LVwG-350176/2/Py/LR

Linz, 25.11.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde der Frau A.M., x, P., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 8. September 2015, GZ: BHFR-2015-170754/9, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs (Bedarfsorientierte Mindestsicherung) den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Der Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8.9.2015, GZ: BHFR-2015-170754/9, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) vom 30.6.2015 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs gemäß §§ 4 ff, 7, 11, 13, 27 und 31 Oö. BMSG iVm § 1 Oö. BMSV abgewiesen.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrens­ganges zusammengefasst aus, dass die Bf ihre Arbeit beim V. „M.“ und ihre selbständige Tätigkeit als Masseurin und Heilmasseurin freiwillig und ohne zwingenden Grund bereits vier Monate vor Beginn ihrer angestrebten Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester beendet hat. Dadurch habe sie ihre soziale Notlage selbst herbeigeführt weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 25.9.2015. Diese begründet die Bf zusammengefasst damit, dass sie mit ihrem minderjährigen Sohn in einer Mietwohnung in P. lebe und für diesen Sohn Alimente erhalte. Vom 1.10.2015 bis 31.5.2015 habe sie als Angestellte bei der Gesellschaft „M.“ zur Integration von Menschen gearbeitet und monatlich 368 Euro verdient. Dieses Dienstverhältnis sei im Einvernehmen gelöst worden. Darüber hinaus habe sie als selbständige Masseurin gearbeitet, dafür habe sie ein geringfügiges Einkommen bezogen. Das Gewerbe habe sie am 21.5.2015 ruhend gemeldet und habe sie sich schon zum damaligen Zeitpunkt in einer Notlage befunden. Bei der Gesellschaft „M.“ sei es nicht möglich gewesen, mehr Stunden zu arbeiten und war bei der Ausübung der Selbständigkeit eine Ertragssteigerung nicht möglich, weil im Sommer die Nachfrage nach Massagen zurückgeht. Seit 2012 bestreite sie mit diesen Einkunftsquellen ihren Lebensunterhalt und habe sie in den letzten drei Jahren nie Einkommenssteuer bezahlt. Zur Verbesserung ihrer beruflichen Position habe sie sich entschlossen, mit 1.10.2015 eine Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester zu beginnen, was ihr über eine Stiftung ermöglicht werde. Voraussetzung dazu sei die Absolvierung eines Praktikums. Eine Interpretierung des Gesetzes dahin gehend, dass eine Bemühungspflicht schon im Vorhinein gegeben sei, entspreche nicht der Gesetzeslage weshalb die Behörde den Sachverhalt nicht richtig beurteilt habe.

 

3. Mit Schreiben vom 6.10.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht vor. Dieses ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgen­dem Sachverhalt aus:

 

Die Bf, geb. x, ö. Staatsbürgerin, ist gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn M.M., für den sie vom Kindesvater Unterhalt in Höhe von 600 Euro monatlich bezieht, in P., x, wohnhaft. In der Zeit vom 1.10.2012 bis 31.5.2015 arbeitete sie bei „M.“ Gesellschaft zur Integration von Menschen im Ausmaß von 10 Wochenstunden. Ihre Gewerbeausübung als Masseurin und Heilmasseurin legte sie mit 21.5.2015 ruhend. Ab 1.6.2015 bezog die Bf Arbeitslosengeld in Höhe von 11,92 Euro täglich. Mit Schreiben vom 29.4.2015 erhielt sie die Zusage, als Stiftungsteilnehmerin ab 1.10.2015 an der Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege am LKH F. eine Ausbildung zur diplo­mierten Gesundheits- und Krankenschwester zu beginnen. Am 30.6.2015 beantragte die Bf bei der belangten Behörde Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. § 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, lautet:

(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nichts anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.    ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.    a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familienan-­ gehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Dauer­aufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

(2) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von Abs.1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die

1. ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Ange­hörigen, die mit ihnen in Hausgemeinschaft leben,

nicht decken können oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Über­windung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Oö. BMSG gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs.1 insbesondere

  1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;
  2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;
  3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie
  4. die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

5.2. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung, den Antrag der Bf auf Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung abzuweisen, damit, dass diese die Herbeiführung ihrer Notlage selbst verschuldet habe, indem sie ihre Tätigkeit als Teilzeitkraft bei „M.“ Gesellschaft zur Integration vom Menschen mit 31.5.2015 beendet habe und ihre gewerbliche Tätigkeit als Masseurin und Heil­masseurin mit 21.5.2015 ruhend gemeldet habe. Ein zwingender Grund, die Erwerbstätigkeit bereits vier Monate vor Beginn der geplanten Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester sei nicht erforderlich gewesen, da das erforderliche 40 stündige Praktikum nicht innerhalb einer Woche sondern neben einen bestehenden Beruf hätte absolviert werden können.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine anspruchsberechtigte Person im Sinn des § 4 von einer sozialen Notlage betroffen ist und bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen. Der Hilfege­währung ist somit situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen, früher nicht genutzte oder zukünftige Möglichkeiten des Hilfeempfängers haben außer Betracht zu bleiben. Auch ein allfälliges Verschulden des Hilfeempfängers an der eingetretenen Notlage ist an sich ohne Belang, der Gesetzgeber hat jedoch deutlich gemacht, dass die hilfebedürftige Person zur Abwendung wie auch zur Milderung und dauerhaften Überwindung einer Notlage beizutragen hat (vgl. dazu VwGH vom 29.9.2010, Zl. 2009/10/0198 zu vergleichbaren Regelungen nach dem SHG Stmk 1998). Wenn daher die belangte Behörde auf ein von der Bf vor Antragstellung gesetztes Verhalten Bezug nimmt und ihre Entscheidung damit begründet, dass die Bf ihre soziale Notlage selbst verschuldet habe, so ist diese Rechtsansicht nicht vom Gesetz gedeckt. Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass die Bf seit 1.6.2015 bei der zuständigen Arbeits­marktbehörde als arbeitslos gemeldet ist und Arbeitslosengeld bezieht. Hinweise, dass die Bf nicht zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und bei ihr die Bereitschaft zur Aufnahme einer Beschäftigung nicht vorliegt, ist dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Auf die in § 7 Oö. BMSG festgelegte Obliegenheiten, etwa des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11 Oö. BMSG, kann die Behörde in ihrer Entscheidung jedoch auch begründend hinweisen. Zwar sieht das Oö. BMSG nicht ausdrücklich eine Befristung der zuzuerkennenden Leistung vor, im Hinblick auf den Umstand, dass der Umfang der Leistungsgewährung auf die besonderen Umstände der Einzelfalles abzustimmen ist (sh. insb. § 2 Oö. BMSG), kann eine Leistung auch befristete zuerkannt werden, insbesondere wenn die Hilfsbedürftigkeit nur vorübergehend ist oder (noch) unwahrscheinlich ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen auf Dauer gegeben sind (vgl. auch Blg. 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtags, XXVII. GP, Seite 38 sowie VwGH v. 27.3.2014, Zl. 2013/10/0185-5).

 

5.3. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweise, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalten unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Wie zu 5.2. ausgeführt bildet das von der belangten Behörde in der Begründung angeführte Verhalten, dass die Bf vor ihrer Antragstellung gesetzt hat, keine ausreichende Grundlage, die Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung grundsätzlich zu versagen. Die belangte Behörde hat daher aufgrund der gegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen hinsichtlich der Ermittlung der sozialen Notlage der Bf neu zu beurteilen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG steht es der Bf nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben, vielmehr besteht für die Bf auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach ihrer Auffassung die ihr gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das Landesverwaltungsgericht Ober­österreich zu entscheiden. Durch eine sofortige Sachentscheidung des Landes­verwaltungsgerichtes Oberösterreich würde der Bf im gegenständlichen Verfahren daher eine Instanz im Hinblick auf die Höhe der beantragten Leistung genommen werden.

 

Insofern war daher der Beschwerde derart Folge zu geben, dass der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an dieselbe zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung an die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gebunden und hat die tatsächliche Höhe der Bf ab Antragstellung zuzuerkennenden Leistung, unter Berücksichtigung die die Bf während des Bezuges treffenden Bemühungspflichten, neu festzusetzen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.  133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny