LVwG-650400/18/Sch/Bb

Linz, 09.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der P H, geb. x, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E W, Mag. C O, Mag. Dr. H N und Mag. H G, x, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 14. April 2015, GZ VerkR21-25/9-2015-Saz, wegen Entziehung der Lenkberechtigung der Klassen AM, A und B und Anordnung weiterer führerscheinrechtlicher Maßnahmen in Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2016, GZ Ra 2015/11/0087-5,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.   

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (im Folgenden: belangte Behörde) entzog P H (Beschwerdeführerin – im Folgenden kurz: Bf) mit Bescheid vom
14. April 2015, GZ VerkR21-25/9-2015-Saz, in Bestätigung eines vorangegangenen Mandatsbescheides, die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A und B auf die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab 2. Februar 2015 bis einschließlich 2. Oktober 2015, und sprach zugleich aus, dass vor Ablauf der Entziehungsdauer keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf. Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 3 Abs. 1 Z 2, 7 Abs. 3 Z 1, 24 Abs. 1, 26 Abs. 2 Z 1, 29 Abs. 3 bzw. 4 und 41 a Abs. 6 Führerscheingesetz (FSG) angeführt (Spruchpunkt I.).

 

Des Weiteren wurden gemäß §§ 14 und 24 Abs. 3 FSG begleitende Maßnahmen in Form einer verkehrspsychologischen Untersuchung, einer Nachschulung und der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung verfügt (Spruchpunkt II.).

 

Schließlich wurde im Spruchpunkt III. die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde unter Anwendung des § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen.

 

I.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies mit Erkenntnis vom 16. Juli 2015, GZ LVwG-650400/6/SCH/HK, nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2015, die gegen den behördlichen Bescheid rechtzeitig eingebrachte (undatierte) Beschwerde der anwaltlich vertretenen Bf dem Grunde nach - mit der einer hier nicht wesentlichen Maßgabe - ab. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.

 

Die Entziehung der Lenkberechtigung wurde auf § 26 Abs. 2 Z 1 FSG gestützt und beruhte nach Beurteilung der Vorfrage des Vorliegens einer Alkotestverweigerung auf der Ansicht, die Bf habe eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO (Verweigerung der Atemluftalkoholmessung) zu verantworten. 

 

I.3. Gegen diese Entscheidung des O.Ö. Landesverwaltungsgerichtes hat die Bf durch ihre rechtsfreundliche Vertretung eine außerordentliche Revision beim Landesverwaltungsgericht eingebracht, welche der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, GZ Ra 2015/11/0087-5, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.

 

In der Begründung des VwGH-Erkenntnisses heißt es im Wesentlichen (auszugweise Wiedergabe):

 

„(...) Die Revision ist zulässig, weil – wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt – das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Revision ist auch begründet: (...)

 

Die gegenständliche Entziehung der Lenkberechtigung ist auf § 26 Abs. 2 Z 1 FSG gestützt und beruht (ebenso wie die daran anknüpfenden weiteren Maßnahmen) auf der Ansicht, die Revisionswerberin habe eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu verantworten, also die Verweigerung der Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt.

 

Das Verwaltungsgericht hat sich in der Begründung seiner Entscheidung nicht auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Straferkenntnisses betreffend die genannte Verwaltungsübertretung berufen (ein solches ist aus dem vorgelegten Verfahrensakt auch nicht ersichtlich), sondern die Frage der Verwaltungsübertretung im gegenständlichen Führerscheinverfahren als Vorfrage selbst beurteilt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/11/0200).

 

Soweit die Revisionswerberin in den Revisionsgründen zunächst einen Begründungsmangel geltend macht, weil dem angefochtenen Erkenntnis keine klaren Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen seien, trifft es zwar zu, dass das angefochtene Erkenntnis über weite Bereiche eine klare Trennung zwischen der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und dem vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt vermissen lässt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076). Letztlich lassen sich dem angefochtenen Erkenntnis aber die entscheidenden Sachverhaltsannahmen (noch) in einer Weise entnehmen, welche die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof – zumindest nicht maßgeblich – erschwert (vgl. abermals das zitierte Erkenntnis vom 21. Oktober 2014).

 

So liegt dem angefochtenen Erkenntnis jedenfalls die Annahme zugrunde, dass die Messergebnisse der gegenständlichen Atemluftuntersuchung nicht verwertbar waren, weil die Revisionswerberin ihre Atemluft nicht durchgängig und in einem Zug in den Alkomaten geblasen hat. Auch wurde erkennbar festgestellt, dass die Revisionswerberin im Zuge der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung gegenüber dem einschreitenden Organ nicht über Schmerzen bei der Bedienung des Alkomaten berichtet hat, dass bei ihr aber am Tag nach dem Verkehrsunfall und der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge in einem Krankenhaus diagnostiziert wurden.

 

Rechtlich hat das Verwaltungsgericht den geschilderten Sachverhalt als „Verweigerung“ der Atemluftalkoholuntersuchung seitens der Revisionswerberin gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 eingestuft, die gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG zwingend zur Entziehung der Lenkberechtigung führe.

 

Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht geteilt:

Es trifft zu, dass in dem vom Verwaltungsgericht zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2007/02/0240, in einem Fall, in dem die damalige Beschwerdeführerin im Nachhinein das Vorliegen einer „chronischen Bronchitis“ für die Nichtverwertbarkeit der Messergebnisse des Alkomaten ins Treffen geführt hat, vom Verwaltungsgerichthof ausgesprochen wurde, es sei unerheblich, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, weil sie bei der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen habe und nicht behauptet werde, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei.

 

Dieser Rechtssatz findet sich auch in dem (gleichfalls vom Verwaltungsgericht zitierten) hg. Erkenntnis vom 15. April 2005, Zl. 2003/02/0258, in dem – in einem Fall behaupteter „starker Kopfschmerzen“ – ausgesprochen wurde, dass derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zur einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (d.h. bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemluftalkoholuntersuchung mittels Alkomaten aus medizinischen Gründen hinzuweisen habe (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO 1960 zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei der Bundespolizeidirektion tätigen Arzt zu bringen.

 

Den beiden soeben zitierten Erkenntnissen lagen somit Fälle zugrunde, in denen den betreffenden Personen ihre gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung bekannt war.

 

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2011, Zl. 2010/02/0191, in einem (mit dem vorliegenden Revisionsfall vergleichbaren) Fall, in welchem dem zur Atemluftuntersuchung Aufgeforderten dessen Erkrankung („Spirometerasthma“) erst nach der Atemluftuntersuchung bekannt wurde und in welchem der Betroffene daher während der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen hatte, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Bedienung des Alkomaten nicht in der Lage, entschieden, dass dies keine Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 darstelle. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, einen Mangel am Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 darstellt (Hinweis auf das Erkenntnis vom 5. November 1987, Zl. 87/18/0087).

 

Diese Ausführungen gelten auch für den vorliegenden Revisionsfall. Hinzu kommt, dass aufgrund der (aktenkundigen, vom Verwaltungsgericht aber nicht erwähnten) Anfrage der belangten Behörde vom 16. März 2015 an den Amtsarzt Dr. G. sichtlich von diesem in einem (undatierten) Schreiben unter Bezugnahme auf die Verletzungen der Revisionswerberin ausgeführt wurde, die Schmerzempfindung der Revisionswerberin sei im gegenständlichen Fall möglicherweise herabgesetzt und ihre Fähigkeit, das geforderte Blasvolumen aufzubauen, eingeschränkt gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es der Revisionswerberin „aufgrund der festgestellten Verletzungen nicht möglich war, einen Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen“.

 

Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Erkenntnis daher unzutreffend die Rechtsansicht zugrunde gelegt, es komme bei der vorliegenden Beurteilung der Verweigerung einer Atemluftuntersuchung auf die im Nachhinein festgestellten Verletzungen der Revisionswerberin nicht an, und hat unter Außerachtlassung der amtsärztlichen Angaben rechtswidrig das Vorliegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 und die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 2 Z 1 FSG durch die Revisionswerberin angenommen. (...).“

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nunmehr darüber erwogen:

 

Nach Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Juli 2015, GZ LVwG-650400/6/SCH/HK, durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Beschwerdeverfahren wieder offen und unerledigt und ist vom Landesverwaltungsgericht nunmehr eine neuerliche Entscheidung zu treffen (vgl. § 42 Abs. 3 VwGG).

 

Das Verwaltungsgericht ist bei der Erlassung des Ersatzerkenntnisses an die im Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0087, geäußerte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden (siehe dazu § 63 Abs. 1 VwGG).

 

Im Lichte der – unter I.3. - dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, GZ Ra 2015/11/0087-5, ist nach der Mutmaßung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass der Bf ihre beim Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen erst nach der Durchführung des Alkomattestes bekannt wurden, sodass sie daher während der Amtshandlung nicht darauf hinweisen konnte, dass sie aus gesundheitlichen Gründen zur Bedienung des Alkomaten nicht in der Lage war. Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen des Amtsarztes die Schmerzempfindung der Bf im gegenständlichen Fall aufgrund ihrer Verletzungen „möglicherweise“ herabgesetzt und ihre Fähigkeit, das geforderte Blasvolumen aufzubauen, eingeschränkt war und daher nicht auszuschließen ist, dass es ihr aufgrund der festgestellten Verletzungen nicht möglich war, einen Alkomattest ordnungsgemäß durchzufahren, weshalb ihr Verhalten letztlich auch keine Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO darstellt. 

 

Es ist demnach der Beschwerde stattzugeben und der behördliche Entziehungsbescheid vom 14. April 2016, GZ VerkR21-25/9-2015-Saz, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung der Bf für die Klassen AM, A und B sowie auch die angeordneten weiteren führerscheinrechtlichen Maßnahmen, zu beheben.

 

Retrospektiv muss das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich konzedieren, dass angesichts der divergierenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die ordentliche Revision zuzulassen gewesen wäre. 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gegen das vorliegende Erkenntnis:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die nunmehrige Entscheidung völlig auf dem in gegenständlicher Angelegenheit ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes beruht.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

S c h ö n