LVwG-850558/6/Re/BHu - 850559/2

Linz, 28.04.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Werner Reichenberger über den von Herrn Dipl.-Ing. M und Frau C E-R, x, zugleich mit der Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, GZ: Ge20-1500-4-2015, gestellten Antrag, der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (allenfalls eingebracht als Antrag gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994, die Inanspruchnahme des Rechts auf vorzeitige Errichtung und Betrieb der Anlage auszuschließen), den

 

 

B E S C H L U S S

 

 

gefasst:

 

I.         Dem Antrag wird im Grunde des § 78 Abs. 1 GewO 1994 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine Folge gegeben.

 

II.      Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem Bescheid vom 26. Jänner 2016 über Antrag der „B F GmbH“, x, x, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der genehmigten Betriebsanlage durch Abänderung der Räumlichkeiten sowie durch Einschränkung der Tätigkeiten im Standort x, x, unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt. Im Rahmen des durchgeführten Verfahrens wurden Einwendungen von den nunmehrigen Antragstellern mittels Schriftsatz eingebracht.

 

2. Gegen die bescheidmäßig ausgesprochene gewerbebehördliche Betriebs­anlagengenehmigung richtet sich eine, innerhalb offener Frist von den Antrag­stellern erhobene Bescheidbeschwerde, in welcher im Wesentlichen die lärmtech­nische Beurteilung des Projektes bekämpft wird, dies verbunden mit dem Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides.

 

Mit demselben Schriftsatz wird von den Beschwerdeführern der Antrag gestellt, der Beschwerde eine „aufschiebende Wirkung“ zuzuerkennen.

 

3. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich:

 

„Gemäß § 78 Abs.1 GewO 1994 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch 3 Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmi­gungswerber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu ent­nehmen ist, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Ein­haltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.“

 

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerde, Anm. LVwG) hat grundsätzlich gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung. Eine solche ist daher ex lege vorgesehen und nicht gesondert zu beantragen.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann jedoch die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Inter­essen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid einge­räumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

 

Hingegen ist dem oben zitierten § 78 Abs. 1 GewO 1994, abweichend von § 13 Abs. 1 VwGVG, zu entnehmen, dass einer Beschwerde im Verfahren betreffend die Errichtung und Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage eine aufschiebende Wirkung ex lege nicht zukommt. Vielmehr ermöglicht § 78 Abs. 1 GewO 1994 dem Konsensinhaber die Errichtung und den Betrieb einer Anlage trotz einge­brachter Beschwerde, wenn er dies projektgemäß und unter Einhaltung sämtli­cher behördlich vorgeschriebener Auflagen macht. Die Betriebsanlage darf dem­nach auch bei noch nicht vorliegender formeller Rechtskraft vorläufig im Rahmen des behördlichen Konsenses betrieben werden. Dies im eigenen Verantwortungs­bereich des Anlageninhabers und ohne jeglicher Zusage darüber, ob die bean­tragte Genehmigung letztlich im Verfahren über die eingebrachte Beschwerde im beantragten Umfang bzw. in der beantragten Art und Weise vollinhaltlich bestä­tigt wird.

Demnach entspricht die Spezialnorm des § 78 Abs. 1 GewO 1994, bezogen auf das Nichtvorliegen einer aufschiebenden Wirkung, der dagegen eingebrachten Beschwerden in etwa dem § 13 Abs. 3 sowie § 22 Abs. 1 VwGVG. In diesen Fällen hat die Behörde jedoch ausschließlich auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwing­ende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Ver­bindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

Gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 hingegen hat die Behörde dieses, dem Aus­schluss der aufschiebenden Wirkung gleichkommende Recht auf vorzeitigen Bau­beginn auszuschließen; ein darauf gerichtetes Recht einer Antragstellung des Be­schwerdeführers ist jedoch in dieser Norm nicht vorgesehen.

Nachdem § 78 Abs. 1 GewO 1994 gegenüber § 13 Abs. 1 VwGVG die Spezial­norm darstellt, derogiert sie der verfahrensrechtlichen Bestimmung.

 

Da somit nach der vorliegenden Rechtslage im gegenständlichen Verfahren die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde einerseits, sowie eine gesetzliche Grundlage für den als solchen auszulegenden, gestellten Antrag auf Ausschluss des Rechts zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 andererseits, nicht vorliegt, konnte schon aus diesem Grunde dem Antrag keine Folge gegeben werden.

 

Unabhängig von diesem rechtlichen Ergebnis zum gestellten Antrag, findet das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keinen zwingenden Anlass, von Amts wegen die Rechtsfolgen gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 auszuschließen. Nach dem vorliegenden Gesetzestext ist die Inanspruchnahme dieses Rechtes dann auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles, trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides, eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

 

Ein Beschwerdevorbringen in Richtung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Beschwerdeführer liegt nicht vor und erscheint auf Grund der vorliegenden Aktenlage auch nicht zu besorgen. Auch beinhaltet die Beschwerde keine Gründe über das Vorliegen einer besonderen Situation eines Einzelfalles.

 

Abschließend sei den Beschwerdeführern jedoch dahingehend zuzustimmen, dass eine umfassende Lärmbeurteilung zur Prüfung des Vorliegens von Belästigungen nicht vollständig durchgeführt wurde und diesbezüglich Ergänzungen zu veran­lassen sind.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat somit auf Grund der darge­stellten Sach- und Rechtslage auch unabhängig vom Antrag keine ausreichenden Gründe gefunden, die Inanspruchnahme des Rechts nach § 78 Abs. 1 GewO 1994 auszuschließen.

 

Über die Beschwerde ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Die Notwendigkeit der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wird im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, sofern im Zusammenhang mit ergänzenden Ermittlungen erforderlich, zu prüfen sein.

 

 

II. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist im gegenständlichen Fall zulässig.

Eine Judikatur des Verwal­tungsgerichtshofes zur Frage, ob beschwerdeführenden Nachbarn ein Recht auf Antragstellung zum Ausschluss der Inanspruchnahme des Rechts auf vorzeitige Errichtung und Betrieb der Anlage gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 zukommt oder nicht, liegt derzeit nicht vor. Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich kommt dieser Frage, bezogen auf die Auswirkungen einer gleich­samen Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung, grundsätzliche Bedeutung zu.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzu-bringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Reichenberger