LVwG-350180/6/Re/TO

Linz, 11.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Werner Reichenberger über die Beschwerde des minderjährigen A.R.A., geb. x, x, W., vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Kinder- und Jugendhilfe, Manglburg 17, 4710 Grieskirchen, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25.02.2016, GZ: SO-SH-23993-2016 Mk, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs (bedarfsorientierte Mindestsicherung)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der behördliche Bescheid vom 25.02.2016, GZ: SO-SH-23993-2016 Mk, bestätigt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.02.2016, GZ: SO-SH-23993-2016 Mk, hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 19.08.2015 (wohl gemeint: 07.08.2015) auf Zuerkennung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs gemäß §§ 4 ff iVm 13, 27, 28 und 31 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG iVm § 1 Oö. Mindestsicherungsverordnung – Oö. BMSV abgewiesen.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde dazu zusammengefasst aus, dass sich der Bf aufgrund seiner Einkommens-, Vermögens- und Betreuungssituation in keiner sozialen Notlage befinde.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der der Bf, vertreten durch die Kinder- und Jugendhilfe, Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, zusammengefasst ausführt, dass gemäß Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 12.6.2013, Zl. 1 Ps 100/13h-6, dem Kinder- und Jugendhilfeträger der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen die gesamte Obsorge für ihn übertragen worden sei. Mit 08.09.2015 habe er die Einrichtung der Grundversorgung verlassen müssen, da ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und somit die Leistungen der Grundversorgung eingestellt worden seien.

Aus der Übertragung der Obsorge ergäbe sich allerdings keine unmittelbare Unterhaltspflicht. Vielmehr sei dem Bf aus der Obsorgeverpflichtung jene Versorgung zu gewähren, die er brauche. Die Obsorge sei keine Vorsorge durch ein anderes Gesetz, auf Grund dessen keine Mindestsicherung mehr zu erbringen sei. 

Der Umstand, dass dem Bf vom zuständigen Obsorgeträger eine Betreuung zur Verfügung gestellt werde, schließe die Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht aus. Es liege durch die vom Kinder- und Jugendhilfeträger installierte Betreuung entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Vollversorgung der gesamten finanziellen Bedürfnisse des Jugendlichen vor und es sei damit nicht ausgeschlossen, dass eine soziale Notlage iSd § 6 Oö. BMSG vorliege.

Der Bf könne seinen eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken.

 

3. Mit Schreiben vom 08.04.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, zumal sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus dem Verfahrensakt ergibt, ausschließlich eine Rechtsfrage zu beantworten ist und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt. Zudem wurde kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Dem Bf, geb. x, a. Staatsbürger, wurde mit Bescheid vom 05.05.2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 12.06.2013 wurde die Obsorge dem Land , vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Kinder- und Jugendhilfe übertragen.

Er wird von der S. I. GmbH aufgrund einer Betreuungsvereinbarung (Volle Erziehung) mit der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen betreut.

Die Leistungen der S. I. GmbH werden mittels Tagsatzes mit der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen verrechnet und beinhalten sowohl das Betreuungsangebot sowie Sachkosten wie Wohnung, Versorgung, Bekleidung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

Seit 09.12.2015 erhält der Bf zudem finanzielle Leistungen des AMS (Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes, Beilhilfe zu den Kursnebenkosten (Pauschale)) in Höhe von täglich 11,99 Euro (ab. 01.01.2016 – 12,25 Euro täglich) und wohnt in einer Wohnung in W. des V. S. I. GmbH.

 

4.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs. 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG) sind Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung subsidiär (Subsidiaritätsprinzip).

 

Gemäß § 5 leg. cit. ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinne des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor,

1. die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Ange­hörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben,

nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krank­heit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Gemäß § 6 Abs. 5 leg. cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Nach § 7 Abs. 1 leg. cit. setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfsbedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht ange­messen, wenn sie offenbar aussichtlos wäre.

Abs. 2 besagt: Als Beitrag der hilfsbedürftigen Person im Sinne des Abs. 1 gelten insbesondere

1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;

2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;

3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie

4. die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragener Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. hat die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung

1. des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person sowie

2. tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter

zu erfolgen.

 

Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. erfolgt die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

§ 13 Abs. 2 leg. cit. besagt, dass die Landesregierung durch Verordnung

1.   jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs. 1 und

2.      die näheren Kriterien zur Zuordnung zu einzelnen Mindeststandardkategorien gemäß Abs. 3 festzusetzen hat: sie hat dabei auf die Höhe der um die Beträge für die gesetz­liche Krankenversicherung reduzierte Ausgleichszulage nach den pensionsver­sicherungsrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß § 13 Abs. 3 OÖ. BMSG sind Mindeststandards nach Abs. 2 in folgenden Relationen bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende jedenfalls festzusetzen für

1.   alleinstehende und alleinerziehende hilfebedürftige Personen

mindestens 100%

 

2.   für in Haushaltgemeinschaft lebende volljährige Personen

a)   pro Person

mindestens 75%

b)   ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist oder sein könnte

mindestens 50%

3.   in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht

a) für die ersten drei minderjährigen Kinder

mindestens 18%

b) ab dem vierten minderjährigen Kind

mindestens 15%

4.   die Deckung persönlicher Bedürfnisse von in stationären Einrichtungen untergebrachten Personen

mindestens 16%

 

Nach § 213 ABGB hat das Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen, wenn eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen ist und es sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden lassen.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Oö. KJHG 2014 hat das Land vorzusorgen, dass zur Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der vollen Erziehung sozialpädagogische Einrichtungen zur Verfügung stehen. Dabei ist auf die unterschiedlichen Problemlagen und die altersgemäßen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen Bedacht zu nehmen.

Abs. 2 besagt, dass sozialpädagogische Einrichtungen sowohl als stationäre als auch als teilstationäre Dienste angeboten werden können und umfassen vor allem Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen, Betreuungseinrichtungen für die nicht nur vorübergehende Betreuung von Kindern und Jugendlichen, betreute Wohnformen für Jugendliche und nicht ortsfeste Formen der Sozialpädagogik.

 

5.2. Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist u.a., dass eine Person von einer sozialen Notlage betroffen ist. Eine soziale Notlage liegt u.a. bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Nicht als soziale Notlage gelten Situationen, für die bereits auf Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde (§ 6 Abs. 5 Oö. BMSG).

 

In Art. 3 Abs. 1 und 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung werden die Bedarfsbereiche Lebensunterhalt sowie Wohnbedarf konkretisiert. Der Lebensunterhalt umfasst demnach den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

 

5.3. Der minderjährige Bf lebt in einer Wohnung des V. S. I. GmbH, die ihn basierend auf einer Betreuungsvereinbarung mit der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Kinder- und Jugendhilfe, betreut. Diese Betreuung (Volle Erziehung – Übertragung der Ausübung der Pflege und Erziehung betreffend unbegleitete minderjährige Fremde) wird mittels Tagsatzes mit der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen verrechnet und beinhaltet einerseits das Betreuungsangebot an sozialpädagogischen Leistungen und andererseits die Sachkosten wie Wohnung, Versorgung, Bekleidung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Zudem steht der minderjährige Bf im Bezug einer Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes des AMS in Höhe von täglich 11,99 Euro. 

 

Es ergeben sich demnach keine Anhaltspunkte, die auf eine soziale Notlage schließen.

 

Zudem darf angemerkt werden, dass auch im Oö. BMSG iVm Oö. BMSV ein ausdrücklicher Ansatz für einen Mindestsicherungsstandard für alleinstehende mündige Minderjährige nicht vorgesehen ist.

 

Im Ergebnis war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen und der Bescheid der belangten Behörde vollinhaltlich zu bestätigen.

 

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Begründung zur zu lösenden Rechtsfrage basiert insbesondere auch auf der ständigen Recht­sprechung zum normierten Subsidiaritätsprinzip beim Zugang zur Mindest­sicherung. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Reichenberger