LVwG-780048/6/MB/BD LVwG-780050/2/MB/BD

Linz, 09.03.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerden des Herrn J E, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. A M, x, wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und das sonstige Verhalten der einschreitenden Organe am 21.12.2015 in der Zeit von 7.30 Uhr bis 8.15 Uhr in der Wohnung des Beschwerdeführers V, V durch der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zurechenbare Organe den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wegen Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 VwGVG iVm § 106 StPO als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Die Verhaltensbeschwerde gem. § 88 Abs. 2 SPG wird gem. § 88 Abs. 2 SPG iVm § 18 StPO iVm § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

 

III.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck) die Kosten in der Höhe von 518,40 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro + Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

IV.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2016 übermittelte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt in Form von Beschimpfungen, wegen Richtlinienverletzung aufgrund von Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer sowie wegen Verletzung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Hausrechtes gem. Art. 9 StGG und eine Verhaltensbeschwerde gem. § 88 Abs. 2 SPG.

 

Begründend führt der Bf wie folgt aus:

Der Beschwerdeführer hat RA Mag. A M, x, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und wird ersucht, sämtliche Zustellungen zu dessen Händen zu tätigen.

 

Gegen die aufgrund der Durchsuchungsanordnung vom 18.12.2015, Zahl: 11 ST 263/15k, am 21.12.2015 in der Zeit von 07:30 Uhr bis 08:15 Uhr in der Wohnung des Beschwerdeführers V, V, durchgeführte Hausdurchsuchung durch die Polizeiinspektion Schwanenstadt erhebt der Beschwerdeführer fristgerecht nachstehende

 

BESCHWERDE

 

wegen

1. Ausübung unmittelbarerer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form von Beschimpfungen

2. wegen Richtlinienverletzung aufgrund von Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer sowie

3. Verletzung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Hausrechtes (Art 9 StGG)

 

I. Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Beschwerdegegenstand ist die aufgrund der Durchsuchungsanordnung vom 18.12.2015, Zahl: 11 ST 263/15k, am 21.12.2015 in der Zeit von 07:30 Uhr bis 08:15 Uhr in der Wohnung des Beschwerdeführers V, V, durchgeführte Hausdurchsuchung. Die Beschwerde ist damit rechtzeitig erhoben iSv § 88 (4) SPG.

 

II. Sachverhalt:

Der Enkel des Beschwerdeführers, Herr E E, geb. am x, wurde verdächtigt, im Zeitraum November 2015 bis Dezember 2015 bei mehreren Teilangriffen eine große Menge Suchtgift angekauft und in weiterer Folge gewinnbringend an unbekannte Personen verkauft zu haben. Auf Grund einer gerichtlicher Bewilligung ordnete die Staatsanwaltschaft Wels gem. §§117 Abs. 2, 119 Abs. 1, 120 Abs. 1. Satz StPO, zum Zweck der Sicherstellung von Suchtmitteln und allfälliger Aufzeichnungen über Suchtgiftgeschäfte oder eventuelle Abnehmer und sonstigen Gegenständen, welche auf eine Beteiligung einer strafbaren Handlung hinweisen, die Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten samt Nebenräumen in V, V, an.

Die Hausdurchsuchung wurde von der Polizeiinspektion Schwanenstadt aufgrund der Durchsuchungsanordnung vom 18.12.2015, zu B5/21625/2015 zu Zahl: 11 ST 263/15k, am 21.12.2015 in der Zeit von 07:30 Uhr bis 08:15 Uhr in der Wohnung des Beschwerdeführers V, V, durchgeführt. Der Beschwerdeführer ist der Mieter der Wohnung in der V, V.

Im Zuge der Hausdurchsuchung wurde dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit eingeräumt, durchgehend anwesend zu sein. Die Wohnung, die durchsucht wurde, gehört dem Beschwerdeführer und hat er seinen Enkel, Herrn E E, nur für die Dauer aufgenommen, bis dieser wieder einen Arbeitsplatz hat.

 

Die Hausdurchsuchung ging so von statten, dass drei Polizeibeamte mit dem Enkel des Beschwerdeführers in das sogenannte Kinderzimmer gegangen sind und die Tür hinter sich schlössen. Vor der Tür wurden drei Polizeibeamte postiert. Diese verweigerten dem Beschwerdeführer den Zutritt zu diesem Zimmer. Die Bekanntgabe der Identität der einschreitenden Polizisten wurde auf Nachfrage des Beschwerdeführers verweigert. Im Laufe der Hausdurchsuchung wurde der Beschwerdeführer mehrmals von den einschreitenden Polizisten beschimpft. Auch nachdem der Enkel des Beschwerdeführers abgeführt worden war und noch durchsuchende Beamte im Zimmer waren, wurde dem Beschwerdeführer der Zutritt in das Zimmer verwehrt.

 

 

 

 

 

III. Beschwerdegründe

 

1.

 

Gem. § 88 Abs. 1 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

 

Gem. § 88 Abs. 2 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern das nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

 

 

Die einschreitenden Polizisten haben sich dem Beschwerdeführer gegenüber äußerst respektlos verhalten. Ein solches Verhalten übersteigt den Begriff der „Modalitäten einer gerichtlich angeordneten Maßnahme" bei weitem und stellt für sich alleine betrachtet bereits einen als Akt unmittelbarer Befehls und Zwangsgewalt zu beurteilenden Grundrechtseingriff dar. Es entspricht der ständigen Judikatur der Höchstgerichte, dass ein in eine Amtshandlung eingebetteter privatrechtlicher Akt, der dem Rechtsunterworfenen den Eindruck vermittelt, dass er diesen als Teil des hoheitlichen mit imperium durchgeführten Handelns dulden müsse, jedenfalls auch zu einem - vom Verwaltungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfenden - Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt wird (VfGH v 3.3.2006, B345/05 und VfSlg 14.864/1997).

 

 

 

Zumal der Beschwerdeführer bereits während der laufenden Hausdurchsuchung gegenüber den anwesenden Polizeiorganen gegen die Handlungen der Polizeiorgane protestierte und diese ihr Handeln fortsetzten, konnte der Beschwerdeführer durch die Anwesenheit und Präsenz von Organwaltern zu keinem anderen Schluss kommen, dass auch diese Handlungen ein Teil des kriminalpolizeilichen Handelns waren, dass er zu dulden hatte, (siehe auch VwGH 31.1.2013, 2008/04/0216).

 

 

 

Laut ständiger Rechtsprechung sind Beschimpfungen tauglicher Beschwerdegegenstand eines Verfahrens nach § 88 Abs. 2 SPG. Das steht nicht nur mit der ständigen Judikatur des VWGH (vgl. dessen Erkenntnisse vom 06.12.2007, ZI. 2004/01/0133 VWSLG. 17.331) sondern auch mit der Judikatur des VfGH im Einklang.

 

 

 

Eine Beschimpfung ist mangels Befehl zwar kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sie kann allerdings auf schlichtes Polizeihandeln gem. § 88 Abs. 2 SPG mit Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht bekämpft werden, da sie im Zusammenhang mit einer der Sicherheitsverwaltung zu rechenbaren Amtshandlung erfolgt ist. Beschimpfungen zählen sohin zu schlichten Polizeihandlungen, da sie im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung stehen.

 

Einer der einschreitenden Polizisten gab dem Beschwerdeführer auf seinen Einwand hin -dass er immerhin ein 70 jähriger Pensionist sei, der nicht respektlos behandelt werden darf -nachstehendes an: dass das Alter nicht maßgeblich ist, alt wird jeder, jetzt kommen sie dann wahrscheinlich gleich mit den Menschenrechten und mit dem Anwalt, das kennen wir aber eh schon, das ist eh immer dasselbe..."

 

 

 

Die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht ist sohin gem. Art. 130 Abs. 2 Zif. 1 BvG iVm § 88 Abs. 2 SPG zulässig.

 

 

 

 

 

2.

 

Ferner wurde dem Beschwerdeführer die Dienstnummer der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht mitgeteilt. Sohin erfolgte eine Richtlinienverletzung gemäß § 9 der Richtlinien-Verordnung - RLV, BGBl II Nr 266/1993 idF BGBl II Nr 155/2012.

 

 

 

Gemäß § 31 Abs 1 SPG hat der Bundesminister für Inneres zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen. In diesen Richtlinien ist gemäß Abs 2 zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, dass die Bekanntgabe der Dienstnummern

 

 

 

der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einer der jeweiligen Amtshandlung angemessenen Weise, in der Regel durch Aushändigung einer mit der Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte zu erfolgen hat. Gemäß § 9 Abs 1 der aufgrund von § 31 SPG erlassenen Richlinien-Verordnung haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von einer Amtshandlung Betroffenen auf deren Verlangen ihre Dienstnummer bekanntzugeben. Dies gilt nicht, solange dadurch die Erfüllung der Aufgabe gefährdet wäre. Die Bekanntgabe der Dienstnummer aus anderen Anlässen ist dem Organ freigestellt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes waren zu keiner Zeit der Amtshandlung daran gehindert, dass sie ihre Dienstnummer bekanntgeben.

 

Durch die Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer wurde demnach die Richtlinie gemäß § 9 Abs 1 der Richtlinien-Verordnung verletzt.

 

 

 

3.

 

Nach Art 9 Abs 1 StGG ist das Hausrecht unverletzlich. Gemäß Art 8 Abs 1 EMKR hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Abs 2 ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Unter den Voraussetzungen des § 39 Abs 3 Z 1 SPG darf eine Durchsuchung von Grundstücken und Räumen gegen widerstrebende Personen - insbesondere den Verfügungsberechtigten - auch mit Mitteln der Befehls- und Zwangsgewalt (§ 50 SPG) durchgesetzt werden. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

Im vorliegenden Fall erfolgte die Hausdurchsuch durch die Organe der öffentlichen Sicherheit aufgrund der Durchsuchungsanordnung vom 18.12.2015, Zahl: 11 ST 263/15k.

 

 

 

Bei den einschreitenden Beamten handelt es sich zweifelsfrei um Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen des SPG einschritten, ohne dass gegen den Beschwerdeführer ein Bescheid erlassen worden wäre.

 

 

 

Die Wohnung, die durchsucht wurde, wird von dem Beschwerdeführer bewohnt und hat er seinen Enkel, Herrn E E, nur für die Dauer aufgenommen, bis dieser wieder einen Arbeitsplatz hat.

 

Es war offensichtlich, dass mit Ausnahme des sogenannten Kinderzimmers, in dem der Enkel des Beschwerdeführers schlief, sämtliche anderen Räumlichkeiten ausschließlich vom Beschwerdeführer genutzt werden. Vor Beginn der Hausdurchsuchung wurde der Beschwerdeführer nicht gefragt, welche Räumlichkeiten nunmehr vom dem Enkel bewohnt werden und welche von diesem benutzt wurden. Es war vielmehr so, dass die Polizisten in die Wohnung „preschten" und damit anfingen, gleichzeitig alles zu durchwühlen und zu durchsuchen. Dadurch wurde die Privatsphäre des Beschwerdeführers gröblichst missachtet. Die Hausdurchsuchung war nur bewilligt gegenüber den Räumlichkeiten des Enkels und nicht hinsichtlich des friedfertigen Großvaters.

 

Die Polizisten hätten den Beschwerdeführer befragen müssen, welche Räumlichkeiten von seinem Enkel benutzt werden, anstatt seine privaten Bereiche zu durchforsten. Dem Beschwerdeführer wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt, bei der Durchsuchung durchgehend anwesend zu sein, da wahllos gleichzeitig 10 Personen in der Wohnung, zwei im Stiegenhaus, zum Wühlen anfingen. Bereits beim Antrag für die Haussuchung hätte bekannt sein müssen, dass die Wohnung ausschließlich vom Beschwerdeführer angemietet wurde und der Enkel momentan nur geduldet ist, und lediglich einen Platz zum Schlafen hat.

 

 

 

Durch die Hausdurchsuchung wurde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Hausrechts verletzt.

 

 

 

Es wird sohin

 

beantragt,

 

 

 

- der vorliegenden Beschwerde stattzugeben;

 

- festzustellen, dass eine Richtlinienverletzung gemäß § 9 der Richtlinien-Verordnung - RLV, BGBl II Nr 266/1993 idF BGBl II Nr 155/2012 erfolgt ist sowie

 

- das schlichte Polizeihandeln (die Beschimpfung des Beschwerdeführers) für rechtswidrig zu erklären, da der Beschwerdeführer in seinem nach Art 9 Staatsgrundgesetz iVm § 1 Gesetz vom 27. Oktober 1862, zum Schutze des Hausrechtes RGB l Nr 88/1862 idF BGBl Nr 422/1974 besonders geschützten Rechts verletzt worden ist

 

- sowie den Rechtsträger der belangten Behörde gem. § 35 VwGVG zum Ersatz der entstandenen Kosten zu verpflichten.

 

 

2. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 forderte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Vorlage der entsprechenden Akten und Übermittlung einer Gegenschrift auf.

 

3. Mit Schreiben vom 26. Februar 2016 übermittelte die belangte Behörde den vorhandenen Akt und erstattete nachfolgende Gegenschrift:

 

1. Beschwerdelegitimation und Anfechtungsgegenstand:

Aus unserer Sicht ist eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 18.12.2015 der StA Wels, Zahl: 11 St 263/15k, am 21.12.2015 in der Zeit von 07:30 bis 08:15 Uhr durch Organe der Landespolizeidirektion OÖ. (Hausdurchsuchung in der Wohnung des Bf.) nicht zulässig, weil Gegenstand der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung eine strafprozessuale Handlung zur Klärung des Verdachtes auf eine gerichtliche strafbare Handlung ist.

 

In diesen Fällen ist (derzeit noch) ausschließlich ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO möglich (vgl VfGH 30.06.2015, B 233/2014-15, G 5/2015-16).

 

Die Richtlinienbeschwerde wurde bereits von der LPD beantwortet.

 

2. Verwaltungsakte und Rechtmäßigkeit:

Als Verwaltungsakt liegen uns nur die vom Bezirkspolizeikommando Vöcklabruck übermittelten Unterlagen vor. Eine Befassung unsererseits durch das LVwG erfolgte bisher nicht.

 

Zur inhaltlichen Rechtmäßigkeit der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung erfolgt mangels (derzeitiger) Zuständigkeit keine Äußerung.

 

3. Anträge:

Abschließend wird aus all diesen Gründen daher beantragt,

1.    die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen;

2.    den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten der belangten Behörde für den Vorlage-, Schriftsatz- und  - im Fall einer durchgeführten Verhandlung – Verhandlungsaufwand im Sinn des § 79a Abs 1, 5 und 7 AVG binnen 14 Tagen an den Bund zu verpflichten.

 

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird verzichtet.

 

 

 

 

 

II.

 

1. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

 

2. Gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm §§ 2, 3 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung durch Einzelrichter berufen.

 

 

III.

 

1. Gem. § 1 Abs. 2 Strafprozessordnung (in der Folge: StPO) beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs. 3 StPO) nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§ 48 Abs. 1 Z 2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

 

2. Gem. § 106 Abs. 1 StPO steht jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

·         ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

·         eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

 

Gem. § 106 Abs. 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

3. Gem. § 18 Abs. 1 StPO besteht Kriminalpolizei in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG).

 

Gem. § 18 Abs. 2 StPO obliegt den Sicherheitsbehörden die Kriminalpolizei, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten.

 

4. Entsprechend der Gegenschrift und den Ausführungen in der Beschwerde wurde bei der verfahrensgegenständlichen Handlung der Organe eine Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft Wels, GZ. 11 St 263/15k vollzogen. Grundlage hierfür war der Verdacht des Suchtgifthandels durch den Enkel des Hauptmieters der Wohnung. Die Durchsuchungsanordnung erstreckte sich auf das Zimmer des Enkels des Bf (= Tatverdächtiger im Strafprozess) und die Nebenräumlichkeiten. Der Verstoß gegen § 28a Abs. 1 SMG stellt den Verdacht einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung dar.

 

Insofern handelt es sich bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten des Bf im verfahrensgegenständlichen Prüfbereich um Handlungen, die Organe der Sicherheitsbehörden im Rahmen eines aufrechten Strafprozesses durchgeführt haben. Diese Handlungen wurden überdies aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung von der StA Wels angeordnet.

 

4.1. Auch im Falle eines Exzesses oder ähnlicher Überschreitungen (wie hier: Verwechslung) kann aber lediglich ein Einspruch gem. § 106 StPO (s zum Konzept: VwGH vom 21.01.2015, Zl. Ro 2014/04/0063) erhoben werden, da – wie bereits ausgeführt – aufgrund des Verdachtes einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung vorgegangen wurde.

 

5. Eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht ist dagegen nicht zulässig, denn sowohl Handlungen der Kriminalpolizei ohne Anordnung der StA oder richterlichen Beschluss, als auch Handlungen der Kriminalpolizei mit Anordnung der StA oder richterlichen Beschluss sind im Wege des Einspruches mit Rechtsschutz versehen (s grundlegend Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO, JAP 2014/2015/7 mwN).

 

6. Im Hinblick auf die vorgebrachte Beschwerde gem. § 88 Abs. 2 SPG gilt – unabhängig von der Frage, ob Beschimpfungen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gegenstand einer Verhaltensbeschwerde im Sinne dieser Bestimmung sein können – darauf hinzuweisen, dass dieser formuliert: „-„[...] Außerdem erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist [...]“. Das Vorgehen der verfahrensgegenständlichen Organe basierte auf der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege gem. Art 10 Abs. 1 Z 6 B-VG. Es fand keine Amtshandlung im Rahmen der Besorgung der Sicherheitsverwaltung statt.

 

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 Abs. 3 VwGVG. Im Falle der Zurückweisung der Beschwerde ist die belangte Behörde die obsiegende Partei. Gem. § 35 Abs. 1 VwGVG hat im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Entsprechend dem Antrag der belangten Behörde war daher dem Bund jeweils ein Betrag von 461 Euro gem. § 1 VwG-AufwErsV, BGBl II 517/2013 idF BGBl II 122/2013 zu ersetzen

 

Für Verhaltensbeschwerden gem. § 53 VwGVG gelten die Bestimmungen über Beschwerden gegen die Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (s. Brandstetter/Larcher/Zeinhofer, Die belangte Behörde Rz 238). Eine Aufforderung zur Gegenschrift bzw. Aktenvorlage konnte aufgrund des Beschwerdeschriftsatzes unterbleiben.

 

IV.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

                        Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 10. Juni 2016, Zl.: E 721/2016-5