LVwG-000131/10/ER

Linz, 01.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der I N, geb x 1964, vertreten durch Ing. M N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10. Dezember 2015, GZ. Pol96-98-2015, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2016 zu Recht erkannt: 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm § 38 Abs 6 TSchG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.

Darüber hinaus hat der erste Satz des Spruchs wie folgt zu lauten:

Sie haben jedenfalls am 5. November 2011 in G eine Verwaltungsübertretung begangen, indem Sie den von Ihnen zumindest auf den Parzellen mit den Nummern x und einem Teil des Waldes der Parzelle x in der Gemeinde E ganzjährig im Freien gehaltenen schottischen Hochlandrindern keine überdachte Liegefläche zur Verfügung gestellt haben.

 

II.      Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 10. Dezember 2015, Pol96-98-2015, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) über die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) eine Geldstrafe von 470,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 282 Stunden) wegen einer Übertretung nach dem Tierschutzgesetz wie folgt:

„Sie haben jedenfalls am 05.11.2015 in E, zumindest dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen, indem Sie es verabsäumt haben, auf den beiden Weiden auf denen von Ihnen Schottische Hochlandrinder gehalten, werden, die im § 19 Tierschutzgesetz (TSchG) und in der 2. Tierhalteverordnung Anlage 2 (1.ThV) vorgeschriebenen Unterstände zu errichten und diese mit trockener Einstreu zu versehen.“

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dies aufgrund einer Kontrolle der Weiden der Bf am 5. November 2015 festgestellt worden sei.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Bf, in der sie die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragte. Begründend brachte die Bf im Wesentlichen vor, dass die auf den Weiden vorhandenen Fichten einen ausreichenden Unterstand böten. Windschutz böten einerseits der Wald, andererseits eine vorhandene Steinmauer. Wenn die Temperaturen an mindestens drei bis vier Tagen unter -5°C liegen, werde den Rindern zusätzlich ein Strohbett zur Verfügung gestellt, dessen Fläche zwischen 150 und 200 betragen würde.

 

I.3. Mit Schreiben vom 1. Februar 2016 legte die belangte Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und die Beschwerde.

Ferner fand am 14. Juli 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der Vertreter der Bf und ein Vertreter der belangten Behörde als Parteienvertreter, sowie jene Amtstierärztin, die die verfahrensgegenständliche Kontrolle vom 5. November 2015 durchgeführt hat, als sachverständige Zeugin teilnahmen.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Die Bf hält zumindest auf ihren Grundstücken in der Gemeinde E mit den Parzellennummern x die als „untere Weide“ bezeichnet werden und zumindest auf den Parzellen x und einem Teil des Waldes der Parzelle x, die als „obere Weide“ bezeichnet werden, ganzjährig insgesamt rund 50 schottische Hochlandrinder im Freien.

 

Auf der „unteren Weide“ befindet sich an der Grenze von Parzelle x zu Parzelle x eine Fichtenallee, deren Äste fünf bis sechs Meter in die „untere Weide“ ragen. Diese Fichten sind knapp aneinandergereiht, die überhängenden Äste bilden ein dichtes Dach.

An der Grenze dieser beiden Parzellen befindet sich entlang der Fichtenallee eine Mauer, die rund 1,20m hoch ist. Diese Mauer befindet sich an der nordöstlichen Kante der Parzelle x.

Ferner befindet sich auf der „unteren Weide“ auf der Parzelle x eine Mischwaldfläche in der Größe von etwa 3.000 bis 4.000m². Diese Mischwaldfläche befindet sich in einer Senke, deren Ränder etwa 8m hoch sind.

 

Auf der „oberen Weide“ befindet sich auf den Parzellen x und x eine Birkengruppe. Auf den Parzellen x und x befindet sich Mischwald, entlang der nordöstlichen Grenze der Parzellen x und x zur Parzelle x befindet sich durchgehend Waldränder, die teilweise dichte Fichtengruppen aufweisen. Die gesamte „obere Weide“ neigt sich von Nordosten Richtung Südwesten, die Parzelle x steigt gegenüber den Parzellen x und x in einem Winkel von etwa 20° Richtung Nordosten an.

 

Unstrittig befinden sich auf beiden Weiden ausreichend natürliche Beschattungsmöglichkeiten für sämtliche Tiere, sowie ausreichend Schutz vor Sonneneinstrahlung. Unbestritten bietet auf der „unteren Weide“ jene Senke auf Parzelle x, in der sich ein Mischwald befindet, ausreichend Windschutz, auch die Fichtenallee bietet unbestritten Schutz. Auf der „oberen Weide“ bietet die Hangneigung zwischen den Parzellen x und x bzw x unbestritten ausreichend Windschutz. Technische Unterstände waren zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Kontrolle nicht errichtet.

 

Der Zustand der Rinder war zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Kontrolle gut, Schmerzen, Leiden oder Schäden konnten nie festgestellt werden.

 

Im Dezember 2015 ist die Bf mit der Amtstierärztin und einer Vertreterin der Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen des Amts der Oö. Landesregierung übereingekommen, zusätzlich künstliche Unterstände auf beiden Weiden zu errichten, dieses Übereinkommen wurde bereits zum Teil umgesetzt.

 

Sobald die Temperaturen drei bis vier Tage unter -5°C liegen, wird auf beiden Weiden unter den Fichtengruppen bzw der Fichtenallee mit Stroh eingestreut, ansonsten befindet sich an diesen Stellen natürliche Einstreu in Form von Fichtennadeln.

Auf der „oberen Weide“ bestand vor mehreren Jahren eine technisch überdachte Liegefläche, die jedoch von den Rindern nicht als solche genutzt, sondern von ihnen zerlegt wurde.

 

II.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, der Beschwerde, sowie den Aussagen des Vertreters der Bf und der Zeugin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

II.2. Im Einzelnen:

 

Die Fläche der Weiden ergibt sich unstrittig aus den im Akt einliegenden DORIS-Auszügen sowie den ergänzenden Erläuterungen des Vertreters der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Dass die Tiere ganzjährig im Freien gehalten werden, ergibt sich aus der Aussage des Vertreters der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Dass im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Kontrolle kein technischer Unterstand errichtet war, ergibt sich unstrittig aus der Aussage des Vertreters der Bf.

 

Dass auf beiden Weiden ausreichend natürlicher Schutz von Sonneneinstrahlung, Hitze und Wind gegeben ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der Bf und der Aussage der Zeugin, wonach der vorhandene Witterungsschutz für die schottischen Hochlandrinder „hervorragend“ sei, jedoch könnten die Tiere in der feucht-kalten Jahreszeit möglicherweise keinen trockenen Boden vorfinden.

 

Dass die Flächen unter den Fichtengruppen bzw der Fichtenallee bei Temperaturen von -5°C nach spätestens vier Tagen Stroh eingestreut wird, ergibt sich unbestritten aus der Aussage des Vertreters der Bf, dass ansonsten dort Fichtennadeln als natürliche Einstreu vorzufinden sind, ergibt sich aus der Aussage des Bf, sowie jener der Zeugin, wonach die vorhandenen Fichtennadeln am Betrieb der Bf von den Tieren ganzjährig angenommen werden.

 

 

III. Gemäß § 19 Tierschutzgesetz – TSchG, BGBl I Nr 118/2004, sind Tiere, die vorübergehend oder dauernd nicht in Unterkünften untergebracht sind, soweit erforderlich vor widrigen Witterungsbedingungen und soweit möglich vor Raubtieren und sonstigen Gefahren für ihr Wohlbefinden zu schützen.

 

Gemäß § 38 Abs 3 TSchG, begeht, wer außer in den Fällen der Abs 1 und 2 gegen §§ 5, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7.500 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß Punkt 4.3. der Anlage 2 der 1. Tierhaltungsverordnung muss für jedes Tier, das ganzjährig im Freien gehalten wird, eine überdachte, trockene und eingestreute Liegefläche mit Windschutz in einem Ausmaß zur Verfügung stehen, das allen Tieren ein gleichzeitiges ungestörtes Liegen ermöglicht.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Die belangte Behörde hat der Bf im angefochtenen Straferkanntnis vorgeworfen, dass sie (jedenfalls) am 5. November 2015 (zumindest dadurch) eine Verwaltungsübertretung begangen haben soll, indem sie es verabsäumt hat, auf zwei Weiden, auf denen von ihr Schottische Hochlandrinder gehalten werden, Unterstände zu errichten und diese mit trockener Einstreu zu versehen.

Die Anforderungen des Punkts 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung erfüllt, wer ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern überdachte, trockene und eingestreute Liegeflächen (...) zur Verfügung stellt. Diese Tatbestandsmerkmale müssen kumulativ vorliegen.

 

IV.1.1. Die Bf brachte im Verfahren vor der belangten Behörde vor, dass schottische Hochlandrinder durch irgendeine Verordnung oder Richtlinie der EU oder ein Urteil des EuGH Wildrassen gleichgestellt worden seien und daher keinen Witterungsschutz brauchen würden. Dem Oö. Landesverwaltungsgericht sind derartige Rechtsvorschriften oder Entscheidungen jedoch auch nach intensiver Recherche nicht bekannt, auch wurden sie von der Bf im Verwaltungsverfahren trotz Aufforderung nicht beigebracht. Vielmehr brachte der Vertreter der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich vor, dass eine Überdachung für schottische Hochlandrinder jedenfalls erforderlich sei, er bestritt jedoch das Erfordernis einer künstlichen Überdachung.

 

Punkt 12 der Richtlinie 98/58/EG des Rates der Europäischen Union vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere regelt, dass Tiere, die nicht in Gebäuden untergebracht sind, soweit erforderlich und möglich, vor widrigen Witterungsbedingungen, Raubtieren und Gefahren für die Gesundheit zu schützen sind.

 

Punkt 12 der zitierten Richtlinie wurde durch § 19 TSchG umgesetzt (vgl RV zu BGBl I 118/2004).

 

Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung dient gemäß § 24 Abs 1 Z 1 TSchG der Präzisierung der Haltungsanforderungen an die ganzjährige Haltung von Rindern im Freien.

 

Es ist somit zunächst zu klären, ob aus Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung hervorgeht, dass technische „Unterstände zu errichten“ sind, oder ob natürliche Überdachungen den Anforderungen der zitierten Rechtsvorschrift genügen.

 

Prima vista lässt sich weder aus § 19 TSchG noch aus der 1. Tierhaltungsverordnung allein aus dem Wortlaut ableiten, dass die Errichtung von technischen Unterständen erforderlich wäre.

 

Das verordnungserlassende Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jedoch im Jahr 2006 das „Handbuch Rinder – Selbstevaluierung Tierschutz“ herausgegeben, das sich unter Punkt G mit der ganzjährigen Haltung von Rindern im Freien entsprechend der Anlage 2, Punkt 4.3. der 1. Tierhaltungsverordnung befasst. Entsprechend seinem Vorwort bietet das Handbuch Tierhaltern eine Darstellung und Kommentierung der für sie relevanten Gesetzesbestimmungen, sodass sie durch Selbstevaluierung Standortbestimmungen durchführen und von sich aus entsprechende Anpassungsmaßnahmen ergreifen können. Andererseits bereiten sie Amtstierärztinnen und -ärzten sowie Tierärztinnen und Tierärzten des Tiergesundheitsdienstes eine wesentliche Hilfestellung bei der Interpretation und Anwendung der Tierschutzbestimmungen.

 

Entsprechend Punkt G.1. des Handbuchs gewähren „nur technisch erstellte Unterstände (einfache Unterstände, Dach) [...] eine entsprechend trockene Liegefläche“. Windschutz kann hingegen auch durch natürliche Gegebenheiten (ganztägig und ganzjährig schutzgebende Baumgruppen, Hecken oder Buschreihen, Waldungen o. ä.) oder künstliche Einrichtungen (Windschutzwände, Bretterwand, angrenzende Gebäudemauern, Windschutznetze, Strohballen, o. ä.) gewährleistet werden.

 

Demgegenüber enthalten sämtliche aus Deutschland stammenden Studien und Abhandlungen, die dem Bericht der Amtstierärztin zur Kontrolle vom 5. November 2015 beigelegt wurden, Ausführungen darüber, dass Schutz gegen Nässe auch in der kalten Jahreszeit durch entsprechende Bepflanzung (insbesondere dichtes Nadelgehölz) gegeben sein kann.

 

IV.1.2. Diese unterschiedliche Interpretation lässt sich auf den Wortlaut der entsprechenden Gesetze zurückführen. Die deutsche Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung - TierSchNutztV) regelt in § 3 allgemeine Anforderungen an Haltungseinrichtungen. Gemäß Abs 2 Z 3 dieser Bestimmung müssen Haltungseinrichtungen so ausgestattet sein, dass den Tieren, soweit für den Erhalt der Gesundheit erforderlich, ausreichend Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen geboten wird (...).

 

Dies entspricht im Wesentlichen § 19 TSchG. Die deutsche TierschNutztV kennt jedoch keine näher ausführende Bestimmung über die ganzjährige Haltung von Rindern im Freien entsprechend Punkt 4.3. der Anlage 2 der österreichischen 1. Tierhaltungsverordnung, der ausdrücklich eine überdachte Liegefläche vorsieht. Zumal die österreichische 1. Tierhaltungsverordnung im Gegensatz zur deutschen Bestimmung speziellere Anforderungen vorschreibt, können die Studien und Abhandlungen, die sich allein auf die deutschen Rechtsvorschriften beziehen, nicht uneingeschränkt zur Interpretation der österreichischen Spezialnorm herangezogen werden. Vielmehr ist dabei vorrangig auf die Interpretation des verordnungserlassenden Ministeriums Rücksicht zu nehmen, die sich im „Handbuch Rinder“ ablesen lässt.

 

Ferner ist auch Binder/v.Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht², S 115, zu entnehmen, dass bei ganzjähriger Haltung von Tieren im Freien ein künstlicher Witterungsschutz unerlässlich sei.

 

IV.1.3. Nach dem eben Festgehalten lässt sich im Übrigen auch aus dem Normtext der in Rede stehenden österreichischen Bestimmungen diese Interpretation ableiten.

 

§ 19 TSchG regelt, dass Tiere, die vorübergehend oder dauernd nicht in Unterkünften untergebracht sind, soweit erforderlich, vor widrigen Witterungsbedingungen (...) zu schützen sind.

Wie bereits festgehalten, entspricht dieser Normtext im Wesentlichen § 3 Abs 2 Z 2 der deutschen TierschNutztV. Den Materialien zu § 19 TSchG ist zu entnehmen, dass diese Bestimmung in Umsetzung zu Punkt 12 der RL 98/58/EG erlassen wurde, wonach Tiere, die nicht in Gebäuden untergebracht sind, soweit erforderlich und möglich, vor widrigen Witterungsbedingungen (...) zu schützen sind.

§ 19 TSchG regelt diese Erfordernisse sowohl für Tiere, die vorübergehend im Freien gehalten werden, als auch für jene, die dauernd nicht in Unterkünften untergebracht sind, wogegen weder die deutsche Regelung noch die Richtlinie überhaupt eine Unterscheidung zwischen ganzjähriger und teilweiser Haltung von Tieren im Freien trifft.

Während für die vorübergehende Haltung im Freien ein Witterungsschutz entsprechend § 19 TSchG nur dann zur Verfügung zu stellen ist, wenn dieser erforderlich ist, schränkt Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung für die ganzjährige Haltung im Freien den Witterungsschutz nicht auf die konkrete Erforderlichkeit ein, sondern schreibt generell vor, dass für jedes Tier eine überdachte (...) Liegefläche – ganzjährig, nicht nur erforderlichenfalls – zur Verfügung stehen muss.

Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung ist sohin in zweifacher Hinsicht eine Spezialnorm zu § 19 TSchG: einerseits bezieht er sich bloß auf die ganzjährige Haltung im Freien, andererseits schreibt er vor, wie der Witterungsschutz auszugestalten ist. Während die allgemeine Bestimmung des § 19 TSchG durchaus – entsprechend der deutschen Norm – einen natürlichen Witterungsschutz (für die vorübergehende Haltung im Freien) zulässt, geht aus Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung für die ganzjährige Haltung im Freien eindeutig das Erfordernis einer Überdachung hervor. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgestaltung der beiden Vorschriften ist nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichts auch dem Normtext von Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung zu entnehmen, dass nicht jegliche Form von (erforderlichem) Witterungsschutz für die ganzjährige Freilandhaltung ausreicht, sondern durch die Verwendung des Begriffs „überdacht“ eine technische Einrichtung dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

 

IV.1.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht gelangt daher zur Auffassung, dass das bloße Vorhandensein eines natürlichen Witterungsschutzes nicht zur Erfüllung der Anforderungen von Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung ausreicht.

 

IV.2. Unbestritten waren zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Kontrolle auf den beiden Weiden der Bf keine künstlichen Überdachungen errichtet. Die Bf hat damit den objektiven Tatbestand des § 38 Abs 3 iVm § 19 TSchG iVm Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung erfüllt.

 

IV.3.1. Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, soweit die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt.

 

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (sog „Ungehorsamsdelikt“).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl VwGH 23.12.1991, 88/17/0010 mwN).

 

Die Bf hat keinerlei Umstände geltend gemacht, die geeignet wären, einen entsprechenden Entlastungsbeweis zu führen. Es ist daher von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

IV.3.2. Gemäß § 38 Abs 6 TSchG hat die Behörde bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 3, sofern sie nicht nach § 21 Abs 1a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52, vorgeht, ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung für das Wohlbefinden der gehaltenen Tiere unbedeutend sind. Die Behörde hat den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid zu ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. (...)

 

IV.3.2.1. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist hervorgekommen, dass über das Erfordernis überdachter Liegeflächen bereits mehrfach mit der Amtstierärztin Diskussionen stattgefunden haben, es aber diesbezüglich nie zu Vorschreibungen von Maßnahmen, Ermahnungen oder sonstigen rechtlichen Schritten gekommen ist. Darüber hinaus brachte der Vertreter der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich vor, dass er eine „Überdachung“ für schottische Hochlandrinder jedenfalls für erforderlich erachte, er bestritt jedoch das Erfordernis einer künstlichen Überdachung aufgrund der besonderen topografischen Verhältnisse und der dichten Fichtenbestände auf den verfahrensgegenständlichen Weiden. Ferner kam in der öffentlichen mündlichen Verhandlung hervor, dass vor etwa zehn Jahren bereits ein Unterstand errichtet war, dieser jedoch von den Rindern ausschließlich als Beschäftigungsmaterial verwendet und dabei zerlegt, aber nie von den Rindern als Liegefläche genützt worden ist.

 

Zumal die Bf selbst das Erfordernis von überdachten, trockenen, einestreuten und windgeschützten Liegeflächen nie bestritten hat und dafür jene Flächen auf den Weiden entsprechend mit Einstreu versorgt hat, die einen natürlichen Witterungs- und Windschutz bieten, hat sie beabsichtigt, faktisch jenen Zustand herzustellen, der gesetzlich vorgeschrieben ist, ohne jedoch auf diesen Flächen eine technische Überdachung zur Verfügung zu stellen. Das Verschulden der Bf ist schon aus diesem Grund als gering anzusehen, zumal sie stets – auf das Wohlbefinden der Tiere bedacht – jene Flächen entsprechend präpariert hat, die auf natürliche Weise Witterungsschutz boten.

Ferner gab es über das fragliche Erfordernis einer künstlichen Überdachung auf diesen natürlich geschützten Flächen zwar Diskussionen mit der Amtstierärztin, es wurden aber bis zum gegenständlichen Verfahren keine behördlichen Schritte gesetzt.

Darüber hinaus hat die Bf ihren Rindern bereits einen technischen Unterstand angeboten, der von diesen jedoch nicht genützt, sondern zerlegt wurde. Auch aufgrund dieser Erfahrung ist der Bf nur geringfügiges Verschulden anzulasten, zumal die Tiere einen vorhandenen technischen Unterstand nicht nützten, sehr wohl aber die beschriebenen natürlichen.

 

IV.3.2.2. Die Amtstierärztin hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass sich die Tiere bei der verfahrensgegenständlichen Kontrolle in einem guten Gesundheitszustand befunden hätten. Sie seien gut genährt gewesen, ferner habe nie festgestellt werden können, dass die Rinder unter Schmerzen, Leiden oder Schäden gelitten hätten. Aufgrund dieser Feststellungen ist evident, dass die Folgen der vorgeworfenen Übertretung für das Wohlbefinden der Tiere unbedeutend sind.

 

IV.3.2.3. Eine Anwendung des § 38 Abs 6 TSchG kommt sohin in Betracht. Der Vertreter der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bekannt gegeben, dass anlässlich einer Kontrolle am 22. Dezember 2015 in Abstimmung mit der Amtstierärztin und einer Vertreterin der Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen des Amtes der Oö. Landesregierung vereinbart worden sei, die oben betriebenen natürlich geschützten Liegeflächen der Rinder zusätzlich mittels Planenkonstruktionen vor Regeneinwirkung zu schützen. Der Vertreter der Bf gab an, dass dies auch bereits teilweise umgesetzt worden sei, die Planen hätten sich aber als wenig stabil erwiesen, weshalb jetzt eine Konstruktion mit Platten errichtet werde. Dies sei aber noch nicht geschehen.

Der Vertreter der Bf hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Bf – bereits vor Abschluss des gegenständlichen Verfahrens – ihre Bereitschaft gezeigt hat, technische Überdachungen zu errichten. Zumal dies aber noch nicht vollständig umgesetzt ist, war es erforderlich, sie unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres bisherigen Verhaltens zu ermahnen, um sie von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

 

V. Im Ergebnis war von der Verhängung einer Strafe abzusehen und der Bf eine Ermahnung zu erteilen. Bei diesem Ergebnis waren der Bf weder die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens, noch jene des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens vorzuschreiben.

 

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtsfrage, ob Punkt 4.3. der 2. Anlage der 1. Tierhaltungsverordnung die Errichtung technischer Überdachungen erfordert, existiert.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r