LVwG-150793/3/MK

Linz, 13.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde von

1.        C K, X, sowie

2.        Dipl.-Wirtsch.-Ing. H K, X,

gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. Marien vom 27.08.2015, GZ. Bau 131/982-2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. Marien vom 27.08.2015, GZ. Bau 131/982-2015, behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Sachverhalt, Verfahrenslauf:

 

I.1. Mit Schriftsatz vom 14.10.2014 teilte Dipl.-Wirtsch.-Ing. H K (in der Folge: Zweit-Bf) der Gemeinde St. Marien elektronisch mit, dass die Nachbarn S und E B (in der Folge: Nachbarn B) eine Garagenverkleidung angebracht hätten, die über die Grundgrenze auf das Grundstück der Bf ragen würde. Auch sei der Montageabfall nicht vom Grundstück der Bf entfernt worden.

 

Darüber hinaus wäre die Garage mit einer Höhe von 3,40 m entgegen den Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) errichtet worden, welche eine maximal zulässige Höhe von 3,0 m vorsehen würde. Das Fenster in der Südwand des beanstandeten Bauwerks befinde sich zu nahe an der Grundgrenze. Der bewilligte Bauplan zeige eine andere Darstellung.

 

Es würde um kurzfriste Mängelbehebung bzw. Durchführung eines Ortsaugenscheins ersucht.

 

I.2. Am 27.10.2014 wurde auf dem Gst.Nr. X, KG W [Anm.: Grundstück der Nachbarn B] eine baupolizeiliche Überprüfung durchgeführt. Die dazu beigezogene Amtssachverständige für Bautechnik hielt fest, dass an der Westseite der Garage der Nachbarn B eine 4 cm starke Verkleidung angebracht worden sei, dass sich der genaue Verlauf der Grundgrenze aber nicht feststellen ließe.

 

Die Garagenhöhe würde bis zur Oberkante der Attika entgegen der genehmigten Höhe von 3,0 m tatsächlich 3,35 m über dem Garagenfußboden betragen, wodurch die Abstandsbestimmungen der §§ 40 und 41 Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) überschritten würden. Eine nachträgliche Bewilligung sei daher nicht möglich.

 

In Abweichung zu den Projektunterlagen sei in die ostseitige Außenwand eine Zugangstüre eingebaut worden.

 

Das Fenster in der Südwand der Garage bzw. des daran anschließenden Geräteraums habe laut Einreichplan einen Abstand zur Grundgrenze von 0,9 m einzuhalten. Tatsächlich sei ein Abstand von 0,98 m gemessen worden.

 

I.3. Im Zuge des Parteiengehörs wurde von den Nachbarn B eine mit 19.12.2014 datierte Stellungnahme übermittelt und Folgendes ausgeführt:

 

Die Garagenhöhe sei mit 3,35 m über Garagenfußboden korrekt festgestellt worden. Allerdings sei das umgebende Gelände deutlich über diesem Niveau, sodass sich eine tatsächliche Höhe zwischen 2,67 m bis 2,77 m bis zur Oberkante der Attika ergebe. Die Feststellung der Unmöglichkeit einer nachträglichen Bewilligung sei daher unzutreffend, da im Sinne der in § 41 Abs. 1 Z 5 lit. d Oö. BauTG 2013 definierten Ausnahmebestimmung die Traufhöhe von dem höchsten Punkt des angeschnittenen künftigen Geländes zu messen sei, wenn der einzige Fußboden eines Gebäudes unter dem künftigen Gelände liege. Dies sei hier der Fall.

 

In einer fachlichen Beurteilung dieses Vorbringens führte die Amtssachverständige aus, dass als Bezugspunkt für die Feststellung des künftigen Geländes (welches in den Planunterlagen darzustellen sei) ausschließlich das Gelände auf dem Grundstück des Antragstellers heranzuziehen sei. Da der genaue Grenzverlauf nicht habe festgestellt werden können, wäre dies nicht möglich.

 

I.4. Im Sinne dieser Ausführungen wurden die Nachbarn B von der Baubehörde (in der Folge: belangte Behörde) am 05.02.2015 schriftlich aufgefordert, bis 05.03.2015 entsprechende Ausführungspläne vorzulegen.

 

Mit Schriftsatz vom 13.02.2015 teilten die Nachbarn B mit, dass die Errichtung eines barrierefreien Zugangs beabsichtigt sei und sich dieses Vorhaben erst in der Grobplanungsphase befinden würde. Die Unterlagen sollten aber im Jahr 2015 fertig gestellt werden, weshalb um entsprechende Fristverlängerung ersucht würde.

 

I.5. In einem zwischenzeitlichen Schreiben an die belangte Behörde vom 11.02.2015 führt der Zweit-Bf zum Beschwerdegegenstand aus, dass es auf Grund der errichteten baulichen Anlagen (Gartenzaunmauer bzw. Garagenaußenwand) offenkundig sei, dass die Verkleidung über die Grundgrenze rage, da weder aus den Bewilligungs- und Kollaudierungsunterlagen noch aus den bisherigen Angaben der Nachbarn B ein Anhaltspunkt dafür ersichtlich wäre, dass dieses Anlagen – wie von den Nachbarn B vorgebracht – 10 cm von der Grundgrenze abgerückt errichtet worden wären. Eine Neuvermessung sei daher nicht erforderlich. Im Gegenteil habe er den Nachbarn B untersagt, die beabsichtigte Verkleidung anzubringen, weshalb diese dafür verantwortlich wären, den genauen Grenzverlauf nachzuweisen.

 

Die Nachbarn B hätten sich offenkundig und durchwegs zum Nachteil des Zweit-Bf nicht vollständig an den bewilligten Bauplan gehalten. Die Abweichungen bzw. Mängel wären umgehend zu beseitigen.

 

I.6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.04.2015 wurden – nach Einholung entsprechender Rechtsauskünfte – die Nachbarn B davon in Kenntnis gesetzt, dass in dem hier vorliegenden Fall eines strittigen Grenzverlaufes (und in Ermangelung einer gerichtlichen Klärungsmöglichkeit dieser Vorfrage) die Feststellung der Grenze auf Veranlassung der Behörde zu erfolgen habe. Die daraus erwachsenden Kosten wären iSd Barauslagenregelung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG; § 76 Abs. 1 und 2) von jenem Beteiligten nach bescheidmäßiger Vorschreibung zu tragen, durch dessen Verschulden (z.B. bewilligungswidrige Errichtung von Bauwerken, willkürliche Behauptung eines von der tatsächlichen Grundgrenze abweichenden Grenzverlaufes) die Amtshandlung notwendig geworden sei.

 

I.7. In der Folge wurde von der belangten Behörde die Vermessung der Grundgrenze zwischen den Grundstücken Nr. X [Anm.: Nachbarn B] und X [Anm.: Bf], KG W, durch das Vermessungsbüro Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. W D, G, in Auftrag gegeben. Beweisthema war die Klärung der Frage, ob Baulichkeiten der Liegenschaft der Nachbarn B die Grundgrenze zur Liegenschaft der Bf überragen würden und wenn ja, in welchem Ausmaß.

 

Die Vermessung wurde am 27.05.2015 durchgeführt und im Vermessungsoperat vom 01.06.2015 sowohl planlich dokumentiert als auch verbal beurteilt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass sich sämtliche entlang der zu überprüfenden Grundgrenze befindlichen Bauten und Anlagen innerhalb der jeweiligen Grundstücke befinden würden.

 

Das Ergebnis der Vermessung wurde Frau C K (in der Folge: Erst-Bf), dem Zweit-Bf und den Nachbarn B mit Schreiben vom 23.06.2015 zur Kenntnis gebracht und auf die bereits mitgeteilten Modalitäten bezüglich der Kostentragung verwiesen.

 

I.8. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.06.2015 wurden die Nachbarn B zum Zweck der nachträglichen Bewilligung zur Vorlage von Planunterlagen bezüglich der bestehenden Garage bis 31.07.2015 aufgefordert. Es wurde ausdrücklich gefordert, das künftige Gelände am Grundstück in den Planunterlagen darzustellen.

 

I.9. Mit Bescheid vom 25.06.2015, zugestellt am 30.06.2015 wurden den Bf die Kosten der Vermessung im Ausmaß von 1.878,36 Euro vorgeschrieben. Neben der Wiederholung des bisherigen Verfahrenslaufes wurde in der Begründung ausgeführt, dass auf der Grundlage des § 76 Abs. 1 und 2 AVG die im Verfahren erwachsenden Barauslagen von jenem Beteiligten zu tragen wären, durch dessen Verschulden die Amtshandlung notwendig geworden sei.

 

I.10. Gegen diesen Kostenbescheid brachten die Bf mit Schriftsatz vom 09.07.2015, eingelangt am 13.07.2015, das Rechtsmittel der Berufung ein und begründeten dies zusammengefasst wie folgt:

 

Bereits vor der erstmaligen Mitteilung einer mutmaßlichen Überbauung der in Rede stehenden Grundgrenze hätten die Bf eine Vermessung durchführen lassen, die ein Überragen derselben durch die westseitige Garagenwand um bis zu 10 cm ergeben hätte. Ein entsprechender Plan[Anm.: ohne Maßstab, Codierung, Datum und Erstellungsnachweis] wurde mitübermittelt. Da sich die Bf hinsichtlich des der belangten Behörde mitgeteilten Sachverhalts bestmöglich vorinformiert hätten, liege keinerlei Verschulden iSd Bescheidbegründung vor.

 

Im Gegenteil würde die Nachbarn B aus den nachstehenden Gründen ein Verschulden treffen:

 

Die Nachbarn B hätten sich nicht an die bereits im August 2014 vereinbarte Vorgangsweise der gegenseitigen Abklärung vor Ausführung der Maßnahme – die bei dieser Gelegenheit ausdrücklich untersagt worden sei – gehalten.

Vor Anbringung der Garagenverkleidung wäre die Feststellung des Grenzverlaufes leicht möglich gewesen. Die Gartenmauer und die Garagenwand hätten vor Anbringung der Verkleidung eine durchgehende Linie aufgewiesen, welche als gemeinsame Grenze gedient habe. Die Verkleidung springe nun vor, wobei die Gartenmauer normalerweise an der gemeinsamen Grundgrenze anschließen und keine im Winkel abweichende Linienführung aufweisen sollte.

Der gesamte Verlauf der errichteten baulichen Anlagen (Gartenmauer, Garage) sei auf dem Vermessungsoperat nicht ersichtlich, da lediglich ein Teil dieser Anlagen eingezeichnet sei.

Bei einer gemeinsamen Begehung hätten die Nachbarn B vorgebracht, dass die Gartenmauer 10 cm von der Grundgrenze abgerückt errichtet worden sei, dafür aber keinerlei Nachweis erbracht. Die Verifizierung dieser Angaben sei daher bislang nicht möglich gewesen.

Die Garage der Nachbarn B sei konsenslos ausgeführt, ein Abänderungsverfahren sei bei der Baubehörde anhängig.

Das Zurückversetzen der Garage um 10 cm wäre auf dem bewilligten Bauplan, der eine Errichtung auf der Grundgrenze darstelle, spätestens im Zuge der Fertigstellungsmeldung zu verzeichnen gewesen, was aber nicht erfolgt sei. Der Bauführer habe im Gegenteil die ordnungsgemäße Ausführung bestätigt. Ein allfälliges Verschulden liege daher eindeutig auf Seiten der Nachbarn B.

 

Da zusammenfassend von einer willkürlichen Behauptung seitens der Bf nicht die Rede sein könne, würde beantragt, der Berufung Folge zu geben und den ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben.

I.11. Mit Berufungsbescheid vom 27.08.2015 wurde die Berufung der Bf als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters vom 25.06.2015 vollinhaltlich bestätigt.

 

Bei der auf Grund einer der belangten Behörde von den Bf mitgeteilten Überbauung der Grundgrenze zwischen den Gst.Nr. X und X zu Lasten der Bf als Eigentümer des Gst.Nr. X sei am 27.11. 2014 eine baupolizeiliche Überprüfung durchgeführt worden, bei der sich infolge der (oben bereits dargestellten) widersprechenden Angaben der Parteien der genaue Grenzverlauf nicht habe feststellen lassen.

 

In der gegenständlichen Angelegenheit stelle sich die Frage des strittigen Grenzverlaufs im Rahmen eines baubehördlichen Verfahrens, das wegen konsensloser Abweichungen bei der Garage der Nachbarn B bereits anhängig gewesen sei.

 

I.12. In der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom 24.09.2015 beantragten die Bf Behebung des bekämpften Bescheides und führten dazu begründend im Wesentlichen Folgendes aus:

 

I.12.1. Die Nachbarn B hätten gegen den erklärten Willen der Bf eine Verkleidung an der westseitigen Garagenwand angebracht, die zufolge einer von den Bf veranlassten vermessungstechnischen Überprüfung bis zu 10 cm über die Grundgrenze rage. Dies sei der belangten Behörde mitgeteilt worden, welche von Amts wegen das Gutachten eines Zivilgeometers eingeholt habe, das nunmehr vorliegende Ergebnis, dass keine Überbauung vorliege, sei unrichtig. Das Gutachten könne mangels Parteistellung aber nicht widerlegt werden. Dennoch hätte die belangte Behörde eine bescheidmäßige Kostenvorschreibung vorgenommen, da die Amtshandlung durch ein Verschulden der Bf notwendig geworden sei.

 

I.12.2. In Abkehr von der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides (§ 76 Abs. 2 AVG – Kostentragung infolge schuldhaften Handelns) habe die belangte Behörde ihre Berufungsentscheidung auf § 76 Abs. 1 leg.cit. gestützt. Einen diesbezüglich erforderlichen verfahrenseinleitenden Antrag hätten die Bf aber in Ermangelung der Parteistellung (sowohl in einem Verfahren nach § 41 als auch nach § 49 Oö. BauO 1994) nicht gestellt. Fehle es aber an der Parteistellung, komme nach stRsp des VwGH eine Kostentragung auf der Grundlage des § 76 Abs. 1 AVG nicht in Betracht.

 

I.12.3. Ein schuldhaftes Verhalten liege insbesondere auch deshalb nicht vor, weil sich die Bf durch eine konkrete Vermessung versichert hätten, dass die Verkleidung unter der Voraussetzung der bewilligungsgemäßen Errichtung der Gartenmauer samt Garage, die eine solche exakt an der Grenze vorsieht, die Grenzflucht tatsächlich überragt. Ein allfälliges Verschulden treffe daher aus folgenden Gründen die Nachbarn B:

·                Die im August 2014 getroffene Vereinbarung eines gemeinsamen Gesprächs vor Ausführung der Maßnahme sei nicht eingehalten worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei die Anbringung der Verkleidung wegen der dadurch bewirkten Grenzverletzung untersagt worden.

·                Vor Anbringung der Verkleidung wäre der tatsächliche Grenzverlauf durch Spannen eines Drahtes leicht möglich gewesen. An einer derart einvernehmlichen Grenzverlaufsklärung seien die Nachbarn B aber nicht interessiert gewesen. Die bislang existierende, durchgängige und als gemeinsame Grundgrenze dienende Fluchtlinie sei nunmehr zu Lasten der Bf unterbrochen.

·                Für die Durchführung der Arbeiten sei das Grundstück der Bf ohne deren Zustimmung in Anspruch genommen worden. Die Spuren der Montage wären trotz Beanstandung erst nach Monaten entfernt worden.

·                Die von den Nachbarn B selbst errichtete Gartenmauer sollte an der Grundgrenze verlaufen und nicht die im Vermessungsoperat des Zivilgeometers ersichtliche Abweichung aufweisen. Der gesamte Verlauf der Mauer sei in diesem Operat aber nicht eingetragen und daher auch nicht ersichtlich. Das Gutachten enthalte zudem keine genauen Werte in Bezug auf die Fluchtlinie und die Grenzpunkte. Die Schlussfolgerung des Zivilgeometers sei daher nicht nachvollziehbar.

·                Bei einer gemeinsamen Begehung am 27.11.2014 hätten die Nachbarn B erklärt, dass die Garage um 10 cm zurückversetzt errichtet worden sei. Ein diesbezüglicher Nachweis fehle aber. Das Überragen der Fluchtlinie sei hingegen ersichtlich.

·                Bei der Vermessung durch den Zivilgeometer sei der nördliche Grenzpunkt abweichend von den vor Ort ersichtlichen baulichen Anlagen neu – d.h. etwa 5 cm in Richtung der Nachbarn B versetzt – festgelegt worden.

·                Die bauliche Maßnahme der Garagenverkleidung sei konsenslos ausgeführt worden. Ein Abänderungsverfahren sei bei der belangten Behörde anhängig.

·                Die vom bewilligten Bauplan abweichende Ausführung in Form des Zurückversetzens der Garage von der Grundgrenze um 10 cm hätte zumindest bei der Fertigstellungsmeldung angezeigt werden müssen. Es sei aber die ordnungsgemäße Errichtung gemeldet worden.

·                Die Amtshandlung vom 27.11.2015 sei nicht notwendig gewesen, da es sich offenkundig und durch die Feststellungen des beigezogenen Amtssachverständigen bestätigt um ein konsenswidrig (zu hoch und an anderer Stelle) errichtetes Bauwerk handle. Dabei sei den Nachbarn B ein Verschulden vorzuwerfen. Diese wären als „Verursacher“ iSd § 76 AVG zu betrachten.

·                In ihrer Mitteilung an die belangte Behörde hätten die Bf um „Amtshilfe zwecks Mängelbehebung“ angesucht und nicht dezidiert um eine Grundstücksvermessung. Die Zurückversetzung der Garage um 10 cm sei auch deshalb nicht nachvollziehbar, da – bei einer Verkleidungsstärke von 4 cm – noch immer ein Abstand von 6 cm zur Fluchtlinie der Gartenmauer vorhanden sein müsste. In Wahrheit aber überragt die Verkleidung diese Grundgrenze um 7 cm. Bei der Begehung am 27.11.2015 hätte die belangte Behörde die Plausibilität der zurückversetzten Garagenerrichtung hinterfragen und den Nachbarn B die Vorlagen entsprechender Nachweise auftragen müssen. Damit hätte eine Vermessung unterbleiben können.

 

I.12.4. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, weshalb die belangte Behörde für diese Gutachtenserstellung keinen Amtssachverständigen herangezogen hat, wozu sie gemäß § 52 Abs.1 AVG grundsätzlich verpflichtet sei. Dabei wären keine bzw. erheblich niedrigere Gebühren (bei u.U. besserer Qualität des Gutachtens) angefallen.

 

I.12.5. Zum Zweck der Gewinnung eines besseren Eindrucks vom vorliegenden Sachverhalt sollte eine mündliche Augenscheinsverhandlung durchgeführt werden. Infolge des Verschuldens der Nachbarn B wären die Kosten von diesen zu tragen. Von einer willkürlichen Behauptung der Bf könne nicht die Rede sein.

 

Es würde daher neuerlich beantragt der Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

I.13. Mit Schreiben vom 29.09.2015 wurde die Bescheidbeschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes zur Entscheidung vorgelegt.

 

I.14. Mit Schreiben vom 16.02.2016 wurde die belangte Behörde nach Einschaltung durch die Bf von der Volksanwaltschaft um Stellungnahme zum vorgebrachten Sachverhalt ersucht.

 

Aus dem Antwortschreiben vom 25.02.2016 bzw. den Beilagen dazu ergeben sich folgende sachverhaltsrelevante Aspekte zur Vermessung durch den beigezogenen Zivilgeometer bzw. zu den dazu geäußerten gravierenden Mängeln:

·                Die von den Bf vorgelegte Vermessungsskizze sein – nach deren eigenen Angaben – von einer fachlich dazu nicht befugten Person vorgenommen worden. Höchstwahrscheinlich sei dabei die Änderung des staatlichen Messpunktfeldes nicht berücksichtigt worden. Die Bf hätten daher eine unzutreffende Aussage zum Grenzverlauf erhalten.

·                Der Vermessungsauftrag lautete explizit auf Feststellung einer Überbauung zu Lasten des Grundstückes der Bf. Die vermessungstechnisch aufgenommenen Mauern und die Garage wären mit dem Grenzverlauf abgeglichen worden, wobei eine Überbauung nicht hätte festgestellt werden können.

·                Eine von den Bf zitierte Mauer, welche von den Nachbarn B auf der Liegenschaft der Bf errichtet worden wäre, sei nicht vorgefunden worden.

·                Eine angeblich fehlende Mauer im Bereich des Grenzpunktes GP 797 liege innerhalb der Liegenschaft der Bf und sei nach der Aufgabenstellung nicht relevant.

·                Die Aussage, der nördliche Grenzpunkt GP 812 „fehle“ in der geodätischen Stellungnahme (wobei wohl gemeint sei, dass diesbezüglich keine Vermarkungsart angegeben sei) resultiere daraus, dass eine Vermarkung vor Ort erst nach Auswertung der Vermessung derselben zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne. Dies sei am 17.06.2015 in der Natur mittels eines Eisenrohres durchgeführt worden. Dies sei für die Bestimmung der Baulichkeiten in Bezug auf die Grundgrenze ohne Belang.

Zusammengefasst wären die vorgebrachten Mängel als haltlos zu qualifizieren.

 

 

II.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Auf dessen Grundlage konnten weitere Ermittlungsschritte – insbesondere die (weder von der belangten Behörde von den Bf beantragte) Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG – unterbleiben, da keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten war.

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen.   

 

 

III.        Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

III.1. Verwaltungsverfahren:

 

§ 76 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) bestimmt Folgendes:

Abs. 1: Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

Abs. 2: Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

 

III.2. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den hier angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Gemäß § 24 Abs.4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

 

IV.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seinen gemäß § 2 VwGVG zuständigen Einzelrichter erwogen:

 

IV.1. Zu einer allfälligen Kostenersatzpflicht nach § 76 Abs. 2 AVG – als Spezialnorm zum Abs. 1 dieser Bestimmung – ist festzuhalten, dass ein nach § 1294 ABGB auszulegendes Verschulden insbesondere dann nicht vorliegt, wenn der durch das Parteivorbringen angestrebte Erfolg nicht als aussichtslos zu qualifizieren ist.

 

Im Hinblick auf den – den Bf als Anrainern des Bewilligungsverfahrens – bekannten und auf Grund deren expliziten Antrags den Nachbarn B auch zuzurechnenden Inhalt der erteilten Bewilligung (Errichtung baulicher Anlagen an der Grundgrenze) sowie eine, die tatsächliche Umsetzung der erteilten Bewilligung bescheinigende Fertigstellungsmeldung, kann von einer a priori feststehenden Aussichtslosigkeit des vorgebrachten Begehrens nicht die Rede sein (vgl. VwGH vom 26.02.2016, Ro 2014/03/0065). Ob im Gegenteil die Nachbarn B ein Verschulden an der Vermessung des Grenzverlaufes trifft, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, wird aber im Hinblick auf die objektive Einhaltung des erteilten Konsenses eher auch zu verneinen sein.

 

Eine Kostentragungspflicht kann demnach nur in der allgemeinen Bestimmung des Abs.1 leg.cit. begründet sein.

 

IV.2. Ein – nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers von der grundsätzlich amtswegigen Kostentragung abweichender – Regress von Barauslagen soll dabei dann möglich sein, wenn die Kosten auf der Grundlage eines verfahrenseinleitenden Antrages einer Partei angefallen sind („Verursachung“). Dies erfordert die allgemeine Betrachtung des von der Behörde durchgeführten Verfahrens unter dem speziellen Aspekt der Parteistellung.

 

Von den Bf wurde die mutmaßliche Überbauung ihres Grundstücks durch eine bauliche Maßnahme der Nachbarn B bei der belangten Behörde angezeigt. Das darin zum Ausdruck gebrachte Interesse ist nicht nur infolge des formalen Abschlusses des der Bauführung an sich zu Grunde liegenden Bewilligungsverfahren davon losgelöst zu betrachten, sondern auch materiell anderer – nämlich baupolizeilicher – Natur. Im baupolizeilichen Verfahren räumt der Gesetzgeber den Anrainern eines Bauvorhabens aber gerade keine Parteistellung ein, sondern weist diese Agenden der amtswegigen Vollziehung zu (vgl. VwGH 21.5.2007, 2004/05/0236, vgl. auch Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht7 § 49 Rz 11 mwN). Ein allfällig beeinträchtigter Grundanrainer hat daher auch keinen (durchsetzbaren) Anspruch auf verwaltungspolizeiliches Handeln der Behörde (vgl. VwGH 19.12.2000, 2000/05/0221), wie wohl ein (missbräuchliches) Unterbleiben desselben strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

 

Mit anderen Worten ist ein „Antrag“ auf Herstellung des bewilligungsgemäßen Zustandes kein verfahrenseinleitender. Ein als solches bezeichnetes Anbringen wäre von der Behörde als unzulässig zurückzuweisen.

 

IV.3. Auf dieser Basis erübrigen sich Ausführungen zu allen weiteren Voraussetzungen für eine allfällige Kostenüberwälzung, wie etwa die Frage der Kausalität oder der Notwendigkeit der Beauftragung eines externen Sachverständigen.

 

IV.4. Ebenso wenig ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob eine Kostenüberwälzung nach § 76 Abs. 1 AVG im Rahmen des nachträglichen Bewilligungsverfahrens möglich ist, da sich der bekämpfte Bescheid nicht darauf bezieht und den diesbezüglich verfahrenseinleitenden Antrag zudem die Nachbarn B gestellt haben.

 

Im Hinblick auf § 76 Abs. 2 AVG gilt das oben Gesagte.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Feststellung des Grenzverlaufes im Zuge des durchgeführten baupolizeilichen Verfahrens von Amts wegen zu erfolgen hatte und eine Vorschreibung der diesbezüglich angefallenen Kosten zu Lasten der Bf in Ermangelung eines von den ihnen gestellten verfahrenseinleitenden Antrages bzw. eines haftungsbegründenden Verschuldens nicht möglich ist.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger