LVwG-500157/9/Wg

Linz, 22.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des A M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F R, x, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirks-hauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Juli 2015, GZ: Wa96-15-2015, wegen einer Übertretung des Wasser­rechtsgesetzes (WRG), nach Durchführung einer öffent­lichen Ver­hand­lung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde teilweise stattgegeben. Die Geldstrafe wird auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf
14 Stunden herabgesetzt. Der Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren der belangten Behörde reduziert sich auf 15 Euro. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

1.1.      Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (in der Folge: belangte Behörde) lastete dem Beschwerdeführer (Bf) mit Straferkenntnis vom
17. Juli 2015, GZ: Wa96-15-2015, folgende Verwaltungsübertretung an:
Am 19.02.2015, um 09.20 Uhr, wurde festgestellt, dass Sie am 18.02.2015, in der Zeit von 06.00-08.30 Uhr, auf Gst.Nr. x, KG L, Gemeinde L, stickstoffhältigen Dünger (Gülle) auf schneebedeckten Boden ausgebracht haben, obwohl dies nicht zulässig ist.” Der Bf habe dadurch folgende Rechtsvor­schriften verletzt:
§ 137 Abs. 1 Z 15 letzter Satz iVm § 55p Abs. 2 Wasser­rechtsgesetz 1959 (WRG 1959) iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Aktionsprogramm Nitrat 2012)”.  Die belangte Behörde verhängte eine Geldstrafe in der Höhe von 300 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Stunden. Es wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 30 Euro festgesetzt. Der Umstand, dass gegen den Bf keine einschlägigen Verwaltungsstrafen vorliegen, sei - so die Behörde - strafmildernd.

 

1.2.      Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Das Oö. Landes­verwaltungsgericht verband das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit dem zu GZ: LVwG-500153 anhängigen Beschwerdeverfahren (betreffend J P) zur gemeinsamen Verhandlung. In der antragsgemäß durchgeführten Verhandlung brachte der Bf einleitend vor: „Zusammengefasst wird als Beschwerdegrund geltend gemacht, dass einerseits keine geschlossene Schnee­decke im Sinn des Aktionsprogrammes NITRAT vorgelegen ist und daher schon deshalb der Tatbestand nicht erfüllt sein kann. Darüber hinaus sind keine Schäden eingetreten, weshalb jedenfalls mit einer Ermahnung vorzugehen wäre. Darüber hinaus ist das generelle Verbot, wie es im Nitrataktionsprogramm formuliert ist, gesetz- und verfassungswidrig, weil es überschießend ist.“

 

1.3.      Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in die Verfahrensakte der belangten Behörde. Die Bf der Verfahren
LVwG-500153 und LVwG-500157 (J P und A M) wurden als Parteien, G P (Sohn des J P) und GrInsp. M M als Zeugen einvernommen. Die Beilagen 1 bis 6 der Niederschrift wurden erörtert (
Orthofotos betreffend der in Rede stehenden Grundstücke sowie Eigentümerabfrage betreffend Grundstücke Nr. x, x und x, von G P vorgelegtes Foto). Einsicht genommen wurde in drei von G P auf einem USB-Stick zur Verfügung gestellte Fotos. Abschließend hielten die Bf fest, dass der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass am tatgegenständlichen Grundstück im Vorfallszeitpunkt keine Schneebedeckung von mehr als 50 % vorgelegen hat, aufrecht bleibt. Ansonsten wurden keine weiteren Beweisanträge gestellt. Das Oö. Landesver­waltungsgericht verfügte daraufhin den Schluss der Beweisaufnahme und gab den Bf die Gelegenheit, ein Schlussvorbringen zu erstatten.

 

2.           Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sach­­verhalt fest:

 

Der Landwirt A M, x, L, brachte am 18. Februar 2015 auf seinem 3 ha total ebenen Wintergerstenschlag, Grundstück Nr. x, KG L, rund 20 m3/ha Rindergülle aus. Er nutzte dabei die Morgenstunden (06.00 Uhr-08.30 Uhr), die bei Minusgraden eine oberflächliche Gefrierschicht am Boden (0-3 cm) verursachten und so die Tragfähigkeit des Bodens für die Gülleausbringung erhöhten. Der Boden, auf dem die gedüngte Wintergerste stand, war zum Zeitpunkt der Düngung am 18. Februar 2015 von 06.00 Uhr-08.30 Uhr nur vorübergehend, oberflächig (0-3 cm) gefroren. Der Boden war zum Zeitpunkt der Gülleausbringung mit rund 7-8 cm Schnee zu 80 % des Schlages bedeckt. Die Gülleausbringung auf der schneebedeckten Wintergerste am ebenen Erlachfeld am 18. Februar 2015 verursachte umweltökologisch absolut keinen Schaden. Alle pflanzenbaulichen Aspekte sprachen für die Ausbringung. Als gesetzwidriges Faktum bleibt aus fachlicher Sicht die Schneebedeckung (80 %) bei der Ausbringung der Gülle, die laut Aktionsprogramm Nitrat 2012 nicht gestattet ist (Gutachten Prof. B vom 2. März 2015, ON 4 des behördlichen Aktes).

 

Einen Tag später - am 19. Februar 2015 - zeigte H S um ca. 09.10 Uhr die Gülleausbringung bei der Polizeiinspektion F-L an. Abt Insp. K und GrInsp. M trafen um ca. 09.20 Uhr vor Ort ein und fertigten mehrere Lichtbilder an, die sie der belangten Behörde samt einem Sachverhaltsbericht zur verwaltungs-rechtlichen Beurteilung übermittelten (Sach­verhaltsbericht samt Lichtbildbeilage, ON 3 des behördlichen Aktes, Aussage GrInsp. M Tonbandprotokoll).

 

Der Bf erteilte in weiterer Folge Herrn Prof. B den Auftrag zur Erstellung des Gutachtens vom 2. März 2015. Ihm war es entscheidendes Anliegen, dass hier vom Gutachter bestätigt wurde, dass keine Einträge ins Grundwasser stattgefunden haben und die Düngung grundsätzlich sachgerecht erfolgte und alle pflanzenbaulichen Aspekte für eine Ausbringung sprachen (Aussage Bf Tonbandprotokoll).

 

Der Bf legte das Gutachten vom 2. März 2015 bei der belangten Behörde vor, die über ihn mit Strafverfügung vom 5. Mai 2015 eine Geldstrafe von 300 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Stunden, verhängte. Infolge des Einspruches des Bf erließ die Behörde das bekämpfte Straferkenntnis, gegen das sich die gegenständliche Beschwerde richtet. Vor der Behörde gab der Bf am 18. Mai 2015 folgende Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse zu Protokoll: „monatliches Nettoeinkommen ca. 1.000 Euro, Vermögen landwirtschaftliches Anwesen mit 25 ha Eigengrund und 35 ha Pacht­grund, Sorgepflichten für 1 Kind“  (Akteninhalt der Behörde).

 

3.           Beweiswürdigung:

 

Einleitend (1.) werden Beschwerdegegenstand, Beschwerdevorbringen und Ablauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zusammengefasst wieder­gegeben.

 

In der Sache selbst (2.) stützen sich die Feststellungen auf die in Klammer angegebenen Beweismittel. Strittig war, ob das Grundstück Nr. x zum Zeit­punkt der Düngerausbringung am 18. Februar 2015 eine Schneebedeckung von mehr als 50 % aufgewiesen hat (vgl. 1.2.). Der Bf legte bereits im behördlichen Verfahren ein Privatgutachten vor, in dem eine klare Feststellung zur Schnee­bedeckung getroffen wird. Auf folgende Ausführungen der Niederschrift (Tonbandprotokoll) wird verwiesen: Herr M wird als Beschwerdeführer und Partei des Verfahrens befragt. Er macht folgende Angaben: ‚Vom Verhand­lungsleiter (Mag. Weigl) zu den im Akt befindlichen Gutachten befragt, gebe ich an, dass ich und Herr P bei Herrn Dr. B diese Gutachten in Auftrag gegeben haben. Vom Verhandlungsleiter (Mag. Weigl) zur im Gutachten vom 2. März 2015 enthaltenen Angabe ‚Der Boden war zum Zeitpunkt der Gülleaus­bringung mit rund 7-8 cm Schnee zu 80 % des Schlages bedeckt.‘ befragt, gebe ich an, dass diese Angaben insoweit nicht zutreffend sind, als hier meiner Ansicht nach am 18. Februar 2015 die landwirtschaftliche Nutzfläche jedenfalls über der Hälfte schneefrei war. Von Mag. Weigl befragt, wie ich mir erkläre, dass Herr Prof. B zu der Aussage ‚der Boden war zum Zeitpunkt der Gülleaus­bringung mit rund 7-8 cm Schnee zu 80 % des Schlages bedeckt‘ kommt, gebe ich an, dass ich mir das nicht erklären kann. Herr Prof. B hat ja erst im Nachhinein die Fläche besichtigt. Von Mag. Weigl befragt, ob es nicht so war, dass sich Prof. B bei diesen Ausführungen auf unsere Angaben gestützt hat, gebe ich an, dass ich Herrn Prof. B gegenüber dazu jedenfalls keine Angaben getroffen habe.“ Richtig ist, dass
Prof. B am 18. Februar 2015 das Feld nicht besichtigt hat. Auch GrInsp. M konnte nur zum Zustand im Zeitpunkt der Kontrolle am 19. Februar 2015 eine Aussage machen. Über ergänzende Befragung führte der Bf M aus: „Zur Frage, wieso wir das Gutachten in Auftrag gegeben haben, möchte ich noch festhalten, dass uns ein entscheidendes Anliegen ist, dass hier vom Gutachter bestätigt wurde, dass keine Einträge ins Grundwasser stattgefunden haben und die Düngung grundsätzlich sachgerecht erfolgte und alle pflanzenbaulichen Aspekte für eine Ausbringung sprachen. Von Mag. Weigl ergänzend befragt, gebe ich an, dass in der Zeit von 18. Februar 2015 auf 19. Februar 2015 kein Schnee gefallen ist. Von Mag. Weigl befragt, ob mir die Lichtbeilage der Fotodokumentation der LPD bzw. des Herrn Gruppeninspektor M bekannt ist, gebe ich an, dass mir diese bekannt ist. Von Dr. R ergänzend befragt, gebe ich an, dass ich bei der Gutachtenserstellung bzw. Besichtigung nicht mit dabei war. Herr Prof. B wurde von meiner Tochter begleitet. Meine Tochter ist grundsätzlich in landwirtschaftlichen Angelegenheiten durchaus bewandert und kennt sich aus.“ Prof. B wurde also nicht vom Bf M, sondern von seiner Tochter bei der Begehung begleitet. Unstrittig ist, dass es von 18. Februar 2015 auf
19. Februar 2015 nicht geschneit hat. Die Verhältnisse am 19. Februar 2015 zum Zeitpunkt der Kontrolle des GrInsp. M sind daher auch für den Zeitpunkt der Düngung am 18. Februar 2015 als repräsentativ anzu­sehen. Der Bf M führte aus, die Fotos seien aus der Blickrichtung Nord nach Süden aufgenommen worden. Zitat: „Von Dr. R zum Düngevorgang selber befragt, gebe ich an, dass ich das Feld von Norden nach Süden abgefahren bin. Aus meiner Sicht und ich entspreche über die notwendige Fachkunde, wie auch von Prof. B bestätigt wurde, entsprach der Düngevorgang allen pflanzenbaulichen Aspekten. Die Düngerausbringung erfolgte von Nord nach Süd, wobei ich auf der Straße dann wieder retour gefahren bin, um den Boden nicht unnötig zu belasten. Es war de facto kein Schnee vorhanden. Über Vorhalt der Bilder 8, 9, 10 und 11 der Lichtbildbeilage des Gruppeninspektor M und der dort abgebildeten Schneedecke, gebe ich an, dass diese Lichtbilder den Zustand von Nord nach Süd bzw. aus der Blickrichtung Norden nach Süden zeigen. Der Schmelzvorgang wird durch die Sonne aus Südrichtung verursacht bzw. hervorgerufen. Dadurch ist die Perspek­tive von Norden nach Süden nicht aussagekräftig.“ G P legte bei seiner Einvernahme das Lichtbild Beilage 6 vor. Er vermeinte zunächst irrtümlich, dieses sei am 19. Februar 2015 angefertigt worden. Nach einer Erörterung mit den Verfahrensparteien steht aber fest, dass dieses erst am
20. Februar 2015 angefertigt wurde. Als repräsentativ ist daher nicht das Lichtbild Beilage 6, sondern die von GrInsp. M angefertigte Lichtbild­dokumentation über den Zustand am 19. Februar 2015 anzusehen, aus der
- zumal es zwischenzeitig nicht geschneit hat - auch auf den Zeitpunkt der Düngung am Vortag geschlos­sen werden kann. GrInsp. M sagte als Zeuge aus: „Über Vorhalt vorliegender Angaben im Sachverhaltsbericht: ‚Zur Schnee­decke wird angeführt, dass diese nach h.o. Ansicht zum überwiegenden Teil geschlossen war. Lediglich kleinere Flächen (Erdhügel durch Maulwürfe, kleine Flecken ohne Schnee vermutlich durch Schneeverwehungen etc.) waren nicht schneebedeckt. Die Schneehöhe variierte relativ stark, da es in den letzten Wochen erhebliche Schneever­wehungen gab.‘ gebe ich an, dass sich diese Ausführungen mit meinen dienstlichen Wahrnehmungen decken und ich habe nur das in den Sachver­haltsbericht hineingeschrieben, was ich auch dienstlich wahrgenommen habe.“ GrInsp. M hat die Lichtbildbeilage zutreffend beschrieben. Der Zeuge G P, wenn er auch über die Ausbildung als landwirtschaftlicher Facharbeiter verfügt, ging offenbar irrtümlich von einer Schneebedeckung unter 50 % aus. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens B stehen im Ein­klang mit dem Sachverhaltsbericht des GrInsp. M und der von ihm ange­fertigten Lichtbildbeilage. Für das Oö. Landesver­wal­tungs­gericht steht daher in freier Beweiswürdigung fest, dass  der Boden zum Zeitpunkt der Gülleaus­bringung mit rund 7-8 cm Schnee zu 80 % des Schlages bedeckt war. Im Übrigen sind die Ausführungen des Gutachtens Prof. B nicht strittig. Das Gutachten Prof. B wird daher den Feststellungen zu Grunde gelegt.

 

 

 

 

4.           Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Zur Abweisung des Beweisantrages auf Einholung eines Sachver­ständigengutachtens:

 

Dem AVG und dem VwGVG ist eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (VwGH 28.10.2015, 2012/10/0104, stRsp).

 

Im vorliegenden Fall liegt bereits ein vom Bf eingereichtes Privatgutachten vor, das den Feststellungen zu Grunde gelegt wurde. Ein weiteres Sachverstän­digengutachten kann zum Ausmaß der Schneebedeckung - also einem in der Vergangenheit bestehenden Zustand - keine taugliche Aussage treffen. Es handelt sich um ein Beweisthema, das durch die Fotodokumentation vom
19. Februar 2015 und die Angabe der Bf, es habe von 18. Februar 2015 auf
19. Februar 2015 nicht geschneit, geklärt ist und durch das Gutachten Prof. B beschrieben wurde.

 

Der Beweisantrag war daher abzuweisen.

 

4.2.      Zum objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung im Sinne des
§ 137 Abs. 1 Z 15 WRG:

 

§ 137 Abs. 1 Z 15 lautet:

 

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach
Abs. 2, 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu
3 630 € zu bestrafen, wer

15.   den gemäß § 33f Abs. 3 getroffenen Überprüfungs- oder Aufzeichnungs­anordnungen oder den gemäß § 33f Abs. 6 zur Grundwassersanierung angeordneten Nutzungsbeschränkungen oder Reinhaltemaßnahmen oder gemäß §§ 34 Abs. 1 und 2, 35 und 37 zum Schutz der Wasserversorgung, von Heilquellen oder von Heilmooren getroffenen Anordnungen oder den in einer Verordnung gemäß § 48 Abs. 2 oder den gemäß § 55p getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt;

 

§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Aktionspro­gramm Nitrat 2012) lautet unter der Überschrift „Ausbringen von stickstoff­hältigen Düngemitteln auf wassergesättigten, überschwemmten, gefrorenen oder schneebedeckten Böden“:

 

(1) Auf durchgefrorenen Böden und auf allen wassergesättigten oder über­schwemmten Böden sowie auf schneebedeckten Böden ist eine Düngung mit stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht zuläs­sig.

 

(2) Durchgefroren bedeutet, dass der Boden nicht nur vorübergehend oberflächig gefroren ist. In den Fällen, in denen der Boden nachts und am Morgen zum Teil oberflächig gefroren ist, die dünne oberflächige Gefrierschicht tagsüber bei Sonneneinstrahlung jedoch wieder auftaut und der Boden daher aufnahmefähig ist, kann nicht von einem durchgefrorenen Boden gesprochen werden. Ein auf­tauender Boden kann jedoch wassergesättigt sein.

 

(3) Wassergesättigt ist ein Boden, dessen Wasseraufnahmefähigkeit erschöpft ist.

 

(4) Ein schneebedeckter Boden liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Ausbringung von stickstoffhältigen Düngemitteln weniger als die Hälfte des Bodens des Schla­ges schneefrei ist.

 

Zum Einwand, die Verordnung sei gesetzwidrig bzw. verfassungswidrig, ist zunächst auf die erläuternden Bemerkungen des Nitrataktionsprogrammes 2012 zu verweisen: „Durch die Neuformulierung wird der in Anhang III der Richtlinie 91/676/EWG verwendete Begriff ‚schneebedeckter Boden‘ übernommen. Ein solcher liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Ausbringung von stickstoffhältigen Dünge­mitteln weniger als die Hälfte des Bodens des Schlages schneefrei ist. Die vorgeschlagene Regelung ermöglicht eine leichtere Beurteilung der Voraus­setzungen, ob eine Düngung zulässig ist und gewährleistet damit auch eine bessere Kontrollierbarkeit. Bei Raureif ist noch kein schneebedeckter Boden gegeben.“ Es ist nicht erkennbar, dass der Bundesminister - in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - mit der Formulierung der zitierten Anord­nungen gegen das Sachlichkeitsgebot oder gegen verfassungsrechtlich gewähr­leistete Rechte, wie das Eigentum oder die Erwerbsfreiheit, verstoßen hätte. Von einer Anfechtung der Verordnung beim Verfassungsgerichtshof wird daher Abstand genommen. § 4 Abs. 4 Aktionsprogramm Nitrat 2012 definiert den Begriff „schneebedeckt“. Im gegenständlichen Fall war der Boden mit rund
7-8 cm Schnee zu 80 % des Schlages bedeckt. Der Boden war schneebedeckt im Sinne des § 4 Abs. 4 Nitrataktionsprogramm und wurde durch die Ausbringung des stickstoffhältigen Düngemittels gegen § 4 Abs. 1 leg. cit. verstoßen. Die angelastete Verwaltungsübertretung ist in objektiver Hinsicht erwiesen.

 

 

 

4.3.      Zur subjektiven Tatseite:

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwal­tungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bf kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen.

 

Infolge der erheblichen Überschreitung des Grenzwertes - der Boden war zu
80 % mit Schnee bedeckt - ist von Fahrlässigkeit auszugehen. Die Überschrei­tung hätte bei fachkundiger Handhabung erkannt werden können.

 

4.4.      Zur Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG:

 

§ 45 Abs. 1 VStG lautet:

 

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Bege­hung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Zur Auslegung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist zunächst auf das Erkenntnis des Ver­waltungsgerichtshofes vom 17. April 2015, Ra 2015/02/0044, zu verweisen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Neuregelung des
§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsge­-
setz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, kann auf die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der genannten Novellierung zurückgegriffen werden (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Mai 2014, Zl. Ro 2014/03/0052). Es bedarf daher insoweit - insbesondere auch zum Rechtsanspruch auf Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. zu § 21 Abs. 1 VStG etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0033) - keiner neuen Leitlinien höchst­gerichtlicher Rechtsprechung.“

 

In seinem Erkenntnis vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0167, führte der Ver­waltungsgerichtshof aus: „Eine Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG liegt im Ermessen der Behörde („kann“) und hängt von einer auf den Einzel­fall abzustellenden spezialpräventiven Prognose ab. Dahingehend liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfrage vor. Der Frage, ob die beson­deren Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl.
B 5. März 2015, Ra 2015/02/0027; B 29. Juli 2014, Ra 2015/07/0096;
B 7. September 2015, Ra 2015/02/0146). Allerdings setzt diese Ermessens­entscheidung voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände kumulativ vorliegen. Das zu schützende Rechtsgut ist im Verfahren gemäß § 29b Abs. 4 StVO 1960 die Erhaltung der Mobilität von Menschen, die dauernd stark gehbehindert sind. Diese sind in der Regel auf reservierte Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum angewiesen, um jene Wege zurücklegen zu können, die Menschen ohne dauernde starke Gehbehinderung auch ohne solche besonderen Halte- und Parkmöglichkeiten bewältigen können. Den vorbehaltenen Halte- und Parkmöglichkeiten kommt demnach erhebliche Bedeutung zu, keinesfalls kann davon gesprochen werden, dass die Bedeutung dieses strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gering ist. Diese Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschütz­ten Rechtsgutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 99 Abs. 3
lit. a) StVO 1960 immerhin Geldstrafen bis zu EUR 726,-- vorsieht (vgl.
E 24. Oktober 2001, 2001/04/0137). Ist aber die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht gering, fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, wes­halb auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage kommt.“

 

Das Erkenntnis Ra 2015/02/0044 knüpft an die bisherige Rechtsprechung zu
§ 21 Abs. 1 VStG an, E Ra 2015/02/0167, nimmt besonders auf die „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes“ Bedacht. Erklärtes Ziel der Richtlinie 91/676/EWG und des Nitrataktionsprogrammes ist die „Verhinderung von Gewässerverunreinigungen“ (vgl. § 105 Abs. 1 lit. e WRG). Dieses Rechtsgut wurde vom Bf faktisch nicht intensiv beeinträchtigt, sprachen doch alle pflanzen­baulichen Aspekte für die Ausbringung und kam es zu keiner Gewässer­verunreinigung. Dem „Schutz der Gewässer“ kommt abstrakt gesehen aber keine unerhebliche Bedeutung zu, weshalb keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass die Bedeutung dieses strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gering ist. Diese Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen eine Geldstrafe bis 3.630 Euro vorsieht.

 

Auch wenn der Bf durch die Vorlage eines Gutachtens maßgeblich zur Sach­verhaltsaufklärung beigetragen hat, alle pflanzenbaulichen Aspekte für die Düngerausbringung sprachen und kein Schaden entstanden ist: Die Schnee­bedeckung (80 %) ist eindeutig erwiesen und liegt maßgeblich über dem in § 4 Abs. 4 Aktionsprogramm Nitrat vorgesehenen Grenzwert. Die Schneebedeckung wäre erkennbar gewesen. Ein geringes Verschulden im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG lässt sich daraus nicht ableiten.

 

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG sind nicht erfüllt, weshalb eine Ermahnung nicht in Betracht kommt.

 

4.5.      Zur Strafbemessung:

 

Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milde­rungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzu­wenden. Die Einkom­mens- und Vermö­gensverhältnisse und allfällige Sorge­pflichten des Beschul­digten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (vgl. § 19 VStG).

 

Bei der Strafzumessung handelt es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (statt vieler VwGH 28.11.1966, 1846/65) innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechts­ver­folgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermes­sens­­aktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. u.a. VwSlg 8134 A/1971).

 

Der gesetzliche Strafrahmen beträgt gemäß § 137 Abs. 1 WRG bis zu
3.630 Euro. Das Oö. Landesverwaltungsgericht legt der Strafbemessung die vor der Behörde protokollierten Angaben des Bf zu seinen Einkom­mens-, Vermögens- und Familienverhältnissen zu Grunde. Strafmildernd war die Unbe­schol­tenheit sowie der Umstand, dass der Bf durch das von ihm eingereichte Gutachten wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Abs. 1 Z 17 StGB). Erschwerend war kein Umstand. Positiv zu berücksichtigen war der Umstand, dass im Übrigen alle pflanzenbaulichen Aspekte für eine Ausbringung sprachen.

 

Im Ergebnis ist damit eine Herabsetzung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe auf das nunmehr festgelegte Ausmaß gerechtfertigt. Eine weitere Herabsetzung kam nicht in Betracht, zumal die Geldstrafe sich im untersten Bereich des Straf­rahmens befindet. Damit reduziert sich auch der Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren der belangten Behörde. Bei diesem Verfahrensergebnis sind für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu entrichten.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurtei­len. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Rechtslage ist durch die angeführte Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl

 

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 3. August 2016, Zl.: Ra 2016/07/0050-3