LVwG-150945/5/EW/GD

Linz, 21.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde der B K, vertreten durch x, vom 29.02.2016, gegen den Bescheid des Gemeinderats der Gemeinde L vom 29.01.2016, Zl: 031/8-117/1-Ka-Verk/Ber-2016, betreffend Ausnahme von Aufschließungsbeiträgen für das Grundstück Nr. x, KG L (x)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

 

I.         Gemäß § 279 Abs. 1 BAO wird die Beschwerde abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.            Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

I.1. Gegenständliches Grundstück Nr. x, KG L (x) steht im Eigentum von B K (im Folgenden Bf). Die gegenständliche Teilfläche im Ausmaß von 1588 ist als Bauland/Wohngebiet gewidmet und unbebaut.

Laut vorgelegtem Behördenakt  wurden bereits zwei Kanalhausanschlüsse auf dem Grundstück der Bf vorgesehen.

 

I.2. Mit zwei Bescheiden, jeweils vom 23.12.2014, Zl: 031/8-2014, beide nachweislich zugestellt am 31.12.2014 wurde der Bf der Aufschließungsbeitrag in Zusammenhang mit dem Verkehrsflächenbeitrag und der Kanalisationsanlage gem. §§ 25 ff Oö. ROG 1994 für die Teilfläche des gegenständlichen Grundstücks vorgeschrieben.

 

I.3. Am 19.01.2015 stellte die Bf rechtzeitig den Antrag auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag für alle Vorschreibungskomponenten gem. § 27 Oö. ROG 1994. Begründend wurde ausgeführt, dass gegenständliche Teilfläche von Flächen umgeben sei, welche nicht als Bauland gewidmet sind und aus diesem Grund keine Baulücke darstelle, zumal es nicht im geschlossen bebauten Gebiet zwischen bebauten Grundstücken liege. Eine Nichtbebauung stehe den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung nicht entgegen.

 

I.4. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz im eigenen Wirkungsbereich gemäß § 27 Abs. 1 Oö. ROG 1994 mit Bescheid vom 09.07.2015, Zl. 031/8-117/1-Ka-Verk-2015 abgewiesen.

Begründet wurde die Entscheidung mit den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung im Sinne des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 vom 18.09.2009:

Hinsichtlich der Umlandbeziehungen (Punkt 1.2) der Gemeinde sei ein Hauptziel die Aufrechterhaltung und Verbesserung des Funktionsgefüges mit dem Umland z. B. durch geeignete Verdichtungsmaßnahmen innerhalb der Siedlungsstrukturen.

Hinsichtlich Wohnen/Siedlungswesen (Punkt 5) sei Ziel die Baulandmobilisierung durch klar definierte Maßnahmen; dezidiert sei als Maßnahme die Einhebung von Aufschließungsbeiträgen in diesen Siedlungsgebieten für unbebaute Bauparzellen festgelegt.

Hinsichtlich der technischen Infrastruktur (Punkt 9) sei ein Ziel die Schließung von Baulücken und eine Abrundung der Siedlungsgebiete zur Erreichung einer sinnvollen Kostenstruktur.

Es wurde darauf hingewiesen, dass die Bf im Rahmen der Gesamtüberarbeitung des Flächenwidmungsplanes die Aufrechterhaltung der Baulandwidmung forderte.

Weiters wurde eine Stellungnahme des Ortsplaners vom 16.06.2015 angeführt, wonach die Ausnahme für die gegenständliche Teilfläche aus raumordnungsfachlicher Sicht nicht den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung entspreche, denn:

-      Die Teilfläche sei raumstrukturell integriert in einen Siedlungsschwerpunkt in moderater Nähe zum Gemeindehauptort von L. Gemäß örtlichem Entwicklungskonzept Nr. 1 und Flächenwidmungsteil Nr. 2 sei sie als Entwicklungsfläche im Ortsteil B ausgewiesen, der über keine maßgebenden Entwicklungspotentiale verfüge.

-      2012 sei der Kanal im B ausgebaut worden und infrastrukturelle Vorleistungen erbracht, wonach das Interesse der Gemeinde an einer geordneten Siedlungsentwicklung nachgewiesen wäre.

-      Die textlichen Festlegungen des ÖEK Nr. 1 zielten auf die Mobilisierung von Baulandreserven durch Einhebung von Aufschließungsbeiträgen ab. Dies gelte insbesondere, wenn die Anbindungsvoraussetzungen bereitgestellt wurden.

 

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Berufung und beantragte die Abänderung des bekämpften Bescheides dahingehend, dass dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahme von den Aufschließungsbeiträgen stattgegeben werde.

 

Begründet wurde das Rechtsmittel damit, dass das Parteiengehör verletzt wurde, da die Stellungnahme des Ortsplaners der Bf nicht zur Kenntnis gebracht worden war.

Die Vorlage eines „Siedlungsschwerpunktes“ bleibe unerfindlich, da im B in den letzten 30 Jahren kein einziger Neubau errichtet worden sei und es praktisch nur landwirtschaftlich genutzte (und gewidmete) Flächen gebe. Hinsichtlich der „textlichen Festlegung des ÖEK Nr. 1…“ handle es sich nur um einen „Mustersatz“, der keinen konkreten Bezug zur gegenständlichen Örtlichkeit habe. Vom Vorliegen einer „Baulücke“ werde offensichtlich nicht einmal in diesem Bescheid ausgegangen. Es könne auch nicht von einer „Verdichtungsmaßnahme innerhalb der Siedlungsstruktur“ ausgegangen werden, da keine Siedlungsstruktur vorhanden sei, die verdichtet werde könne.

Weiters wurde ausgeführt, dass gegenständliches Grundstück von der Bf für ihre Landwirtschaft benötigt werde und die frühere Absicht ein Baugrundstück für den Familienverband zu schaffen, nicht mehr vorliege. Die beantragte Widmung des Grundstückes in „Grünland“ sei noch ausständig.

 

I.6. Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde der Bf mit Schreiben vom 13.11.2015, Zl. 031/8-2015 die Stellungnahme des Ortsplaners vom 16.06.2015 übermittelt und eine 14-tägige Stellungnahmefrist eingeräumt.

 

Die Bf gab zusammengefasst folgende Stellungnahme ab:

Laut ÖEK bestehe in der Gemeinde ein Baulandüberhang vom etwa 25 % dem mit Baulandmobilisierung und Baulandbereinigung, konzentriert auf zentrumsnahe Wohnstandorte begegnet werden soll. Gegenständliches Grundstück sei vom Ortszentrum zumindest 2 km (Luftlinie!) entfernt. Die Umwidmung in Grünland sei vom Gemeinderat noch nicht entschieden, es werde aber darauf hingewiesen, dass der Erhalt des Grundstückes als wertvolle ökologische Wiesenfläche wertmäßig höher einzustufen sei als die Aufrechterhaltung von Bauland, welches ohnedies niemand bebauen möchte.

 

I.7. Der Gemeinderat als Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die Berufung mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 29.01.2016 (Gemeinderatsbeschluss vom 17.12.2015) als unbegründet ab.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass das Grundstück  Nr. x, KG L (x), bereits seit dem Jahr 1983 als Bauland gewidmet sei und im Zuge der Gesamtüberarbeitung des Flächenwidmungsplanes auf Wunsch der Bf weiterhin als Bauland gewidmet blieb. Infolge sei ein öffentlicher Ortskanal errichtet und zwei Kanalhausanschlüsse für gegenständliche Teilfläche vorgesehen worden.

 

Gemäß dem Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 der Gemeinde L sollen vorhandene Baulandreserven, insbesondere durch die Erhebung von Aufschließungsbeiträgen, mobilisiert werden und haushälterisch mit den gemeindeeigenen Ressourcen (v.a. hinsichtlich der Infrastrukturerrichtung) umgegangen werden. Dies gelte für die gewidmete Teilfläche des gegenständlichen Grundstückes Nr. x, KG L. Da in der Gemeinde L nur wenige gewidmete Baugründe vorhanden wären, sollen diese für potentielle Bauwerber verfügbar gemacht werden. Für die Gemeinde L ist auch die bauliche Verdichtung entlang des Siedlungsbandes Ltal einschließlich der Randbereiche, zu dem das gegenständliche Grundstück zählt, von großem Interesse im Sinne einer geordneten Siedlungsentwicklung.

Hinsichtlich der Beurteilung des Antrages auf Erteilung von Ausnahmen von Aufschließungsbeiträgen fänden sich im Textteil des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 der Gemeinde L zahlreiche Ziele und Maßnahmen/Festlegungen, die für das gegenständliche Grundstück Nr. x (Teilfläche), KG L, klar zum Ausdruck brächten, dass eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung entgegenstehe (dargelegt im erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters).

Auch in der Stellungnahme des Ortsplaners Dipl.-Ing. G L vom 16. Juni 2015 werde festgehalten, dass die beantragte Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag für das Grundstück Nr. x (Teilfläche) aus raumordnungsfachlicher Sicht nicht den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung entspreche und auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des § 27 OÖ. ROG 1994 nicht vertreten werden könne.

Die vorgebrachten Berufungsgründe (das gegenständliche Grundstück diene als wichtige Grünfutterquelle für die gehaltenen Tiere und das gegenständliche Grundstück werde im Familienverband nicht mehr als Bauland benötigt) seien im Verfahren nach § 27 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 idgF nicht relevant.

Zur angeregten Umwidmung des Grundstückes Nr. x in Grünland werde festgehalten, dass der Gemeinderat der Gemeinde L beschlossen habe, dass diese Änderung den Planungszielen der Gemeinde L widerspreche und daher hier kein Verfahren auf Rückwidmung eingeleitet werde.

 

I.8. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der Antrag auf Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag stattgegeben werde, da die Erteilung den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung nicht entgegenstehe.

 

Begründend führte die Bf unter Hinweis auf das örtliche Entwicklungskonzept aus, dass in der Gemeinde ein Baulandüberhang von etwa 25 % bestehe, welcher langfristig zu hoch sei. Als Ziel, sei im örtlichen Entwicklungskonzept die Baulandmobilisierung und die Baulandbereinigung durch Reduktion der überschüssigen Baulandreserven angeführt, wobei die Konzentration auf die zentrumsnahen Wohnstandorte erfolgen solle. Das Grundstück der Bf sei in keiner Weise „zentrumsnah“, da es mindestens 2 km Luftlinie vom Ortszentrum entfernt sei und das Argument der „Verdichtungsmaßnahmen innerhalb der Siedlungsstruktur“ schlage nicht durch, da im gegenständlichen Bereich keine Siedlungsstruktur vorhanden sei, die verdichtet werden könne. Das Grundstück Nr. x sei zur Gänze von Grundstücken umgeben, welche nicht als Bauland gewidmet seien.

Die gegenständliche Fläche stelle die einzig sichere Zufahrt zu den nördlich gelegenen landwirtschaftlichen Wiesen dar und würde durch die Wohngebietswidmung auf Dauer gefährdet, weshalb mittelfristig eine Verwaldung der landwirtschaftlichen Nutzflächen drohe. Die Aufrechterhaltung der Wohngebietswidmung mache den Betrieb der Landwirtschaft finanziell nicht mehr tragbar. Von der Bf in die Landwirtschaft getätigte Investitionen (Errichtung Pferdestall, Pferdehütte und Garage, Vergrößerung Heuboden, Anschaffung von Maschinen und Drainage von Gründen) dienten der langfristigen Sicherung eines landwirtschaftlichen Betriebes und hätten Vorrang in Anbetracht der gegebenen Strukturen.

Die seinerzeitige Baulandwidmung erfolgte um Baugrund für den Familienverband zu schaffen und sei nicht mehr nötig. Eine Veräußerung an außenstehende Dritte sei nicht angedacht. Das gegenständliche Grundstück diene als wichtige Grünfutterquelle; es seien noch weitere Flächen im Ausmaß von etwa 4 ha langfristig zugepachtet.

 

I.9. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 07.03.2016, eingelangt am 10.03.2016, zur Entscheidung vor.

 

1.10. Nach Aufforderung durch das LVwG Oberösterreich legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 21.03.2016 und 15.07.2016 die Vorschreibungsbescheide und das Örtliche Entwicklungskonzept (ÖEK) vor.

 

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt (einschließlich nachgeforderter Aktenbestandteile), Einholung von  Grundbuchs- und DORIS-Auszügen der betroffenen Grundstücke (ON 4) und insbesondere Einsichtnahme in das Örtliche Entwicklungskonzept (ON 3).

Der unter I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich daraus widerspruchsfrei.

 

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, sohin lediglich Rechtsfragen zu beantworten waren und die Bf keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt hat, war eine solche nicht durchzuführen.

 

 

 

III. Maßgebliche Rechtslage:

 

III.1. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 25 Abs. 7 Oö. ROG 1994 sind bei der Überprüfung, Einhebung, Vorschreibung und Einbringung des Aufschließungsbeitrags sowie im Verfahren betreffend die Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gemäß § 27 und im Verfahren betreffend die Vorschreibung des Erhaltungsbeitrags im Bauland gemäß § 28 die Bundesabgabenordnung (BAO) und - soweit dieses Landesgesetz nicht anderes vorsieht - das Oö. Abgabengesetz (Oö. AbgG) anzuwenden.

 

Gemäß § 2a erster und zweiter Satz BAO gelten die Bestimmungen der BAO sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

 

Gem. § 272 Abs. 1 BAO entscheidet das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch Einzelrichter, soweit gesetzlich nichts anderes angeordnet ist.

 

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht, außer in den – hier nicht relevanten – Fällen des § 278 BAO, immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

 

III.2. In der Sache:

 

Folgende Bestimmungen des Landesgesetzes vom 6. Oktober 1993 über die Raumordnung im Land Oberösterreich (Oö. Raumordnungsgesetz 1994 - Oö. ROG 1994), StF: LGBl. Nr. 114/1993, in der Fassung LGBl. Nr. 69/2015maßgeblich:

 

㤠25

Aufschließungsbeitrag im Bauland

 

(1) Die Gemeinde hat dem Eigentümer eines Grundstücks oder Grundstücksteils, das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet, jedoch nicht bebaut ist, je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage, eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage (§ 1 Abs. 1 Oö. Interessentenbeiträge-Gesetz 1958) oder eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde einen Aufschließungsbeitrag vorzuschreiben. Abgabepflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Vorschreibung Eigentümer des Grundstücks oder Grundstücksteils ist.

 

 

§ 27

Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag

 

(1) Die Gemeinde hat mit Bescheid einmalig eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag zu erteilen, wenn

        

1.

dies der Grundstückseigentümer binnen vier Wochen nach Zustellung der Vorschreibung beantragt,

 

2.

dem Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, nicht entgegenstehen und

 

3.

das Grundstück keine Baulücke darstellt. Eine Baulücke ist eine in geschlossen bebauten Gebieten zwischen bebauten Grundstücken liegende unbebaute Grundfläche, die zur Sicherung der geordneten Bebauung des Gebiets bebaut werden sollte.

 

(1a) Die Einbringung des Antrags nach Abs. 1 Z 1 hat die Wirkung, dass die Einhebung des Aufschließungsbeitrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Ausnahme gehemmt wird.

 

(2) Wird der Aufschließungsbeitrag nicht gleichzeitig für alle im § 25 Abs. 1 genannten Komponenten vorgeschrieben, ist der Antrag nach Abs. 1 Z 1 bereits im Gefolge der ersten Teilvorschreibung mit Wirkung für alle Vorschreibungskomponenten einzubringen.

 

(3) Die Erteilung der Ausnahmebewilligung hat die Wirkung, dass

        

1.

der Vorschreibungsbescheid außer Kraft tritt,

 

2.

innerhalb einer Frist von zehn Jahren ab Rechtskraft des Bewilligungsbescheids in Bezug auf das Grundstück keine weiteren Vorschreibungsbescheide im Sinn des § 25 Abs. 1 erlassen werden dürfen,

 

3.

auf dem Grundstück vor Ablauf dieser Frist weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Bauvorhaben errichtet werden dürfen; die Ausnahmebewilligung gilt in diesem Zeitraum als Abweisungsgrund im Sinn des § 30 Abs. 6 der Oö. Bauordnung 1994, sowie

 

4.

der Abgabenanspruch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren neu entsteht.

 

(4) Die Ausnahmebewilligung ist auf Grund einer Anzeige der Baubehörde, die innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der Ausnahmebewilligung beim zuständigen Grundbuchsgericht zu erstatten ist, im Grundbuch ersichtlich zu machen.

 

(5) Die Ausnahmebewilligung nach Abs. 1 und das damit verbundene Verbot der Errichtung von bewilligungs- und anzeigepflichtigen Bauvorhaben gemäß Abs. 3 Z 3 kann vor Ablauf der Frist über Antrag mit Bescheid aufgehoben werden, wenn gleichzeitig die Aufschließungsbeiträge gemäß § 26 und die Erhaltungsbeiträge gemäß § 28, die ohne Erteilung der Ausnahme für das betroffene Grundstück bzw. den betroffenen Grundstücksteil insgesamt angefallen wären, sowie ein Betrag von 2 Euro je m2 des betroffenen Grundstücks bzw. Grundstücksteils vorgeschrieben werden.“

 

 

 

 

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Gemäß § 27 Abs. 1 Oö. ROG 1994 hat die Gemeinde mit Bescheid einmalig eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag zu erteilen, wenn   dies der Grundstückseigentümer binnen vier Wochen nach Zustellung der Vorschreibung beantragt (Z 1), dem Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, nicht entgegenstehen (Z 2) und das Grundstück keine Baulücke darstellt (Z 3). Eine Baulücke ist eine in geschlossen bebauten Gebieten zwischen bebauten Grundstücken liegende unbebaute Grundfläche, die zur Sicherung der geordneten Bebauung des Gebiets bebaut werden sollte.

 

Im gegenständlichen Fall hat die Bf den Antrag auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag rechtzeitig im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 1 Oö. ROG 1994 am 19.01.2015 gestellt. Eine Baulücke gem. Abs. 1 Z 3 leg. cit. liegt nicht vor und wird von den Parteien nicht behauptet.

 

IV.2. Die Bf bringen in Bezug auf die Nutzung des verfahrensgegenständlichen Baugrundstückes vor, dieses diene als wichtige Grünfutterquelle  für die betriebene Landwirtschaft. Die seinerzeitige Baulandwidmung erfolgte um Baugrund für den Familienverband zu schaffen und sei nicht mehr nötig. Eine Veräußerung an außenstehende Dritte sei nicht angedacht.

 

Die durch die Bf beantragte Rückwidmung in Grünland wurde von der Behörde mittlerweile abgelehnt.

 

Angesichts des nicht nur in Oberösterreich feststellbaren Überhangs von gewidmetem, aber nicht mobilisierbarem Bauland (vgl. dazu ausführlich BlgLT AB 340/1993, 24. GP 19ff) verfolgt der Landesgesetzgeber seit Erlassung des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 (LGBl 1993/114) die Absicht, durch die Regelung eines sogenannten Aufschließungs- bzw. Erhaltungsbeitrages Baulandspekulationen entgegenzuwirken und ein vermehrtes Angebot an Baugründen sicherzustellen. Im Kern handelt es sich bei den Aufschließungsbeiträgen um Vorauszahlungen auf die Interessentenbeiträge für den Anschluss an eine gemeindeeigene Kanalisations- bzw. Wasserversorgungsanlage sowie für die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz (Baumgartner, Berechnung und Anrechnung des Aufschließungsbeitrages nach dem Oö. ROG, bbl 2000, 59ff; implizit auch Steiner, Zum Aufschließungsbeitrag nach dem Oö. Raumordnungsgesetz 1994, NZ 1994, 226f; sowie ausdrücklich BlgLT AB 1021/1997, 24. GP 6f). Der Gesetzgeber sieht daneben in § 27 Oö. ROG 1994 die Möglichkeit der Gewährung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag (Erhaltungsbeitrag) vor. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung hat allerdings zur Konsequenz, dass auf dem Grundstück vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Bauvorhaben errichtet werden dürfen (sog „Bausperre“).

 

Zur sachlichen Rechtfertigung und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträgen im Bauland konstatierte der Verfassungsgerichtshof beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2006, B 3261/05, ausdrücklich:

 

[...] während die Grundlage für die Entrichtung des Aufschließungsbeitrages (insoweit dem Interessentenbeitrag verwandt) die Errichtungskosten der Kanalanlage darstellen, knüpft der Erhaltungsbeitrag an der Überlegung an, dass die Erhaltungskosten einer Abwasserentsorgungsanlage unabhängig davon bestehen, ob alle in ihrem Einzugsbereich liegenden Baugrundstücke bereits bebaut sind und damit der Anschlusspflicht und der Pflicht zur Entrichtung der Benützungsgebühren unterliegen oder nicht.

 

Jener Grundstückseigentümer, der sein Grundstück aus welchen Gründen immer nicht bebaut, soll daher nach dem Willen des Gesetzgebers dessen ungeachtet ebenfalls einen Beitrag zu den Erhaltungskosten beisteuern müssen. Das ist schon im Hinblick darauf sachlich gerechtfertigt, dass auch der Eigentümer unbebauter Grundstücke im Bauland von der mit der Aufschließung (und der damit im Fall der Bebauung gegebenen Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Kanal) verbundenen Wertsteigerung des Grundstücks profitiert. Darüber hinaus ist die Maßnahme aber auch unter dem Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt, finanzielle Anreize zur Unterlassung der Bebauung zu vermeiden und solche zur Nutzbarmachung des Baulandes (‚Baulandmobilisierung‘) zu schaffen.

 

Die hinter dem Regelungssystem stehende ratio lässt also erkennen, dass der Landesgesetzgeber angesichts eines massiven öffentlichen Interesses an leistbarem Bauland ein Regelungssystem geschaffen hat, das einen nicht unerheblichen Druck auf Grundstückseigentümer auszulösen vermag, das im Eigentum stehende Grundstück zu bebauen, zu veräußern oder das Risiko der befristeten Nichtbebaubarkeit und der damit potentiell möglichen Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes bzw. des Flächenwidmungsplanes auf sich zu nehmen. Mit der Novelle LGBl 2015/69 zum Oö. ROG 1994 hat der Landesgesetzgeber darüber hinaus die Möglichkeit zur Erteilung der Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag begrenzt. Künftig soll nach dem Willen des Landesgesetzgebers die Erteilung der Ausnahme nur mehr „einmalig“ zulässig sein. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass dem „Horten“ von Bauland mit dem System der Aufschließungsbeiträge beigekommen werden soll und die Ausnahmetatbestände daher im Zweifel streng auszulegen sind.

 

 

IV.3. Neben der rechtzeitigen Antragstellung und dem Nichtvorliegen einer Baulücke spielen im Ausnahmeverfahren vor allem die Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung und zwar insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, eine wesentliche Rolle. Aufgabe der Abgabenbehörde ist es daher zu ermitteln und (im Fall der Ablehnung) nachvollziehbar zu begründen, inwiefern auf Grund der konkreten Situation in der Gemeinde in Verbindung mit den im örtlichen Entwicklungskonzept festgeschriebenen Zielen eine Gefährdung einer geordneten Siedlungsentwicklung gegeben wäre, wenn für das jeweilige Grundstück eine zehnjährige Ausnahme erteilt werden würde (vgl. VwGH vom 25.06.2007, Zl. 2004/17/0142, vom 21.02.2007, Zl. 2003/17/0100).

 

Daher ist primär zu prüfen, ob das örtliche Entwicklungskonzept (u.a. Textteil) allenfalls konkrete Aussagen zum Aufschließungsbeitrag enthält. Ebenso sollte die Abgabenbehörde die allgemeinen Grundsätze der Siedlungsentwicklung in der Gemeinde anhand des Ziel- und Maßnahmenkatalogs des örtlichen Entwicklungskonzepts durchleuchten:

 

Das örtliche Entwicklungskonzept trifft folgende konkrete Aussagen zum Aufschließungsbeitrag:

Seite 19: Der bestehende Baulandüberhang von ca. 25 % ist zu hoch. Ziel ist die Baulandmobilisierung bzw. -bereinigung im Ortszentrum durch Nutzung der rechtlichen Mittel im ROG 1994.

Seite 20: Ziel: Gewidmetes Bauland in vertretbaren Lagen soll durch die Einhebung von Aufschließungsbeiträgen verfügbar gemacht werden.

Seite 29: Die Zersiedelung verhindert eine sinnvolle Kostenstruktur bei der Bereitstellung der technischen Infrastruktur. Ziel ist die Schließung von Baulücken und Abrundung der Siedlungsgebiete um eine sinnvolle Kostenstruktur für die technische Infrastruktur zu erreichen. Erreicht werden soll dies durch die Erhebung von Aufschließungsbeiträgen in Siedlungsgebieten für unbebaute Bauparzellen.

 

Im Ziel- und Maßnahmenkatalog finden sich Festlegungen hinsichtlich der vorrangingen Bebauung auf Seite 19 und 20 des ÖEK. Der bestehende Baulandüberhang soll verringert werden und in den Außenzonen nur eine Arrondierung des Bestandes stattfinden. Baulandreserven sollen auf die zentrumsnahen Wohnstandorte konzentriert werden, hier vor allem auf den Talbereich L mit seinen Auskragungen.

Danach sind Vorranggebiete für die Siedlungsentwicklung:

- Flächen im Zentralraum L, vom Swerk über das Ortszentrum L, bis zum Kbach. …

 

Gemäß ÖEK, Seite 29 verhindert die Zersiedelung eine sinnvolle Kostenstruktur bei der Bereitstellung der technischen Infrastruktur. Als Ziel wird die Schließung von Baulücken und Abrundung der Siedlungsgebiete genannt. Dies soll durch die Maßnahme der Erhebung von Aufschließungsbeiträgen für unbebaute Bauparzellen erreicht werden.

 

IV.4. Aufgabe der Abgabenbehörde war es nachvollziehbar zu begründen, inwiefern auf Grund der konkreten Situation in der Gemeinde in Verbindung mit den im örtlichen Entwicklungskonzept festgeschriebenen Zielen eine Gefährdung einer geordneten Siedlungsentwicklung gegeben wäre, wenn für das jeweilige Grundstück eine zehnjährige Ausnahme erteilt werden würde.

 

Die belangte Behörde hat eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorgenommen und bezüglich der vorrangigen Bebauung ausgeführt, dass vorhandene Baulandreserven mobilisiert werden müssten und dies klar für das gegenständliche Grundstück der Bf gelte. Die bauliche Verdichtung entlang des Siedlungsbandes Ltal einschließlich der Randbereiche, zu dem das gegenständliche Grundstück zählt, sei für die Gemeinde von großem Interesse im Sinne einer geordneten Siedlungsentwicklung. Dabei verwies die belangte Behörde auch auf die Stellungnahme des Ortsplaners, wonach das Grundstück der Bf im Flächenwidmungsteil Nr. 2 als Entwicklungsfläche im Ortsteil x ausgewiesen sei und zur Abrundung des Siedlungsgebietes diene.

 

Gemäß ÖEK Seite 46, Bild 14, befindet sich das Grundstück der Bf im Zentralraum L. Laut ÖEK, Punkt 5, Seite 6 ist gegenständliche Gemeinde von alters her ein Streusiedlungsgebiet zu dem es sich auch bekenne. Daher sei es neben der Stärkung des Hauptortes weiterhin notwendig, periphere Siedlungsstandorte zuzulassen und zu festigen. Aus diesen Gründen kann der Bf auch nicht gefolgt werden, wenn sie behauptet, dass das gegenständliche Grundstück nicht zentrumsnah sei.

Angesichts der vorliegenden örtlichen Situation ist für das erkennende Gericht schlüssig dargelegt, dass sich das Grundstück der Bf im vorrangigen Bebauungsgebiet befindet.

 

Hinsichtlich des Aspekts der Zersiedelung betont die belangte Behörde ihr Interesse haushälterisch mit den gemeindeeigenen Ressourcen, v. a. hinsichtlich der Infrastrukturerrichtung, umzugehen. Das Grundstück der Bf diene der Abrundung des Siedlungsgebietes. Weiters wurde das Ziel der Schließung von Baulücken und eine Abrundung der Siedlungsgebiete zur Erreichung einer sinnvollen Kostenstruktur bei der Bereitstellung der technischen Infrastruktur (mit Verweis auch auf den erstinstanzlichen Bescheid) angeführt. Die belangte Behörde hielt fest, dass für gegenständliches Grundstück bereits zwei Kanalhausanschlüsse vorgesehen seien und auch dies das Bemühen der Gemeinde um eine geordnete Siedlungsentwicklung dokumentiere.

 

Mit den angeführten Gründen hat sich die Behörde nachvollziehbar auf den Inhalt des ÖEK gestützt und dargelegt, dass durch die Erteilung der Ausnahmegenehmigung eine Gefährdung der geordneten Siedlungsentwicklung gegeben wäre, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Die Abfassung und Einbringung der Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder durch einen bevollmächtigten Wirtschaftstreuhänder bzw. eine bevollmächtigte Wirtschaftstreuhänderin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Elisabeth Wiesbauer