LVwG-650543/12/Bi

Linz, 08.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A Z, M, L, vertreten durch Herrn RA Dr. J B, A, L, vom 10. Dezember 2015 gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von vom 24. November 2015, FE-1237/2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrs­zuverlässigkeit, aufgrund des Ergebnisses der am 6. April 2016 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid bestätigt.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 7, 24, 25, 26 und 29 FSG die Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der LPD am 13.7.2015 zu F 15/122302 für die Klassen AM und B – wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 2 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Weiters wurde angeordnet, dass der Führerschein unverzüglich ab Rechtskraft des Bescheides abzuliefern sei. Festgehalten wurde gemäß § 13 Abs.2 VwGVG, dass die Beschwerde aufschiebende Wirkung habe.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 7. Dezember 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 6. April 2016 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf und seines Rechtsvertreters RA Dr. J B sowie des Zeugen Meldungsleger RI T L (Ml) durchgeführt. Der Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt. Auf die Zeugeneinvernahme des Ml sowie Einholung eines SV-Gutachtens zu dessen Angaben wurde verzichtet, ebenso auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, sein Name sei falsch geschrieben worden. Die Annahme der belangten Behörde, dass die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei, und die Tatsache, dass die Geschwindigkeits­überschreitung mit einem Messgerät festgestellt worden sei, seien unrichtig. Er habe fristgerecht gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben und dabei auch ausgeführt, er könne sich nicht vorstellen, so schnell gefahren zu sein. Er habe daher die Strafverfügung nicht nur gegen die Strafe bekämpft. Die Geschwindig­keitsfeststellung sei durch Schätzung des Ml erfolgt, der mit seinem Privatmotorrad unterwegs gewesen sei. Dieser selbst habe angegeben, dass sich der Abstand von anfangs 20 auf letztlich geschätzte 50 m vergrößert habe und dass er die Beschleunigung nach 200 m abgebrochen habe, wodurch die Abstandsvergrößerung erklärbar sei. Er habe auch bestätigt, dass der Tacho nicht geeicht sei; insofern sei kein geeichtes Messgerät vorgelegen. Aufgrund dieses Verfahrensmangels sei die belangte Behörde zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt.

Um bei einer Nachfahrt die Geschwindigkeit festzustellen, sei ein annähernd gleicher Tiefenabstand mit dauerndem Sichtkontakt zum verfolgten Fahrzeug, die genaue Kenntnis der Geschwindig­keitsanzeige bzw deren Fehlergröße, ein längerzeitiges Nachfahren mit gleichbleibender Geschwindigkeit und ein mindestens zweimaliges Kontrollieren der Geschwindigkeit am Tacho des Fahrzeuges erforderlich. Diese Kriterien seien hier nicht eingehalten worden, wobei auch denkbar sei, dass der Ml das Motorrad stark beschleunigt habe, um ihn einzuholen, obwohl er nicht so schnell gefahren sei. Die ihm angelastete Geschwindigkeitsüber­schreitung sei jedenfalls nicht haltbar. Beantragt wird die ersatzlose Behebung des Bescheides.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Bf und sein Rechtsvertreter gehört und die Argumente der belangten Behörde berücksichtigt wurden. In der Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage anhand der Rechtsprechung des VwGH erörtert.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr …  gefährden wird.

Gemäß § 7 Abs.3 Z4 leg.cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchst­geschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

Gemäß § 26 Abs.3 Z1 FSG hat die Entziehungsdauer im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 genannten Übertretung – sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs.3 Z3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1 oder 2 vorliegt –  zwei Wochen zu betragen.        

 

Der Bf wurde – auf der Grundlage der Anzeige des Ml vom 12. Mai 2015, sohin gemäß § 47 Abs.1 VStG ohne weiteres Verfahren – mit Strafverfügung des Landespolizeidirektors von vom 22. Mai 2015, VStV/915300729601/2015, einer Übertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 a iVm 99 Abs.2e StVO 1960 schuldig erkannt und mit Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (5 Tagen EFS) bestraft, wobei ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 1. Mai 2015 um 18.17 Uhr in Leonding, B1 bei Strkm 188.240, als Lenker des Kfz L-x im angeführten Bereich, welcher außerhalb des Ortsgebietes liege, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen sei.

Dagegen hat er fristgerecht am 5. Juni 2015 Einspruch ausdrücklich nur in Bezug auf das Strafmaß erhoben, wobei er bestätigte, er sei zu schnell gefahren; er könne sich zwar nicht vorstellen, dass er tatsächlich so schnell gewesen sei, aber es tue ihm leid und er bitte, die Strafhöhe herabzusetzen.

 

Mit Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von vom 26. August 2015 wurde die Geldstrafe auf 200 Euro herabgesetzt, wobei der Schuldspruch nicht mehr wörtlich angeführt wurde. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde erhoben, in der er Argumente gegen die Tatanlastung und somit gegen den Schuldspruch vorbrachte und um Einvernahme des Ml ersuchte, worauf der Ml zeugenschaftlich einvernommen und Parteiengehör gewahrt, die Beschwerde aber mit Beschwerdevorentscheidung vom 20. Oktober 2015, VStV/915300729601/2015, gemäß § 14 Abs.1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen wurde.  

 

Dann erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid vom 24. November 2015 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung.        

 

Der Antrag des mittlerweile rechtsfreundlich vertretenen Bf vom 15. Dezember 2015, gemäß § 52a VStG die „teilrechtskräftige“ Strafverfügung von Amts wegen zu beheben, zumal durch sie das Gesetz zu seinem Nachteil offenkundig verletzt worden sei, und das Verfahren gemäß § 45 VStG einzustellen, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2015, VStV/915300729601/2015, als unzulässig zurückgewiesen.

 

Auf dieser Grundlage war seitens des Landesverwaltungsgerichtes zugrundezulegen, dass der Bf im Sinne des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs der Strafverfügung den ihm zur Last gelegten Tatbestand des      § 99 Abs.2e StVO 1960, nämlich die Überschreitung der außerhalb des Ortsgebietes erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h, erfüllt hat.

Damit war davon auszugehen, dass er eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG verwirklicht hat, für die im § 26 Abs.3 Z1 FSG eine Mindest­entziehungsdauer von zwei Wochen vorgesehen ist.

 

Zu seinem Beschwerdeargument, das Privatmotorrad des Ml habe keinen geeichten Tacho aufgewiesen und sei daher nicht als „technisches Hilfsmittel“ im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG anzusehen, ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/11/0064, zu verweisen: „Aus der Judikatur (Hinweis E vom 21.1.1997, 96/11/0279, E vom 24.2.2009, 2007/11/0042) kann nicht abgeleitet werden, ein Tachometer sei nur dann ein "technisches Hilfsmittel" im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG 1997, wenn er auch geeicht ist. Festzuhalten ist vielmehr, dass entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes in Ermangelung von Hinweisen auf ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichendes Begriffs­verständnis auch ein nicht geeichter Tachometer als "technisches Hilfsmittel" anzusehen ist. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Ausführungen im Ausschussbericht (93 BlgNR, 19. GP), die bestimmte Geräte (beispielsweise) als für eine Ermittlung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung mit technischen Hilfsmitteln in Betracht kommend nennen, um dann anzufügen, dass "bei nicht geeichten Hilfsmitteln … entsprechende Messtoleranzen zu berück­sichtigen" seien, woraus nur der Schluss gezogen werden kann, dass der Gesetzgeber auch nicht geeichte Geräte als technische Hilfsmittel (im Sinne des § 66 Abs.2 lit.i KFG 1967 und damit auch des § 7 Abs.3 Z4 FSG 1997) verstanden wissen wollte.“

 

Bereits aus der der Strafverfügung zugrundeliegenden Anzeige, nämlich im Abschnitt „Information an die Behörde“, ergibt sich unzweifelhaft, dass der Ml nach seinen Feststellungen bei der Nachfahrt von einer auf seinem Tacho angezeigten Geschwindigkeit von zumindest 144 km/h ausging, davon 15 %, das sind 21,6 km/h, abzog und so zur dem Bf zur Last gelegten Geschwindigkeit von 122 km/h gelangte, die eine Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h bedeutete. Damit hat er die bei ungeeichten Tachometern vorgeschriebenen Toleranzen – nämlich 15 % seiner Tachoanzeige und somit mehr als die der ECE-Regelung Nr.39 für die Tachovoreilung entsprechenden 10% +6 km/h, das wären 21 km/h gewesen – abgezogen.

 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom  21. August 2014, Ra 2014/11/0027, ausgesprochen, dass nach ständiger Judikatur die Führerscheinbehörde, wenn eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die im Strafbescheid genannte Tat begangen hat, gebunden ist (vgl zB E vom 27.1.2005, 2003/11/0169, und vom 24.2.2009, 2007/11/0042, jeweils mwN.). Eine Bindung besteht hingegen nicht hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindig­keitsüberschreitung, falls dieses nicht bereits zum Tatbild der Verwaltungs­übertretung zählt, wie dies zB gemäß § 99 Abs. 2d und 2e StVO 1960 der Fall ist.

 

Im ggst Fall liegt eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.2e StVO vor, bei der das Ausmaß der Überschreitung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal darstellt. Auch wurde im – aufgrund des Einspruchs lediglich gegen das Strafmaß sofort in Rechtskraft erwachsenen – Schuldspruch der Strafverfügung vom 22. Mai 2015 dem Bf bereits eine Überschreitung der außerhalb des Ortsgebietes erlaubten Höchst­geschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h zur Last gelegt wurde.

Damit war die Führerscheinbehörde an das Ausmaß der Geschwindigkeits­überschreitung gebunden, an die § 26 Abs.3 Z1 FSG eine bestimmte Folge knüpft, nämlich die Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen. Damit war keine Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen  Bescheides zu erblicken und die Beschwerde abzuweisen, ohne auf die den Schuldspruch in Zweifel stellenden Ausführungen zur Nachfahrt einzugehen. Aus dieser Überlegung erübrigten sich auch die Zeugenbefragung des Ml und die Einholung eines kfztechnischen SV-Gutachtens im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

 

Auch das Argument des Bf, er arbeite erst seit kurzer Zeit bei einem Unternehmen in Enns als Staplerfahrer im Schichtbetrieb und brauche daher seine Lenkberechtigung,  zumal er auch nicht zwei Wochen Urlaub nehmen könne, geht ins Leere:

Bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit bilden allfällige berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema (vgl VwGH 30.5.2001, 2001/11/0081; 23.4.2002, 2000/11/0182). 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; 11.10.2003, B1031/02; 26.2.1999, B 544/97; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 22.11.2002, 2001/11/0108; ua).

 

Aus all diesen Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger