LVwG-400145/9/HW

Linz, 04.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde von B.W.P., geb. am x, x, S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10. November 2015, GZ. VerkR96-2143-2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 23 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht zu leisten. Der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz beträgt 20 Euro.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge kurz „Bf“ genannt) eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 35 Stunden) mit der Begründung verhängt, dass er sein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X am 15. August 2015 um 10:51 Uhr auf der X (M. S.), StrKm x, Abfahrt F. S., trotz deutlich sichtbarer und hörbarer Anhaltezeichen durch ein Mautaufsichtsorgan nicht angehalten habe, obwohl gemäß § 18 Abs. 2 des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 Kraftfahrzeuglenker der Aufforderung zum Anhalten Folge zu leisten, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken und eine Überprüfung des Fahrzeuges zu dulden hätten.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mittels E-Mail vom 11. Dezember 2015 eingebrachte Beschwerde des Bf.

 

I.3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2016 geht das Landesver­waltungsgericht Oberösterreich von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

 

II.1. Der Bf lenkte am 15. August 2015 um ca. 10:51 Uhr sein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X auf der Abfahrt F. S. auf der X (M. S.). Im Bereich dieser Abfahrt fanden zu diesem Zeitpunkt Kontrollen durch Mautaufsichtsorgane, konkret durch die Zeugen H. und M. statt. Als sich der Bf dem Zeugen H. näherte, gab der Zeuge mittels nach vorne ausgestreckter Hand ein Anhaltezeichen (Auskunft des Bf vom 3.10.2015; übereinstimmende Angaben des Bf und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung).

 

Nachdem das Fahrzeug des Bf am Zeugen H. vorbeigefahren war, rief der Zeuge H. dem Bf nach und forderte der Zeuge den Bf mittels gestreckter Hand zum Anhalten auf. Der Bf hat auch tatsächlich wahrgenommen, dass der Zeuge H. etwas nachgeschrien und die Hand nach oben gehalten hat, jedoch hat der Bf sein Fahrzeug nach dem Vorbeifahren am Zeugen H. nicht mehr angehalten. Es gab im Bereich des verfahrensgegenständlichen Straßenstücks eine Bucht, in der der Bf auch nach dem Vorbeifahren am Zeugen H. sein Fahrzeug anhalten hätte können (Angaben des Bf und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung).

 

Der Bf verdient ca. 2.300 Euro netto monatlich und hat vier Kinder (Angaben des Bf in der mündlichen Verhandlung). Er ist sowohl strafgerichtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich unbescholten (E-Mail der belangten Behörde vom 1. März 2016 samt Beilagen).

 

II.2. Der unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem durchgeführten Beweisverfahren, wobei die einzelnen Feststellungen auf den jeweils in Klammer angeführten Beweismitteln beruhen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Es unterscheiden sich zwar die Schilderungen des Bf und des Zeugen H. betreffend den Ablauf der Kontrolle bzw. dem Umstand, wie sich der Bf vor dem Vorbeifahren am Zeugen verhalten hat. Es gaben jedoch sowohl der Bf als auch der Zeuge H. in der mündlichen Verhandlung überein­stimmend an, dass nach dem Vorbeifahren am Zeugen H. dieser dem Bf nachgerufen bzw. nachgeschrien habe und mittels gestreckter Hand deutete. Dies konnte daher entsprechend den Aussagen in der mündlichen Verhandlung auch festgestellt werden. Hinsichtlich des Verhaltens des Bf vor dem Vorbeifahren am Zeugen, zu dem die divergierenden Angaben vorliegen, waren aus rechtlichen Gründen ohnedies keine Feststellungen erforderlich. Dass auch nach dem Vorbeifahren am Zeugen noch eine Bucht vorhanden war, in der der Bf sein Fahrzeug anhalten hätte können, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H. Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des Bf folgen aus der E-Mail der belangten Behörde vom 1. März 2016 samt Beilagen. Die Einkommens- und Familienverhältnisse des Bf ergeben sich aus dessen Angaben gegenüber dem Landesverwaltungsgericht.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.1. Gemäß § 18 Abs. 2 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2013 (in der Folge kurz „BStMG“ genannt), sind die Mautaufsichtsorgane berechtigt zum Zweck der Kontrolle der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut und der Durchführung von Verkehrserhebungen Kraftfahrzeuglenker durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen zum Anhalten aufzufordern, sie anzuhalten und die Identität des Lenkers und des Zulassungsbesitzers festzustellen. Kraftfahrzeuglenker haben gemäß dieser Bestimmung der Aufforderung zum Anhalten Folge zu leisten, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken und die Überprüfung des Fahrzeuges zu dulden. Gemäß § 21 Z 3 BStMG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, wer entgegen § 18 Abs. 2 BStMG der Aufforderung zum Anhalten nicht Folge leistet.

 

III.2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Bf sein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X am 15. August 2015 um ca. 10:51 Uhr auf der Abfahrt F. S. auf der X (M. S.) jedenfalls nach dem Vorbeifahren am Zeugen H. trotz der mittels Handzeichen durch das Mautaufsichtsorgan erfolgten Aufforderung zum Anhalten nicht angehalten hat. Dieses Handzeichen wurde vom Bf auch tatsächlich wahrgenommen und es gab auch eine Bucht, in der der Bf sein Fahrzeug anhalten hätte können. Der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung ist daher erfüllt. Ob der Bf vor dem Vorbeifahren am Zeugen H. sein Kraftfahrzeug bereits einmal angehalten hatte, ist insofern gleichgültig, da der Bf aufgrund der auch nach dem Vorbeifahren am Zeugen erfolgten (vom Bf auch wahrgenommenen) Aufforderung zum Anhalten sein Kraftfahrzeug (allenfalls auch ein zweites Mal) anhalten hätte müssen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, soweit die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Gegenständlich wurde vom Bf nichts vorgebracht und es hat sich im Verfahren auch sonst nichts ergeben, was geeignet wäre, ein fehlendes Verschulden des Bf darzulegen. Der Bf hat daher die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

III.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Bei der Strafzumessung handelt es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH 28.11.1966, 1846/65) innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessens­entscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde führte zur Strafbemessung im Wesentlichen aus, dass die Strafbemessung nach den Grundsätzen des § 19 VStG erfolgt sei. Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erscheine der Behörde der festgelegte Strafbetrag als angemessen und ausreichend. Erschwerungs­gründe bzw. Milderungsgründe seien keine vorgefunden worden.

 

Auch nach Ansicht des erkennenden Landesverwaltungsgerichtes haben sich im Verfahren keine Erschwerungsgründe ergeben, es ist jedoch die strafgerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bf mildernd zu werten (vgl. VwGH 03.12.1992, 91/19/0169: wesentlicher Milderungsgrund der Unbe­scholtenheit). Hinzu ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass sich der Bf in mündlichen Verhandlung insofern schuldeinsichtig zeigte, als er in der mündlichen Verhandlung zugestand, dass er „stehen bleiben hätte sollen, wenn [ihm ...] im Nachhinein nochmal ein Anhaltezeichen gegeben wird“.

 

Unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze und bei Abwägung der konkreten Umstände des vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere der straf­baren Tat, der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und des Vorliegens des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit, erscheint dem erkennenden Landesverwaltungsgericht eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro als tat- und schuldangemessen. Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit des Bf auch unter spezial- und generalpräventiven Aspekten als ausreichend, dies insbesondere auch im Hinblick auf die in der Mautordnung festgesetzte Höhe der Ersatzmaut. Es war daher die Geldstrafe spruchgemäß herabzusetzen und die Ersatzfreiheitsstrafe ent­sprechend anzupassen.

 

III.4. Aufgrund der Herabsetzung der Geldstrafe war auch der vom Bf zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz entsprechend anzupassen (vgl. dazu § 64 VStG).

 

III.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Strafbemessung war im Übrigen anhand der konkreten Umstände des vorliegenden Sachverhalts vorzunehmen, sodass dieser keine Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall hinaus zukommt.


 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

1.   Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichts­hof einzubringen.

 

2.   Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger