LVwG-850402/9/Bm/AK - 850409/2

Linz, 23.09.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über den von Frau A G, Herrn Mag. G G, Frau Dr. N W G, Herrn Dr. S W, Herrn D W, Herrn L W, Frau E R S und Herrn Dr. S I G, sämtliche vertreten durch O P D P R GmbH, x, W, zugleich mit der Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. Juni 2015, GZ: Ge20-12-107-2005, gestellten Antrag gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994, die Inanspruchnahme des Rechtes auf vorzeitige Errichtung und Betrieb der Anlage auszuschließen, den

 

 

B e s c h l u s s

 

gefasst:

 

I.         Gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 78 Abs. 1 GewO 1994 wird dem Antrag, die Inanspruchnahme des Rechtes der Konsenswerberin auf vorzeitige Errichtung und Betrieb der Anlage auszuschließen, keine Folge gegeben.

 

 

II.      Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. Juni 2015,
GZ: Ge20-12-107-2005, wurde der x R W A A, W, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch Neuer­richtung von 28 Siloanlagen und Förderanlagen, einer Annahmeanlage mit Trock­nungsanlage, eines Bürogebäudes anstelle des bestehenden Bürogebäudes und der Transportwege (Vorhaben 1) sowie Erweiterung der bestehenden Anlage um einen Silo in nördlicher Richtung (Vorhaben 2) auf den Grundstücken Nr. .x, x, x, alle KG A D, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, aufgrund der Bestimmungen des § 81 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage ebenfalls einer Genehmigung, wenn dies zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Interessen erforderlich ist. Insbesondere ist darauf zu achten, dass das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet wird, die Nachbarn nicht durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise belästigt werden, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nicht wesentlich beeinträchtigt und dass keine nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeigeführt werden. Unter Beiziehung aller erforderlichen Sachverständigen prüfte die Bezirkshauptmannschaft Eferding, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind und ob auch der Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet wird. Die Sachverständigen wurden mit den Vorbringen der MG A D und der Nachbarn ausführlich befasst.

Zusammengefasst kamen die Sachverständigen für Gewerbetechnik, Maschinen­bautechnik und Anlagensicherheit, Lärmschutz, Luftreinhaltung und Hydrologie sowie der beigezogene Sachverständige für Medizin zum Schluss, dass die genannten Interessen nicht verletzt werden, dass es insbesondere zu keiner Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen kommt, dass die Nachbarn nicht durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise belästigt werden, dass die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nicht wesentlich beeinträchtigt und dass keine nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeigeführt werden.

Auf die Einwendungen der Nachbarn wurde von der belangten Behörde im Einzel­nen unter Bezugnahme auf die jeweiligen eingeholten Gutachten eingegangen.

 

2. Gegen diesen Bescheid haben die Nachbarn A G, Mag. G G, Dr. N W G, Dr. S W, D W, L W, E R Sund Dr. S I G (in der Folge: Beschwerdeführer - Bf) innerhalb offener Frist durch ihre anwaltliche Vertretung Beschwerde eingebracht und darin im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid sei einerseits inhaltlich und anderer­seits infolge der Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften rechts­widrig.

Den Bf sei die Einsicht in den vollständigen Projektakt nicht ermöglicht worden. Die x habe ein unfertiges Projekt eingereicht und sei die mündliche Verhandlung am 4. September 2014 deshalb sogar abgebrochen und vertagt worden. Vor der neuerlichen Verhandlung am 4. Dezember 2014 hätten die Bf versucht, auf der M G A D in die Projektunterlagen Einsicht zu nehmen. Dort sei mitgeteilt worden, dass der Akt nicht vollständig verfügbar sei. Deshalb sei auch ein Antrag auf Ver­tagung der mündlichen Verhandlung gestellt worden, den die belangte Behörde abgelehnt habe. Doch auch am 4. Dezember 2014 seien die von der x vorge­legten Unterlagen weder vollständig noch inhaltlich richtig gewesen. Daher habe weder für die Amtssachverständigen eine valide Basis vorgelegen, die Auswir­kungen durch das Vorhaben auf die Nachbarn im Sinne der GewO zu beurteilen, noch hätte die belangte Behörde das Verfahren abschließen dürfen. Darüber hi­naus seien die Bf massiv in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.

Es gebe Anhaltspunkte, dass die von der belangten Behörde herangezogenen Amtssachverständigen, insbesondere der für Lärmschutz herangezogene
Dipl.-Ing. W G sowie der für Luftreinhaltung herangezogene A U, nicht gänzlich unbefangen seien. Die erwähnten Amtssachverständigen würden mit den auf Seite 2 der Verhandlungsschrift vom 4. Dezember 2014 genannten Projektanten das „Du-Wort“ in öffentlicher Sitzung pflegen.

Zudem seien in laufender öffentlicher Verhandlung von den Amtssachverstän­digen mit den Projektanten Beratungen abgehalten und teilweise Projekt­ergänzungen vorgenommen worden. Auch seien Fehlangaben in den Projekt­unterlagen durch die Amtssachverständigen korrigiert worden. Dass es sich dabei nicht um die Aufgabe des Amtssachverständigen handle, brauche nicht näher erläutert werden. Dass damit aber wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden seien und die Unabhängigkeit der Amtssachverständigen nicht zweifels­frei gegeben sei, sei evident.

Der bekämpfte Bescheid sei auch inhaltlich rechtswidrig. Die von der x zur Betriebsanlagenerweiterung vorgesehenen Grundstücke Nr. x, x, x, alle KG A D, seien im Bescheid zur Anpassung des wasserrechtlichen Schutzgebietes vom April 2015 (GZ: Wa-301991/56-2005-Gra/Lei) in ihren südlichen oder westlichen Teilen als Schutzgebiete ausgewiesen worden. Der bekämpfte Bescheid setze sich über die im oben genannten wasserrechtlichen Bescheid normativen Anordnungen hinweg und konterkariere diese. Der Bescheid zur Anpassung des wasserrechtlichen Schutzgebietes sehe vor, dass die Errichtung von gewerblichen und industriellen Betrieben bzw. Betriebsanlagen, bei denen aufgrund der Betriebs- und Produktionsweisen wassergefährdende Stoffe eingesetzt, abge­leitet, gelagert oder manipuliert werden, verboten sei. Im weiteren Schutzgebiet sowie im engeren Schutzgebiet seien z.B. die Lagerung sowie der Umschlag von grundwassergefährdenden Stoffen verboten. Die Verbote im engeren Schutz­gebiet seien ignoriert worden. Auch dürfe keine dauerhafte Entfernung des belebten Oberbodens erfolgen und seien Aufgrabungen jeder Art verboten.

Die zur vermeidlichen Abschirmung von Lärmemissionen projektierte Lärm­schutzwand entspreche aufgrund ihrer Fundamentierung bzw. Verankerung nicht den Auflagen des Schutzgebietes. Aus der Verhandlungsschrift vom 4. Dezember 2014, Seite 26, gehe hervor, dass weder die Frage der Dachwässer, noch die Schallschutzwand einer finalen Beurteilung des Amtssachverständigen unterzogen habe werden können, was einen wesentlichen Verfahrensmangel dar­stelle. Sollten daher Änderungen an der projektierten Lärmschutzwand erforder­lich sein, so ändere dies wiederum die dem Projekt zugrunde liegenden, von uns angezweifelten lärmschutztechnischen Einrichtungen.

Ohne forstrechtliche Genehmigung habe die x Wald rechtswidrig gerodet.

Die rechtswidrige und genehmigungslose Rodung habe massive nachteilige Aus­wirkungen. Dem bekämpften Bescheid sei zu entnehmen, dass angeblich ein forstrechtliches Verfahren stattgefunden habe. Jedoch hätte eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt werden dürfen. Das insbesondere deshalb, da der rechtswidrig und genehmigungslos gerodete Wald den Status eines Schutzwaldes habe und überdies eine Rodung mit wasserrechtlichen Vorschriften nicht verein­bar sei.

Eine Wiederaufforstung schließe eine Erweiterung der Betriebsanlage oder Bau­tätigkeit aus. Über seine Schutzfunktion hinaus stelle dieser Wald einen Objekt­schutzwald für die ihn umgebenden Siedlungsgebiete dar.

Im lufttechnischen Projekt, das dem bekämpften Bescheide zugrunde liege, sei gänzlich unberücksichtigt gelassen worden, welche Auswirkungen durch die Zu- und Abfahrten im Zusammenhang mit dem Vorhaben zu erwarten seien. Die Behörde habe kein Verkehrskonzept erstellen lassen. Durch das erhöhte Ver­kehrsaufkommen werde jedoch massiv in die subjektiv-öffentlichen Rechte der Bf, insbesondere der Belästigung durch Abgase, Lärm und Staub, eingegriffen. Die Belästigungen würden jedenfalls ein Ausmaß erreichen, das die Gesundheit beeinträchtige und gefährde.

Die belangte Behörde habe es unterlassen, festzustellen, welche Auswirkungen die Zu- und Abfahrten und der erhöhte Werkverkehr tatsächlich haben würden. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Projektunterlagen der x, insbesondere im Zusammenhang mit dem lufttechnischen Projekt, schlicht falsch seien. Hierzu sei ein Gutachten vorgelegt worden, das die Fehler im lufttechnischen Projekt aufzeige. Die Amtssachver­ständigen sowie die x hätten das Gutachten nicht entkräften können.

Bei der Beurteilung der Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit sei nicht auf den Maßstab eines gesunden, normal empfindenden Kindes oder Erwachsenen abzustellen. Mit anderen Worten: Besondere Gegebenheiten seien gesondert zu prüfen. Das habe die belangte Behörde schlicht unterlassen. Es sei darauf hinge­wiesen worden, dass der 6. Bf unter kindlichem „Diabetes Mellitus“ leide. Gerade bei dieser Erkrankung sei es unerlässlich, einen regelmäßigen und geordneten Schlafrhythmus zu haben. Ein solcher sei durch den Bestand der jetzigen Anlage bereits gefährdet und wäre bei Realisierung des Vorhabens schlicht unmöglich. Im bekämpften Bescheid finde sich mit keinem Wort, dass die Lärmschutzwand in Richtung des Grundstückes der Bf tatsächlich im projektierten Umfang errichtet werde. Es sei nicht nachvollziehbar: Sämtliche Annahmen und Berech­nungen der Amtssachverständigen würden sich ausschließlich auf die Daten unter Berücksichtigung der Lärmschutzwand stützen. Zudem sei die Lärmschutz­wand völlig unzureichend projektiert. So sei bis dato nicht klar, wie die Lärm­schutzwand tatsächlich ausgeführt werden würde. Sowohl der wasserrechtliche Sachverständige als auch der bautechnische Sachverständige hätten sich in der mündlichen Verhandlung außer Stande gesehen, die projektierte Lärmschutz­wand einer finalen Beurteilung zu unterziehen.

Das schalltechnische Gutachten und somit auch die Feststellungen des lärmtech­nischen Sachverständigen würden darüber hinaus angezweifelt werden. Einer­seits komme es zu erheblichen, für die Antragstellerin günstigeren Ergebnissen, zum anderen seien die Messungen unbemannt durchgeführt worden und darüber hinaus in fragwürdiger Art und Weise. So sei neben das Messgerät ein Bagger positioniert worden, der offenbar einen bereits hohen Betriebslärm generieren sollte.

Es sei in Oberösterreich gängige Praxis zwischen Dauergeräuschen, also ohne Unterbrechung anhaltender Schallemissionen und variablen Geräuschen, zu unterscheiden. Demnach würden Dauergeräusche den ortsüblichen LA95-Wert nicht überschreiten dürfen. Umso unverständlicher sei es, dass dieses Kriterium im gegenständlichen Verfahren bisher keine Rolle gespielt habe. Es könne auch insofern gar nicht geprüft werden, da in keinem der von der Konsenswerberin vorgelegten schalltechnischen Projekte eine Trennung der Schallquellen nach Dauergeräuschen und variablen Geräuschen vorgenommen worden sei. Auch werde festgestellt, dass die Konsenswerberin nicht angegeben habe, welche der angenommenen Schallquellen eine Frequenzhaltigkeit und eine Impulshaltigkeit aufweise. Dies sei aber wesentlich, um das Erfordernis von Zuschlägen zum Beurteilungspegel zu bewerten. So habe das zur Erntezeit im S A hörbare Quietschen von Fördersystemen eine deutlich wahrnehmbare Frequenzhaltigkeit. Relevante Immissionspunkte würden sich in der A OG1 und OG2 im S A sowie im Garten E auf der Höhe 1,5 m befinden. Für diese Punkte würden keine detaillierten Prognosen der betrieblich verursachten Schallquellen vorliegen.

Im schalltechnischen Projekt würde der zulässige Beurteilungspegel im Schlaf­zimmer mit 35 dB angegeben werden. Dieser Wert liege um 10 dB über der WHO-Empfehlung. Gängige Praxis in Oberösterreich sowie vom Verwaltungs­gerichtshof vorgegeben, sei eine Begrenzung der Beurteilungspegel in Schlaf­räumen auf 20 dB bis maximal 25 dB.

Aus dem oben Gesagten folge daher, dass auch die Beurteilung des medizi­nischen Sachverständigen unrichtig und der Bescheid daher rechtswidrig sei. Die Bemerkung des medizinischen Sachverständigen, „man könne auch bei 40 dB schlafen“, könne daher nur als unangebrachter Zynismus bezeichnet werden.

Zudem sei erforderlich, dass die Schallquelle „Brennergeräusch“ (LW maximal 100 dB) vorgeschrieben und eingehalten werde. Bei diesem Schallpegel sei eine Abschirmung mit hochabsorbierenden Elementen angenommen worden. Es solle nach der Ausführung überprüft werden, ob diese Annahme wirklich zutreffe.

S A stehe unter Denkmalschutz. Es sei dargelegt worden, dass durch den Bau sowie den Bestand der erweiterten Betriebsanlage das Eigentum der Bf gefährdet werden würde. Jedenfalls gehe diese Gefährdung über den bloßen Wertverlust hinaus.

Unter Eigentum im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO seien grundsätzlich nur unbewegliche Sachen zu verstehen. Von einer Gefährdung könne gesprochen werden, wenn das Eigentum in der Substanz bedroht sei. Genau das liege im gegenständlichen Fall vor, indem eine Betriebsanlage in unmittelbarer Nähe errichtet werde und die sowohl während des Baues als auch während des Bestandes das Eigentum massiv beschädigen und die Substanz beeinträchtigen werde. Es sei verlangt worden, dass sowohl ein Gutachten des Bundesdenkmal­amtes eingeholt werde und ein Sachverständiger die Auswirkungen untersuche. All das sei nicht erfolgt. Bei einer Betriebsanlage dieses Ausmaßes sei jedenfalls zu befürchten, dass S A Schaden nehme, sohin verletze der bekämpfte Bescheid auch das Grundrecht auf Schutz des Eigentums gemäß Art. 5 StGG.

 

Die Anlieferung und der Abtransport der in der Betriebsanlage verarbeiteten Waren erfolge zu einem wesentlichen Teil über Eisenbahnen. Der damit im Zusammenhang stehende Eisenbahnverkehr sei jedoch sowohl seitens der x als auch seitens der belangten Behörde gänzlich unberücksichtigt gelassen worden, obwohl von der Eisenbahnanlage und damit verbunden auch von dem Eisenbahn­verkehr erhebliche Lärmemissionen ausgehen würden.

 

Auflage 70. lautet wie folgt:

„Die Fahrwege und die Verladestationen sind regelmäßig zu reinigen und sauber zu halten.“

Hierzu ist festzuhalten, dass diese Auflage unbestimmt und daher gesetzwidrig sei. Es werde nicht festgelegt, wie oft und auf welche Art die Straße gereinigt werden müsse. Regelmäßig wäre auch nur monatlich oder gar jährlich.

Noch dazu sei auch die Art und Weise unbestimmt, wie die Reinigung erfolgen müsse. Theoretisch könne man darunter auch ein manuelles Kehren verstehen, was wohl nicht gemeint sein könne. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass nach der technischen Grundlage zur Beurteilung diffuser Staubemissionen hinsichtlich der Beurteilung von Staubemissionen durch regelmäßiges Kehren die Staubbe­lastung nur auf 10 g/m2 gesenkt werden könne. In dem dem Bescheid zugrunde liegenden lufttechnischen Projekt werde jedoch ein Wert von nur 0,6 g/ ange­setzt. Im Ergebnis führe dies zu einer wesentlichen Fehleinschätzung der Fein­staubemissionen, die trotz entsprechender Hinweise weder von der Konsenswer­berin noch von der belangten Behörde gewürdigt worden sei.

Bei Beachtung sämtlicher wasserrechtlicher und auch hochwasserschutzrecht­licher Vorgaben hätte weder die Umwidmung in Industriegebiet, noch die Ertei­lung der Betriebsanlagengenehmigung erfolgen dürfen. Gegenständliche Grund­stücke würden sowohl im Gebiet „Überflutung bei 30-jährlichem Hochwasser möglich“ sowie „Überflutung bei 100-jährlichem Hochwasser möglich“ liegen. Gemäß § 21 Abs. 1 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 würden jedoch Flächen, die sich wegen der natürlichen Gegebenheiten (wie Grundwasserstand, Hochwasser­gefahr, Steinschlag, Bodenbeschaffenheit, Lawinengefahr) für eine zweckmäßige Bebauung nicht eignen, nicht als Bauland gewidmet werden dürfen. Darüber hinaus sehe § 21 Abs. 1a leg.cit. vor, dass Flächen im 30-jährlichen Hochwasser­abflussbereich nicht als Bauland gewidmet werden dürfen. Das heißt, die Behörde hätte von Amts wegen diese Vorgabe zu beachten gehabt.

 

Aus diesen Gründen werden die Anträge gestellt:

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge

-       der Beschwerde jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuerkennen;

-       Gutachten von unabhängigen Sachverständigen für Hydrologie, Lärmschutz, Denkmalschutz, Medizin und Luftreinhaltung einholen;

-       eine mündliche Verhandlung durchführen und

-       den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückver­weisen;

-       in eventu, in der Sache selbst entscheiden und auf Basis von Gutachten unabhängiger Sachverständiger für Hydrologie, Lärmschutz, Denkmalschutz, Medizin und Luftreinhaltung den Bescheid dahingehend abändern, dass durch die Vorschreibung von Auflagen Gefährdungen des Eigentums, Gesundheits­gefährdungen und Belästigungen hintan gehalten werden.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungs­verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) zur Ent­scheidungsfindung vorgelegt.

 

4. Über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Ausschluss der Inanspruchnahme des Rechtes der Konsenswerberin auf vorzeitige Errichtung und Betrieb der Anlage) hat das LVwG erwogen:

 

4.1. Gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungs­werber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass aufgrund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berech­tigung wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

 

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung haben Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 Z 1 B-VG keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzu­erkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

4.2. Dem oben zitierten § 78 Abs. 1 GewO 1994 ist, abweichend von § 13 Abs. 1 VwGVG, zu entnehmen, dass einer Beschwerde im Verfahren betreffend Errich­tung und Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage eine aufschiebende Wirkung ex lege nicht zukommt. Vielmehr ermöglicht § 78 Abs. 1 GewO 1994 der Konsenswerberin die Errichtung und den Betrieb einer Anlage trotz eingebrachter Beschwerde, sofern die Projektvorgaben und Auflagen eingehalten werden. Die Betriebsanlage darf demnach auch bei noch nicht vorliegender formeller Rechts­kraft vorläufig im Rahmen des behördlichen Konsenses betrieben werden.

Demnach entspricht die Spezialnorm des § 78 Abs. 1 GewO 1994 in Bezug auf das Nichtvorliegen einer aufschiebenden Wirkung von dagegen eingebrachten Beschwerden in etwa dem § 13 Abs. 3 sowie § 22 Abs. 1 VwGVG.

In diesen Fällen hat die Behörde jedoch ausschließlich auf Antrag des Beschwer­deführers unter bestimmten Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen.

Nach § 78 Abs. 1 GewO 1994 hat jedoch die Behörde - ausschließlich von Amts wegen - diese aufschiebende Wirkung auszuschließen, ein Recht einer Antrag­stellung des Beschwerdeführers ist hier nicht vorgesehen und demnach nicht zulässig. Nachdem § 78 Abs. 1 gegenüber § 13 Abs. 1 VwGVG die Spezialnorm darstellt, derogiert sie der verfahrensrechtlichen Bestimmung.

Mangels eines in § 78 Abs. 1 leg.cit. vorgesehenen Antrages der Bf auf Zuerken­nung der aufschiebenden Wirkung haben die Bf daher auch keinen Anspruch auf Erlassung eines derartigen Bescheides und kann schon aus diesem Grund dem Antrag der Bf alleine für sich zulässigerweise nicht stattgegeben werden.

 

Dessen ungeachtet ist aber auch im Beschwerdeverfahren kein den Ausschluss des Rechtes nach § 78 Abs. 1 GewO 1994 rechtfertigendes Vorbringen zu erkennen:

 

Der von den Bf angestrebte Rechtsausschluss ist an die Erfüllung strenger Tatbestandsvoraussetzungen gebunden. So genügen nicht (unzumutbare) Beläs­tigungen oder Einwirkungen, sondern hat sich das Vorbringen auf die Gefährdung des Lebens und der Gesundheit konkret und unmittelbar einzulassen, und zwar in einer solchen qualitativen Dichte, dass schon daraus hervorgeht, weshalb die Gefährdung durch das beantragte Vorhaben trotz Einhaltung der bezughabenden Auflagen des angefochtenen Bescheides nicht nur nicht auszuschließen, sondern - darüber hinausreichend - geradezu „zu erwarten ist“.

Ein solcherart taugliches Vorbringen ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

 

Gegenstand des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens ist die Änderung der bestehenden Betriebsanlage im Standort A D durch die Errichtung von 28 Silo­anlagen und Förderanlagen, Neuerrichtung einer Annahmeanlage mit Trock­nungsanlage und Neuerrichtung eines Bürogebäudes anstelle des bestehenden Bürogebäudes.

Von der Konsenswerberin wurden die nach § 353 GewO 1994 festgeschriebenen Projektunterlagen, unter anderem ein lufttechnisches Projekt, ein schalltechni­sches Projekt und ein Explosionsschutzkonzept, gemeinsam mit dem Ansuchen vorgelegt.

Im Grunde dieses Ansuchens wurde von der belangten Behörde ein umfang­reiches Ermittlungsverfahren unter Beiziehung von Amtssachverständigen aus den Bereichen Gewerbetechnik, Maschinenbautechnik und Anlagensicherheit, Lärmschutz, Luftreinhaltetechnik, Hydrologie und Medizin durchgeführt und basierend auf den Ermittlungsergebnissen die gewerbebehördliche Genehmigung unter Vorschreibung von zahlreichen Auflagen erteilt.

 

In der Beschwerde wenden die Bf Unschlüssigkeit des Ansuchens sowie Unschlüssigkeit des lärmtechnischen, luftreinhaltetechnischen und medizinischen Gutachtens ein. Mit diesem Vorbringen vermögen die Bf jedoch nicht konkret eine besondere Situation des Einzelfalles darzutun, wonach trotz Einhaltung der mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Auflagen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

 

Diese Einwendungen wurden zum wesentlichen Teil bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht und haben sich die Sachverständigen damit inhaltlich ausführlich auseinander gesetzt; ebenfalls eingegangen sind die Amtssach­verständigen auf die von den Bf vorgelegten Gutachten des Herrn Dipl.-Ing. Dr. J W sowie des Herrn Univ.-Doz. Mag. Dr. G H. Die von den Amtssachverständigen zu diesen Gutachten getätigten Aussagen sind grundsätzlich nachvollziehbar und jedenfalls nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. Diese Amtssachver­ständigengutachten sowie das Gutachten des Amtssachverständigen für Medizin lassen für das erkennende Gericht den Schluss zu, dass eine über die (unzu­mutbare) Belästigung hinausgehende Gesundheitsgefährdung durch das bean­tragte Vorhaben nicht zu erwarten ist.

 

Soweit die Bf einwenden, der mj. Bf W L leide unter „Diabetes Mellitus“ und sei darauf konkret abzustellen, so ist hierzu auszuführen, dass bei der Beurteilung einer Gesundheitsgefährdung nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist, sondern von einer dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden, objektiven Gegebenheiten Rechnung tragenden Durchschnittsbetrachtung auszu­gehen ist (VwGH 31.3.1992, 91/04/0306).

 

Von den Bf wird weiters ein Widerspruch mit wasserrechtlichen Vorschriften ein­gewendet; inwieweit dadurch eine konkrete Gefährdung der Gesundheit der Bf zu erwarten ist, wird von den Bf nicht näher ausgeführt.

 

Aus den oben angeführten Sach- und Rechtsgründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Bemerkt wird, dass mit diesem Beschluss keinesfalls der vom LVwG noch zu treffenden Entscheidung über die Bescheidbeschwerde der Nachbarn vorgegriffen wird. Weitere Beschwerdevorbringen werden im Rahmen des noch zu führenden Beschwerdeverfahrens im Grunde der §§ 74, 77 und 81 GewO 1994 zu beur­teilen sein, und zwar unabhängig von dem vorliegenden Beschluss.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung wird im Rahmen des Beschwerdeverfah­rens durchgeführt.

 

 

Zu II.:

 

Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4
B-VG ist im gegenständlichen Fall zulässig. Eine Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes zur Frage, ob beschwerdeführenden Nachbarn zur Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung im Grunde des § 78 Abs. 1 GewO 1994 ein Recht auf Antragstellung zukommt oder nicht, liegt derzeit nicht vor. Dieser Frage kommt auch über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeu­tung zu.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzu­bringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Michaela Bismaier