LVwG-650616/3/FP

Linz, 28.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von A K, geb. x, K, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft  Schärding, Ludwig-Pfliegl-Gasse 12, 4780 Schärding vom 23. März 2016, GZ: VerkR21-515-2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit,  

zu Recht    e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit oa. Bescheid vom 23. März 2016 entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (Bf) die Lenkberechtigung (inkl. EWR-LB) für die Klassen AM, und B mangels Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides, trug dem Bf auf, seinen Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft bei der belangten Behörde oder bei zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern und erkannte das Recht der Nutzung einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung ab.

 

Die belangte Behörde begründete auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass der Bf mit Urteil des Landesgerichtes Ried vom 8. Februar 2015 wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer auf drei Jahre bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt wurde.

Grund für die Verurteilung sei gewesen, dass der Bf am 7. November 2015 während einer Amtshandlung dadurch, dass er eine Bierflasche auf das Dienstkraftfahrzeug geworfen habe, wodurch die Windschutzscheibe eingeschlagen worden und ein Schaden iHv € 662,21 entstanden sei, eine fremde bewegliche Sache beschädigt und Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben am Körper zu verletzen versucht habe.

Als erschwerend sei das Zusammentreffen zweier Vergehen, mildernd das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und die Schadensgutmachung gewertet worden.

 

Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Kraftfahrbehörden an die rechtskräftigen Bestrafungen durch die Strafbehörden gebunden. Eine selbstständige Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte die Delikte begangen hat, ist der belangten Behörde demnach verwehrt (E vom 06.07.2004, 2004/11/0046; mit weiteren Nachweisen). Demnach sei die Behörde an das rechtskräftige Gerichtsurteil gebunden.

 

Folglich liege auch eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Zif. 9 FSG 1997 vor.

 

Die Verkehrszuverlässigkeit einer Person sei ein charakterlicher Wertbegriff. Dieser erfordere es, die charakterliche Veranlagung einer Person ausgehend von den nach außen hin in Erscheinung getretenen Handlungen zu beurteilen. Wenn daher die Behörde über die Verlässlichkeit eines Kraftfahrers ein Urteil abgebe, müsse sie sich vor Augen halten, dass es sich bei dieser Verlässlichkeit um einen charakterlichen Wertbegriff handle. Dabei gehe es um die Frage, wie sich eine Person voraussichtlich im Straßenverkehr verhalten wird. Das bisherige Verhalten des zu Beurteilenden lasse jedoch im Allgemeinen ziemlich weitgehende Schlüsse zu. Der nicht zuverlässige Lenker sei in erster Linie eine Gefahr für die übrigen Straßenbenützer, also einer Vielzahl von Menschen, die an der Tätigkeit des Lenkers uninteressiert und unbeteiligt seien. Rücksichten auf die Person des Lenkers könnten daher stets erst in zweiter Linie in Betracht kommen.

 

Dabei habe eine Wertung im Sinne § 7 Abs. 4 FSG 1997 stattzufinden. Die Wertungskriterien gemäß dieser Bestimmung seien die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen die Übertretung begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit.

 

Gegenständlich habe der Bf eine Bierflasche gegen einen Polizeistreifenwagen geworfen und somit versucht, die beiden amtshandelnden Polizeibeamten in Vollziehung ihrer Tätigkeit, sohin schwer, am Körper zu verletzen. Darin zeige sich bereits die Gefährlichkeit seines Verhaltens. Dass es letztlich nur beim Versuch geblieben sei, sei wohl eher einer glücklichen Fügung zu verdanken. Schließlich seien mit dem Wurf einer Bierflasche gegen eine Person durchaus schwere Verletzungen möglich und keinesfalls auszuschließen, betrachte man die Tatsache, dass die Bierflasche einen der Beamten nur um einen Meter verfehlt habe. Von Kraftfahrzeuglenkern sei allerdings wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart zu verlangen. Unbeherrschte Aggressivität lasse befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiere (siehe dazu VwGH vom 18. März 2003, 2002/11/0062; vom 27. Mai 1999, 98/11/0136 und 99/11/0198). Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der Bf offenbar nicht davon zurückschrecke, bewaffnete und uniformierte Polizeibeamte, sohin Personen, die zum Schutz der Allgemeinheit eingesetzt sind, anzugreifen, was als besonders verwerflich anzusehen sei. Dies setze nach Ansicht der Behörde eine niedrige Hemmschwelle bzw. niedrig angesiedelte Charaktereigenschaft und persönliche Verlässlichkeit voraus, weshalb somit auch die Verkehrszuverlässigkeit des Bf nicht gegeben sei.

Zu Gute zu halten sei dem Bf, dass er den Schaden wiedergutgemacht und ein Geständnis zur Tat abgelegt habe. Allerdings wäre wohl ein Leugnen der Tat sinnlos gewesen. Auch seine bisherige Unbescholtenheit spreche dafür, dass sein Verhalten, welches zu diesem Vorfall geführt habe, im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten stehe.

 

Das Wohlverhalten seit der Tatbegehung (07. November 2015) verstrichenen Zeit könne nur bedingt positive Berücksichtigung finden, sei doch bis 8. Februar 2016 noch das strafgerichtliche Verfahren anhängig und erst mit Rechtskraft am 12. Februar 2016 beendet gewesen, weshalb dieser Zeit geringe Bedeutung zukomme (vgl. dazu VwGH vom 8. August 2002, 2002/11/0136; vom 27. Mai 1999, 99/11/0035).

 

Unter Würdigung des Sachverhaltes, dessen Wertung, der daraus zu schließenden Sinnesart als auch unter Berücksichtigung der vom Gericht verhängten bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten sei die im Spruch festgesetzte Entziehungsdauer unbedingt erforderlich.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schreiben vom 19. April 2016 rechtzeitig Beschwerde und brachte auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass er nicht beabsichtigt habe, jemanden zu verletzen. Er habe den Schaden beglichen und sich persönlich entschuldigt. Die damalige Zeit sei emotional unerträglich, sein Verhalten eine Kurzschlussreaktion gewesen. Es spiegle in keiner Weise seinen Charakter, er sei noch nie in irgendeiner Weise straffällig geworden und habe er seinen Mitmenschen gegenüber noch nie aggressives Verhalten gezeigt. Der Bf sei zum Zeitpunkt der Tat ohne jede Perspektive gewesen, in einer „neuen Heimat“, ohne Familie und Freunde, finanziell abhängig von seiner Frau. Dies sei für ihn unerträglich gewesen – ohne Aussicht auf Veränderung. Es habe ihn diese Situation schwer beschäftigt, nur so könne er sich sein absolut unüberlegtes Handeln erklären. Seit 2. März 2016 habe der Bf nun eine Arbeitsstelle, dadurch könne sich die gesamte schwierige Situation bessern. Um die Arbeit aufrecht erhalten zu können sei es für den Bf absolut wichtig, seine Lenkberechtigung zu behalten. Er wisse, dass sein emotionales Befinden den Vorfall nicht wieder gut machen könne. Er entschuldige sich nochmals, der ganze Vorfall tue ihm aufrichtig leid.

 

I.3. Mit Schreiben vom 20. April 2016 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Verfahrensakt zur Entscheidung vor.

Eine Beschwerdevorentscheidung fällte sie nicht.

 

I.4. Am 27. Juni 2016 erkundigte sich das Verwaltungsgericht bei der belangten Behörde, ob sich der Bf zuletzt wohlverhalten habe. Die belangte Behörde bejahte dies. Es seien keine negativen Vorfälle bekannt geworden.

 

 

II.1. Das Verwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Die öffentliche mündliche Verhandlung entfällt gem. § 24 Abs 2 Z1 VwGVG, weil aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid der belangten Behörde aufzuheben ist.

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:

 

Der Bf wurde am 8. Februar 2016 zu 10Hv81/15v des LG Ried im Innkreis wegen des Vergehens der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) und des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung (§§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB) zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Als mildernd wertete das Landesgericht das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und Schadensgutmachung. Als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen. (PUV)

 

Der Tat lag eine polizeiliche Kontrolle der Identität des Bf am 7. November 2015 zugrunde. Während einer der beiden Polizeibeamten im Dienst-KFZ sitzend die Daten des Bf überprüfte, griff dieser zu einer Bierflasche und warf sie gegen die Windschutzscheibe des Dienst-KFZ. Die Scheibe zerbrach. Splitter fielen auf den Schoß des im Fahrzeug sitzenden Beamten. Der andere Beamte stand ein bis eineinhalb Meter neben dem Dienst-KFZ. (polizeilicher Akt)

 

Der Bf hat sich seit der Tat wohlverhalten. (Auskunft BH vom 27. Juni 2016)   

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.    

 

 

III. Rechtliche Beurteilung   

 

III.1. Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einem durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs. 3 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatz 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

9. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den § 75, 76, 84 – 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;

gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen, deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei den im Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.2.1. Der Bf hat dem Grunde nach eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z9 FSG verwirklicht. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat der Bf im November 2015 das Delikt der §§ 15, 83 Abs 1 iVm § 84 Abs 2 StGB sowie nach § 125 StGB begangen. Der Bf hat Beamte in Ausübung ihres Dienstes am Körper zu verletzen versucht. Gemäß § 84 Abs 2 StGB gilt ein solches Delikt als schwere Körperverletzung, auch wenn es bloß zu einer dem Grunde nach leichten Verletzung kommen hätte können. Zudem hat der Bf eine fremde Sache, den Polizeiwagen, beschädigt.  

 

Im Rahmen der Wertung dieser Delikte ist, wie sich aus § 7 Abs. 4 FSG ergibt, insbesondere die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen es begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Aufgrund des Urteils des LG Ried vom 8. Februar 2016 steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bindend fest, dass der Bf die ihm angelasteten Straftaten in der im Strafurteil dargestellten und umschriebenen Weise begangen hat.

 

III.2.2. Wertung:

 

Strafbare Handlung gegen Leib und Leben (sogenannte Gewaltdelikte) stellen einen besonders schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und sind daher als besonders verwerflich und gefährlich anzusehen. Der gegenständliche Vorfall zeigt, dass der Bf grundsätzlich eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft aufweist, in bestimmten Konfliktsituationen mit Gewaltanwendung zu reagieren. Dies geht sogar so weit, dass er seine Aggression gegen Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes richtet. Ungeachtet der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der gegenständlichen Tat darf jedoch nicht übersehen werden, dass die vom Bf zu vertretende Tat im Versuchsstadium verblieb, also keine Verletzungen der Beamten zur Folge hatte.

 

Der Bf wurde zudem wegen des Delikts der Sachbeschädigung verurteilt.

Das Delikt der Sachbeschädigung wurde vom Gesetzgeber nicht in den demonstrativen Deliktskatalog des § 7 Abs 3 Zrn. 8 – 11 FSG.

Die bestimmten Tatsachen, die zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit führen können, sind seit der 5. Führerscheingesetz-Novelle im Abs 3 des § 7 FSG 1997 idF 2002/I/081 aufgezählt. Aus dem Wort "insbesondere" folgt, dass die Aufzählung im Abs 3 wie bisher demonstrativ ist. Es können demnach auch andere als im Abs 3 des § 7 leg.cit. erwähnte Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen, dann als bestimmte Tatsachen herangezogen werden, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit diesen beispielsweise bezeichneten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen etwa gleich kommen (VwGH v. 24. April 2001, 99/11/0218).

Eine Beurteilung als bestimmte Tatsache iSd § 7 FSG und Wertung kommt also im Hinblick auf ein anderes Delikt nur dann in Betracht, sofern es nach seiner Art und Schwere den beispielsweise aufgezählten strafbaren Handlungen gleichzustellen ist (vgl. VwGH 27. September 2007, 2007/11/0079).

 

Eine solche Vergleichbarkeit ist im Hinblick auf das Delikt der nicht qualifizierten Sachbeschädigung (§ 125) nach Ansicht des Gerichtes schon angesichts der geringen Strafdrohung nicht gegeben. Schon das Delikt des § 83 StGB, welches nur im Wiederholungsfall eine bestimmte Tatsache bildet die doppelte Höchststrafe vorsieht (1 Jahr, 720 TS). Insofern hat die belangte Behörde dieses Delikt, soweit ersichtlich, richtigerweise nicht für die Wertung herangezogen.

 

Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass das ordentliche Gericht die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen hat. 

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. August 2014, Ra 2014/11/0007 zur bedingten Entlassung aus der Strafhaft ausgesprochen hat, sind die Überlegungen, die das Strafgericht zu einer bedingten Entlassung bewogen haben, von Bedeutung auch für die Verkehrszuverlässigkeitsprognose, weil der Bestrafte gemäß § 46 Abs. 1 StGB nur dann zu entlassen ist, wenn im Ergebnis anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nichts anderes gilt nach § 43 Abs. 1 StGB für die bedingte Strafnachsicht, welche anzuwenden ist, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen wird, um den Straftäter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen. Die Prognose nach § 7 Abs. 4 FSG 1997, so der VwGH weiter, ob ausreichende Gründe für die Annahme bestehen, jemand werde sich wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, ist zwar nicht identisch mit der des Strafgerichtes, in beiden Fällen geht es aber um das Vorliegen oder Nichtvorliegen hinreichender Gründe für die Annahme, die zu beurteilende Person werde sich schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Die vom Strafgericht angestellten Überlegungen werden aus diesen Erwägungen insbesondere dann von besonderer Bedeutung für die Vollziehung des FSG 1997 sein, wenn die gerichtliche Entscheidung über die bedingte Entlassung im Zeitpunkt der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit noch nicht länger zurückliegt, weil dann die vom Strafgericht verwertbaren Umstände des Einzelfalls im Wesentlichen auch noch dem nach FSG 1997 zu beurteilenden Fall kennzeichnen werden.

 

Im vorliegenden Fall ging das Strafgericht also schon im Zeitpunkt der Verurteilung davon aus, dass mit einer bedingten Strafe das Auslangen gefunden werden kann, also der Bf auch ohne Vollzug der Strafe von weiteren strafbaren Handlungen dieser Art abgehalten werden kann.

 

Wesentlich zu Gunsten des Bf spricht im vorliegenden Fall zudem, dass im Zeitpunkt der landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung bereits annähernd 8 Monate seit der Tat vergangen sind. Selbst die belangte Behörde ging im Bescheid vom 23. März 2016 von einer bloß 3 Monate lang andauernden Verkehrsunzuverlässigkeit aus. Nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall ist der Bf im Besitz seiner Lenkberechtigung gewesen und ist er nach der Aktenlage und Mitteilung der belangten Behörde seitdem nicht mehr negativ in Erscheinung getreten und hat sich offensichtlich wohlverhalten. Die belangte Behörde hat im Übrigen vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung abgesehen, woraus abzuleiten ist, dass die belangte Behörde nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen nicht davon ausging, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist (§ 13 Abs 2 VwGVG).  

 

Aufgrund der dargelegten Umstände und seines Verhaltens kann zwar davon ausgegangen werden, dass der Bf im Tatzeitpunkt und im Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung verkehrsunzuverlässig war, zum jetzigen Zeitpunkt ist aber zu berücksichtigen, dass die Lenkberechtigung nur dann entzogen werden darf, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung anzunehmen ist, dass eine Verkehrsunzuverlässigkeit noch vorliegt und die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von 3 Monaten (Mindestentzugsdauer gemäß § 25 Abs. 3 FSG) eintreten wird (vgl. VwGH 14. September 2004, 2004/11/0119; 26. Jänner 2010, 2009/11/0207; 29. März 2011, 2009/11/0231). Würde das Landesverwaltungsgericht daher nunmehr die Mindestentzugsdauer von 3 Monaten bestätigen, würde unter Annahme einer Zustellung in der ersten Juliwoche 2016 davon auszugehen sein, dass der Bf seit dem Tatzeitpunkt im November 2015 bis Oktober 2016, also über einen Zeitraum von ca. 11 Monaten verkehrsunzuverlässig sein müsste. Eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit erscheint trotz der gegen in Ausübung ihres Dienstes befindliche Beamte gerichteten Gewalttätigkeit auch angesichts der Unbescholtenheit des Bf, seiner Reue und angesichts der Tatsache, dass es beim Versuch blieb, nicht vertretbar (vgl. dazu VwGH v. 27. Mai 1999, 98/11/0198). Letztlich bleibt eine versuchte Körperverletzung, die lediglich aufgrund des Umstandes, dass sie sich gegen Beamte richtete, eine Qualifikation (§ 84 StGB) und (mangels Wiederholung eines Deliktes nach § 83 StGB) ein Greifen des § 7 Abs 3 Z9  1. HS FSG bewirkt.

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus besonders, dass sich der Bf nach dem Aktenstand in der Zeit nach seiner Verurteilung, also seit Anfang Februar (ca. 5 Monate) wohlverhalten hat.

 

Die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit ist nach Ansicht des Gerichts insbesondere angesichts der verstrichenen Zeit nicht mehr gerechtfertigt.

 

III.3 Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid aufzuheben.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

P o h l