LVwG-601391/5/KOF/MSt

Linz, 21.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn G C, geb. 1939, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. P L gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11.04.2016, GZ: VStV/915301937801/ 2015, wegen Übertretung der StVO, nach der am 20. Juni 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          

Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.       

Gemäß § 52 Abs.1 und Abs.2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 10 Euro zu leisten.

 

 

III.    

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision

an den Verwaltungsgerichtshof absolut unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) das

in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:

 

„Sie haben am 22.12.2015 von 10:55 Uhr bis 11:10 Uhr in L., A.straße Nr. .. (Eckhaus R.straße Nr. ..) das Kfz, Kz.: L-...., im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten" mit der Zusatztafel „ausgenommen Ladetätigkeit" abgestellt, obwohl keine Ladetätigkeit durchgeführt wurde.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:  § 24 Abs.1 lit.a StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro       falls diese uneinbringlich ist,                  gemäß

       Ersatzfreiheitsstrafe von

        40,-             18 Stunden     § 99 Abs.3 lit.a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich Euro 100,- angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher ........... € 50,00.“

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben.

 

In der Beschwerde bringt der Bf vor, er habe seine fünfjährige Enkelin zuerst in ein näher bezeichnetes Krankenhaus gebracht, wo sie ambulant behandelt worden sei. Anschließend sei er mit seiner Enkelin zu sich nach Hause gefahren, und habe den PKW in der verfahrensgegenständlichen Ladezone abgestellt.

Danach habe er seine Enkelin in die Wohnung gebracht und dort versorgt.

Es liege daher Notstand im Sinne des § 6 VStG vor.

 

Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:

 

Der Rechtsvertreter des Bf bringt in der Stellungnahme vom 03.06.2016 vor,
der im LVwG Oö. zuständige Richter sei befangen, da dieser Richter gegen den Rechtsvertreter des Bf in einem anderen – der Geschäftszahl näher bezeichneten Verfahren – eine Disziplinaranzeige bei der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer erstattet habe.

 

 

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

 

Der VwGH hat zu § 6 VwGVG bereits ausgesprochen, dass sich nach dem klaren Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung die Mitglieder des Verwaltungsgerichtes unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes „wegen Befangenheit“ – nicht aber bereits bei bloßer Behauptung des Vorliegens einer Befangenheit durch eine Partei – zu enthalten haben.

Der VwGH hat – unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 7 AVG – ausgeführt, dass eine allfällige Befangenheit von Amts wegen wahrzunehmen ist und diesbezüglich ein Ablehnungsrecht der Parteien fehlt.

Gemäß § 17 VwGVG ist für Verfahren über Beschwerden iSd Art. 130 Abs.1 B-VG auch die Bestimmung des § 7 AVG anzuwenden; die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung ist auch für eine Befangenheit iSd § 6 VwGVG maßgebend; VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/03/0021 mit Vorjudikatur  

 

Der unterfertigte Richter hat im vom Rechtsvertreter des Bf zitierten Verfahren an die Oö. Rechtsanwaltskammer nicht eine Anzeige, sondern ausdrücklich nur eine Sachverhaltsdarstellung gesendet und um eine Stellungnahme ersucht.

Das Wort „Anzeige“ – in welcher grammatikalischen Form und in welchem Zusammenhang auch immer – ist in diesem Schreiben nicht enthalten.

 

Unabhängig davon ist festzustellen, dass die von einem Richter gegen
einen Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer erstattete Anzeige nicht zur Befangenheit dieses Richters führt;  VwGH vom 19.03.2010, 2009/02/0318;

vom 29.11.2000, 98/09/0204; vom 24.04.1995, 95/10/0035.

Die vom Rechtsvertreter des Bf behauptete Befangenheit des erkennenden Richters liegt somit nicht vor.

 

Der im Spruch des behördlichen Straferkenntnis angeführte objektive Tatbestand wurde vom Bf in keinem Stadium des Verfahrens bestritten.

 

Zum Vorbringen des Bf betreffend „Notstand“ im Sinne des § 6 VStG:

Unter Notstand iSd § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht.

Des Weiteren gehört es zum Wesen des Notstands, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist. Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln.

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band II, 2. Auflage, E8 und E9 zu § 6 VStG (Seite 124) zitierten zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen.

 

 

 

Im Zusammenhang mit der Übertretung der StVO hat der VwGH in wesentlich schwerwiegenderen Fällen das Vorliegen eines Notstandes iSd § 6 VStG verneint;

Erkenntnisse vom 11.05.2004, 2004/02/0144; vom 17.03.1999, 98/03/0298;

vom 13.03.1991, 90/03/2016 und vom 27.05.1987, 87/03/0112.

 

Der Bf bringt in der Beschwerde vor, es wäre unzumutbar gewesen,
seine fünfjährige Enkelin nach dem Abstellen des PKW am „Tatort“ aussteigen und in der Kälte warten zu lassen, bis der Bf einen geeigneten Parkplatz gefunden habe.

 

Dem ist entgegenzuhalten, dass jeder Kraftfahrer damit rechnen muss, dass er
in bestimmten Gebieten – wozu auch der innere Stadtbereich zählt – keinen Parkplatz findet.

Stellt er sich nicht darauf ein und hat er deshalb eine (vermeintliche) Notstands-situation selbst verschuldet, so kann von einem die Schuld ausschließenden Notstand nicht gesprochen werden;  VwGH vom 27.10.1977, GZ 1967/76

unter Verweis auf das Erkenntnis vom 24.03.1974, Zl. 1999/73.

 

Dem Bf wären zumindest folgende zwei Möglichkeiten zur Verfügung gestanden:

·                    entweder eine erlaubte Parkfläche in angemessener Entfernung zu suchen,   

    seinen PKW dort abzustellen und mit der Enkelin in die Wohnung zu gehen

·                    oder – da am „Tatort“ (Ladezone) gemäß § 24 Abs.2a StVO das kurze Halten  

    zum Aus- oder Einsteigen erlaubt ist – einen „Helfer“ zu organisieren, welcher

    die Enkelin des Bf dort erwartet.

    Dabei handelt es sich um ein organisatorisches Problem, welches durchaus in

    zumutbarer Weise lösbar ist;  VwGH vom 12.08.1994, 94/02/0248.

 

Betreffend den Schuldspruch war daher

die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

 

Das Strafausmaß (40 Euro) beträgt weniger als 6 % der möglichen Höchststrafe (726 Euro) und ist dadurch als milde zu bezeichnen.

 

Die Beschwerde war somit auch betreffend das Strafausmaß abzuweisen.

 

 

Zu II.:

Gemäß § 52 Abs.1  und Abs.2 VwGVG betragen die Kosten für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich 20 % der verhängten Geldstrafe, mindestens jedoch 10 Euro.

 

 

 

 

Zu III.: Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof absolut unzulässig;

VwGH vom 16.06.2015, Ra 2015/02/0106; vom 28.04.2015, Ra 2015/02/0064;  

vom 17.04.2015, Ra 2015/02/0046; vom 09.02.2016, Ra 2016/02/0017 uva.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen.

Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde hat durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin zu erfolgen.  Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Mag. Josef Kofler