LVwG-300084/34/Wim/PP

Linz, 19.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde von Herrn Mag. N.T., vertreten durch H. & P., Rechtsanwälte GmbH, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. März 2013, Ge96-103-2012/DJ, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeit­gesetz im fortgesetzten Verfahren nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 2. und 30. März 2016

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Beschwerde­führer als Geschäftsführer der B. G. GmbH (in der Folge: B.) wegen Übertretung des § 9 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) in insgesamt 11 Fällen wegen im Einzelnen detailliert aufgelisteter Überschreitungen der Tages- bzw. der Wochenarbeitszeit Geldstrafen in der Höhe von insgesamt 1.132 Euro, im Nichteinbringungsfall entsprechende Ersatzfrei­heitsstrafen sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

1.2. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. Mai 2014, LVwG-300084/2/Wim/BU/JW (= Ersterkenntnis), wurde eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen, jedoch die ordentliche Revision zugelassen, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gibt, unter welchen Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 4 und 4a AZG bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitszeitbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßig in wirtschaftlichen Nachteils zusätzliche Überstunden im Einzelfall als schriftlich vereinbart gelten.

 

Aufgrund einer des Beschwerdeführers erhobenen ordentlichen Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2015, Zl. Ro 2014/11/0095-3, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In seinen Erwägungen hat der Verwaltungsgerichtshof darin ausgesprochen, dass noch verschiedene nähere Erhebungen und Feststellungen seitens des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich in der Sache zu treffen seien.

 

2.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat daher durch Durchführung von zwei öffentlichen mündlichen Verhandlungen sein Ermittlungsverfahren entsprechend ergänzt. So erfolgten ergänzende Einver­nahmen des Beschwerdeführers, die zeugenschaftliche Einvernahme der Abteilungsleiterin für Zimmertopfpflanzen im maßgeblichen G I. sowie der für das Personalwesen zuständigen Mitarbeiterin in der Zentrale in L. und der tätig gewordenen Arbeitsmedizinerin im Zuge der Erstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach dem Arbeitszeitgesetz.

 

2.2. Ergänzend zu den Feststellungen im Ersterkenntnis geht das Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich von folgendem zusätzlichen entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Den betroffenen Mitarbeitern war der Begriff der Saison und die dabei anfallenden Tätigkeiten sehr wohl bewusst, in dem Sinne, dass es sich dabei um die Monate März bis Juni handelt und hier insbesondere zumindest 50 % des Umsatzes mit sogenannter lebender Ware (Pflanzenverkauf) erfolgt. Weiters war auch bewusst, dass diese lebende Ware spezielle Ansprüche an Pflege und Lagerbedingungen hat und dies oft einen kurzfristigen Arbeitseinsatz z.B. bei extremen Witterungsverhältnissen oder Neuanlieferungen erfordert. Dies war den betroffenen Mitarbeitern und natürlich auch dem Arbeitgeber sehr wohl bekannt und gab es hier bei Abschluss der Vereinbarungen einen entsprechenden Konsens. Auch nach der Übung des redlichen Verkehrs ist es für das Landesverwaltungsgericht einleuchtend, dass beim Pflanzenverkauf im Bereich eines G grundsätzlich die Saison in den Monaten zwischen März und Juni liegt.

 

Hinsichtlich des Arbeitnehmers I.V. wurde schon im Dienstvertrag eine entsprechende allgemeine Klausel aufgenommen, die auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinweist und eine Einzelvereinbarung der Überstunden ermöglicht, die in Bezug auf die konkreten Mehrarbeitszeiten auch gegeben war.

 

Die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbestätigung wurde vom Unternehmen B. an verschiedene Arbeitsinspektorate, darunter auch - speziell auf den Gartenfachmarkt I. adaptiert - an das Arbeits­inspektorat Innsbruck vor der entsprechenden Anzeige übermittelt und von dort auch nicht beanstandet.

 

Der vorübergehende Arbeitskräftebedarf konnte nicht anderwärtig gedeckt werden.

 

2.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den praktisch überein­stimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und den einvernommenen Arbeitnehmerinnen sowie aus der Zusammenschau der vorgelegten Unterlagen insbesondere der Unbedenklichkeitsbescheinigungen und der entsprechenden Einzelvereinbarungen bzw. einer Auslegung der entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers I.V.

 

Bei objektiver Auslegung nach den §§ 914 f ABGB ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht, dass die betreffende Klausel mit dem Wortlaut:

 

„Der Dienstgeber ist berechtigt im Rahmen der gesetzlichen bzw. kollektiv­vertraglichen Bestimmungen Mehr- bzw. Überstunden zu verlangen. Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf (Saison, Inventur ...) kann die Höchstarbeitszeit für den Zeitraum von 24 Wochen (3 x 8 Wochen) je Kalenderjahr auf 60 Stunden pro Woche bzw. 12 Stunden pro Tag ausgeweitet werden. Die Abgeltung der Mehrleistungen erfolgt nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Handelsarbeiter Österreichs.“,

 

aufgrund dieser allgemein gehaltenen Formulierungen auf jeden Fall noch einer Vereinbarung im Einzelfall bedarf, um die konkreten Überstundenleistungen genau festzulegen und durch diese allgemeinen Angaben nur der grobe Rahmen für die Überstundenleistung entsprechend dem AZG festgesetzt wurde. Auch die Wortwahl, dass die Höchstarbeitszeit ausgeweitet werden „kann“, stärkt diese Interpretation. Dass eine solche Einzelvereinbarung auch tatsächlich erfolgt ist, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Aussagen des Beschwerdeführers und auch der einvernommenen Arbeitnehmerin aus I. sowie dem Umstand, dass die Mehrleistungen von Herrn V. anstandslos erbracht wurden. Eine gesonderte Einvernahme scheiterte an einer ladungsfähigen Adresse und eines Wohnsitzes in Österreich.

 

Die Feststellung, dass die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbescheinigung speziell bezogen auf den Gartenmarkt I. auch beim Arbeitsinspektorat Innsbruck vor Übertretung vorgelegt wurde und nicht beanstandet wurde, ergibt sich aus einer telefonischen Nachfrage des erkennenden Richters beim dortigen Arbeitsinspektorat.

 

Auch der Umstand, dass der vorübergehende Arbeitskräftebedarf nicht anderwärtig gedeckt werden konnte, wurde ausreichend durch das Beweisverfahren bestätigt. So erscheint es auch für das erkennende Landesverwaltungsgericht durchaus einsichtig, dass der Arbeitskräftebedarf im Umgang mit der lebenden Ware in der Regel kurzfristig auftritt (Anlieferungen über längere zeitlich nicht immer planbare Transportstrecken aus Südeuropa, bzw. witterungsbedingte Manipulationen aufgrund von Frost- bzw. Sturmwarnung oder dgl.) und wurde auch durch die Vorlage einer Inseratenkampagne, um kurzfristige Aushilfskräfte zu erhalten, die keinen Erfolg zeigte, nochmals belegt.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

3.1. Hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes kann, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Ersterkenntnis verwiesen werden, ebenso wie auf die grundsätzliche rechtliche Beurteilung und die Darstellung der rechtlichen Problembereiche.

 

3.2. Aufgrund der nunmehr ergänzenden Feststellungen erscheinen im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im eingangs zitierten Aufhebungs­erkenntnis die Voraussetzungen hinsichtlich der Verlängerung der Arbeitszeit zumindest im Wesentlichen erfüllt.

 

Da auch der Verwaltungsgerichtshof hier immer nur von Einzelvereinbarungen und nicht von Vereinbarungen im Einzelfall spricht sind, sind diese für die betroffenen Arbeitnehmer als vorhanden anzusehen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Aufhebungserkenntnis auch ausgesprochen, dass es bei der Übertretung nur um die konkrete Mehrarbeitsleistung in der betroffenen Saison geht und nicht um allgemeine sonstige Formulierungen in der Vereinbarung.

 

Auch der Umstand, dass der vorübergehende Arbeitskräftebedarf nicht anderwärtig gedeckt werden konnte, wurde ausreichend durch das Beweisverfahren bestätigt.

 

Auch eine grundsätzliche arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbescheinigung lag vor dem Zeitpunkt der Übertretungen zumindest auch für den G I. und auch in allgemeiner Form vor und wurde diese auch vom Arbeitsinspektorat nicht beanstandet. Selbst wenn der für die diese Unbedenklichkeitsbescheinigung erstellte Erhebungsbogen in seinem Gesamtinhalt nach nicht gerade die spezifischen Tätigkeiten im Mehrarbeitsfall darstellt, so muss zumindest auf der Verschuldensseite dem Beschwerdeführer zu Gute gehalten werden, dass eine Vorlage beim Arbeitsinspektorat Innsbruck auch nicht beanstandet wurde und auch in der Anzeige hier dieser Umstand nicht bemängelt wurde, sondern nur die Tatsache, dass nach Ansicht des Arbeitsinspektorates hier keine ausreichenden Vereinbarungen im Einzelfall vorliegen würden.

 

Somit ist zumindest von der Verschuldensseite her eine subjektive Vorwerf­barkeit der Übertretung hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht gegeben und wurde im Übrigen auch eine mangelnde Qualität der Unbedenklichkeits­bescheinigung auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet bzw. auch diesbezüglich keine weiteren Erhebungen oder Feststellungen gefordert.

 

Da auch die Bestrafung der geringfügigen Arbeitszeitüberschreitungen über 12 Stunden nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Aufhebungserkenntnis nicht isoliert zu betrachten sind, war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG.

 

 


 

Zu III.: Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die grundsätzliche Frage der Notwendigkeit von Einzelver­einbarungen oder Vereinbarungen im Einzelfall für Arbeitszeitüberschreitungen nach wie vor noch nicht durch ein Höchstgericht geklärt erscheint und es dazu divergierende Aussagen in den einschlägigen Kommentaren gibt und diese Problematik durchaus auch nicht auf den Einzelfall beschränkt ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Leopold Wimmer