LVwG-690011/2/WP

Linz, 26.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde des G S, S, S, gegen den Bescheid der Landespolizei­direktion Oberösterreich vom 9. Juni 2016, GZ: VStV/916300814670/2016, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als der Spruch wie folgt zu lauten hat:

„Sie haben sich in Ihrem Einspruch vom 6. Juni 2016 zu GZ: VStV/916300665657/2016 einer beleidigenden Schreibweise bedient, indem Sie folgende Formulierungen verwendet haben: ‚
1. Eine unvorschriftsmäßige Amtskleidung den der Möchte gern Beamte muss […]‘; ‚Ich rede mit der Polizei so wie ich möchte die wiesen genau das ich ein Polizei Hasser bin die gehören abgeschafft sie sind zu nichts zu gebrauchen‘.
Sie haben daher gegen die Vorschrift des § 34 Abs 3 AVG verstoßen, weshalb über Sie eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 100,00 Euro verhängt wird.“

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Mit Strafverfügung vom 23. Mai 2016 wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) von der Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge kurz: belangte Behörde) wegen Verletzung des öffentlichen Anstandes bestraft, da er sich gegenüber einem Exekutivorgan wie folgt äußerte: „Schau i aus wie a Auskunftsbüro? Host du übahaupt mein Rechtsanwalt gfrogt, ob du mit mir Reden derfst, du Trottel! Schau das'd weida kummst. […] Putz di, Deppada!“. Gegen diesen Bescheid (GZ: VStV/916300665657/2016) erhob der Bf mit Schreiben vom 6. Juni 2016 „Einspruch“ und verwendete dabei folgende Formulierungen:

 

1. Eine unvorschriftsmäßige Amtskleidung den der Möchte gern Beamte muss […]

 

Ich rede mit der Polizei so wie ich möchte die wiesen genau das ich ein Polizei Hasser bin die gehören abgeschafft sie sind zu nichts zu gebrauchen.

[Hervorhebungen nicht im Original]

 

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 2016 wurde gegenüber dem Bf gemäß § 34 Abs 3 AVG wegen seiner beleidigenden Schreibweise in seinem „Einspruch“ (vom 6. Juni 2016) eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 150,00 Euro verhängt. In ihrer Begründung zitiert die belangte Behörde zunächst die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und führt im Hinblick auf das Vorliegen einer beleidigenden Schreibweise aus, eine solche liege vor, „wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt oder sich eine Person im Umgang mit der Behörde einer Ausdrucksweise bedient, die nicht dem Anstand entspricht“.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich das vorliegende – als „Einspruch“ bezeichnete – Rechtsmittel. Darin bringt der Bf zusammengefasst vor, in Österreich herrsche Meinungsfreiheit und es sei nicht strafbar, wenn der Bf seine Meinung vertrete. Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wird vom Bf – trotz ausdrücklichem Hinweis im angefochtenen Bescheid – weder ausdrücklich noch konkludent gestellt.

 

4. Mit Schreiben vom 29. Juni 2016, beim Landesverwaltungsgericht Ober­österreich am 4. Juli 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. In Ergänzung des Verfahrensaktes legte die belangte Behörde mit E-Mail vom 26. Juli 2016 die Strafverfügung vom 23. Mai 2016 vor.

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden, da der maßgebliche Sachverhalt (Verwendung von Formulierungen in einer Eingabe, die geeignet sind, eine beleidigende Schreibweise darzustellen) schon aufgrund der Aktenlage festgestellt werden konnte und auch vom Bf nicht bestritten wurde. Zudem erweist sich die anzuwendende Rechtslage als eindeutig und existiert diesbezüglich reichhaltige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine weitere Erörterung der Sach- und Rechtslage konnte daher – auch vor dem Hintergrund der Art 6 EMRK sowie 47 GRC – unterbleiben, zumal es sich bei einer Ordnungsstrafe nicht um eine strafrechtliche Sanktion im Sinne der EMRK, sondern ihrer Natur nach eher um ein „Disziplinarvergehen“ handelt und auch die Strafandrohung (ohne Möglichkeit einer primären oder Ersatzfreiheitsstrafe) wegen ihrer geringen Höhe nicht in den strafrechtlichen Anwendungsbereich des Art 6 EMRK fällt (vgl die Urteile des EGMR Putz, ÖJZ 1996, 434 ff und Ravnsborg ÖJZ 1994, 706 ff; siehe auch Hengstschläger-Leeb, AVG², Rz 27 zu § 34 [Stand: 1.1.2014, rdb.at] und die dort referierte Literatur und Rechtsprechung).

 

2. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 erhob der Bf gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 23. Mai 2016, GZ: VStV/916300665657/2016, „Einspruch“ und verwendete dabei folgende Formulierungen:

 

1. Eine unvorschriftsmäßige Amtskleidung den der Möchte gern Beamte muss […]

 

Ich rede mit der Polizei so wie ich möchte die wiesen genau das ich ein Polizei Hasser bin die gehören abgeschafft sie sind zu nichts zu gebrauchen.

[Hervorhebungen nicht im Original]

 

 

III.           Rechtslage:

 

Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes lautet auszugsweise wie folgt:

 

Ordnungsstrafen

§ 34. (1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über das zulässige und rechtzeitige – als Beschwerde zu wertende – Rechtsmittel erwogen:

 

1. Unter einer Eingabe im Sinne des § 34 Abs 3 AVG ist ein schriftliches Anbringen im Sinne des § 13 AVG zu verstehen, wobei Voraussetzung für die Strafbefugnis der Behörde ist, dass das AVG auf die betreffende Eingabe überhaupt Anwendung findet und sich auf eine mit Bescheid zu erledigende Angelegenheit bezieht. Daher ist § 34 Abs 3 AVG auch auf Eingaben im Zuge eines gegen den Beschuldigten eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens anzuwenden (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG², Rz 15 zu § 34 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).

 

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtet. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des § 34 Abs 3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind.

 

Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs 3 AVG reicht es hin, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht wird und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an (vgl  etwa VwGH 2.7.1990, 90/19/0299).

 

Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (vgl VwGH 27.10.1997, 97/17/0187 mwN).

 

3. Wenngleich die gesamte Eingabe des Bf in unfreundlichem Ton gehalten ist und die Geringschätzung des Bf gegenüber der belangten Behörde (bin „Polizei Hasser“; die Polizei gehöre „abgeschafft“) offen zutage tritt, so bewegt sich der Bf damit gerade noch im Rahmen dessen, was die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft an Kritik hinnehmen müssen. Der Bf überschreitet aber jedenfalls die Grenze des Sachlichen, wenn er den einschreitenden Beamten als „Möchte gern Beamten“ bezeichnet und die Polizei in ihrer Gesamtheit als „zu nichts zu gebrauchen“ charakterisiert. In diesen Äußerungen liegt keine sachliche Kritik, sondern sind solche Formulierungen ihrem objektiven Gehalt nach beleidigend. Es kann im vorliegenden Fall damit kein Zweifel daran bestehen, dass die dem Bf vorgeworfene schriftliche Äußerung eine beleidigende Schreibweise darstellt. Auch kann das ordnungswidrige Verhalten nicht damit entschuldigt werden, dass die mit Ordnungsstrafe geahndete Äußerung eine „angemessene Entrüstung“ auf das Handeln der Behörde zum Ausdruck bringen sollte (vgl dazu VwGH 2.7.1990, 90/19/0299).

 

4. Wenn der Bf in seiner Beschwerde vorbringt, in Österreich bestehe Meinungsfreiheit und sei es nicht strafbar, seine Meinung zu vertreten, so ist ihm Folgendes zu entgegnen:

 

Die Strafbestimmung des § 34 Abs 3 AVG stellt zwar einen Eingriff in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Sinne der Art 13 StGG und Art 10 EMRK dar, sie ist aber als solche zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und daher im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des Art 13 StGG und des Art 10 EMRK unbedenklich. Allerdings ist § 34 Abs 3 AVG bei der bescheidförmigen Verhängung einer solchen Ordnungsstrafe im Einzelfall – bei sonstiger Gesetzes- und Grundrechtswidrigkeit des Bescheides – im Lichte dieses Vorbehaltes und des darin normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen. Der Zweck dieser Bestimmung ist die Spezialprävention, also die Absicht, die betreffende Person von der Setzung eines ordnungswidrigen Verhaltens abzuhalten und damit den Anstand im schriftlichen Verkehr mit den Behörden zu wahren (vgl Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 17 zu § 34).

 

5. Bei einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention [ERMK] (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344; vgl auch deren Art 6f [Grabenwarter/Pabel, Menschenrechtskonvention5 § 24 Rz 147]). Sie zielt nämlich lediglich darauf ab, den ordentlichen und disziplinierten Ablauf von Verwaltungsverfahren zu gewährleisten und ist daher ihrer Natur nach eher als „Disziplinarvergehen“ (VwGH 15. 10. 2009, 2008/09/0344; vgl auch § 34 Abs 4 AVG) denn als strafbare Handlung anzusehen (vgl EGMR 23.3.1994, Ravnsborg, Z 34, ÖJZ 1994, 706 [708]; Grabenwarter/Geppert, JBl 1996, 233).

 

Aus der mangelnden Anwendbarkeit des VStG folgt, dass sich die Behörde bei der Strafbemessung nicht an § 19 VStG, also insbesondere nicht an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allfälligen Sorgepflichten des Störers, orientieren muss (VwSlg 14.064 A/1994; VwGH 20.11.1998, 98/02/0320). Dementsprechend gehören die diesbezüglichen faktischen Umstände auch nicht zum maßgeblichen Sachverhalt. Maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe ist hingegen, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens des Betreffenden erwarten lässt (vgl VwSlg 6843 F/1993; 14.064 A/1994; VwGH 20.11.1998, 98/02/0320). Dabei darf die Behörde auch veranschlagen, ob die Eingabe „in gehäufter Form und in mehrfacher Hinsicht“ beleidigende Schreibweisen enthält (VwGH 20. 11. 1998, 98/02/0320).

 

Im Hinblick auf die Bestimmung der Höhe der Ordnungsstrafe ist zunächst festzuhalten, dass dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen ist, dass der Bf bereits einschlägig auffällig geworden ist. Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erscheint – vor dem Hintergrund, dass sich der Bf an zwei Stellen einer beleidigenden Schreibweise bedient hat und dies laut Aktenlage offenkundig sein erstes einschlägiges Verhalten darstellt – eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 150,00 Euro nicht erforderlich, um den Bf zukünftig von einem solchen Fehlverhalten gegenüber den staatlichen Behörden abzuhalten. Da dem Bf mit der gegenständlichen Entscheidung ins Bewusstsein gerufen wird, dass auch die – einen Eckpfeiler eines demokratischen Rechtsstaates bildende – Meinungsfreiheit dort ihre Grenzen findet, wo Kritik zur Beleidigung wird, sollte mit einer Ordnungsstrafe in der Höhe von 100,00 Euro das Auslangen gefunden werden, zumal dies ein hinreichendes Übel darstellt, um dem Bf sein Fehlverhalten eindrücklich vor Augen zu führen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung der oben zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vollinhaltlich entspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s e

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Peterseil