LVwG-840114/3/Kl/TO

Linz, 26.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über den Antrag der S J M M Ges.m.b.H., x, W, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. S H, x, W, vom 22. Juli 2016 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der O G u S Ax betreffend das Vorhaben "Lieferung von implantierbaren Herzschrittmachern inkl. biventrikulärem Bereich und implantierbaren Defibrillatoren inkl. biventrikulärem Bereich.",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß § 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Lauf der Angebotsfrist für die Dauer des Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 22. September 2016, ausgesetzt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 22. Juli 2016 hat die S J M M Ges.m.b.H (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Nicht-Zulassung zur zweiten Verfahrensstufe sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Versendung der Ausschreibungsunterlagen, in eventu die Aussetzung des Laufs der Angebotsfrist, in eventu die Angebotseröffnung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.000 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass sich der Nachprüfungsantrag auf ein Vergabeverfahren über die Lieferung von implantierbaren Herzschrittmachern inklusive biventrikulärem Bereich und implantierbaren Defibrillatoren inklusive biventrikulärem Bereich beziehe, welches die O G u S Ax durchführe, die die beabsichtigte Vergabe des Auftrages am 31.5.2016 zu 2016/S 106-189139 EU-weit bekannt gemacht habe. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge sei der 5.7.2016 vorgesehen worden.

 

Die Antragstellerin habe - vertreten durch den Geschäftsführer Dipl. Ing. J B - den Teilnahmeantrag ausgefüllt und rechtsgültig unterfertigt. Der Teilnahmeantrag sei am 5.7.2016, verschlossen in einem Behältnis bei der  Auftraggeberin, um 11:45 Uhr, eingelangt.

Die Antragstellerin habe kurz danach bemerkt, dass aufgrund eines Versehens nicht der originale Teilnahmeantrag versendet worden wäre, sondern eine Kopie dessen. Der originale Teilnahmeantrag sei sodann per Boten an die Auftraggeberin gesendet worden und langte am 5.7.2016, um 12:30 Uhr ein.

Mit Schreiben vom 8.7.2016 - übermittelt am 12.7.2016 - sei der Antragstellerin die Nicht-Zulassung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zur Kenntnis gebracht worden. Begründet wurde die Nicht-Zulassung damit, dass der Teilnahmeunterlage zu entnehmen sei, dass keine farbkopierten Unterschriften gewollt seien. Die Antragstellerin habe jedoch den Teilnahmeantrag mit einer kopierten Unterschrift versehen.

 

Es werde die gesondert anfechtbare Entscheidung der am 12.7.2016 bekannt gegebenen Entscheidung über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme am Vergabeverfahren gemäß § 2 Z 16 lit a sublit dd BVergG bekämpft.

 

Das Interesse der Antragstellerin ergebe sich daraus, dass die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen in ihrer zentralen Geschäftstätigkeit liege und ihr durch die Rechtswidrigkeit im Zuge dieser Auftragsvergabe ein Schaden entstand bzw zu entstehen drohe. Die Antragstellerin habe daher ein großes Interesse an der Erbringung der nachgefragten Leistung.

Nach der einschlägigen Judikatur sei ein der Antragstellerin drohender Schaden iSd § 5 Abs 1 Z 4 OÖVergRSG bereits dann gegeben, wenn die Möglichkeit der Antragstellerin, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtsverletzung beeinträchtigt werden könne. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, wird im Nachprüfungsantrag bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel sei (VwGH 22.6.2011, 2009/04/0128).

Zudem seien der Antragstellerin Kosten für die Rechtsverfolgung und sonstige mit der Verfahrensteilnahme verbundenen Kosten entwachsen.

Darüber hinaus entgehe der Antragstellerin durch die vorliegenden Rechtswidrigkeiten die Möglichkeit der Zuschlagserteilung und Erzielung eines angemessenen Gewinnes.

Zudem entginge der Antragstellerin durch die rechtswidrige Nicht-Zulassung die Chance auf die Erlangung eines wichtigen Referenzauftrages für künftige Vergabeverfahren.

 

Die Antragstellerin erachte sich daher in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens, insbesondere in ihrem Recht

-         auf Zuschlagserteilung;

-         auf Zulassung zur Teilnahme an der zweiten Verfahrensstufe;

-         auf Wahrung der Vergabegrundsätze im Rahmen der Eignungs- und

Auswahlprüfung.

verletzt.

 

Ausgangslage für den Nachprüfungsantrag bilde der Umstand, dass die Antragstellerin an der Teilnahme am Vergabeverfahren nicht zugelassen worden sei. Dies wurde damit begründet, dass der Teilnahmeantrag mit einer kopierten Unterschrift versehen worden sei. Der rund 45 Minuten, nach Einlangen des Teilnahmeantrages in Kopie übersendeten Teilnahmeantrages im Original, sei rechtswidrigerweise nicht berücksichtigt worden. Das Kriterium der Originalität der Unterschrift ist nicht von Bedeutung, da der Bindungswille des Antragstellers auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Auch wenn die Originalität der Unterschrift beachtlich wäre, so hat die Antragstellerin den Teilnahmeantrag im Original vorgelegt und hat somit dieses „Kriterium" erfüllt.

Dem BVergG ist - im Gegensatz zu Angeboten - keine Verpflichtung einer rechtsgültigen Unterfertigung eines Teilnahmeantrags zu entnehmen. Eine Unterfertigung des Teilnahmeantrags dient der Verhinderung unüberlegter Bewerbungen. Gerade im gegenständlichen Fall hat die Antragstellerin die Absicht kundgetan, am Vergabeverfahren teilzunehmen, das Ausfüllen sowie die zweifache Übermittlung des Teilnahmeantrags heben die gut durchdachte Bewerbung hervor. Es ist daher evident, dass die Antragstellerin am Verfahren teilnehmen wollte. Dieses Interesse sei eindeutig bekundet, umso mehr werde das Interesse der Teilnahme am Vergabeverfahren durch die Einbringung des Nachprüfungsantrages verdeutlicht. In keiner Form sei durch das Verhalten der Antragstellerin im Vergabeverfahren zu erkennen gewesen, dass sie an der Teilnahme, sohin auch an der Zuschlagserteilung, kein Interesse habe.

Der Gesetzgeber habe bewusst nur eine rechtsgültige Unterfertigung des Angebots im Sinne einer zivilrechtlichen Bindung gewollt. Durch die Nichtregelung der Formschriften der Unterfertigung eines Teilnahmeantrages liege keine „planwidrige Lücke" vor und könne auch nicht durch Analogie dazu führen, dass diese Formvorschriften auf Teilnahmeanträge angewendet werden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörde, seien für die Auslegung von Verfahrensbestimmungen die allgemeinen, für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen maßgeblichen Regelungen der §§ 914f ABGB zu berücksichtigen (vgl VwGH 21.11.2011, 2006/04/0024; VwGH 25.1.2011, 2006/04/0200; VwGH 29.3.2006, 2004/04/0144 ua; VwGH 16.2.2005, 2004/04/0030; BVwG 27.8.2014, W139 2008219-1, sowie BVwG 24.7.2014, W138 2008591-1). Teilnahme- und Ausschreibungsunterlagen seien demnach nach ihrem objektiven Erklärungswert zu interpretieren. Es sei daher zunächst vom Wortlaut in seiner üblichen Bedeutung auszugehen. Dabei sei die Absicht der Parteien zu erforschen und sind rechtsgeschäftliche Erklärungen so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen seien danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie diese ein redlicher Erklärungsempfänger zu verstehen hatte (zB VwGH 19.11.2008, 2007/04/0018 und 2007/04/0019 und VwGH 29.03.2006, 2004/04/0144, 0156, 0157).

Den oben angeführten Ausführungen komme insofern Bedeutung zu, als dass mit der Übermittlung des Teilnahmeantrages des Antragstellers die Erklärung, am Verfahren teilnehmen zu wollen, entnommen werden kann. Auch die O G u S Ax als redlicher Erklärungsempfänger, konnte den Erklärungswert der zweifachen Übermittlung des Teilnahmeantrages, nämlich eine Originalausfertigung und eine Kopie, als Bewerbung verstehen. Die Nicht-Zulassung erfolgte bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

Es obliegt nicht der Auftraggeberin, zu entscheiden, ob es sich um einen verbesserungsfähigen Mangel handle. Es hätte im Lichte eines behebbaren Mangels, der von Antragstellerin - überdies ohne Aufforderung - unverzüglich behoben wurde, den Teilnahmeantrag zugelassen werden müssen.

 

Gemäß § 7 Abs 1 OÖVergRSG sind Auftraggeberentscheidungen für nichtig zu erklären, wenn der jeweilige Antragsteller in seinen geltend gemachten Rechten verletzt wird und wenn diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Verfahrens von wesentlichem Einfluss ist. Die gegenständlichen Rechtswidrigkeiten bestehen im unzulässigen Versagen der Teilnahme am Vergabeverfahren. Diesem Umstand komme insofern wesentlicher Einfluss auf den Verfahrensgang zu, als die Teilnahme am Verfahren zu einem Zuschlag führen könne.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass die Untersagung der Versendung der Ausschreibungsunterlagen (Unterlagen für die zweite Stufe), in eventu die Aussetzung der Anbotsfrist und in eventu die Untersagung der Anbotsöffnung beantragt werde.

 

Die Untersagung der Versendung der Ausschreibungsunterlagen (Unterlagen für die zweite Stufe) sei insbesondere deshalb zwingend erforderlich, um das Vergabeverfahren für den Fall einer Nichtigerklärung der Nicht-Zulassung zur Teilnahme in einem Stand zu halten, der dem Antragsteller unter Wahrung der Vergabegrundsätze eine weitere Verfahrensbeteiligung ermögliche. Den anderen Bietern stünde anderenfalls ein längerer Zeitraum zur Angebotslegung zur Verfügung. Sollte die Versendung der Ausschreibungsunterlagen bereits erfolgt sein und sei das LVwG der Ansicht, dass es sich bei der Untersagung der Unterlagenversendung nicht um das gelindeste Mittel handele, wird in eventu die Aussetzung der Angebotsfrist beantragt. Dadurch sei sichergestellt, dass dem Antragsteller im Falle einer Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung eine entsprechende Zeit für die Angebotserstellung zur Verfügung stehe. Schließlich werde in eventu als notwendige Maßnahme die Untersagung der Anbotsöffnung begehrt. Im Falle einer Angebotsöffnung würden Tatsachen geschaffen, denen bei einer Nichtigerklärung der Nicht-Zulassung nur mit einem Widerruf des Vergabeverfahrens begegnet werden könne. Letzteres würde sowohl auf Seiten des Antragstellers als auch des Auftraggebers erheblichen frustrierten Aufwand hervorrufen.

 

Im gegenständlichen Fall überwiege das Interesse der Antragstellerin auf Beseitigung der im gegenständlichen Verfahren von der Auftraggeberin zu verantwortenden Vergabeverstöße bei weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberin.

 

Der Antragstellerin drohe im Fall der Verfahrensfortführung in letzter Konsequenz der Entgang des Auftrages. Dies gehe mit dem Gewinnentgang und der Frustration der eigenen Aufwendungen sowie der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vorliegenden Verfahren einher. Zur Höhe und Bescheinigung werde auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Fall der Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wäre die Antragstellerin zur Durchsetzung auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.

 

Dazu kommt, dass schon allein auf Grund der Notwendigkeit der Durchführung eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens wegen dessen Dauer und den damit verbundenen Kosten eine ungebührliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die Antragstellerin verbunden wäre (siehe dazu OGH 27.6.2001, 7 Ob 148/011 und 7 Ob 200/00 p). Eine einstweilige Verfügung sei nur dann nicht zu erlassen, wenn besondere Gründe eine Ausnahme vom Prinzip des vergaberechtlichen Rechtsschutzes vor Zuschlagserteilung fordere (siehe dazu zB BVA 1.10.2002, N-51/02-02).

 

Es seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen.

 

Jeder umsichtige Auftraggeber müsse bei der Planung der Ausschreibung bereits ausreichende Zeitpolster für allfällige Verzögerungen durch Kontrollverfahren einkalkulieren (BVA 29.12.2006, 16N-133/05-9 und BVA 27.1.2006, 16N-8/06-6).

 

Zudem sei zu berücksichtigen, dass nach Sichtweise des VfGH auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter im öffentlichen Interesse gelegen sei (VfGH 25.10.2002, B1369/01). Die vorliegenden Rechtsverstöße führen aber gerade dazu, dass eine Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ausgeschlossen werde.

 

Besondere öffentliche Interessen, die für eine Fortführung des Vergabeverfahrens vor der rechtskräftigen Sachentscheidung durch das LVwG sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Derartige zwingende öffentliche Gründe können grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn diese von der Auftraggeberin nicht vorhergesehen werden konnten und diese nicht zulassen, Fristen gemäß dem BVergG einzuhalten. Verzögerungen, die durch die Rechtsschutzmöglichkeiten des BVergG entstehen können, wären für die Auftraggeberin jedenfalls vorhersehbar gewesen.

 

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die O G u S Ax als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt und die Möglichkeit einer Stellungnahme bis zum 26. Juli 2016 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einlangend eingeräumt. Die O G u S Ax hat auf die Abgabe eine Stellungnahme verzichtet.

 

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die O G u S Ax ist zu 100% im Eigentum der O L x, die ihrerseits zu 100 % im Eigentum des L O steht. Sie ist somit eine Unternehmung im Sinn des Art. 127 Abs.3 B-VG und liegt im Vollziehungsbereich des Landes iSd Art. 14b Abs. 2 lit. c B-VG, sodass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006 unterliegt.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für Lieferaufträge im Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabegesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen. Da somit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen und hierdurch eine erfolgreiche Beteiligung erschwert bzw. verhindert wird, droht der Antragstellerin durch die Fortsetzung des Vergabeverfahrens der Entgang des Auftrags mit allen daraus erwachsenden Nachteilen. Um derartigen Schaden abzuwenden, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Landesverwaltungsgericht in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren und damit die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung im Rahmen eines rechtskonformen Vergabeverfahrens über die hier verfahrensgegenständlichen Leistungen an die Antragstellerin wahrt. Dies ist durch die vorläufige Aussetzung des Laufs der Angebotsfrist als gelindestes Mittel noch gewährleistet. Bei der bloßen Untersagung der Angebotsöffnung hingegen könnte die Antragstellerin Gefahr laufen, dass trotz eines Obsiegens in diesem Nachprüfungsverfahren die Antragstellerin wegen Fristablaufs nicht mehr teilnehmen könnte. Dass der Auftraggeberin – wie behauptet -  hiermit ein Tätigwerden zur Gänze untersagt ist, ist nicht mit der Aussetzung der Angebotsfrist im Sinn einer Fortlaufhemmung verbunden.

Die Untersagung der Versendung der Angebotsunterlagen ist hingegen überschießend und abzulehnen, da es nicht erforderlich ist, die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin derart einzuschränken, insbesondere auch unter dem Aspekt, dass zum Entscheidungszeitpunkt bereits Angebotsunterlagen versendet sein könnten.  

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlagserteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt