LVwG-490026/5/BMa/LR

Linz, 15.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Maga. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des Dr. R.G., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. R.G., Dr. J.K., Mag. H.L., Mag. R.S., Mag. T.B., Mag.a A.S., gegen den Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2015, GZ: AS/PB-1391787, betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. August 2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I. Der  angefochtene Bescheid wird aufgehoben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig. 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. August 2015 bezüglich der Vollstreckungsverfügung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, GZ: AS/PB-1391787, vom 31. Juli 2015 auf der Rechtsgrundlage des § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Strafverfügung, gegen die kein Einspruch eingebracht worden sei, in Rechtskraft erwachsen und mit 31. Juli 2015 sei die Vollstreckungsverfügung ergangen. Da es sich beim Strafverfahren um ein abgeschlossenes Verfahren handle, sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückzuweisen, denn es sei eine materiell-rechtliche Frist versäumt worden, wogegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht zulässig sei, denn dieses Rechtsmittel sei nur gegen eine Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde vom 23. Juli 2014 mit der abschließend die Anträge gestellt wurden, dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Erledigung und Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen, jedenfalls aber eine mündliche Berufungs-verhandlung gemäß § 24 VwGVG anzuberaumen.

 

2. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 die Beschwerde dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelrichterin.

 

Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und am 8. Februar 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der eine rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers und eine Vertreterin der belangten Behörde gekommen sind.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Mit Strafverfügung des Magistrats der Landeshauptstadt (im Folgenden: belangte Behörde) vom 27. Mai 2015, GZ: 933/10-1391787, wurde über Dr. R.G.G. (im Folgenden: Beschwerdeführer – Bf) wegen Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes 1988 eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Stunden verhängt.

 

Zugestellt wurde die Strafverfügung laut der im Behördenakt einliegenden Übernahmebestätigung am 29. Mai 2015 und wurde nicht innerhalb offener Frist beeinsprucht.

 

Mit 31. Juli 2015 erging daraufhin eine Vollstreckungsverfügung vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz mit dem Aktenzeichen: AS/PB-1391787.

Mit Eingabe vom 12. August 2015 wurde vom Rechtsmittelwerber ein Antrag auf Wiedereinsetzung im Verwaltungsverfahren gemäß § 71 AVG 1950 zu GZ: 933/10-1391787 eingebracht und Einspruch dem Grunde und der Höhe nach gegen die Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 27. Juni 2015 zur GZ: 933/10-1391787 erhoben, woraufhin der nunmehr bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2015, AS/PB-1391787, erging.

 

Eine Mitarbeiterin des Rechtsanwaltsbüros des Bf, die für die Postange­legenheiten zuständig war, hat die Strafverfügung vom 27. Mai 2015 zwar übernommen, in der Folge aber wurde das Schriftstück nicht in die Postmappe gelegt oder dem bereits vorhandenen Akt in der Kanzlei des Bf zugeordnet, sodass das Schriftstück dem Bf nicht vorgelegt und zur Kenntnis gelangt ist. Die Mitarbeiterin, die in der Kanzlei des Bf für Postangelegenheiten zuständig war, hat ihre Arbeit am 1. Dezember 2014 angetreten und wurde ca. 2 bis 4 Wochen eingeschult. Daraufhin hat sie selbständig gearbeitet. Ihre Arbeit wurde einmal pro Woche vom Personalbeauftragten in der Rechtsanwaltskanzlei in der Form kontrolliert, dass alle eingegangenen Aktenstücke von diesem gesichtet wurden und es wurde verglichen, ob die Schriftstücke den Handakten der einzelnen Juristen korrekt zugeordnet und die nicht zuordenbaren Schriftstücke mit der Postmappe dem Beschwerdeführer vorgelegt wurden. Zumindest einmal pro Woche wurden alle nicht zuordenbaren Schriftstücke in der Postmappe vom Bf durchgeschaut. Die Strafverfügung vom 27. Mai 2015 war jedoch abhanden­gekommen, bevor sie dem Bf vorgelegt wurde, sodass dieser keine Kenntnis davon erlangen konnte.

 

Die Vorgangsweise zur Vorlage der Schriftstücke ist innerhalb der Rechtsanwaltskanzlei mit Dienstanweisung geregelt, die von der für die Postangelegenheiten zuständigen Bearbeiterin am 26. November 2014 unterzeichnet wurde.

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2016 ergibt. In dieser wurde die Rechtsvertreterin des Bf befragt, die ebenfalls in derselben Rechtsanwaltskanzlei wie der Bf tätig ist und daher über die betriebsinternen Abläufe Auskunft geben konnte.

Im Wiedereinsetzungsantrag vom 12. August 2015 und der angeschlossenen eidesstaatlichen Erklärung der Mitarbeiterin des Bf, die für Postangelegenheiten in der R. OG zuständig war, wird dargelegt, dass ein solcher Fehler ihr während ihrer „eineinhalbjährigen Tätigkeit“ noch nie unterlaufen sei. In der mündlichen Verhandlung ist jedoch zu Tage getreten, dass die Mitarbeiterin lediglich ca. sechs Monate beschäftigt war, bevor ihr der Fehler unterlaufen und das Schriftstück verloren gegangen ist. Bevor sie in der Kanzlei selbständig Arbeiten erledigt hatte, wurde sie zwei bis vier Wochen eingeschult, sodass davon auszugehen ist, dass ihr der Fehler der Nichtvorlage der Strafverfügung an den Bf nach ca. fünfmonatiger selbstständiger Tätigkeit unterlaufen ist. Diesbezüglich ist der glaubwürdigen Aussage der Rechtsvertreterin des Bf in der mündlichen Verhandlung zu folgen, die zum Zweck der Eruierung des Zeitpunkts des Arbeitsbeginns der Mitarbeiterin in der mündlichen Verhandlung ein Telefonat geführt hat.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

Nach § 71 Abs. 1 Z 1 AVG – der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungs­strafverfahren anzuwenden ist – ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist unter anderem dann zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Vom Bf wurden in seiner Rechtsanwaltskanzlei innerorganisatorische Maßnahmen in Form einer Dienstanweisung getroffen, aus der sich der Postlauf in der Kanzlei ergibt. Die Mitarbeiterin wurde zwei bis vier Wochen eingeschult und hat, bis ihr der Fehler des Verlustes eines Schriftstückes unterlaufen war, ca. fünf bis fünfeinhalb Monate fehlerfrei gearbeitet. Überdies wurde ihre Arbeit wöchentlich durch den Personalbeauftragten in der R. OG kontrolliert. Der Bf hat zusätzlich zumindest einmal pro Woche eine ergänzende Kontrolle durchgeführt, in dem er sich am Freitag die gesamte Postmappe hat vorlegen lassen.

Weil der Bf nicht nur organisatorische Maßnahmen für einen reibungslosen Ablauf in der Kanzlei getroffen hat, sondern auch für innerbetriebliche regelmäßige Kontrollmaßnahmen gesorgt hat, war der Verlust der Strafverfügung vom 27. Juni 2015 ein unvorhergesehenes Ereignis, an dem ihn kein Verschulden trifft.

 

Der Argumentation der belangten Behörde, es handle sich gegenständlich um eine materiell rechtliche Frist, gegen die ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist, war nicht zu folgen, denn die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist eine verfahrensrechtliche.

 

Weil damit aber die Voraussetzung des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllt sind, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

 

Ob bzw. in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren nunmehr fortgesetzt werden wird, hat die belangte Behörde zu beurteilen.

 

 

Zu II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs-gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs-gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts-anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann