LVwG-650578/2/Bi

Linz, 18.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A P, x, R, vertreten durch H N RAe, x, B, vom 1. Februar 2016 gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Gmunden vom 26. Jänner 2016, VerkR21-231-2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit ua,

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid behoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 25 Abs.1 und 3 und 24 Abs.1 Z1 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM, B1 und B – Führerschein ausgestellt von der rumänischen Behörde S T am 7. Juli 2015 zu Zl. T00506180M – für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen und gemäß § 29 ABs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheines bei der Behörde nach Eintritt der Rechtskraft angeordnet. Weiters wurde gemäß § 24 Abs.3 FSG die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens vor Wiedererteilung der Lenkberechtigung angeordnet.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 29. Jänner 2016.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß  § 24 Abs.2 Z1 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er habe einen gültigen rumänischen Führerschein, ausgestellt am 7. Juli 2015. Dieser sei der Beweis, dass er zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung erfüllt habe und der Aufnahmemitgliedsstaat müsse diesen Führerschein ohne Einschränkung anerkennen; dazu verweist er auf ein Judikat des EuGH, wonach der Aufnahmemitgliedsstaat nicht berechtigt sei, Entziehungsmaßnahmen anzuwenden, wenn das inkriminierte Verhalten des Betroffenen vor FS-Ausstellung gesetzt worden sei. Nach der Rechtsprechung des VwGH komme eine Entziehung nur in Betracht, wen sich seit ihrer Erteilung die Umstände ua in Bezug auf die bei der Erteilung angenommene geistige oder körperliche Eignung entscheidend geändert hätten.

Die belangte Behörde übersehe, dass Anlass für die Infragestellung der Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 erwiesene bestimmte Tatsachen seien. Eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 liege vor, wen jemand wiederholt eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß § 83 StGB begangen habe. Das Datum der Verurteilung sei irrelevant, maßgebend sei, wann die bestimmte Tatsache verwirklicht worden sei. Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf wurde am 28. Oktober 2015, 19.05 Uhr, in Gmunden auf Höhe des Hauses C als Lenker des Pkw x im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten und wies einen am 7. Juli 2015 in Rumänien, von der S T für die Klassen AM, B1 und B ausgestellten Führerschein vor; damit ist davon auszugehen, dass ihm an diesem Tag eine rumänische Lenkberechtigung erteilt wurde.

 

Er war bis 11. Februar 2013 im Besitz einer österreichischen Lenkberechtigung, die ihm zunächst wegen Nichtbefolgung einer Anordnung, anschließend wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen wurde und schließlich am 12. August 2014 erloschen ist.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen zahlreiche Verurteilungen auf, zuletzt wegen § 83 StGB am 22.5.2013 (LG Wels 015 Hv 47/2013z), am 16.7.2013 (LG Wels 015 Hv 11/2013f) und am 1.10.2015 (BG Gmunden 004 U 48/2015k wegen des Vergehens der Körperverletzung am 6.12.2014 in G, x vor dem Lokal L-B).  

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den  §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

Gemäß § 83 Abs.1 StGB ist … zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Gemäß Abs.2 ist ebenso zu bestrafen, wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit schädigt.

 

Die Begehung strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben weist auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs.1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Von Kraftfahrzeuglenkern muss jedoch wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden (vgl VwGH 23.4.2002, 2001/11/0346; 26.2.2002, 2001/11/0379; ua). Bei Gewaltdelikten kommt es auch nicht darauf an, ob sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen werden (vgl VwGH 27.5.1999, 98/11/0136; ua), lassen derartige Straftaten doch auf ein bei Täter bestehendes hohes Aggressionspotential schließen (vgl E 13.12.2001, 2001/11/0352, ua).

 

Aus der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ist ersichtlich, dass die belangte Behörde die Verurteilung des Bf wegen § 83 StGB aus dem Jahr 2015 zum Anlass genommen hat, die Verkehrszuverlässigkeit des Bf im Hinblick auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache zu prüfen, auch wenn sie die Prüfung seiner gesundheitlichen Eignung vor Erteilung der Lenkberechtigung nicht anzweifelt.

 

§ 7 Abs.3 Z9 FSG stellt schon dem Wortlaut nach ausdrücklich auf die „Begehung“ einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben ab, dh auf die Tat selbst und nicht auf die Verurteilung deswegen. Wann das im Strafregister zitierte Urteil ergangen ist bzw rechtskräftig wurde, ist daher irrelevant. Die Verkehrsunzuverlässigkeit, die einen charakterlichen Wertbegriff darstellt, beginnt mit der Tat selbst. Die Tat, wegen der der Bf im Jahr 2015 gemäß § 83 StGB verurteilt wurde, ereignete sich am 6. Dezember 2014, also sieben Monate vor dem 7. Juli 2015, dem Tag der Erteilung der rumänischen Lenkberechtigung.

 

Gemäß Art.2 Abs.1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung) werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt.

 

Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH sieht Art.1 Abs.2 der Richtlinie 91/439 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Diese Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Dasselbe gilt für Art.2 Abs.1 der Richtlinie 2006/126, dessen Wortlaut mit dem von Art.1 Abs.2 der Richtlinie 91/439 übereinstimmt.

Wenn die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gemäß Art.1 Abs.1 der Richtlinie 91/439 ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungs­voraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am Tag seiner Ausstellung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. Urteile vom 1.3.2012, Akyüz, C467/10, RNr.42; vom 19.2.2009, Schwarz, C321/07, RNr.77, und vom 19.5.2011, Grasser, C184/10, RNr.21).

 

Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der Ausstellermitgliedsstaat vor Erteilung der Lenkberechtigung die Verkehrszuverlässigkeit des Bf geprüft und am Tag der Ausstellung des Führerscheins für gegeben erachtet hat. Damit ist der belangten Behörde eine Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Bf in Österreich im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Tatsachen vor dem
7. Juli 2015, dem Tag der Ausstellung des Führerscheins, verwehrt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger