LVwG-750342/3/Sr/HG

Linz, 17.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde von N U, geboren am x, StA. Türkei, vertreten durch Rechtsanwältin F Ö, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Februar 2016, GZ: Pol18-1265, mit dem ein Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ abgewiesen wurde

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde bestätigt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (in der Folge: belangte Behörde) vom 25. Februar 2016, GZ: Pol18-1265, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 24. Februar 2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) i.d.g.F. abgewiesen.

 

Begründend führte die belangte Behörde darin wie folgt aus:

 

"Sie sind türkischer Staatsbürger und somit im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziffer 1 Fremder, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

Sie haben am 24.02.2015 bei der Österreichischen Botschaft Ankara einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gestellt.

 

Dieser Antrag wurde am 12.03.2015 an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn übermittelt, da Ihr beabsichtigter Wohnsitz mit Ihrer Gattin in S, K 1, sein soll.

 

Sie haben nach den vorliegenden Unterlagen am x.x.2014 in M, Türkei, die österreichische Staatsbürgerin S H, geb. x, geheiratet. Die Ehe ist unter der Zl. 2014/1665, beim Standesamt in M, Türkei, registriert.

 

Sie haben dazu die erforderlichen Unterlagen vorgelegt und hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass auf Ihrem polizeilichen Führungszeugnis mehrere gerichtliche Verurteilungen aufscheinen.

 

Aufgrund des Umstandes dass aus dem vorgelegten Führungszeugnis nicht ersichtlich war, aus welchem Grund Sie mehrfach gerichtlich verurteilt wurden, wurden Sie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 12.03.2015 im Wege der Österreichischen Botschaft Ankara aufgefordert, die entsprechenden Gerichtsurteile, übersetzt in die deutsche Sprache, der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorzulegen. Ihre Gattin hat diese am 27.07.2015 persönlich der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn übergeben.

 

Die Urteilsübersetzungen sind von sehr schlechter Qualität und konnten folgende Verurteilungen als gegeben eruiert werden:

 

1. Urteil des Landesgerichtes C, Türkei, vom 02.05.2007 (Beschlussdatum), ZI. 2005/107, Urteil Nr. 2007/170 wegen einer Übertretung des türkischen Waffengesetzes sowie Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch Schießen mit einer Waffe aus einem Auto; Unbedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten;

 

 

2. Urteil des Landesgerichtes C, Türkei, vom 24.06.2009, 2008/56, Urteil 2009/409, wegen Diebstahl, Sachbeschädigung, Hehlerei, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten und einer Geldstrafe von 450,- TL (ca. 155 Euro), wobei die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

3. Urteil des Landesgerichtes C, Türkei, vom 24.06.2009, ZI. 2009/437, Urteil 2011/68, wegen Diebstahls eines Gewehres eines bettlägerigen Mannes. Urteil: 6 Monate unbedingte Freiheitsstrafe. Dabei wurde Ihnen als erschwerend angelastet, dass während der laufenden Probezeit eine neuerliche Straftat begangen wurde.

 

4. Urteil des Amtsgerichtes A 2013/929, Urteil Nr. 2014/408 vom 13.03.2014, wegen Körperverletzung mit einem Stein (gewertet als Waffe) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 TL = 3.000,- TL (c. 1.000 Euro)

 

Am 19.12.2013 wurden Sie laut Beschluss des Landgerichtes M vorzeitig aus der Haft entlassen.

 

Aus diesen Urteilen ist ersichtlich, dass Sie zwischen Mai 2007 und März 2014 zumindest viermal vom Landesgericht in C und A rechtskräftig verurteilt wurden, wobei Sie zweimal zu unbedingten Freiheitsstrafen von je 6 Monaten verurteilt wurden.

 

Es handelt sich dabei um Straftaten, die auch nach dem Österreichischen Strafgesetzbuch zu bestrafen sind.

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 05.08.2015 und 05.01.2016 wurden Sie aufgefordert, zum gegenständlichen Verfahren und damit zur beabsichtigten Abweisung Ihres Antrages eine Stellungnahme abzugeben.

 

Dieser Aufforderung sind Sie mit Schriftsatz der Rechtsvertreterin vom 17.11.2015 nachgekommen. In dieser Stellungnahme machen Sie geltend, dass es ersichtlich sei, dass Sie wegen 4 Vorfällen gerichtlich verurteilt wurden. Die Straftaten hätten sich am 27.06.2005, 24.01.2006, 05.11.2008 und zuletzt am 19.09.2013 ereignet. Die ersten drei Taten würden also 7 bis 10 Jahre zurück liegen. Seither wären sie nicht mehr straffällig geworden.

 

Dem letzten Vorfall am 19.09.2013 sei folgender Sachverhalt zugrunde gelegen: Sie hätten gerade Ihre Arbeit beendet und wären auf dem Weg nach Hause gewesen, als Sie von mehreren Personen, die in einem nahen Hotel gearbeitet hätten, angesprochen worden wären. Es sei zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten gekommen. Als Sie von einem anderen Beteiligten auch körperlich attackiert worden wären, hätten Sie zu einem Stein gegriffen, um sich zu verteidigen. Als einer der Beteiligten versucht hätte, den Streit zu schlichten, sei er durch den Stein leicht am Kopf verletzt worden. Sie hätten im Strafverfahren angegeben, das Opfer nicht vorsätzlich angegriffen zu haben. Sie hätten aufgrund der Rangelei nicht mit aller Gewissheit sagen können, wie es zur Verletzung des Opfers gekommen ist. Aufgrund der belastenden Aussagen der übrigen Tatbeteiligten wären Sie wegen Körperverletzung verurteilt worden. Da die Verletzungsfolgen nur leicht gewesen wären, hätte das Gericht eine Geldstrafe für ausreichend befunden. Die Geldstrafe hätten sie bereits bezahlt, sodass die Verurteilung auch nur als „Archiveintrag" im Strafregister ersichtlich sei.

 

Hinsichtlich des Vorfalls am 05.11.2008 wären Sie für 6 Monate in Haft gewesen. Da sie gegen das Urteil des Strafgerichtes C vom 02.02.2011 Rechtsmittel erhoben hätten, sei die Freiheitsstrafe erst im Jahr 2013 vollstreckt worden und am 19.12.2013 aus der Strafhaft entlassen worden. Die eigentliche Straftat wäre schon über fünf Jahre zurück gelegen.

 

Sie legen weiters dar, dass die ersten Straftaten bereits 7 bis 10 Jahre zurückliegen würden. Die entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilungen würden bereits getilgt sein, sodass sie aufgrund des erheblichen Zeitablaufes auch nicht mehr in eine Gefährdungsprognose zu Ihren Lasten herangezogen werden könnten.

 

Zwischen der letzten Straftat im September 2013 und dem vorangegangenen Vorfall im November 2008 sei ein Zeitraum von 5 Jahren gelegen, was deutlich zeige, dass Sie kein Straftäter wären, der zu Rückfällen neige. Sie seien nie mit hoher krimineller Energie vorgegangen. Es seien an der Tat mehrere Personen beteiligt gewesen, die auch durch Ihre Provokation ihren Beitrag geleistet hätten. Auch wären die Tatfolgen nur leicht geblieben, weshalb aus Sicht des Gerichtes mit einer Geldstrafe das Auslangen hätte gefunden werden können.

 

Unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitablaufs seit den ersten drei Taten sowie der Umstände, die Ihrer letzten Verurteilung zugrunde liegen würden, könne keine negative Gefährdungsprognose getroffen werden. Sie würden keinesfalls eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Österreich gemäß § 11 Abs. 4 Ziffer 1 NAG darstellen. Es bestehe keine Gefährdung, die einen Eingriff in eine durch Artikel 8 EMRK geschützte Rechtsposition auf Einwanderung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Ihrer österreichischen Ehegattin zur Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlugen gemäß Artikel 8 Abs. 3 EMRK rechtfertigen würde.

 

Es würde kein Hindernis für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" bestehen.

 

Am 18.12.2015 haben Sie die Urteile von 19.0.92014 und 24.06.20019 nochmals übersetzt übermittelt.

 

In Ihrer nochmaligen Stellungnahme vom 19.01.2016 verweisen Sie darauf, dass das Urteil des Gerichtes A vom 13.03.2014 bereits getilgt sei und unter „archivierte Eintragungen" aufscheinen würde. Bezüglich der übrigen Vorstrafen weisen Sie darauf hin, dass die zu Grunde liegenden Straftaten mittlerweile 7 bzw. 10 Jahre zurückliegen würden.

 

Im Übrigen wiederholen Sie Ihr Vorbringen vom 17.11.2015

 

Somit hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu entscheiden und geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

[Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften setzt die belangte Behörde fort:]

 

Sie wurden am 01.01.1982 in C, Türkei, geboren und sind türkischer Staatsangehöriger. Am x.x.2014 haben Sie die österreichische Staatsangehörige H S in M, Türkei, geheiratet.

 

Über Sie scheinen in Österreich keine Meldedaten auf.

 

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie Ihren Stellungnahmen wird folgendes festgestellt:

 

Sie sind aufrecht mit der österreichischen Staatsbürgerin H S verheiratet.

 

Im Hinblick auf Ihr durch gerichtliche Verurteilungen in der Türkei getrübtes Vorleben ist von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Österreich auszugehen, sollte Ihnen ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

 

Dies ist aus den aufscheinenden Gerichtsurteilen zu ersehen. Dabei muss insbesondere darauf Bedacht genommen werden, dass sie in mehrfacher Hinsicht nachteilig in Erscheinung getreten sind. So haben Sie neben Körperverletzung, Übertretungen nach dem Waffengesetz und auch Diebstähle begangen.

 

Im Urteil des Landesgerichtes C vom 02.05.2007 wird Ihnen zur Last gelegt, dass Sie andere Personen in Furcht, Angst oder Panik versetzt haben, da Sie mit einer Waffe aus einem Auto heraus mindestens 7 Schüsse abgegeben haben. Im Urteil ist angeführt, dass 7 Patronenhülsen sichergestellt wurden und an Ihren Handinnenseiten Pulveranhaftungen gefunden wurden. Sie wurden zu 6 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt

 

Im Urteil des Landesgerichtes C vom 24.06.2009, 2008/56, wurde zu Recht erkannt, dass Sie wegen verleumderischer Beschuldigung bestraft werden sollen, weil Sie am „Verbrechenstag" in das Geschäft des Klägers durch das Einschlagen einer Fensterscheibe eingedrungen sind und einen Fernseher, Beko 55", Wasserpfeifen, Teppiche, Musikanlagen und Bilder gestohlen haben und dann den Fernseher an einen anderen Angeklagten weiterverkauft haben. Weiters wollten Sie vor der einschreitenden Polizei ein Messer verstecken, welches bei Ihnen dann sichergestellt wurde. Sie wurden wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Einbruchs zur Anzeige gebracht und auch angeklagt. Es wurde vom Gericht eine Gesamtstrafe von 5 Monaten Freiheitsstrafe sowie 450,- TKL Geldstraft verhängt, wobei die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Weiters wurden Sie für 1 Jahr unter „Kontrollfrist" gestellt.

 

Im Urteil des Landesgerichtes C vom 24.06.2006, Zl. 2009/437, wurde Ihnen zur Last gelegt, einem bettlägerigen Mann ein Gewehr gestohlen zu haben. Da Sie zum Zeitpunkt des Diebstahls unter Bewährung gestanden sind, wurden Sie neuerlich zu einer unbedingten Freiheitstrafe von 6 Monaten verurteilt.

 

Im Urteil des Friedens-Strafgerichtes A vom 13.03.2014 wird Ihnen zur Last gelegt, im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung dem Geschädigten einen Stein auf den Kopf geschlagen zu haben. Bei der Strafbemessung wurde berücksichtigt, dass Sie bereits früher wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig verurteilt wurden. Das Gericht ist zu keiner für Sie positiven Zukunftsprognose gelangt und hat explizit festgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Sie weitere Straftaten begehen könnten. Das Gericht gelangte zu der Ansicht, dass Sie die Körperverletzung vorsätzlich begangen haben. Sie wurden rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 TL, insgesamt 3.000 TL verurteilt.

 

In der Gesamtschau Ihres Vorlebens kommt die erkennende Behörde zu dem Schluss, dass Sie im Falle einer Einreise nach Österreich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Wenn auch die Taten bereits mehrere Jahr zurück liegen, so lassen die nach wie vor im Strafregister aufscheinenden Verurteilung darauf schließen, dass Sie nicht gewillt sind, sich rechtskonform zu verhalten. Dabei muss vor allem berücksichtigt werden, dass Sie sowohl im Zusammenhang mit Waffen, Eigentumsdelikten und Körperverletzung nachteilig in Erscheinung getreten sind. Insbesondere der Umstand, dass Sie auch mit unbefugtem Waffengebrauch und Diebstahl eines Gewehres in Erscheinung getreten sind, stellt für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit eine erhebliche Gefahr dar.

 

Aus diesen Gründen kann keine positive Prognose gestellt werden. Vielmehr muss Ihnen vorgehalten werden, dass Sie obwohl Sie bereits das Haftübel verspürt haben, wieder straffällig geworden sind. Es konnte Sie auch eine bereits vollzogene Haftstrafe nicht davon abhalten in der Folge weitere Straftaten zu begehen.

 

Weiters sind auch gemäß Artikel 8 EMRK keine schwerwiegenden Gründe erkennbar, die für die unbedingte Erteilung eines Aufenthaltstitels sprechen.

 

Nach der Aktenlage haben Sie bisher noch nie im Bundesgebiet der Republik Österreich gelebt und ist somit ein tatsächliches Privat- und Familienleben nicht zu bejahen. Sie leben in der Türkei und Ihre österreichische Ehegattin lebt in Österreich. Sie ist hier auch beschäftigt und berufstätig. Wie sie anlässlich einer Befragung am 27.07.2015 angegeben hat, waren Sie nur wenige Tage wirklich zusammen und halten Sie nur über soziale Medien wie z.B. Facebook und Telefon Kontakt. So hat Ihre Gattin angegeben, dass Sie am x.x.2014 in der Türkei geheiratet haben und sie bereits am 05.01.2015 alleine wieder nach Österreich gereist ist. Bei dieser Heirat handelte es sich um eine Eheschließung vor dem Standesamt, eine „kirchliche Heirat" war zum Zeitpunkt der Befragung am 27.07.2015 noch nicht erfolgt. Diese sollte am 07.08.2015 in der Moschee in S erfolgen. Weiters gibt Ihre Gattin an, dass sie nur 14 Tage eng zusammen gewesen sind. Das war Weihnachten 2014 und der Jahreswechsel 2014/2015.

 

Wenn auch das Privat- und Familienleben schutzwürdig ist, so muss dem auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber gestellt werden und da überwiegen aus Sicht der erkennenden Behörde die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Aufgrund der negativen Prognose hinsichtlich Ihres getrübten Vorlebens kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sie nicht auch in Österreich Straftaten begehen werden.

 

Eine Integration in Österreich ist nicht gegeben, da Sie bisher nicht in Österreich gelebt haben und auch sonst in Ihrem Antrag initiativ nichts nachgewiesen haben, dass Sie Österreich in kultureller oder sprachlicher Hinsicht nahe stehen. Im Übrigen kann aus der kurzen gemeinsamen Zeit in der Türkei kein intensives Privat- und Familienleben abgeleitet werden. Vielmehr muss dabei auch beachtet werden, dass Sie sich erst Weihnachten 2013 kennen gelernt haben.

 

Sie leben in der Türkei und sind somit dort fest verwurzelt. In Österreich haben Sie bisher nicht gelebt.

 

Besonders muss ins Treffen geführt werden, dass Sie, wie bereits dargestellt, strafrechtlich nicht unbescholten sind.

 

Ihr Privat- und Familienleben ist zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem Sie bereits mehrfach gerichtlich verurteilt waren und somit damit rechnen mussten, dass Ihnen aufgrund dieses Umstandes kein Aufenthaltstitel erteilt werden könnte. Es ist im Interesse des aufnehmenden Staates, dass von zuwandernden Drittstaatsangehörige keine Gefahr ausgeht, dass sie Straftaten begehen werden. Es muss die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gewährleistet sein. Besonders muss Ihnen vorgehalten werden, dass Sie über einen sehr langen Zeitraum hinweg immer wieder mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten und auch gerichtlich verurteilt worden sind.

 

Die Abweisung Ihres Antrages ist somit jedenfalls auch im Sinne von Artikel 8 EMRK zulässig.

 

Abschließend ist festzustellen, dass Ihr Aufenthalt wesentlichen öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Es überwiegt bei weitem das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber Ihren privaten Interessen an einem Aufenthalt in Österreich."

 

2. Mit Schreiben vom 21. März 2016 erhob der Bf in rechtsfreundlicher Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin wie folgt aus:

 

"Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25.02.2016, GZ. Pol18-1265, zugestellt am 26.02.2016, betreffend der Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" erhebt der Antragsteller

 

Beschwerde

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und führt dazu aus:

 

I. Sachverhalt

 

Der Beschwerdeführer stellte am 24.02.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger". Er ist seit dem x.x.2014 mit der österreichischen Staatsbürgerin S H verheiratet. Im Rahmen der Antragstellung legte der Beschwerdeführer unter anderem sein türkisches Führungszeugnis vor.

 

Aus dem vorgelegten Strafregisterauszug ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer wegen 4 Vorfällen gerichtlich verurteilt wurde. Da im türkischen Strafrecht keine Gesamtstrafe gebildet wird, sondern für jeden erfüllten Straftatbestand eine eigene Strafe verhängt wird, weist das Strafregister eine Vielzahl von Eintragungen auf, die sich aber auf 4 Tatzeitpunkte beschränken.

 

Die Straftaten ereigneten sich am 27.06.2005, 24.01.2006, 05.11.2008 und zuletzt am 19.09.2013. Die Verurteilungen betreffend der Straftaten aus dem Jahre 2005 und 2013 sind bereits getilgt und erscheinen im Strafregisterauszug als „Archiv-Eintrag".

 

Dem letzten Vorfall am 19.09.2013 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: der Beschwerdeführer hatte gerade seine Arbeit beendet und war auf dem Weg nach Hause, als er von mehreren Personen, die in einem nahe gelegenen Hotel arbeiten, angesprochen wurde. Es kam zwischen den Beteiligten zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung. Als der Beschwerdeführer von den anderen Beteiligten auch körperlich attackiert wurde, griff er zu einem Stein, um sich zu verteidigen. Als einer der Beteiligten versuchte, den Streit zu schlichten, wurde er durch den Stein leicht am Kopf verletzt. Der Beschwerdeführer hat im Strafverfahren angegeben, dass er das Opfer nicht vorsätzlich mit dem Stein angegriffen hat. Aufgrund der Rangelei konnte er nicht mit aller Gewissheit sagen, wie es zu der Verletzung am Opfer gekommen ist. Aufgrund der belastenden Aussagen der übrigen Tatbeteiligten wurde der Beschwerdeführer allerdings wegen Körperverletzung verurteilt. Da die Verletzungsfolgen nur leicht gewesen sind, hat das Gericht eine Geldstrafe für ausreichend befunden. Die Geldstrafe hat der Beschwerdeführer auch bereits beglichen, sodass die Verurteilung auch nur als „Archiv-Eintrag" im Strafregister ersichtlich ist.

 

Hinsichtlich des Vorfalls am 05.11.2008 wurde der Beschwerdeführer vom zuständigen Strafgericht am 02.02.2011 zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt. Da er gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel erhoben hatte, wurde aufgrund der langen Dauer des Rechtsmittelverfahrens die Freiheitsstrafe erst im Jahr 2013 vollstreckt. Daher wurde er auch erst am 19.12.2013 aus der Strafhaft entlassen. Die eigentliche Tathandlung lag zu diesem Zeitpunkt allerdings schon über 5 Jahre zurück.

 

Mit streitgegenständlichem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen, mit der Begründung, dass dieser im Falle einer Einreise nach Österreich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Die Behörde stützt sich dabei auf die Verurteilungen für die am 27.06.2005 (Verstoß gegen das Waffengesetz), 21.04.2006 (Diebstahl) und 19.09.2013 (Körperverletzung) begangenen Straftaten.

 

II. Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit

 

Der Beschwerdeführer ist durch den streitgegenständlichen Bescheid in seinen Rechten verletzt.

 

Die Rechtzeitigkeit der Beschwerde ergibt sich daraus, dass die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides am 26.02.2016 erfolgte.

 

III. Beschwerdeerklärung

 

Der Bescheid wird vollumfänglich angefochten.

 

IV. Gründe für die Rechtswidrigkeit:

 

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

 

1. Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel unter anderem nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden öffentlichen Interessen nicht widerstreitet. Gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

 

Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" im § 11 Abs. 4 Z 1 NAG ist eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten (vgl. VwGH v. 28.02.2008, 2006/21/0218; 13.03.2002, 2002/12/0033). Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen.

 

2. Die belangte Behörde stützt sich in seinem Bescheid auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Verstoßes gegen das Waffengesetz, Diebstahls und Körperverletzung. Die im Bescheid unter 2. und 3. zitierten Urteile betreffen denselben Vorfall vom 21.04.2006 und können daher nicht doppelt zulasten des Beschwerdeführers gewürdigt werden.

 

Wie bereits oben dargelegt wurde, liegen die ersten 3 Straftaten des Beschwerdeführers 7-10 Jahre zurück. Der Beschwerdeführer ist seither nicht mehr einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilungen sind auch bereits getilgt. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs können diese Verurteilungen nicht in eine Gefährdungsprognose zulasten des Beschwerdeführers herangezogen werden.

 

Zwischen der letzten Straftat im September 2013 und dem vorangegangen Vorfall im November 2008 lag ein Zeitraum von 5 Jahren, was deutlich zeigt, dass der Beschwerdeführer kein Straftäter ist, der zu Rückfällen neigt. Die obige Sachverhaltsschilderung zur letzten Verurteilung zeigt auch, dass der Beschwerdeführer keinesfalls mit hoher krimineller Energie vorgegangen ist. Es waren an der Tat mehrere Personen beteiligt, die auch durch Provokation ihren Beitrag zu der Tat geleistet haben. Auch die Tatfolgen sind nur leicht geblieben, weshalb aus Sicht des Gerichts mit einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden konnte.

 

Unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitablaufs seit den ersten 3 Taten sowie der Umstände, die der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegen, kann keine negative Gefährdungsprognose getroffen werden. Der Beschwerdeführer stellt keinesfalls eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Österreich gemäß § 11 Abs. 4 Ziffer 1 NAG dar. Es besteht keine Gefährdung, die einen Eingriff in eine durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers auf Einwanderung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin zur Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigen würde.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass kein Erteilungshindernis für einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" besteht. Die belangte Behörde hätte daher den Aufenthaltstitel erteilen müssen.

 

V. Anträge:

 

Aus diesen Gründen wird beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge

 

1. im Verfahren über diese Beschwerde eine mündliche Verhandlung durchführen und

 

2. den Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" erteilt wird, in eventu

 

3. den Bescheid aufheben und an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu-rückverweisen."

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 24. März 2016 zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war und in der Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung auch im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Bf mit Schreiben vom 18. Mai 2016 verzichtet.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf wurde am x geboren, ist türkischer Staatsangehöriger und lebt in der Türkei.

 

Der Bf wurde wegen der Begehung der nachfolgend dargestellten Taten, welche auch nach dem Österreichischen Strafgesetzbuch zu bestrafen sind, im Zeitraum 2005 bis Herbst 2013 von Strafgerichten in der Türkei mehrfach rechtskräftig verurteilt.

 

·         Mit Urteil vom 2. Mai 2007, GZ 2005/170, verhängte das Landesgericht C gegen den Bf eine unbedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten, weil er am 27. Juni 2005 vorsätzlich gegen das türkische Waffengesetz verstoßen und die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet hat, indem er mit einer Waffe aus einem Auto heraus mindestens 7 Schüsse abgegeben und dadurch andere Personen in Furcht, Angst oder Panik versetzt hat.

 

·         Mit Urteil vom 24. Juni 2009, Hauptzahl 2008/56, UrteilsGZ 2009/409, verhängte das Landesgericht C gegen den Bf eine bedingte Freiheitsstrafe von 5 Monaten und eine unbedingte Geldstrafe von 450 TL, weil er am 24. Jänner 2006 vorsätzlich gegen das türkische Strafgesetzbuch verstoßen hat, indem er in ein Geschäft eingebrochen ist, daraus einen Fernseher, Wasserpfeifen, Teppiche, Musikanlagen und Bilder gestohlen, unerlaubte Verkäufe und Käufe getätigt, unerlaubt einen Dolch mit einer Klingenlänge von 20 cm getragen und mitgeführt und Hehlerei begangen hat. Zusätzlich hat das erkennende Gericht eine Probezeit von einem Jahr vorgesehen.

 

·         Mit Urteil vom 2. Februar 2011, GZ 2009/437, verhängte das Landesgericht C gegen den Bf eine unbedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten weil er am 5. November 2008 vorsätzlich gegen das türkische Strafgesetzbuch verstoßen hat, indem er einem bettlägerigen Mann sein Gewehr gestohlen hat. Erschwerend hat das erkennende Gericht gewertet, dass der Bf eine neuerliche Straftat während der Probezeit begangen hat. Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel wurde vom Berufungsgericht abgewiesen. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

 

·         Mit Urteil vom 13. März 2014, GZ 2014/408, verhängte das Friedens-Strafgericht A gegen den Bf eine unbedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 TL, insgesamt 3.000 TL, weil er am 19. September 2013 vorsätzlich gegen das türkische Strafgesetzbuch verstoßen hat, da er im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung dem Geschädigten einen Stein auf den Kopf geschlagen hat. Erschwerend hat das erkennende Gericht berücksichtigt, dass der Bf bereits früher wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist. Das Gericht ist zu keiner für den Bf positiven Zukunftsprognose gelangt und hat explizit festgestellt, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht ausgeschlossen werden kann. 

 

Das Gerichtsverfahren betreffend die Straftat am 5. November 2008 wurde erst im Jahr 2013 rechtskräftig abgeschlossen. Nach Verbüßung der mehrmonatigen Haftstrafe wurde der Bf am 19. Dezember 2013 aus der Haft entlassen.

 

Der Bf lernte in der Folge seine nunmehrige Ehegattin, Frau S U, Mädchenname H, geb. x, österreichische Staatsbürgerin, während ihres Urlaubes in der Türkei zu Weihnachten 2013 kennen. Im August und im Dezember 2014 war seine Gattin erneut in die Türkei. Beim letzten Urlaub heiratete sie den Bf am x.x. 2014 standesamtlich.

 

Am 24. Februar 2015 stellte der Bf den Antrag auf einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger".

 

Die Ehegattin des Bf beherrscht die türkische Sprache, verfügt über ein ausreichendes Einkommen und bewohnt eine 75 große Wohnung.

 

Im Verfahren hat der Bf vorgebracht, dass er beabsichtige in Österreich einer Beschäftigung nachzugehen.

 

Laut Bekanntgabe der rechtsfreundlichen Vertretung am 18. Mai 2016 hat sich die finanzielle Lage der Ehegattin nicht verändert und sind auch in den sonstigen persönlichen Verhältnissen keine Änderungen eingetreten.

 

 

II.

 

Der relevante Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten.

 

 

III.

 

1. Gemäß Art 130 B-VG iVm. §§ 3 Abs 2 und 4 Abs 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2015, ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig. Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

2.1. Gemäß § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Familienangehöriger ist gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG "wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); […]".

 

Zusammenführende sind gemäß § 47 Abs. 1 NAG Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

 

2.2. Der Bf ist türkischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger. Er ist seit x.x. 2014 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und somit Familienangehöriger einer Zusammenführenden. Eine Aufenthalts­bewilligung ist daher zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllt sind.

 

3.1. Zu den allgemeinen Voraussetzungen des 1. Teiles lautet § 11 Abs. 2 NAG:

Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.   der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.   der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.   der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.   der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebiets­körperschaft führen könnte;

5.   durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.   der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Der Aufenthalt des Fremden widerstreitet gemäß § 11 Abs. 4 NAG öffentlichen Interessen, wenn

1.   sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.   der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

 

3.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde“ im § 11 Abs. 4 Z 1 NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils, an Hand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. ua. VwGH 27.09.2010, 2009/22/0044).

 

3.3. Wenn die einzelnen Straftaten auch schon teilweise länger zurückliegen, so lässt der Umstand, dass der Bf immer wieder straffällig wird, nicht erkennen, warum sich der Bf in Zukunft strafrechtlich unauffällig verhalten sollte. Zu dieser Erkenntnis ist auch das Friedens-Strafgericht A im Urteil vom 13. März 2014 gekommen.

 

Laut Aktenlage ist der Bf seit 2005 wiederholt deliktisch in Erscheinung getreten und mehrfach wegen seiner Vorsatztaten rechtskräftig verurteilt worden. Auch wenn „nur“ vier Gerichtsurteile im Zeitraum 2007 bis 2014 ergangen sind, liegen beispielsweise der Verurteilung vom 24. Juni 2009 zahlreiche Verstöße (Einbruch, mehrere Diebstähle, Hehlerei, unerlaubter Waffenbesitz) gegen das türkische Strafgesetz zugrunde.

 

Wie ein roter Faden zieht sich das mangelnde Unrechtsbewusstsein des Bf durch den Betrachtungszeitraum. Auch wenn ihm das Strafgericht zumindest einmal ein anständiges Verhalten vor Gericht attestiert hat, so hat der Bf während der Gerichtsverfahren grundsätzlich ein strafwürdiges Verhalten seinerseits in Abrede gestellt, die Schuld bei anderen gesehen und sich am Geschehen als Unbeteiligter darzustellen versucht. Trotz vorliegender Sachbeweise war seine Verteidigungsstrategie das Leugnen der Taten. Selbst im gegenständlichen Verwaltungsverfahren stellt er trotz der rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung am 19. September 2013 ein vorsätzliches Handeln in Frage und versucht den Eindruck zu erwecken, sich als Opfer verteidigt zu haben. Das Zustandekommen der Kopfverletzung der Person, die als Streitschlichter aufgetreten ist, kann er sich nicht erklären.

 

Innerhalb des beobachtbaren Zeitraums zeigt sich latent die kriminelle Energie des Bf. Zutreffend bringt die rechtsfreundliche Vertretung vor, dass sich die Abstände, in denen der Bf straffällig geworden ist, erkennbar vergrößert haben. Für das vorliegende Verfahren ist damit aber nichts gewonnen. Die wiederholte Rückfälligkeit, noch dazu zu Zeiten, wo ein Strafverfahren, das sich auf eine früher Tat bezieht, noch nicht abgeschlossen ist, zeigt den wahren Charakter des Bf und lässt seine negative Einstellung zur Rechtsordnung erkennen.

 

Der Bf schreckt nicht davor zurück, seine Probleme - seien sie finanzieller Natur oder durch zufällig zu Tage tretende Konflikte entstanden - ohne Rücksichtnahme auf entgegenstehende Rechtsnormen zu lösen.

 

Auch wenn die rechtsfreundliche Vertretung die zuletzt erfolgte Verurteilung in einem für den Bf günstigeren Licht sehen möchte, weil gegen den Bf lediglich eine Geldstrafe verhängt worden ist, ist ihr nicht zu folgen. Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles ist nicht nur auf die gefällte Strafe sondern auch auf das Tatverhalten des Bf abzustellen. Wie bereits oben ausgeführt, lässt der vorsätzliche Mitteleinsatz - Stein gegen den Kopf des Streitschlichters - auf eine nicht unerhebliche kriminelle Energie des Bf schließen.

 

Ebenso wenig vermag der Einwand des Bf zu überzeugen, dass die letzte Verurteilung (Urteil vom 13. März 2014) im türkischen Strafregisterauszug nur mehr als "archiviert" eingetragen ist. Vergleichsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum FrPolG 2005 erkannt , dass bei der Erstellung einer zu treffenden Gefährdungsprognose nämlich das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei kann zur Begründung einer Gefährdung auch das einer bereits getilgten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten herangezogen werden (vgl. VwGH vom 20.08.2013, 2013/22/0113, mwN.; sowie VwGH vom 09.11.2011, 2010/22/0165, zum NAG 2005).

 

3.4. Eine Änderung der Grundeinstellung, welche eine positive Prognose erlauben würde, lässt sich auf Grund des Gesamtverhaltens, das über einen langen Zeitraum einer Beurteilung unterzogen werden konnte, nicht erkennen.

 

Der beabsichtigte Aufenthalt des Bf widerstreitet somit den öffentlichen Interessen.

 

4.1. Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.   die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.   das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.   die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.   der Grad der Integration;

5.   die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.   die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.   Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.   die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.   die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

4.2. Der Bf hat bisher nicht in Österreich gelebt und ist daher auch nicht in Österreich integriert. Seit der Verehelichung hat die Gattin des Bf diesen nur ein paar Mal in der Türkei besucht. Aus diesen Kurzaufenthalten kann auf ein tatsächlich bestehendes Familienleben nicht geschlossen werden. Der Bf hat im Verfahren auch nicht vorgebracht, dass sich bis dato ein solches entwickelt hat. In diesem Zusammenhang ist auch keine Schutzwürdigkeit des Privatlebens erkennbar. Mangels entsprechender Anknüpfungspunkte (u.a. auch die Sprachbarriere) verfügt der Bf ausschließlich über Bindungen zum Heimatstaat. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, kann der Bf für sich eine strafgerichtliche Unbescholtenheit nicht geltend machen. Verstöße gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften liegen keine vor. Sofern man beim Bf und seiner Ehegattin überhaupt von einem Privat- und Familienleben sprechen kann, so wäre dies in einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Bf auf Grund seiner strafrechtlichen Verfehlungen bewusst sein musste, dass die Erlangung eines Aufenthaltstitels außer Reichweite ist.

 

Der Bf kann sich daher nicht auf eine Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK stützen, da die Voraussetzungen des   § 11 Abs 3 NAG nicht vorliegen.

 

5. Es war somit im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag. Christian Stierschneider