LVwG-300154/29/MK/BZ

Linz, 08.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde (Berufung) des Herrn S K, geb. x, H, vertreten durch Mag. W K, Rechtsanwalt, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt L vom 4. März 2013, GZ: 0020501/2012, betreffend eine Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2016,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.          Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht, noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt L (im Folgenden: belangte Behörde) vom 04.03.2013 wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K GmbH, W-straße 131, L, wegen einer Übertretung des § 7i Abs. 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) in vier Fällen eine Geldstrafe in der Höhe von je 2.500 Euro (gesamt 10.000 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 17 Stunden (gesamt 68 Stunden), verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrens­kostenbeitrag in der Höhe von 1.000 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

Der Beschuldigte, Herr S K, geboren am x, wohnhaft: H, M-straße 8/10, hat folgende Verwaltungsübertretungen als verwaltungsstrafrechtlich ver­antwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der K GmbH mit dem Sitz in L, W-Straße 131, zu vertreten:

 

Die K GmbH hat als Arbeitgeberin in der Zeit von 1.9.2011 bis 31.10.2011 die folgenden Arbeitnehmer als Eisenbinder beschäftigt, ohne dass diesen der ihnen nach dem Kollektivvertrag Baugewerbe und Bauindustrie zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstu­fungskriterien (Bruttostundenlohn von € 11,46, das entspricht einem Bruttomonatslohn von € 1.942,47) geleistet wurde:

 

1.         A G, geb. am x,

2.         I L, geb. am x,

3.         A T, geb. am x,

4. M Z, geb. am x.

 

Die Arbeitnehmer erhielten einen Bruttostundenlohn von € 9,92. Das entspricht einer Unter[ent]lohnung von 13,4%.“

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf zu dem von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) unter Beantragung einer Geldstrafe in der Höhe von 2.500,- Euro pro Arbeitnehmer angezeigten Sachverhalt in einer rechtfertigenden Stellungnahme am 02.07.2012 vorgebracht habe, dass bei der Anmeldung eines Arbeitnehmers festgelegt werde, welche Tätigkeiten dieser zu verrichten habe und in welche kollektivvertragliche Einstufung diese fallen würden. Dies würde dem betreffenden Arbeitnehmer vor Unterfertigung vorgelegt und dieser über die Auswirkungen informiert.

Das Unternehmen des Bf führe nur Eisenbinde- und Eisenlegearbeiten durch. Es seien daher nur Arbeitnehmer ohne Lehrabschluss beschäftigt, sehr wohl aber angelernte Arbeitnehmer, wie etwa auch der Vorarbeiter auf der betreffenden Baustelle, Herrn S, die dann als Eisenbieger entlohnt würden. Die weitaus meisten Beschäftigten seien aber als Hilfsarbeiter eingesetzt bzw. zu qualifizieren. Sämtliche Arbeiten würden von den Hilfsarbeitern nur über Anweisung des Vorarbeiters erledigt. Die angelernten Arbeiter würden diese großteils selbständig ausführen.

Die Arbeitnehmer wären bei einer Kontrolle mit der Terminologie, insbesondere mit dem Umstand, dass mit der Bezeichnung „Eisenbieger“ eine Qualifikation verbunden ist, überfordert und würden sich selbst eher als „Helfer“ bezeichnen. Diese Bezeichnung diene, basierend auf dem allgemeinen Sprachgebrauch, lediglich der Unterscheidung von anderen Tätigkeiten am Bau, z.B. Maurer.

Da alle bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer nach dieser Untergliederung – und daher entsprechend dem Kollektivvertrag – eingestuft waren, liege kein Lohndumping vor, weshalb um Einstellung des Verfahrens ersucht würde.

 

In einer niederschriftlichen Einvernahme am 02.07.2012 habe der Beschäftigte M Z angegeben, seit 01.04.2011 für das Unternehmen des Bf zu arbeiten. In der Zeit bis Ende Oktober 2011 habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Nach Wiederbeginn im Februar 2012 sei er als Eisenbieger beschäftigt gewesen. Er habe keine Ausbildung zum Eisenbieger, im Jahr 2011 habe er eine firmeninterne Ausbildung durch den Vorarbeiter erhalten. Als Hilfsarbeiter habe er viel weniger machen dürfen als jetzt als Eisenbieger. Er bekomme nun vom Vorarbeiter nur noch die Positionen zugeteilt und wisse selbst, was er dort machen müsse. 2011 habe ihm der Vorarbeiter jeden einzelnen Schritt sagen müssen, wo Bügel hingehören würden und welche Eisen zu verwenden wären. Das wisse er jetzt selbst.

 

Die übrigen auf der Baustelle angetroffenen Arbeitnehmer, die Gegenstand des Strafantrages wären, hätten im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass sie bzw. ihre Kollegen als Hilfsarbeiter und unter Anleitung des Vorarbeiters tätig gewesen wären, wobei jeder einzelne Schritt genau vorgegeben gewesen wäre.

 

Mit Schreiben vom 08.11.2012 habe die BUAK zu diesem Vorbringen vorgebracht, dass „Eisenbieger“ in Österreich kein Lehrberuf sei, sondern die Einstufung in Österreich kollektivvertragsrechtlich in die Lohnstufe IIIc (angelernte Arbeitnehmer/Eisenbieger, -flechter) erfolge. Einen „Eisenbieger-Helfer“ gebe es nicht. Die Tätigkeit des Eisenbiegers beginne bereits mit dem Antransport des Materials auf die Baustelle bzw. den damit verbundenen sicherheitstechnischen Grundkenntnissen und der Notwendigkeit des koordinierten Zusammenarbeitens (vgl. beigelegten Newsletter 1/09 des Verbandes österreichischer Biege- und Verlegetechnik). Die Arbeitnehmer würden betriebsintern ausgebildet. Auf Grund der bereits länger andauernden Beschäftigung sei von diesem Umstand bereits auszugehen.

Dass die Arbeitnehmer bei Einstellung die Vereinbarung einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter akzeptieren würden, liege gerade zu diesem Zeitpunkt an einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis und an der Tatsache, dass der Unterschied zwischen einer angelernten und einer Hilfskraft nicht ersichtlich sei.

Die betreffenden Arbeitnehmer seien daher unrichtig eingestuft gewesen, weshalb die Fortführung des Strafverfahrens iSd Strafantrages begehrt würde.

 

Der dargestellte Sachverhalt erscheine daher auf der Grundlage des durchge­führten Ermittlungsverfahrens als erwiesen. Das Unternehmen des Bf habe die im Spruch angeführten Arbeitnehmer in der Zeit von 01.09.2011 bis 31.10.2011 als Eisenbieger beschäftigt, ohne dass diesen der kollektivvertragliche Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien (Bruttostundenlohn von 11,46 Euro, das entspreche einem Bruttomonatslohn von 1.942,47 Euro) geleistet worden wäre. Die Arbeitnehmer hätten einen Bruttostundenlohn von 9,92 Euro erhalten. Das würde einer Unterentlohnung von 13,4 % entsprechen.

Dies deshalb, weil die Tätigkeit eines (angelernten) Eisenbiegers in die Lohnstufe IIIc einzustufen wäre, da diese bereits bei Antransport des Eisens auf der Baustelle beginne.

Der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung sei somit erfüllt.

 

In subjektiver Hinsicht sei es dem Bf auf der Grundlage der bei der Begehung eines (wie hier vorliegenden) Ungehorsamsdeliktes anzuwendenden (wider­leglichen) Verschuldensvermutung des § 5 VStG nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Bf und der Tatsache, dass weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zu berücksichtigen gewesen wären, sei die verhängte Strafe als tat- und schuldangemessen zu bezeichnen.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Berufung (nunmehr: Beschwerde) vom 20. März 2013, mit der die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungs­strafverfahrens, in eventu die Einstellung wegen Geringfügigkeit der Übertretung bzw. die Herabsetzung der Strafe beantragt werden.

 

Begründend wurde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Die rechtliche Beurteilung der Einstufungskriterien der Mitarbeiter durch die BUAK sei nach der arbeitsrechtlichen Definition eines Hilfsarbeiters unrichtig [Zitat: „Gabler Wirtschaftslexikon: Hilfsarbeiter – Ein Arbeiter ohne branchen­spezifische Berufsausbildung, der ungelernt gering qualifizierte Tätigkeiten (Hilfstätigkeiten) ausführt“]. Die betreffenden Mitarbeiter würden auch über keinerlei nachweisliche Qualifikation im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit besitzen. Der belangten Behörde sei weiters entgegen zu halten, dass „Anlernen“ nicht bedeute, einem Mitarbeiter einen Arbeitsvorgang zu zeigen, sondern dass dieser auch über eigene Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge und auch selbständige Arbeiten ohne Aufsicht eines Vorarbeiters durchführen könne.

 

Bei einem angelernten Arbeiter handle es sich um ein Mittelding zwischen einem Facharbeiter (der über einen Lehrabschluss verfügen müsse) und einem Hilfsarbeiter, und zwar in dem Sinn, dass man von einem angelernten Arbeiter dann sprechen könne, wenn jemand schon jahrelang eine bestimmte Tätigkeit ausübe, dazu Kurse besucht oder sonstige Fortbildungen absolviert habe, aber eben über keinen Lehrabschluss verfüge. In einem solchen Fall wäre der Vorwurf der BUAK auch korrekt. Die betreffenden Mitarbeiter würden aber allesamt, wie die belangte Behörde auch selbst feststelle, über keine Ausbildung verfügen. Dies würde sich für das Jahr 2011 auch aus allen Aussagen der befragten Arbeitnehmer ergeben. Zudem wären diese Arbeitnehmer ab Wiederbeginn der Bautätigkeit im Jahr 2012 (also nach Abschluss der betriebsinternen Ausbildung) als angelernte Eisenbieger entlohnt worden.

 

Die Aussagen der befragten Mitarbeiter als Indiz für eine detaillierte Einstufung bzw. Qualifikation von Arbeiten heranzuziehen, wäre auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse und in Anbetracht der Stresssituation einer obrigkeitlichen Kontrolle nicht möglich. Die entsprechenden Fachbegriffe könnten dabei nicht mit der notwendigen Präzision auseinander gehalten werden. Die von den betreffenden Arbeitnehmern tatsächlich ausgeübten (Hilfs-)Tätigkeiten würden zudem auch dem Inhalt des Leistungsauftrages an das Unternehmen des Bf entsprechen.

 

Die Ansicht der anzeigenden Stelle, dass es einen Eisenbieger-Hilfsarbeiter nicht gebe, sei unrichtig und entspreche auch nicht der Gliederung des Kollektiv­vertrages, der sowohl angelernte Arbeiter (in verschiedenen Untergruppen (Asphaltier-Vorarbeiter, Baggerführer, Drittelführer, Maschinist und eben auch Eisenbieger) als auch Hilfsarbeiter kenne. Eine derartige Unterscheidung sei weder bei den Fach- noch bei den Hilfsarbeitern zu finden, was die Ansicht der BUAK, die von der belangten Behörde ungeprüft übernommen worden sei, widerlege.

 

Dass die Tätigkeit des Eisenbiegers bereits mit dem Antransport des Eisens beginne, sei nicht nachvollziehbar, da dieser Antransport auf Grund des Material­volumens regelmäßig mittels Lkw und Kran von Statten gehe, deren Bedienung aber nicht durch die Eisenbieger erfolge. Von diesen sei das angelieferte Material lediglich händisch zu den jeweiligen Verlegestellen transportiert worden, wozu aber überhaupt keine besonderen Fähigkeiten erforderlich wären. Da keine Abladearbeiten durchgeführt worden wären, sei auch in diesem Zusammenhang die Ansicht der BUAK irrig. Mit dem rechtfertigenden Vorbringen des Bf habe sich die anzeigende Stelle überdies inhaltlich nicht auseinandergesetzt.

 

Auf der Basis der Richtigkeit der Einstufung als Hilfsarbeiter liege lediglich im Zusammenhang mit der Entlohnung eines Mitarbeiters eine minimale Unterent­lohnung vor, bei dem auf Grund eines lang andauernden Krankenstandes die Anpassung des vereinbarten Lohnes auf Grund einer zwischenzeitlichen Lohnerhöhung übersehen worden sei.

 

Die belangte Behörde habe es weiters versäumt, im Zuge der replizierenden Stellungnahme der BUAK das Parteiengehör zugunsten des Bf zu wahren, was einen weiteren erheblichen Verfahrensmangel darstellen würde. Wäre bereits zu diesem Zeitpunkt eine Stellungnahme ermöglicht worden, hätte die belangte Behörde zu einem anderen Ermittlungsergebnis und dann zu einem anders lautenden Bescheidspruch gelangen können bzw. müssen.

 

Schließlich habe die belangte Behörde die Erbringung des Entlastungsbeweises im Zusammenhang mit der Verschuldensvermutung des § 5 VStG falsch beurteilt. Der Bf habe sich – als albanisch-stämmiger Arbeitgeber – eines Steuerberatungsbüros bedient und im Hinblick auf die Einstufung eine vertret­bare Rechtsmeinung vertreten. Die subjektive Tatseite sei daher als nicht erfüllt anzusehen.

 

Hilfsweise würde auch die Herabsetzung der verhängten Strafe beantragt, da diese im Zusammenhang mit dem zwischenzeitlich eingeleiteten Insolvenzver­fahren und der damit verbundenen finanziellen Anspannung als unverhältnis­mäßig hoch zu bewerten sei.

 

I.3. Mit Schreiben vom 28. März 2013, eingelangt am 4. April 2013, hat die belangte Behörde die Berufung (nunmehr: Beschwerde) samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem vormals zuständigem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

 

II.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG (BGBl I Nr. 51/2012) ist die Zuständig­keit zur Weiterführung des gegenständlichen, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängigen Verfahrens auf das Oö. Landesverwaltungsgericht überge­gangen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz- VwGbk-ÜG (BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013) gelten zulässige Berufungen als rechtzeitig erhobene Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

II.2. Mit Erkenntnis vom 14. März 2014, GZ: LVwG-300154/2, wurde der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

In rechtlicher Hinsicht wurde wie folgt erwogen:

„Ungeachtet aller weiterführenden Überlegungen und Beurteilungen ist vorab die Frage der kollektivvertragsrechtlichen Einstufung jener Tätigkeiten und Arbeiten klarzustellen bzw. vorzunehmen, die von den bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer im inkriminierten Zeitraum 01.09. bis 31.10.2011 (!) tatsächlich ausgeführt wurden.

 

Von den Arbeitnehmern selbst wird dazu am 02.07.2012, also ziemlich genau acht Monate (!) später im Ergebnis einhellig angegeben, dass aufgrund des erst seit kurzer Zeit bestehenden Arbeitsverhältnisses (seit März, April bzw. überhaupt erst August 2011) zwar Arbeiten ausgeführt wurden, die dem Tätigkeitsbereich eines Eisenbiegers und –flechters objektiv zuzurechnen sind, dass dies aber unter faktisch permanenter Aufsicht und Anleitung eines Vorarbeiters erfolgte.

 

Die ex-post Beurteilung des Arbeitnehmers M Z steht dem nur scheinbar entgegen, wenn dieser angibt, dass er im Jahr 2011 eine Einschulung durch den Vorarbeiter erhielt, nun aber (also im Jahr 2012) weit mehr und zudem in (zumindest teilweiser) Eigenverantwortung erledigen kann und darf.

 

Dass der Phase als Hilfsarbeiter im Jahr 2011 nach Wiederaufnahme der Bautätigkeit im Jahr 2012 dann sowohl die Tätigkeit also auch die Entlohnung als angelernter Eisenbieger folgte, bestätigt die diesbezüglichen Angaben des Bf. Dieser Umstand blieb seitens der belangten Behörde aber bei der Beurteilung des zur Last gelegten Sachverhaltes weitgehend unberücksichtigt. Sollte die „Anlernphase“ für zu lange befunden worden sein, ist auch dieser Umstand im bekämpften Straferkenntnis nicht näher ausgeführt worden.

 

Aus dem Blickwinkel der generellen Betrachtung gewinnen in diesem Zusammenhang folgende Definitionen aus dem „Gabler Wirtschaftslexikon“ essentielle Bedeutung:

 

„Anlernausbildung: Qualifizierung eines Arbeitnehmers (Anlernling) im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung, häufig durch Unterweisung am Arbeitsplatz, ohne dass eine umfassende berufliche Ausbildung (Beruf) erforderlich ist. Erfolgt im Rahmen eines Anlernverhältnisses, das sich vom Berufsausbildungsverhältnis durch einen begrenzten Ausbildungszweck unterscheidet.“

 

„Angelernter Arbeiter: im Unterschied zum Facharbeiter Arbeitnehmer mit begrenzter Ausbildung (mind. 3 Monate bis unter 2 Jahren) und Spezialkenntnissen und -fertigkeiten. Tarifrechtlich üben angelernte Arbeiter im Gegensatz zum ungelernten Arbeiter eine anerkannte und eingruppierte Tätigkeit aus, die eine Sonderausbildung verlangt. Es handelt sich hierbei zumeist um einen weiten Tätigkeitsbereich, der in einem oberen (Berufe mit 2-jähriger Regelausbildung, evtl. auch Tätigkeiten, die über einen längeren Zeitraum einem Facharbeiterberuf entsprechen) und unteren Bereich (alle anderen Tätigkeiten) eingeteilt werden kann.“

 

Legt man diese Kategorisierung den weiteren Überlegungen zu Grunde, ergibt sich schon aus grammatikalischen Überlegungen (sowohl in der oben wiedergegebenen Definition als auch in der Einteilung des Kollektivvertrages wird das 2. Partizip, Mittelwort der Vergangenheit, verwendet), dass – um angelernt zu sein – die Anlernphase bereits abgeschlossen ist und eben diese Anlernphase selbst anders zu bewerten ist. Diese Systematik ist dem Kollektivvertragsrecht nicht nur nicht fremd, sondern dort im Gegenteil – etwa bei der Entlohnung während der Lehrausbildung – durchgängig umgesetzt.

 

Zur zeitlichen Dimension der Anlernphase ist wohl auf den Gegenstand und Schwierig­keitsgrad der auszuübenden Tätigkeit Bedacht zu nehmen. Im konkreten Fall sind zudem sprachliche Unzulänglichkeiten einzubeziehen, die wohl nicht geeignet sind, das hier umzusetzende Unterfangen zu beschleunigen.

 

Aus objektiver Sicht ist daher eine Anlernzeit von einer Bausaison – wie dies hier nachvollziehbar vorliegt – keinesfalls außerhalb der Normvarianz. Umso mehr ist im Hinblick auf den vorgeworfenen Zeitraum von (lediglich) zwei Monaten davon auszugehen, dass die Ausbildungsphase (noch) nicht abgeschlossen war.

 

Gerade in diesem Zusammenhang stellt sich die Argumentationslinie der anzeigenden Stelle tendenziell inhomogen dar. Wenn einerseits die Tätigkeit des Eisenbiegers und –flechters jene, im vorgelegten Newsletter dargestellte, verantwortungsvolle Tätigkeit am Bau darstellt, dann indiziert eben dieser Umstand auch einen daran angepassten Ausbildungszeitraum. Wäre dies nicht der Fall, könnte also mit anderen Worten ein (beliebiger) Arbeitnehmer relativ rasch angelernt werden, scheint die einreihungskausale Qualifikation nicht wirklich begründet, oder wäre unter „angelernt“ iSd des Kollektivvertrages ein ganz anderer Umstand definiert. Dafür liegen aber keine stichhaltigen Anhaltspunkte vor.

 

Dass es – wie dies von der BUAK ausgeführt wird – einen „Eisenbieger-Hilfsarbeiter“ nicht gibt, ist zwar nach der Nomenklatur des Kollektivvertrages zutreffend, sachlich aber unrichtig. (Noch) nicht angelernte Arbeitskräfte sind eben als Hilfsarbeiter einzustufen, einer Kategorie, in der es keine detaillierteren Spezifikationen gibt, auch wenn diese Arbeitskräfte im Rahmen der (erforderlichen) betrieblichen Spezialausbildung im Wesentlichen ausschließlich mit Eisenbiegearbeiten beschäftigt sind.

 

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den eindeutigen Zeugenaussagen der bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer geht zweifelsfrei hervor, dass diese Personen über keinerlei einschlägige Erfahrungen oder Kenntnisse verfügten, die Anlernzeit also auch „benötigten“, dass in dieser Zeit auch tatsächlich entscheidende Kenntnisse erworben wurden und dass diesem Umstand durch angepasste Einreihung im darauffolgenden Betriebsjahr auch Rechnung getragen wurde. In der dem Bf zur Last gelegten Zeit waren sie aber unter weitestgehender Aufsicht eines Vorarbeiters beschäftigt, also keine angelernten Kräfte.

 

Da dieser Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage eindeutig ermittelt war und feststand, dass das angefochtenen Straferkenntnis zu beheben ist, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.“

 

Gegen diese Entscheidung brachte die BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in W, vertreten durch Mag. V N, Rechtsanwältin in x, Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein.

 

Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2015, Ra 2014/11/0013-6, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 25. Jänner 2016, behob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. März 2014 infolge Verletzung von Verfahrens­vorschriften.

 

Infolge Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung ist das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich berufen, über das Rechtsmittel des Bf neuerlich zu entscheiden.

 

Vorweg ist festzuhalten, dass auch im System der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich von einer Bindungswirkung der Verwaltungsgerichte an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes iSd § 63 Abs. 1 VwGG auszugehen ist.

 

 

III. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2016. Zu dieser Verhandlung sind der Bf mit seinem Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Vertreter der BUAK erschienen. Zeugenschaftlich wurden A G, I L, A T, M Z und R E einvernommen.

 

III.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der K GmbH.

Im Zuge einer Kontrolle durch ein Organ der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) am 2. November 2011 auf einer Baustelle in T, F Straße wurden u.a. A G, geb. x, I L, geb. 0x, A T, geb. x und M Z, geb. x bei Eisenbinder-Tätigkeiten angetroffen. In der Folge wurde festgestellt, dass diese vier Arbeitnehmer im Zeitraum 01.09. bis 31.10.2011 einen Bruttostundenlohn von 9,92 Euro erhielten.

 

Der Kollektivvertrag für Baugewerbe und Bauindustrie für das Jahr 2011 sieht für Angelernte Eisenbieger und -flechter einen Bruttostundenlohn in der Höhe von 11,46 Euro vor.

 

Weiters hat das Kontrollorgan auf der o.a. Baustelle auch den Arbeitnehmer Fahrudin S als Eisenbinder-Vorarbeiter angetroffen.

 

Zu Beginn der Dienstverhältnisse sind mit den vier Arbeitnehmern jeweils Dienstverträge mit „Verwendung/beschäftigt als Hilfsarbeiter“ sowie mit „monatlicher Bruttobezug/Stundenlohn von € 1.681,44/€ 9,92“ abgeschlossen worden.

 

Die Arbeiter haben auf o.a. Baustelle im inkriminierten Zeitraum Hilfsarbeiten, wie Eisen tragen (zur jeweiligen Position) und Eisen legen ausgeführt. Sie wurden vom Vorarbeiter angewiesen, was sie konkret zu erledigen haben. Die Arbeiter haben auf der Baustelle unter Anleitung auch Eisen gebunden, um es zu lernen, vor allem auch die Anordnung und Auswahl der Bauteile.

 

III.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere der Anzeige der BUAK, sowie aus den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2016 ergibt. Dass die vier besagten Arbeitnehmer auf der Baustelle im inkriminierten Zeitraum Hilfsarbeiten ausgeführt haben, ergibt sich aus den glaubwürdigen Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung. Alle vier Arbeiter sagten im Wesentlichen übereinstimmend aus, dass sie auf dieser Baustelle als Hilfsarbeiter tätig waren und die Arbeiten ausgeführt haben, die ihnen der Vorarbeiter S gesagt hat und nicht selbständig Eisen verlegt oder gebunden hätten. Art und Umfang der durchgeführten Kontrolle konnten die Zeugenaussagen im Hinblick auf die tatsächlich durchgeführten Arbeiten – was den intendierten Gegenstand der Überprüfung durch die BUAK betrifft nachvollziehbar – nicht entkräften.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Gemäß § 7i Abs. 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht, wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, eine Verwaltungs­übertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1.000 bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall 2.000 bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer 2.000 bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall 4.000 bis 50.000 Euro.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

IV.2. Zu prüfen ist, ob die im Zuge der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer im inkriminierten Zeitraum von 1. September bis 31. Oktober 2011 Tätigkeiten bzw. Arbeiten eines Angelernten Eisenbiegers ausgeführt haben und somit unter­entlohnt wurden.

 

Aufgrund der glaubwürdigen Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung steht für das erkennende Gericht fest, dass die besagten Arbeitnehmer im inkriminierten Zeitpunkt ausschließlich Hilfsarbeiten, wie Eisen tragen, Eisen legen und – sofern sich Zeit fand – unter Anleitung Eisen gebunden haben. Diese Arbeitnehmer haben jedoch lediglich die ihnen aufgetragenen Arbeiten erledigt und zwar in der Form, in der sie es konkret aufgetragen bekommen haben. Ein selbstständiges Arbeiten konnte aufgrund der Zeugenaussagen nicht festgestellt werden. Dass sie unter Anleitung des Vorarbeiters auf der Baustelle auch Eisen gebunden haben wurde zu keiner Zeit bestritten, sondern liegt in der Natur der Sache, wenn diese „Hilfsarbeiter“ nach einer gewissen „Anlernphase“ als Angelernte Eisenbieger und Eisenflechter tätig sein wollen. Der Zeuge Z hat in der mündlichen Verhandlung auch ausgesagt, dass er nach der Winterpause im Frühjahr 2012 als Angelernter Arbeiter beim Bf beschäftigt war und dementsprechend entlohnt wurde.

 

Aufgrund der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung steht für das erkennende Gericht fest, dass diese vier Arbeitnehmer vom Bf im Zeitraum von 1. September bis 31. Oktober 2011 nicht zu Tätigkeiten eines Angelernten Eisenbieger‘s und Eisenflechter‘s herangezogen wurden und somit auch nicht unterentlohnt wurden.

 

Dafür spricht auch, dass im Zuge der Kontrolle durch das Organ der BUAK auch festgestellt wurde, dass der Bf auf dieser Baustelle neben diesen vier Arbeitnehmern auch einen Vorarbeiter beschäftigte und diesen auch dementsprechend entlohnte. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Arbeitgeber Hilfsarbeiter anstellen wollte, dies den vier Arbeitnehmern auch mitgeteilt hat und deren Aufgabenstellung in den Dienstverträgen auch entsprechend festgehalten wurde. Diese Dienstverträge wurden durch die vier Arbeitnehmer vor Beginn ihrer Beschäftigung beim Bf als „Hilfsarbeiter“ mit dem tatsächlich entrichteten Stundenlohn abgeschlossen und unterzeichnet. Tatsächlich vorhandene „Überqualifikationen“ sind somit unbeachtlich. Allein der konkrete Nachweis einer nicht entlohnungsgerechten Beschäftigung würde die Erfüllung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung darstellen, dieses Ergebnis brachte das Beweisverfahren aber nicht.

 

Es ist somit bereits das objektive Tatbild der vorgeworfenen Verwaltungsüber­tretung nicht erfüllt, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesver­waltungsgericht noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Kitzberger

 

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 9. November 2016, Ra 2016/11/0120-7