LVwG-650592/2/Bi

Linz, 02.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn T P, vom 29. Februar 2016 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 8. Februar 2016, VerkR21-285-2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung,

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in Folge: Bf), von der Abnahme der Lenkberechtigung abzusehen, abgewiesen und ihm gemäß §§ 7 Abs.1 Z2 und Abs.3 Z8, 24 Abs.1 Z1 und 25 Abs.1 und 3 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, E und F (Führerschein ausgestellt am 2.9.2014 von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu Nr.14358266) für die Dauer von 19 Monaten, gerechnet ab 24. Februar 2015, entzogen und ihm gemäß § 30 Abs.1 FSG für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 9. Februar 2016.

2. Ausdrücklich nur gegen die Entziehungsdauer hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landes­verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, es sei richtig, dass er viele Vorstrafen habe und ihm wegen seiner Delikte die Lenkberechtigung abgenommen worden sei. Seine Beschwerde richte sich gegen die Dauer von 19 Monaten, die zur Folge habe, dass er die Prüfung neu machen müsse, um seinem Beruf als Kraftfahrer nachgehen zu können. Er befinde sich im Privatkonkurs – Beschluss BG Perg 3.12.2015, 2S 36/15d – und könne sich die Kosten einer neuerlichen Fahrprüfung nicht leisten. Er bitte, die Entziehungsdauer auf ein Maß zu beschränken, das ihm Kosten zu ersparen helfe. Ein fehlender Führerschein erschwere ihm die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben, wobei er eine neue Beschäftigung als Kraftfahrer ab 2. Mai 2016 hätte – dazu legte er eine „Dienst­vereinbarung“ der x HandelsgesmbH, Traun, vor über einen möglichen Dienstbeginn als Kraftfahrer am 2.5.2016.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der am 21.5.1967 geborene Bf wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. Juli 2015, 22HV 19/15g-28,

A I.) des teils versuchten und der teils vollendeten Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 1.Fall, 15 Abs.1 StGB

A II.) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs.1 Z2 3.Fall StGB,

A III.) des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 Abs.1, 105 Abs.1 StGB – Tatzeit im August 2013,

B) der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs.3 Satz 1 und 2 StGB und

C) der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs.3a StGB, – Tatzeitraum von Mitte 2013 bis 24.2.2015,    

schuldig erkannt und gemäß § 207 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, wovon 10 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden. 

Ihm wurde für die unbedingten 5 Monate Haft bis 30. Juni 2016 Strafaufschub gewährt mit der Auflage, sich während dieser Zeit einer Sexualtherapie zu unterziehen und einer sozialversicherungspflichtigen Vollbeschäftigung nach­zugehen und dies vierteljährlich dem Gericht nachzuweisen.

Laut Urteilsbegründung war das umfassende und reumütige Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, und die Therapiewilligkeit mildernd, zahlreiche einschlägige Vorstrafen, das Zusammen­treffen von Verbrechen und Vergehen und der äußerst rasche Rückfall erschwerend.

 

Im Verfahren vor der belangten Behörde war geltend gemacht worden, der Bf habe 5 Sorgepflichten, verbunden mit der daraus resultierenden erheblichen Verantwortung und entsprechenden finanziellen Pflichten, er absolviere die Therapie, übe seinen Beruf als Taxilenker intensiv aus, wobei sich die Einsätze, auf Ersuchen des Innenministeriums Flüchtlinge zu überstellen, vermehrt hätten, und eine entsprechende Verantwortung im Schuldenregulierungsverfahren. Die Lebensgemeinschaft mit Frau S.H. gebe ihm erheblichen Halt und garantiere einen familiär orientierten Lebensablauf.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie sich wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.

Gemäß § 207 Abs.1 StGB ist zu bestrafen, wer außer dem Fall des § 206 („Schwerer sexueller Missbrauch“) eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornimmt oder von einer unmündigen Peron an sich vornehmen lässt.

 

Basierend auf den Ausführungen im oben zitierten Urteil ist das dem Bf im Spruchpunkt A umschriebene Verhalten des Bf entscheidungswesentlich, zumal ein solches Verhalten ohne Zweifel auf eine Sinnesart schließen lässt, die befürchten lässt, dass er sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Zugrundezulegen ist, dass er im August 2013 bei etwa vier Gelegenheiten geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person (unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person), nämlich der 2002 geborenen N.B., vorgenommen bzw vorzunehmen versucht hat, indem er sie unter dem T-Shirt über dem BH an den Brüsten streichelte, wobei es hinsichtlich eines Vorfalls beim Versuch blieb, weil das Mädchen aus dem Zimmer lief. Er versuchte außerdem, N.B. mit Gewalt zur Duldung eines Zungenkusses zu nötigen, indem er sie aufforderte, mit ihm in sein Schlafzimmer zu gehen, sie dort an den Schultern packte und an sich heranzog und küsste, wobei es beim Versuch blieb, weil das Mädchen den Kopf wegdrehte und die Lippen und Zähne zusammenpresste. 

 

Er hat durch sein im Schuldspruch unter Punkt A des Urteiles des Landesgerichtes Linz beschriebenes Verhalten zweifelsohne eine bestimmte Tatsache verwirklicht, die gemäß § 7 Abs. 4 FSG einer Wertung zu unterziehen ist – gemäß dieser Bestimmung sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 25 Abs.3 1. Satz FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Zu bedenken ist, dass sich die hinsichtlich § 7 FSG relevanten strafbaren Handlungen bereits im August 2013 ereignet haben, wobei die Entziehung erst ab dem Datum der letzten strafbaren Handlung (gemäß § 207a), dem 24. Februar 2015, ausgesprochen wurde. Schon zwischen diesen Daten liegen 18 Monate.

 

§ 207a StGB bildet keine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG, zumal der Besitz pornografischer Darstellung Minderjähriger in keinem Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen steht. Legt man die Dauer der Verkehrs­unzuverlässigkeit zugrunde, die mit (Ende) der strafbaren Handlung gemäß        § 207 StGB beginnt, das ist hier August 2013, wäre der Bf bei Zustellung des in Beschwerde gezogenen Bescheides am 9. Februar 2016 bereits 2,5 Jahre verkehrsunzuverlässig gewesen und es unter Zugrundelegung der Entziehungs­dauer von 19 Monaten, dh von 24. Februar 2015 bis 24. September 2016, weitere sieben Monate, insgesamt drei Jahre und einen Monat, was in keinem Verhältnis zur einer Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG zu unterziehenden bestimmten Tatsache steht.

 

Verglichen mit dem Erkenntnis des VwGH vom 21.2.2006, 2003/11/0025, bei dem zwischen der Tat am 22.7.2001 – verurteilt wurde der dortige Beschuldigte aber wegen §§ 206, 207 und 212 StGB letztlich zu 15 Monaten (unbedingter) Freiheitsstrafe – und Beginn der Entziehung der Lenkberechtigung am 22.11.2002 bereits 16 Monate lagen, betrug die Entziehungsdauer 12 Monate. Obwohl die Verwerflichkeit der dortigen Tat sicher wesentlich höher war als im ggst Fall, hielt der VwGH nicht einmal eine Mindestentziehungsdauer von drei Monaten für gerechtfertigt.

 

Der Bf wurde trotz der im Urteil betonten einschlägigen Vorstrafen wegen der   §§ 207 (in einem Fall iVm 15), 212 und 105 iVm 15 StGB von 15 Monaten zu „nur“ fünf Monaten unbedingter Haft verurteilt und hat überdies Strafaufschub erhalten, 10 Monate wurden bedingt nachgesehen; der angeordneten Therapie hat er sich unterzogen. Die im Bescheid erwähnten gerichtlichen Vorstrafen fallen hier nicht so entscheidend ins Gewicht, weil sie schon mehrere Jahre zurückliegen – die letzte Verurteilung wegen § 83 StGB war 2005, wegen § 127 StGB 2009 und wegen § 218 StGB 2009, allerdings die wegen § 105 StGB erst im Jahr 2014. Somit ist nicht nur die Verwerflichkeit der Taten wesentlich geringer, sondern im Hinblick auf die Zukunftsprognose auch das bisherige Wohlverhalten (wenn auch im Bewährungszeitraum) zu berück­sichtigen.

 

Im Ergebnis kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Bf bei Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides und darüber hinaus noch für die Dauer von mindestens drei Monaten verkehrsunzuverlässig war, weshalb der Bescheid aufzuheben und damit spruchgemäß zu entscheiden war. 

 

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger