optisch, seismisch noch akustisch mit der für das Verwaltungsstrafverfahren nötigen Sicherheit wahrnehmbar war, somit die subjektive Tatseite entfällt.

 

Über all diese Punkte liegen keinerlei Beweisergebnisse vor, weshalb das Verfahren noch nicht spruchreif war und die angefochtene Entscheidung sohin rechtswidrig ist.

 

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe ist die verhängte Geldstrafe Überdies als überhöht anzusehen. Im konkreten Fall liegen nachfolgende Milderungsgründe vor:

• der bisher ordentliche Lebenswandel und die Tatsache, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten in Widerspruch steht;

• optimale Fahrbahn- und Straßen-, sowie Verkehrsverhältnisse herrschten (kein anderer Fahrzeugverkehr);

Abschließend werden gestellt nachfolgende

 

ANTRÄGE:

 

das Landesverwaltungsgericht möge das angefochtene Straferkenntnis der BH

Vöcklabruck, Zahl VerkR96-14659-2015 vom 11.12.2015 ersatzlos beheben und das

anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen;

dies nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung;

Abführung der bisher unerledigt gebliebenen Beweisanträge;

in eventu Aussprache einer Ermahnung im Sinne des § 45 VStG;

in eventu Herabsetzung der Geldstrafe auf ein gesetzeskonformes mildes Maß im

Sinne des § 20 VStG.“

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 13. Jänner 2016, GZ VerkR96-14659-2015, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, und das Beschwerde-vorbringen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergab sich für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus dem Akt – insbesondere das Vorbringen des Bf selbst auf die Aufforderung zur Rechtfertigung.

 

2. Es konnte gem. § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Bf nur für den Fall der Behebung des Straferkenntnisses und der Einstellung des Strafverfahrens einen Antrag gestellt hat (arg. „... dies ...“). Für den Fall der Bestätigung des Straferkenntnisses sowie für die eventualiter gestellten Anträge (arg. „... dies ...“) findet sich kein Verhandlungsantrag. Selbst wenn der Verhandlungsantrag als Antrag, welcher unter einer Bedingung gestellt wurde, zu sehen ist, bewirkt er nicht die Verhandlungspflicht gem. § 44 Abs. 3 VwGVG (grundlegend Leeb/Zeinhofer in Jahrbuch öffentliches Recht 2014, 63; so auch Brandstetter/Larcher/Zeinhofer, Die belangte Behörde, Rz 182).

 

3. Über den sich aus Pkt I. ergebenden unstrittigen Sachverhalt wird vom Landesverwaltungsgericht folgender Sachverhalt festgestellt: Der Bf hat am 12. Juli 2015, gg 14.30 Uhr das KfZ der Marke Mercedes Benz mit dem Kennzeichen x auf der Landesstraße L 1274 bei der Gemeinde Neukirchen an der Vöckla (Zipf, Gamperner Landesstraße) gelenkt und hat mit seinem linken Außenspiegel den rechten Außenspiegel des KfZ des P F berührt, wodurch dieser beschädigt wurde. Der Bf hatte von der Berührung der Spiegel Kenntnis, ist aber im Glauben einen „Ermessensspielraum“ ohne stehen zu bleiben bzw. die Polizei zu verständigen, weitergefahren.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem von P F zur Anzeige gebrachten Lebenssachverhalt. Der Bf bestätigt diesen Sachverhalt nach Übermittlung der Aufforderung zur Rechtfertigung. Diese Aufforderung enthielt (nur) den Spruch des nun bekämpften Straferkenntnisses wobei die genaue Umschreibung der Tat unterblieb. Der Bf replizierte darauf mit präzisen Angaben zum Sachverhalt, indem er von einer Berührung der Außenspiegel spricht und erkannt hat, dass keine Beschädigung seines Außenspiegels gegeben sei. Weiters bemerkt der Bf selbst, dass das entgegenkommende Fahrzeug zu weit links zur Mitte der Fahrbahn unterwegs gewesen sei. Diese detailreiche Aussage zeigt, dass der Bf genau in Kenntnis des Vorfalles war und das Landesverwaltungsgericht hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Bf. MaW: Der Detailreichtum im Kernbereich des Geschehens in Zusammenschau mit der Übereinstimmung zur gelegten (Privat)Anzeige bestätigt die Wahrheit des Vorbringens des Bf (grundlegend Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht4, 91). Erst mit rechtsfreundlicher Vertretung gibt der Bf an, dass er den zugrunde liegenden Vorfall/Unfall weder „optisch, seismisch noch auditiv“ wahrgenommen hat und beantragt zudem die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Abklärung des Schadensbildes, da ja kein Schaden bei seinem Spiegel vorzufinden sei. Beim Landesverwaltungsgericht entstehen vor diesem Hintergrund keine Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens des Bf und war von der Aufnahme des beantragten Sachverständigenbeweises abzusehen.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß § 4 Abs. 1 lit a StVO, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 99 Abs. 2 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer der Lenker eines Fahrzeuges ist, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 StVO und § 4 Abs. 2 StVO zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt.

 

1.2. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen gemäß § 4 Abs. 5 StVO die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im § 4 Abs. 1 StVO genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in § 99 Abs. 2 lit. a StVO bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 StVO verstößt, insbesondere wer die Herbeiholung von Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet

 

1.3. Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs. 1 lit. a StVO und des § 4 Abs. 5 leg. cit. ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 29.6.1994, 92/03/0269).

 

Nur bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden besteht, wenn der Sachschaden nur im Vermögen einer Person entstanden ist, für letztere gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 keine Verpflichtung zur Verständigung der nächsten Polizeidienststelle (VwGH 17.6.1992, 91/03/0286, VwSlg 13664 A/1992).

 

2. Entsprechend dem unter Pkt. I und II festgestellten Sachverhalt ist der Bf nach Kenntnisnahme des Unfalles mit Sachschaden am 12.7.2015 um 14.30 Uhr am verfahrensgegenständlichen Ort auf der L 1274 nicht stehen geblieben. Er ist im Glauben einer „Ermessensentscheidung“ ob des alleinigen Sachschadens weitergefahren und hat weder die Polizei verständigt, noch die entsprechenden Daten mit dem Unfallgegner ausgetauscht. Die Tatbilder der §§ 4 Abs. 1 lit a iVm 99 Abs. 2 lit. a StVO und der §§ 4 Abs. 5 iVm 99 Abs. 3 lit. b StVO sind sohin als erfüllt anzusehen.

 

Hinsichtlich des Verschuldens war jedenfalls Fahrlässigkeit anzunehmen. Es gilt damit auch die subjektive Tatseite als erfüllt.

 

Auch der vom Bf implizit ins Treffen geführte Rechtsirrtum in der Form eines direkten Verbotsirrtumes erweist sich als vorwerfbar, da sich der Bf bei der Verkehrsteilnahme im österreichischen Straßenverkehr erkundigen hätte müssen, welche Verhaltensvorschriften bei einem erkannten Verkehrsunfall existieren. Diese Vorschriften stellen Kernelemente der Regeln für den Straßenverkehr dar.

 

3. Gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetz­buches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Der Bf verfügt entsprechend den Schätzungen der belangten Behörde über ein monatliches Einkommen in Höhe von ca. 1.300 Euro, er besitzt kein Vermögen und ist nicht sorgepflichtig. Mangels gegenteiliger Feststellungen und Anhaltspunkte im Akt der belangten Behörde ist davon auszugehen, dass der Bf bisher verwaltungsstrafrechtlich als unbescholten zu gelten hat. Diese Tatsache bildet einen erheblichen Strafmilderungsgrund. Weiters gilt es zu berücksichtigen, dass der Bf davon ausgegangen ist, dass es in seinem Ermessen liegt, anzuhalten und die Polizei zu verständigen. Er war insofern in einer – wenngleich dem Grunde nach nicht exkulpierenden – Irrtumssituation verfangen. Dies stellt einen Strafmilderungsgrund gem. § 34 Abs. 1 Z 12 StGB dar.

 

Aus diesen Gründen erscheint eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen auf 200 bzw. 150 Euro und der Ersatzfreiheitsstrafe auf 110 bzw. 75 Stunden gerechtfertigt.

 

Die verhängten Geldstrafen sind tat- und schuldangemessen und auch aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen in der festgesetzten Höhe ausreichend, um den Bf in Hinkunft von weiteren einschlägigen Tatbegehungen abzuhalten und ihn und auch die Allgemeinheit entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der erlaubten unfallbedingten Verkehrsnormen im Straßenverkehr auch bei „bloßem“ Sachschaden von wesentlicher Bedeutung sind.

 

Für das Beschwerdeverfahren ist vom Bf gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag zu leisten. Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren ist im Sinne des § 64 Abs. 2 VStG auf 35 Euro zu reduzieren.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Dr. Markus Brandstetter