LVwG-601060/2/SE/Bb

Linz, 04.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Sigrid Ellmer über die Beschwerde von C H, vom 17. September 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. September 2015, GZ VerkR96-42265-2014, wegen Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm § 52 lit. a Z 11a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG eingestellt.   

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch einen Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren zu leisten (§ 66 Abs. 1 VStG).

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) warf C H (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit Straferkenntnis vom 7. September 2015, GZ VerkR96-42265-2014, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 iVm § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 vor und verhängte gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Stunden. Weiters wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Euro auferlegt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

„Sie haben die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 16 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

 

Tatort: Gemeinde Traun, Gemeindestraße Ortsgebiet, Bahnhofstraße gegenüber Nr. 61, in Fahrtrichtung stadtauswärts.

Tatzeit: 23.04.2014, 15:42 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW.“

 

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde ua. Folgendes aus:

„(...) Am 23.04.2014 um 15:42:05 Uhr sind Sie als Lenkerin des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet Traun auf der Bahnhofstraße, gegenüber Nr. 61, in Fahrtrichtung stadtauswärts unterwegs gewesen. Sie haben dabei die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 16 km/h überschritten. Im Anschluss daran sind Sie um 15:43:45 Uhr als Lenkerin des genannten Fahrzeuges im Gemeindegebiet Traun auf der Bahnhofstraße, gegenüber Nr. x, in Fahrtrichtung stadteinwärts unterwegs gewesen und haben dabei die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 11 km überschritten.

 

Dem Sachverhalt wird betreffend die gemessene Geschwindigkeit, Ihrer Lenkereigenschaft und dem genauen Tatort von Ihnen nicht näher entgegengetreten und ergibt sich dieser insbesondere aus dem im Akt einliegenden Lichtbild (Radarfoto). Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch das stationäre Lasermessgerät PoliScan Speed, Identifikation 653143. Hinsichtlich der Lenkereigenschaft konnte mangels gegenteiligem Vorbringen Ihrerseits im Rahmen der Beweiswürdigung zunächst davon ausgegangen werden, dass Sie als Zulassungsbesitzerin auch die Lenkerin des KFZ waren (vgl. idS. etwa VwGH 28.04.1998, Zl. 97/02/0527); ferner ergibt sich Ihre Lenkereigenschaft auch aus Ihrer Stellungnahme vom 06.02.2015. (...)

Die am Tatort relevante Geschwindigkeitsbeschränkung ergibt sich aus der ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26.05.2008. (...)

 

Sie brachten in Ihren Stellungnahmen vor, dass es sich bei den in den Verfahren VerkR96-42265-2014 sowie VerkR96-42266-2014 jeweils zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen um ein Delikt handle, weil im selben Bereich innerhalb von 1 Minute bei einer Fahrt nicht 2 Delikte gleichen Charakters begangen werden können. Mit diesem Vorbringen stellen Sie wohl darauf ab, dass ein fortgesetztes Delikt vorliege.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter einem fortgesetzten Delikt eine Reihe von gesetzeswidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten (vgl. etwa VwGH 23.10.2014, Zl. 2011/07/0205 mwN). Um von einem fortgesetzten Delikt im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sprechen zu können, müssen die Einzelakte vor einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss (von einem sogenannten Gesamtvorsatz) getragen sein, d.h. der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, dass er durch die Begehung mehrerer Teilakte – somit schrittweise – erreichen will. Von einem Gesamtvorsatz kann nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den erstrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines Gesamtkonzepts darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung eines einheitlich gewollten Ganzen erscheinen. Demnach reicht der allgemeine Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begehen, nicht aus, um subjektiv einen Fortsetzungszusammenhang zu begründen. Der Gesamtvorsatz kann auch nicht in einem bloß einheitlichen Motiv erblickt werden (vgl. zuletzt etwas VwGH 26.02.2015, Zl. Ra 2015/07/0014 mwN.). Ein fortgesetztes Delikt lässt sich damit nur vorsätzlich verwirklichen (VwGH 24.06.2014, Zl. 2013/17/0507).

 

Im konkreten Fall war zu berücksichtigen, dass Sie um 15:42 Uhr am Weg in Fahrtrichtung zum Bahnhof (VerkR96-42265-2014) sowie in Folge – auf dem Rückweg – um 15:43 Uhr in Fahrtrichtung vom Bahnhof (VerkR96-42266-2014) in der Bahnhofstraße in Traun, gegenüber Nr. x, unterwegs waren. Daraus ergibt sich, dass Sie – etwa durch Anhalten und Wenden des Fahrzeuges – die erste Geschwindigkeitsübertretung beendeten und dann durch neuerliches Beschleunigen über die höchstzulässige Geschwindigkeit ein neues Delikt setzten. Damit diese Einzelakte als fortgesetztes Delikt im Sinne der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewertet werden können, bedarf es eines Gesamtvorsatzes, wonach die beiden Teilakte der Verwirklichung eines einheitlichen Zieles dienen. Worin dieser Enderfolg bestehen sollte, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar: so reicht nämlich ein einheitliches Motiv – etwa schneller voranzukommen (bspw. um einen Termin nicht zu versäumen; vgl. LVwG Oö. 22.04.2015, Zl. LVwG-600570/6/Sch/HK) – ebenso wenig aus wie der Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietender Gelegenheit zu begehen.

Deshalb war sowohl beim Hin- als auch beim Rückweg ein neuerlicher Willensentschluss zu fassen, die nicht im Rahmen eines Gesamtvorsatzes gelegen sein konnten. Damit ist von zwei Verwaltungsübertretungen auszugehen. (...)“

 

Die mit 30 Euro festgesetzte Geldstrafe wurde von der belangten Behörde unter Hinweis auf § 19 VStG, der bisherigen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin, ihren persönlichen Verhältnissen und der bisherigen Dauer des Verfahrens begründet.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 11. September 2015, erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. September 2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 22. September 2015, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem – allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens begehrt und angeregt wurde, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, GZ PA 1114/482/08, zu beantragen.

 

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrem Schriftsatz nicht die ihr zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung, behauptet allerdings das Vorliegen einer gesetzwidrigen und nicht gehörig kundgemachten Verordnung.

 

Zur näheren Begründung trägt sie vor, nach dem Einfahren in die Zone zu keiner Zeit eine weitere Kundmachung der offenbar auch in der Bahnhofstraße geltenden 30 km/h-Zone zur Kenntnis nehmen haben zu können. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun, welche offenkundig gesetzwidrig zustande gekommen, sei präjudiziell für ihre Bestrafung, da im Falle der Aufhebung dieser Verordnung die allenfalls auch auf einer anderen Verordnung basierende „restliche“ 30 km/h-Zone im Bereich der Bahnhofstraße ohne gehörige Kundmachung für sie geblieben sei, weil sich kein entsprechendes kundmachendes Verkehrszeichen nach der Schlossstraße hin bis zur Bahnhofstraße mehr wieder finde. Wie mittlerweile allgemein bekannt sei, bestünden insbesondere auch beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich massive Bedenken gegen die Verordnung, zumal dem Vernehmen nach vor Verordnungserlassung durch die Behörde weder ein ordnungsgemäßes Verfahren im Sinne der StVO durchgeführt worden sei, noch ein positives verkehrstechnisches, sondern ein negatives Gutachten existiere.

 

Überdies wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Vorwurf der Begehung von zwei Übertretungen des § 52 lit. a Z 11a StVO 1960. Da sie von 15.42 bis 15.43 Uhr die Geschwindigkeit von 30 km/h durchgehend überschritten habe, werde sie – so die Beschwerdeführerin - durch die beiden ergangenen Straferkenntnisse jedenfalls in ihrem Recht nicht mehrfach für ein und dieselbe Tat bestraft zu werden, somit in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt, als ihr zweimal eine Geldstrafe und Kosten für ein Handeln, dass allenfalls nur eine Verwaltungsübertretung darstellen könne, auferlegt werden.

 

I.3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 25. September 2015 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR96-42265-2014, zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.

 

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I.4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.

Zusätzlich wurde Einsicht genommen in das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. November 2015, GZ V 54/2015.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte trotz Antrages der Beschwerdeführerin Abstand genommen werden, da aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für das OÖ. Landesverwaltungsgericht fest steht, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

I.4.2. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Die Beschwerdeführerin lenkte am 23. April 2014 um 15.42 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Traun auf der Bahnhofstraße gegenüber Nr. x in Fahrtrichtung stadtauswärts mit einer Geschwindigkeit – abzüglich der entsprechenden Messtoleranz – von 46 km/h (gemessene Geschwindigkeit 49 km/h). Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem geeichten stationären Messgerät der Type PoliScan Speed und wurde fotografisch durch ein Lichtbild, das den Pkw der Beschwerdeführerin zeigt und die für die Messung erforderlichen Daten (Tatzeit und -ort, erlaubte und gemessene Geschwindigkeit) aufweist, festgehalten. Das verwendete Messgerät wurde laut Eichschein des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 28. November 2011 mit der Nr. 643143 am 14. November 2011 gültig geeicht.

 

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug laut Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, GZ PA 1114/482/08, zum fraglichen Zeitpunkt im tatgegenständlichen Straßenabschnitt, welche laut Auskunft der Stadtpolizei Traun auch entsprechend kundgemacht wurde, gemäß § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 30 km/h. Diese Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun lautet diesbezüglich (auszugsweise) wie folgt:

 

"Gemäß § 40 Abs. 2 Z 4, OÖ. Gemeindeordnung 1990 iVm § 43 Abs. 1 lit. b Z 1 StVO 1960 idgF wurde vom Gemeinderat der Stadt Traun in seiner Sitzung vom 15. Mai 2008 folgende Verkehrsanordnung getroffen:

Für den Bereich innerhalb nachfolgender Straßen wird eine „Zonenbeschränkung auf 30 km/h (§ 52 Z 10a und b StVO iVm § 52 Z 11a und b StVO)“ festgesetzt.

Bahnhofstraße, 17 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße.“

 

Mit Erkenntnis vom 19. November 2015, GZ V 54/2015, hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, GZ PA 1114/482/08, zur Gänze wegen untrennbaren Zusammenhanges als gesetzwidrig auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit 30. Juni 2016 in Kraft tritt.

 

Begründend hielt das Höchstgericht im Wesentlichen fest, dass aus dem Verordnungsakt nicht ersichtlich sei, dass die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung in einem Ermittlungsverfahren festgestellt wurde. So habe sich der straßenverkehrstechnische Sachverständige in einem Gutachten ausdrücklich gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Kremstalstraße im Bereich zwischen der Kreuzung mit der Heinrich-Gruber-Straße im Norden und der Fabrikstraße im Süden ausgesprochen.

Das Ermittlungsverfahren diene dem Zweck, eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrsverhältnisse sowie eine sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, zu ermöglichen, damit die Behörde auf dieser Grundlage die gemäß § 43 StVO 1960 vor Verordnungserlassung gebotene Interessenabwägung zwischen den Interessen an der Verkehrsbeschränkung und dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße vornehmen kann.

Daher könne das versäumte Ermittlungsverfahren nicht nach Verordnungserlassung nachgeholt werden (VfSlg 15.643/1999, 16.805/2003, 17.573/2005). Auch wenn der Gemeinderat der Stadt Traun in der Äußerung Gründe nennt, die eine Interessenabwägung zugunsten der Geschwindigkeitsbeschränkung trotz negativen Sachverständigengutachtens nachvollziehbar machen könnten, so finden sich die Aufzeichnungen zu diesen Überlegungen nicht im Verordnungsakt (vgl. z. B. VfSlg 17.572/2005). Die nachträglich von der Stadt Traun vorgenommene Rechtfertigung vermag die Gesetzwidrigkeit der Verordnung nicht zu beseitigen, zumal die für die Beschränkung sprechenden Gründe auch nicht evident gewesen seien (vgl. bereits VfSlg 15.643/1999, 16.805/2003, 17.573/2005 und 18.401/2008).

 

I.4.3. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des behördlichen Verfahrensaktes und dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.

 

In freier Beweiswürdigung wird angemerkt, dass die Beschwerdeführerin gegen ihre Lenkereigenschaft, den Messvorgang und das Ergebnis der Geschwindigkeits­messung in der Beschwerde keine Einwendungen erhoben hat. Ebenso sind keine Umstände hervorgekommen, welche die Gültigkeit der Messung in Frage stellen würden. Das dem Verfahrensakt beigeschlossene Lichtbild zeigt den von der Beschwerdeführerin gelenkten Pkw mit dem Kennzeichen x samt festgestellter Geschwindigkeit, Tatzeit und Tatort als einziges Fahrzeuges im relevanten Messbereich im ankommenden Verkehr, sodass der ermittelte Messwert damit zweifellos dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin zuzuordnen ist.

 

Für das verwendete Messgerät lag im fraglichen Tatzeitpunkt eine gültige Eichung vor. Das Messgerät wurde laut Eichschein des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 28. November 2011 mit der Nr. x am 14. November 2011 gültig geeicht und die gesetzliche Nacheichfrist des Gerätes war bis 31. Dezember 2014 festgesetzt. Die mittels geeichtem Messgerät der Type PoliScan Speed, bei welchem es sich nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Judikatur um ein absolut taugliches Beweismittel zur Feststellung von Fahrgeschwindigkeiten handelt, festgestellte Geschwindigkeitsübertretung ist daher als erwiesen anzusehen.

 

Laut Auskunft der Stadtpolizei Traun wurde die zugrunde liegende Verordnung des Gemeinderats Traun durch die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen vor Ort entsprechenden kundgemacht. Die Bedenken der Beschwerdeführerin, es liege eine nicht gehörig kundgemachte Verordnung zugrunde, können daher nicht geteilt werden.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

I.5.1. Gemäß § 52 lit. a Z 11a Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960 zeigt das Verkehrszeichen „Zonenbeschränkung“ den Beginn einer Zone an, innerhalb der die durch das eingefügte Zeichen zum Ausdruck gebrachte Verkehrsbeschränkung gilt, wobei in einem Zeichen auch zwei Beschränkungen dargestellt werden können.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.

 

I.5.2. Aufgrund der Aktenlage und der diesbezüglichen Verantwortung der Beschwerdeführerin (vgl. I.4.2. und I.4.3.) steht außer Zweifel, dass die Beschwerdeführerin am 23. April 2014 um 15.42 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen x in der Gemeinde Traun auf der Bahnhofstraße in Fahrtrichtung stadtauswärts lenkte, wobei dessen Geschwindigkeit gegenüber Nr. x mittels geeichten stationären Messgerät PoliScan Speed – nach Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz - mit 46 km/h festgestellt wurde. Die höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit war im tatgegenständlichen Straßenbereich im Tatzeitraum gemäß der Verordnung der Verordnung Gemeinderats der Stadt Traun, GZ PA 1114/482/08, vom 26. Mai 2008, gemäß § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 mit 30 km/h begrenzt.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. November 2015, GZ V 54/2015, diese Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung erst mit 30. Juni 2016 in Kraft tritt. Die Verordnung ist daher (derzeit) noch in Geltung und auf den hier zu beurteilenden Tatzeitpunkt (23. April 2014) auch anzuwenden (vgl. Art. 139 Abs. 6 B-VG).

 

Eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung ist für den Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes so lange rechtswirksam, bis sie aufgehoben wird (z. B. VwGH 30. Juni 2000, 98/02/0335).

 

Sofern die Beschwerdeführerin den Standpunkt vertritt, die ihr zur Last gelegten beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen gemäß § 52 lit.a Z 11a StVO 1960 vom 23. April 2014 würden ein fortgesetztes Begehungsdelikt darstellen und hätten daher nur mit einer einzigen Strafe geahndet werden dürfen, ist sie damit nicht im Recht, lenkte sie doch ihren Pkw zunächst um 15.42 Uhr auf der Bahnhofstraße stadtauswärts und wenig später um 15.43 Uhr auf der Bahnhofstraße in Fahrtrichtung stadteinwärts. Um den Pkw Richtung stadteinwärts zu steuern, musste die Beschwerdeführerin diesen zwangsläufig wenden, sodass damit im Ergebnis auch zwei gesondert zu ahndende Verwaltungsübertretungen vorliegen. Zur näheren Erläuterung wird dazu auf die ausführliche Begründung im behördlichen Straferkenntnis verwiesen. Ein derartiger Verweis ist nach höchstgerichtlicher Judikatur zulässig (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, § 60 AVG, E 16a).

 

Auf Basis der getroffenen Feststellungen steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als erwiesen fest, dass die Beschwerdeführerin die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 iVm § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 in objektiver Hinsicht begangen hat. Es gibt auch keinerlei Hinweis darauf, dass sie an dieser Übertretung kein Verschulden treffen würde, jedoch aber ist das Verschulden der - bislang unbescholtenen – Beschwerdeführerin (noch) als gering einzustufen. Es ist derart zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Ausmaß von 16 km/h – somit um nicht mehr als 20 km/h überschritten und die Übertretung der Aktenlage nach zu keinen tatsächlichen negativen Folgen geführt hat, sodass das geschützte Rechtsgut, nämlich die Verkehrssicherheit, lediglich in geringem Maß beeinträchtigt wurde.

 

In Anbetracht der dargestellten Gesamtumstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 19. November 2015, ist daher im Ergebnis im konkreten Einzelfall ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gerechtfertigt und vertretbar. Damit war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene behördliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

II. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt für die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren als auch gemäß § 66 Abs. 1 VStG zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des behördlichen Verfahrens.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für die Beschwerdeführerin ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Mag.a   Sigrid  E l l m e r

 

Beachte:

Den Revisionen wurde Folge gegeben.

Die angefochtenen Erkenntnisse wurden dahingehend abgeändert, dass die Beschwerden der Mitbeteiligten gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. September 2015, Zlen. VerkR96-42265-2014 und VerkR96-42266-2014, abgewiesen wurden und die Mitbeteiligte gemäß § 52 VwGVG zusätzlich zu den in den genannten Straferkenntnissen bestimmten Verfahrenskosten einen Kostenbeitrag in der Höhe von jeweils € 10,-- zu bezahlen hat. Der Spruch der Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurde jeweils dahin berichtigt, dass bei der verletzten Rechtsvorschrift jeweils die Wendung "§20 Abs. 1 i.V.m." entfällt.

VwGH vom 9. September 2016, Zln.: Ra 2016/02/0118-4 und 0119-4

(siehe auch LVwG-601061/2/SE/Bb)