LVwG-410211/3/ER/TK

Linz, 17.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck (mitbeteiligte Partei: Herr X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X) gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck vom 21. Oktober 2013, Pol96-142-2010, wegen Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

II.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2013, Pol96-142-2010, stellte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) das zur selben Zahl protokollierte Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn X wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG ein.

 

Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen die Möglichkeit bestanden habe, Einsätze über 10 Euro zu leisten und daher gerichtliche Strafbarkeit vorliege, weshalb Anzeige an die Staatsanwaltschaft gemäß § 78 StPO erstattet worden sei.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich folgende, per E-Mail eingebrachte Berufung der Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck (im Folgenden: Bf) vom 29. November 2013:

 

Berufung gegen den Bescheid Zahl Pol96-142-2010 zugestellt am 19.11.2012

 

Die Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck erhebt innerhalb der RM Frist Berufung gegen den Bescheid mit der Nr. Pol96 142-2010.

Die Begründung und ausführliche Stellungnahme bzw Sachverhaltsdarstellung wird nachgereicht.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Amtsdirektor

x

Teamleiter

 

Finanzpolizei Team 45

4810 Gmunden, Tagwerkerstraße 2

Telefon...

Mobil...

e-Mail x@bmf.at

www.bmf.gv.at“

 

Eine Begründung hat die Bf nicht nachgereicht.

 

Gemäß § 3 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen Bescheid, der vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde, als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

 

1.3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem S a c h v e r h a l t aus:

Am 30. November 2010 fand in der Tankstelle in X eine Kontrolle wegen des Verdachts der Übertretung nach dem Glücksspielgesetz statt. Im Rahmen dieser Kontrolle wurde die mitbeteiligte Partei von der Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck wegen des Verdachts der Übertretung nach dem Glücksspielgesetz angezeigt. Aufgrund dieser Anzeige wurde ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei eingeleitet.

 

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2013 stellte die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei ein und erstattete Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wels. Diese Anzeige ging bei der Staatsanwaltschaft Wels am 18. November 2013 ein.

 

Mit E-Mail vom 29. November 2013 erhob die Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck, wie unter Punkt I.2. dargelegt, Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der belangten Behörde.

 

Mit Schreiben vom 24. Jänner 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde der Finanzpolizei Gmunden Vöcklabruck dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor. Auf Rückfrage der zuständigen Richterin des Oö. Landesverwaltungsgerichts vom 13. März 2014 informierte die belangte Behörde das Oö. Landesverwaltungsgericht per E-Mail darüber, dass die Staatsanwaltschaft Wels das Ermittlungsverfahren gegen die mitbeteiligte Partei bereits am 28. Jänner 2014 eingestellt hat. Dieser Information legte die belangte Behörde die Einstellungsnachricht der Staatsanwaltschaft Wels bei.

 

I.4. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, entfiel die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

 

II. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus der vorgelegten Beschwerde.

 

 

III. Gemäß § 50 Abs 5 GSpG hat die Abgabenbehörde in Verwaltungsverfahren nach §§ 52, 53 und 54 dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Beschwerde gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.

 

IV. 1. Wie sich aus dem Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 14/2013 (im Folgenden: AVOG), ergibt, sind die Abgabenbehörden des Bundes das Bundesministerium für Finanzen, die Finanzämter und die Zollämter (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 49 Anm 1).

 

Mit § 12 AVOG werden die Organwalter der „Finanzpolizei“ (vgl. die Überschrift zu dieser Bestimmung) als „Organe der Abgabenbehörden“ eingerichtet und im Weiteren mit bestimmten Exekutivbefugnissen (wie z.B. Identitätsfeststellung, Auskunftsersuchen und Kontroll- und Durchsuchungsrechte) ausgestattet. Dieser Konzeption zufolge sind die Organwalter der Finanzpolizei sohin nicht selbst als Behörde, sondern lediglich als deren Hilfsorgan anzusehen.

 

Vor diesem Hintergrund ist daher § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG, der festlegt, dass „jenem Finanzamt, das die Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt hat, die Parteistellung in den Verwaltungsstrafverfahren“ zukommt, „wobei sich dieses Finanzamt auch durch Organe anderer Abgabenbehörden vertreten lassen kann“, dahin zu verstehen, dass damit einerseits klargestellt wird, dass nur dem Finanzamt (als Behörde) selbst, nicht aber auch dessen Hilfsorganen – also den Organwaltern der Finanzpolizei – die Stellung einer Verfahrenspartei zukommt; dies bedingt wiederum andererseits, dass es im Falle einer in § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG angesprochenen Vertretung einer entsprechenden vorangegangenen Ermächtigung durch den Vertretenen bedarf, damit die Vertretungshandlung auch im Außenverhältnis ihre Wirksamkeit entfalten kann.

 

IV.2. Dafür, dass ein derartiger Ermächtigungsakt vorliegen würde, findet sich jedoch im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz kein Hinweis.

 

Vielmehr lässt das von der Finanzpolizei erstattete E-Mail vom 29. November 2013 sowohl seinem Inhalt nach als auch auf Grund seiner optischen Erscheinung zweifelsfrei nur den Schluss zu, dass dieses vom Leiter der „Finanzpolizei – Team 45“ – und sohin von einem Hilfsorgan – eigenständig abgefasst wurde, ohne dass die Vertretung des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck von Letzterem veranlasst worden wäre. Da die gegenständliche Beschwerde sohin von der Finanzpolizei ausschließlich aus eigenem Antrieb und nicht, wie dies gemäß § 12 Abs. 5 zweiter Satz AVOG erforderlich wäre, auf Grund einer konkreten Ermächtigung seitens der vertretenen Behörde eingebracht wurde, war diese Eingabe auch einer Mängelbehebung von vornherein nicht zugänglich (vgl in diesem Sinne auch zuletzt VwGH v. 23. Oktober 2013, 2012/03/0083, m.w.N.).

 

IV.3. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 21.2.1995, 95/05/0010, festgestellt, dass es an einem an eine Berufung zu stellenden Mindesterfordernis mangelt, wenn „es an einer Begründung des Berufungsantrags [fehlt] und [...] eine solche auch innerhalb der Berufungsfrist nicht nachgereicht [wird]. Mit dem Hinweis des Berufungswerbers in der Berufung, mit einem weiteren Schriftsatz die Begründung dieser vorzunehmen, wird dem dargelegten Erfordernis nicht entsprochen.

 

Das wissentliche Unterlassen der Begründung einer Berufung ist überdies einer Verbesserung gemäß § 13 Abs 3 AVG nicht zugänglich. In seiner Entscheidung vom 28. März 2012, 2011/08/0375, stellte der Verwaltungsgerichtshof dazu Folgendes fest: „Wenn eine Partei jedoch – wie im vorliegenden Fall – in Kenntnis der an ein Rechtsmittel gestellten inhaltlichen Anforderungen, d.h. wissentlich, einen Schriftsatz einbringt (...), der sich mit keinem Wort inhaltlich gegen den angefochtenen Bescheid richtet, sondern lediglich ankündigt, dass die Begründung für die Berufung nachgereicht werde, (...) was im Ergebnis als (...) bloße Anmeldung eines Rechtsmittels gegen späteres Nachbringen der Berufungsbegründung aufzufassen ist, dann fehlt es wegen des Elementes der Wissentlichkeit (Wissen um die Frist bzw. Kenntnis davon, dass ein Einspruch eine nähere Begründung benötigt) an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem (allenfalls auch auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführenden) Versehen der Partei beruht. Daher ist auf solche Eingaben § 13 Abs. 3 AVG von vornherein nicht anzuwenden.“

 

Dass die Bf die Begründung der Beschwerde wissentlich unterlassen hat, geht zum einen eindeutig aus der Bezugnahme auf die Rechtsmittelfrist und zum anderen aus dem Hinweis, eine Begründung werde nachgereicht, hervor. Der Bf war daher offensichtlich bewusst, dass eine Berufung bzw. Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist begründet eingebracht werden muss. Im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs fehlt es der gegenständlichen Eingabe daher an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem Versehen der Bf beruht. § 13 Abs. 3 AVG war daher nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Das Verwaltungsgericht ist somit an die Gründe und das Begehren der Beschwerde gebunden. Demnach sind die Anforderungen an die Beschwerde höher als die Anforderungen an eine Berufung gemäß § 63 Abs 3 AVG (vgl ErläutRV 2009 BlgNR 24.GP).

Zumal die Anforderungen an die Beschwerde iSd § 9 VwGVG aufgrund der in § 27 VwGVG explizit geregelten Bindung an die Beschwerdegründe und das Beschwerdebegehren höher sind als jene an die Berufung gemäß § 63 Abs 3 AVG und der Verwaltungsgerichtshof betreffend wissentlich unbegründet eingebrachte Berufungen bereits festgestellt hat, dass diese der Mängelbehebung gemäß § 13 Abs 3 AVG nicht zugänglich sind, ergibt sich im vorliegenden Fall, dass eine wissentlich unbegründet eingebrachten Beschwerde – aufgrund der erhöhten Anforderungen an eine Beschwerde im Vergleich zur Berufung – im Größenschluss erst recht mit einem nicht verbesserungsfähigen Mangel behaftet und damit unzulässig ist.

 

 

V. Da die Beschwerde ausschließlich der Finanzpolizei zuzurechnen war, war sie mangels Parteistellung unzulässig. Darüber hinaus mangelt es der Beschwerde durch die wissentlich fehlende Begründung an einem Mindesterfordernis, dessen Fehlen einer Verbesserung gemäß § 13 Abs 3 AVG nicht zugänglich war. Im Ergebnis war die Beschwerde gemäß § 50 VwGVG zurückzuweisen.

 

 

VI. Aus prozessökonomischen Gründen ist abschließend darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall bereits am 9. Februar 2014 Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs 2 VStG eingetreten ist. Durch die Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wels vom 21. Oktober 2013 wurde die Verjährung für die Dauer des Strafverfahrens bei der Staatsanwaltschaft gehemmt. Wie der im Akt einliegenden Anzeige zu entnehmen ist, ist diese der Staatsanwaltschaft Wels am 18. November 2013 zugegangen. Wie der Einstellungsnachricht der Staatsanwaltschaft Wels, die dem Oö. Landesverwaltungsgericht von der belangten Behörde mit E-Mail vom 13. März 2014 vorgelegt wurde, zu entnehmen ist, hat die Staatsanwaltschaft Wels das Ermittlungsverfahren gegen die mitbeteiligte Partei am 28. Jänner 2014 eingestellt. Im Sinne des § 31 Abs 2 Z 2 VStG war die Verjährungsfrist von 18. November 2013 bis zum Tag der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft, dem 28 Jänner 2014, also für die Dauer von 71 Tagen, unterbrochen.

Ohne diese Unterbrechung wäre die Strafbarkeit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung am 30. November 2013 erloschen. Durch die im § 31 Abs 2 Z 2 VStG geregelten Hemmung der Verjährungsfrist ist zur Berechnung des tatsächlichen Endes der Verjährungsfrist die Zeit der Unterbrechung der in § 31 Abs 2 VStG geregelten Frist zuzurechnen. Unter Berücksichtigung der Unterbrechung erlosch die Strafbarkeit daher am 9. Februar 2014.

 

Nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung liegt ein Strafaufhebungsgrund vor (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 31 Rz 14). Selbst im Falle der Zulässigkeit der Beschwerde wäre daher das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen gewesen.

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r