LVwG-550755/5/HW

Linz, 10.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch den Senat I (Vorsitzender: Mag. Dr. Johannes Fischer, Berichter: Mag. Dr. Harald Wiesinger, Beisitzer: Dipl.-Päd. Ing. Josef Peterseil) über die Beschwerden von A und M V, beide vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei E & P OG, gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Braunau am Inn vom 12. November 2015, GZ: Agrar20-227-2015-Rm, betreffend die Versagung der Genehmigung der Eigentumsübertragung nach dem Oö. Grundverkehrsgesetz (mitbeteiligte Partei: J H),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Eingabe vom 16. Juni 2015 beantragten A und M V („Bf“), vertreten durch Notar Dr. R A, die Genehmigung der Übertragung des Eigentumsrechts an den aufgrund der Vermessungsurkunde der Geometer X, GZ: X, neu gebildeten Grundstücken Nr. X und Nr. X je EZ X, KG X, durch den Mitbeteiligten aufgrund des Kaufvertrages vom 16. Juni 2015.

 

I.2. Die Gemeinde F teilte mit, dass aus Sicht der Gemeinde kein Einwand besteht.

 

I.3. Am 19. Oktober 2015 fasste die Bezirksgrundverkehrskommission Braunau am Inn bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn den Beschluss, dem Antrag der Bf betreffend die Genehmigung der Übertragung des Eigentumsrechts an den neu gebildeten Grundstücken Nr. X und Nr. X nicht stattzugeben.

 

I.4. Am 21. Oktober 2015 wurde an Notar Dr. R A ein Schreiben gesendet, in welchem bekannt gegeben wird, dass der Antrag vom 16. Juni 2015 in der Sitzung vom 19. Oktober 2015 behandelt und ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Weiters enthält dieses Schreiben unter anderem noch folgenden Wortlaut: „Dies wird in Wahrung des Parteiengehörs bekanntgegeben und werden Sie eingeladen, zu diesem Beschluss binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Sollte eine Stellungnahme nicht einlangen, wird der Abweisungsbescheid erlassen“.

 

I.5. Von Notar Dr. R A wurde mit Schreiben vom 2. November 2015 eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, welche am 4. November 2015 bei der Bezirksgrundverkehrskommission Braunau am Inn einlangte. Weiters sendete Notar Dr. A am 10. November 2015 noch eine E-Mail.

 

I.6. Mit dem angefochtenen Bescheid, welcher auf den 12. November 2015 datiert, wurde die durch die Bf beantragte Genehmigung der Übertragung des Eigentumsrechts an den neu gebildeten Grundstücken Nr. X und Nr. X abgelehnt. Dieser Bescheid weist unter anderem folgenden Wortlaut auf:

„Über den Antrag [...] vom 16. Juni 2015, ergeht nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens von der Bezirksgrundverkehrskommission Braunau am Inn als Organ der Landesverwaltung in I. Instanz folgender Spruch:

1. Die Übertragung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ. X; neu gebildete Gst. X und X GB. X, [...] wird abgelehnt. [...]

 

 

 

 

 

Begründung:

Mit Eingabe vom 16. Juni 2015 beantragten Herr A und Frau M V, hinsichtlich des vorgelegten Kaufvertrages vom 16. Juni 2015 betreffend die neu gebildeten Grundstücke X und X der Liegenschaft EZ. X Grundbuch X die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. [...]

 

Dieses Ansuchen wurde im Rahmen der Sitzung der Bezirksgrundverkehrskommission am 19. Oktober 2015 behandelt und ein ablehnender Beschluss gefasst. [...]

 

Dies wurde dem Vertreter der Antragsteller in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und hat dieser dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

Mit dem zur Genehmigung vorliegenden Kaufvertrag vom 16. Juni 2015 wird von Herrn J H den Ehegatten A und M V das neu gebildete Baugrundstück X Baufläche, Landw. per 500 m2 und das angrenzende Gartengrundstück X Landw. per 1.096 m2 um den Gesamtkaufpreis von EUR 35.000,00, wovon der Teilkaufpreis von EUR 27.500,00 auf das Baulandgrundstück und der Restkaufpreis von EUR 7.500,00 auf das Gartengrundstück entfällt.

Aufgrund der geringen Größe des im Bauland gelegenen Grundstückes X per 500 m2 ist der Ankauf des im Grünland gelegenen Grundstückes X per 1.096 m2 unbedingt erforderlich, um eine Gesamtgrundstücksgröße zur Errichtung eines Wohnhauses zur Befriedigung der dringenden familiären Wohnbedürfnisse zu erreichen. Mit der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für dieses Rechtsgeschäft würde der ganze Kaufvertrag zerfallen und hätte dies für die Vertragsparteien weitreichende nachteilige Folgen.

Der Verkäufer könnte seine drückende Schuldenlast nicht verringern und wäre gegebenen Falles gezwungen, größere landwirtschaftliche Grundflächen zur Schuldentilgung abzuverkaufen, wohingegen mit diesem Kaufvertrag ein wesentlich höherer Kaufpreiserlös bei geringerer Abverkaufsfläche durch teilweise Baugrundveräußerung erzielt werden kann; dies entspricht natürlich den Interessen des Verkäufers und auch landwirtschaftlichen Interessen durch Erhaltung des restlichen landwirtschaftlichen Besitzes in der Hand des Verkäufers. Aufgrund der geringeren Größe des Baugrundstückes wäre dieses auch nicht oder nur sehr schwer gesondert veräußerbar. Außerdem liegt die Grünlandfläche in unmittelbarer Nähe zum angrenzenden Waldbestand, sodass dieses landwirtschaftlich nur eingeschränkt nutzbar ist.

Die Käufer hätten das Baugrundstück alleine nicht erworben. Sie waren bzw. sind nur am Erwerb dieser Grundstückseinheit im Gesamtflächenausmaß von 1.576 m2 interessiert. Bei dieser Grundstückseinheit handelt es sich auch um eine normale Baugrundgröße.

Die Käufer beabsichtigen das Grünlandgrundstück selbst zu nutzen und dort 4 Mutterschafe und einige Hühner zu halten. Die Jungschafe und die Eier werden teils für den Eigenbedarf verwendet und teils verkauft werden.

Der Mitkäufer A V hat in seiner Jugend im großelterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mitgeholfen. Seit seiner Wohnungsnahme (Miete) im landwirtschaftlichen Anwesen der Familie [...], im Jahre 2010 hat er dort auch teilweise die Stallarbeit verrichtet und beim Grünschnitt und bei der Heuernte sowie bei sonstigen landwirtschaftlichen Tätigkeiten mitgeholfen. Der Mitkäufer A V ist also mit der Grünlandpflege betraut. [...]

 

Durch die Übertragung des neu gebildeten Grundstückes X der Liegenschaft EZ. X Grundbuch X an Herrn A und Frau M V zur Vergrößerung ihres Baulandgrundstückes wird den Interessen an der Schaffung, Erhaltung und an der Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes im Sinne des § 4 Abs. 2 Oö. GVG nicht entsprochen. [...]

 

Auch sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Oö. GVG nicht gegeben, zumal die Vergrößerung von Baulandgrundstücken das öffentliche Interesse gemäß § 4 Abs. 2 Oö. GVG nicht überwiegt.“

 

Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Wortlaut „Der Stellvertreter des Vorsitzenden“ unterfertigt.

 

I.7. Gegen diesen Bescheid richten sich die rechtzeitigen Beschwerden der Bf.

 

II. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensablauf/Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Akt aufliegenden Unterlagen.

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.1. Gemäß § 31 Abs. 6 Oö. GVG hat das Landesverwaltungsgericht durch Senat zu entscheiden.

 

III.2. Eine allfällige Unzuständigkeit der Behörde ist vom Landesverwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG von Amts wegen wahrzunehmen.

 

Erledigungen eines Kollegialorganes bedürfen eines Beschlusses desselben. Üblicherweise erfolgt die Willensbildung einer Kollegialbehörde durch den Gesamtakt einer sich an die gemeinsame Erörterung der zu entscheidenden Angelegenheiten anschließenden Abstimmung. Die Willensbildung durch eine Kollegialbehörde umfasst nicht nur den Spruch, sondern auch den Inhalt und damit die wesentliche Begründung einer Erledigung (VwGH 5.11.2015, 2013/06/0086 m.w.N.). Für Kollegialorgane ist zwar grundsätzlich die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich, sie sind nach der Rsp aber – in Ermangelung einer anders lautenden Regelung – berechtigt, auf Stellungnahmen und Beweisanträge, die nach Beschlussfassung, aber noch vor Abfertigen des Bescheides erfolgen, einzugehen, wobei im Falle der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eine neuerliche Beschlussfassung durch das Kollegialorgan erforderlich ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 39 Rz 42 m.w.N.). Liegt einem Bescheid, welcher nach seinem Erscheinungsbild intendiert, einem Kollegialorgan zugerechnet zu werden, kein entsprechender Beschluss dieses Organes zu Grunde, dann ist der Bescheid nach der Rsp des VwGH so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. etwa VwGH 8.10.1982, 82/08/0043; 8.3.1994, 93/08/0273). 

 

Der dem gegenständlich angefochtenen Bescheid (scheinbar) zugrundeliegende Beschluss wurde von den Mitgliedern der Bezirksgrundverkehrskommission in der Sitzung vom 19. Oktober 2015 gefasst. Nach dieser Beschlussfassung langte bei der Bezirksgrundverkehrskommission jedoch noch eine Stellungnahme von Notar Dr. R A als Vertreter der Bf ein. Der genaue Inhalt dieser Stellungnahme wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben, sodass (anders als im der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12.11.2015, LVwG-550558/31/HW/MD, zugrundeliegenden Fall) nicht bloß das Vorhandensein einer Stellungnahme zu einem bestimmten Thema festgehalten wurde. Weiters wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl auf die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Oö. GVG als auch auf jene des § 4 Abs. 5 Oö. GVG eingegangen. Ein Bescheid ist rein objektiv seinem Wortlaut nach auszulegen (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0053). Angesichts der ausführlichen Darstellung des Inhaltes der Stellungnahme von Notar Dr. R A und der danach erfolgten Behandlung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Oö. GVG und des § 4 Abs. 5 Oö. GVG ist aber die Begründung des angefochtenen Bescheides objektiv dahingehend zu verstehen, dass auch der Inhalt der Stellungnahme von Notar Dr. R A bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der verfahrensgegenständlichen Eigentumsübertragung berücksichtigt wurde. Da diese Stellungnahme aber im Zeitpunkt des Beschlusses der Mitglieder der Bezirksgrundverkehrskommission in der Sitzung vom 19. Oktober 2015 noch nicht vorlag, konnte sie naturgemäß bei dieser Beschlussfassung auch nicht berücksichtigt werden, sodass ein wesentlicher Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides durch die Willensbildung der Kollegialbehörde nicht gedeckt ist. Es liegt daher gegenständlich (einem wesentlichen Teil) der Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher nach seinem Erscheinungsbild intendiert, der Bezirksgrundverkehrskommission Braunau am Inn zugerechnet zu werden, kein entsprechender Beschluss dieses Organes zu Grunde, weswegen der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben ist (vgl. VwGH 8.10.1982, 82/08/0043; 8.3.1994, 93/08/0273; 5.11.2015, 2013/06/0086).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

III.3. Obiter sei für das weitere Verfahren angemerkt:

 

Ausgehend vom vorliegenden Akteninhalt könnten vorläufig durchaus auch Gründe für eine Genehmigung nach § 4 Abs. 5 Oö. GVG sprechen: So bringen die Bf unter anderem vor, dass aufgrund der geringen Größe des Baugrundes dieser ohne die zusätzliche Gartenfläche nicht oder nur sehr schwer gesondert veräußerbar wäre und der Verkäufer verschuldet sei (wofür im Übrigen auch die im Grundbuch eingetragenen Pfandrechte sprechen). Im Falle der Nichtgenehmigung könne der Verkäufer seine drückende Schuldenlast nicht verringern und wäre gezwungen, größere landwirtschaftliche Grundflächen zur Schuldentilgung abzuverkaufen, wohingegen mit diesem Kaufvertrag ein wesentlich höherer Kaufpreiserlös bei geringerer Abverkaufsfläche durch teilweise Baugrundveräußerung erzielt werden könne. Sollte dieses Vorbringen zutreffen, so wäre dies bei der Interessenabwägung nach § 4 Abs. 5 Oö. GVG zu berücksichtigen.

Hinzu kommt, dass die Grundstücke Nr. X neu und Nr. X neu gesamt weniger als 3.000 m2 aufweisen und überdies auch diese Fläche durch eine Zufahrt getrennt ist. Sofern diese Grundstücke daher nicht an weitere land- oder forstwirtschaftliche Flächen des Veräußerers angrenzen, sondern „isoliert“ vom restlichen landwirtschaftlichen Grundbesitz des Veräußerers liegen würden, erscheint die Bedeutung dieser relativ kleinen Flächen bei der landwirtschaftlichen Besitzstruktur im Hinblick auf den Veräußerer insofern eher geringfügig. Insbesondere würde in diesem Fall durch die Veräußerung auch nicht ein Teil aus einer größeren (einheitlichen) landwirtschaftlichen Fläche abgetrennt werden. Angesichts dieser Umstände sprechen aber, insbesondere wenn auch die Eigentümer der an die Grundstücke Nr. X neu und Nr. X neu angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen kein Interesse am Erwerb der landwirtschaftlichen Flächen des Grundstückes Nr. X haben sollten, auf Basis der derzeit vorliegenden Unterlagen durchaus auch Gründe für eine Genehmigung nach § 4 Abs. 5 Oö. GVG.

 

III.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Aufhebung wegen Unzuständigkeit steht im Einklang mit der Rsp des VwGH (vgl. etwa VwGH 8.10.1982, 82/08/0043; 8.3.1994, 93/08/0273; 5.11.2015, 2013/06/0086). Die Auslegung einer Bescheidbegründung im Einzelfall (hier im Hinblick darauf, ob Bescheidbegründung durch die Beschlussfassung vom 19.10.2015 gedeckt war) stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 26.02.2014, Ro 2014/04/0022, zur Auslegung von Vorbringen im Einzelfall).

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Johannes Fischer