LVwG-550726/6/Kü/BHu

Linz, 20.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde von Herrn Dr. J K, x, W, vom 5. November 2015, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 13. Oktober 2015, GZ: UR01-10-11-2015, betreffend abfallrechtlichen Behand­lungsauftrag gemäß § 73 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2015, GZ: UR01-10-11-2015, hat die Bezirkshauptmannschaft Perg dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) aufgetragen, bis spätestens 30. November 2015 die nachstehend angeführten Abfälle vom Grundstück Nr. x, KG A, Gemeinde W– Liegenschaft x, W, zu entfernen und eine gesetzeskonforme Entsorgung vorzunehmen.

Die zu entfernenden gefährlichen Abfälle wurden wie folgt beschrieben:

-    1 Stück Fahrzeugkarosse, bestehend aus Bodenplatte, Vorder- und Hinter­achse, Motor und Getriebe - mit Öl in der Motorauffangwanne;

-    1 Stück Fahrzeugkarosse des Typs C, weiße Farbe, rundherum bereits starke Rostschäden bzw. Durchrostungen;

-    1 Stück PKW des Typs C BX, Farbe silber-metallic, Nummer der Über­prüfungsplakette x, x, Ablaufdatum x;

-    2 Stück KFZ-Motorblöcke auf Holzpaletten gelagert, wenigstens in einem wurde Motoröl in der Auffangwanne festgestellt;

-    Rhombuseternitplatten in einer Menge von rund 0,3 m3 auf einer Holzpalette - mit Asbestzement gebundenes Material;

-    mindestens 10 Stück Leuchtstofflampen, bestehend aus Gehäuse und Leucht­mittel.

 

Zudem wurde von der Behörde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die objektive Abfalleigenschaft der bezeichneten Gegenstände insbesondere auch deshalb erfüllt sei, da deren Lagerung und Behandlung als Abfall im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 3 AWG 2002 im öffentlichen Interesse deshalb geboten sei, weil von diesen eine Verunreinigung des Bodens oder des Grundwassers ausgehen könne und durch die gegebene Art der Lagerung das Orts- und Landschaftsbild erheblich beein­trächtigen würde.

 

Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 sei der Abfallbesitzer. Gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 sei Abfallbesitzer jede Person, welche die Abfälle inne­habe. Da sich die verfahrensgegenständlichen Abfälle auf Grundstücken befinden würden, die im Eigentum des Bf stünden, sei zu folgern, dass dieser nicht bloß Inhaber, sondern sogar Besitzer bzw. Eigentümer dieser Abfälle sei. Darüber hinaus normiere § 74 Abs. 1 AWG 2002, dass dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befänden, der Auftrag gemäß § 73 zu erteilen sei, sollte der Verpflichtete nicht feststellbar sein, zur Erfüllung des Auftrages rechtlich nicht im Stande sein oder aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden können. Nach Abs. 2 des § 74 AWG 2002 bestehe eine Haftung des Liegen­schaftseigentümers, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zuge­stimmt oder geduldet oder eben zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde in der bean­tragt wird, den gegenständlichen Bescheid wegen Verletzung der Menschen- und Grundrechte ersatzlos aufzuheben.

 

Begründend hält der Bf fest, dass es der Behörde nicht zustehe, Gegenstände, für die er noch Verwendung habe, also für ihn keine Abfälle seien, einfach als gefährlichen Abfall zu bezeichnen und mittels Ersatzvornahme zu rauben. So handle es sich z.B. bei den zwei Motorblöcken auf Holzpaletten um zwei seltene C Ami-Supermotoren, welche Liebhaber für die Umrüstung einer normalen C 2CV-Ente in eine sogenannte Rennente verwenden würden. Alle übrigen Karossen und anderen Teile würden immer noch als Ersatzteile, z.B. Glas- und Elektroteile, dienen.

 

Bei den Rhombuseternitplatten handle es sich um Restbestände vom Dach des Wohnhauses und des Gartenhauses, welches vor 40 Jahren mit Eternitdoppel­deckung eingedeckt worden sei und so noch eingedeckt sei. Bei der Doppel­deckung handle es sich aber um rechteckige Platten, sie würden für wetter­bedingte Ausbesserungen verwendet. Zur Beeinträchtigung des Orts- und Land­schaftsbildes sei zu sagen, die Gegenstände seien von der Bezirkshauptmann­schaft Perg selbst, im Zuge des Zwangsabbruches seines Folientunnels, mit der Folie dieses Tunnels einfach zugedeckt worden und seien daher absolut nicht zu sehen. Wie soll etwas, was man gar nicht sehen könne, das Orts- und Land­schaftsbild beeinträchtigen?

 

Überdies möchte der Bf genau wissen, wo plötzlich Gefahr im Verzug sei, wo doch die Bezirkshauptmannschaft Perg selbst diese Dinge vor fünf Jahren dort so gelagert habe, im Rahmen von Vollstreckungen.

 

Da somit feststehe, dass dieser Bescheid, so wie auch das gesamte Behörden­handeln in den letzten 24 Jahren eine eklatante Verletzung seiner Menschen­rechte darstelle, sowie eine Verletzung seines verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechtes, würde die Behebung des Bescheides beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Beschwer­de mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 dem Landesverwaltungsgericht Ober­österreich zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Gemäß § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch den nach der Geschäftsvertei­lung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhand­lung am 2. Mai 2016, an welcher der Bf persönlich sowie ein Vertreter der belangten Behörde und der Sachverständige für Abfallwirtschaft teilgenommen haben.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf ist Eigentümer des Grundstückes Nr. x, KG A, Gemeinde W.

 

Bereits im Jahr 1989 hat der Bf damit begonnen, diverse Fahrzeuge, im Spe­ziellen der Marke C, zu sammeln. Zum Zweck der Aufbewahrung dieser Fahrzeuge bzw. auch sonstiger gesammelter Gegenstände, wie alte Fenster oder auch Eternitplatten, hat der Bf auf seinem Grundstück eine zweigeschossige Halle mit Betonboden, mit verbauter Grundfläche von 360 m2, errichtet. Eine Baube­willigung für diese Halle hat der Bf nicht erwirkt.

 

Im Jahre 2010 wurde diese Halle im Wege der Zwangsvollstreckung abgetragen. Die in der Halle gelagerten Gegenstände wurden teilweise von der Behörde in einer anderen Halle gelagert. Eine Reihe von Gegenständen wurde aber im Wege der Zwangsvollstreckung in einem vom Bf bereits im Jahr 2008 auf gleichem Grundstück errichteten Folientunnel, der über unbefestigten Grund errichtet wurde, gelagert. Im Wege der Zwangsräumung der Halle hat die Behörde die im nunmehrigen Behandlungsauftrag genannten Gegenstände an der Nordseite dieses Folientunnels zwischengelagert. Es entspricht den Tatsachen, dass die drei Fahrzeugkarossen, die zwei KFZ-Motorblöcke, die Eternitplatten und die zehn Stück Leuchtstofflampen nicht vom Bf selbst im Folientunnel gelagert wurden, sondern diese Lagerungen von der Behörde im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommen wurden.

 

Bei den Fahrzeugkarossen (ein Stück bestehend aus Bodenplatte, Vorder- und Hinterachse, Motor und Getriebe – mit Öl in der Motorauffangwanne; ein Stück des Typs C in der Farbe weiß und ein PKW des Typs C BX, Farbe silber-metallic) handelt es sich um Gegenstände, die der Bf von Bekannten bzw. Firmen übernommen hat, da diese für die Fahrzeuge keine Verwendung mehr hatten und diese daher loswerden wollten. Da der Bf Fahrzeuge des Typs C gesammelt hat, hat er diese Fahrzeugkarossen übernommen, da er diese als Ersatzteillager verwenden wollte.

 

Bei den zwei Stück KFZ-Motorblöcken handelt es sich um zwei luftgekühlte C BX-Motoren, die am Grundstück auf Holzpaletten gelagert sind. Auch diese Motoren wollte der Bf als Ersatzteillager verwenden.

 

Bei den Eternitplatten handelt es sich um Reste der Dacheindeckung, die vom Bf im Jahr 1976 vorgenommen worden ist, es handelt sich dabei um asbesthaltige Eternitplatten.

 

Bei den zehn Stück Leuchtstofflampen handelt es sich um die Beleuchtung der Halle, welche im Wege der Zwangsvollstreckung abgetragen wurde. Die Teile wurden vom beauftragten Elektriker abmontiert und sodann ebenfalls im Folien­tunnel gelagert.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Darstellungen des Bf in der münd­lichen Verhandlung. Er selbst gibt an, die Fahrzeugkarossen von Bekannten oder Firmen übernommen zu haben, da diese keine Verwendung für diese Fahrzeuge hatten und sie diese daher loswerden wollten. Der Bf als leidenschaftlicher C-Sammler hat diese Fahrzeuge als Ersatzteillager übernommen und vorerst in der von ihm konsenslos errichteten Halle mit befestigtem Boden gelagert. Gleiches gilt nach Angaben des Bf auch für die KFZ-Motorblöcke.

 

Vom Vertreter der belangten Behörde wird im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Behörde, im Wege der Zwangsräumung und des Abbruches der konsenslos errichteten Halle, die drei Fahrzeuge, die Motorblöcke, die Eter­nitplatten und die Leuchtstoffröhren in dem am selben Grundstück bereits bestehenden Folientunnel gelagert hat. Auch hinsichtlich des Folientunnels wurde von der belangten Behörde ein Zwangsvollstreckungsverfahren zur Demontage geführt, da dieser zwar zum Zeitpunkt der Errichtung nicht anzeigepflichtig gewesen ist, allerdings die notwendigen Abstände zur Grundgrenze nicht ein­gehalten hat. Im Wege der Zwangsvollstreckung wurde die Metallkonstruktion, welche die Folie trägt, demontiert und mit der Folie die darunter auf unbe­festigter Fläche gelagerten Gegenstände abgedeckt. Zwischenzeitig – wie beim Lokalaugenschein feststellbar – ist die Folie verrückt, sodass die Fahrzeug­karossen und die Motorblöcke wieder sichtbar sind und nicht zur Gänze abge­deckt sind.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten feststeht.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

Die im gegenständlichen Fall zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, idF. BGBl. I Nr. 193/2013, lauten wie folgt:

 

Allgemeine Bestimmungen

Ziele und Grundsätze

 

§ 1.

[....]

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behand­lung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.    die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.    Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.    die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.    die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.    Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.    Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.    das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.    die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.    Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

 

Begriffsbestimmungen

 

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.    deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.    deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

 

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beför­derung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

 

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.    eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.    sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und or­ganisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

[....]

 

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

 

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

  1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und
  2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

....

 

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

  1. hierfür genehmigten Anlagen oder
  2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hierfür genehmigten Deponien erfolgen.

[....]

 

Behandlungsauftrag

 

§ 73. (1) Wenn

  1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder
  2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzu­tragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

 

Subsidiäre Haftung für Behandlungsaufträge

 

§ 74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegen­schaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

 

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehr­maßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerk­samkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.“

 

 

2. Voraussetzung für die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist, dass die in Rede stehenden Materialien-Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind (VwGH vom 24.5.2012, 2009/07/0123 mwN).

 

Im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind bewegliche Sachen dann als Abfälle ein­zustufen, wenn entweder der subjektive (Z 1) oder der objektive (Z 2) Abfall­begriff erfüllt ist.

 

Eine Sache ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 dann Abfall im subjektiven Sinn, wenn sich der Besitzer der Sache entledigen will oder entledigt hat. Von einer Entledigung im Sinne des § 2 Z 1 AWG 2002 ist dann zu sprechen, wenn die Weitergabe der Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden, und somit darin das überwiegende Motiv (VwGH 27.6.2013, Zl. 2010/07/0110) bzw. das Hauptmotiv (VwGH 23.4.2014, Zl. 2013/07/0064) für die Weitergabe bzw. Weggabe der Sache gelegen ist. Der VwGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es für das Vorliegen der subjektiven Abfalleigenschaft ausreicht, wenn bei irgendeinem Vorbesitzer eine Entledigungsabsicht bestanden hat (VwGH 28.5.2014, Zl. 2012/07/0017).

 

Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 leg.cit. aus. Es kommt daher nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist (VwGH vom 20.3.2013, 2010/07/0175).

 

3. Der Bf führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass er, beginnend mit 1989, eine Sammelleidenschaft für alte C-Fahrzeuge entwickelt hat und er daher von Freunden oder Bekannten, die keine Verwendung mehr für derartige Fahrzeuge hatten, solche übernommen hat. Der Bf selbst legt dar, dass die bis­herigen Eigentümer keine Verwendung mehr für diese Fahrzeuge hatten und diese daher loswerden wollten. Insofern ist bei diesen Vorbesitzern Entledigungs­absicht anzunehmen, welche im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichts­hofes dazu führt, dass für die drei im angefochtenen Behandlungsauftrag genannten Fahrzeugkarossen jedenfalls die subjektive Abfalleigenschaft gegeben ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bf beabsichtigte, diese Karossen als Ersatzteillager zu verwenden. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Abfalleigenschaft ist die Entledigungsabsicht der Vorbesitzer.

 

Gleiches hat auch für die beiden Motoren zu gelten, die ebenfalls vom Bf über­nommen wurden, um die Ersatzteile zu verwenden.

 

Darüber hinaus ist sowohl hinsichtlich der Fahrzeugkarossen, als auch der Motoren festzustellen, dass diese auf unbefestigtem Grund gelagert sind. Allein dadurch ergibt sich – wie vom Sachverständigen im Verfahren vor der belangten Behörde bereits ausgeführt – dass eine Gefährdung der Umwelt über das unver­meidliche Ausmaß hinaus als gegeben zu bewerten ist. Dabei ist es unbeachtlich, ob bereits Betriebsmittel ausgetreten sind und damit nachweisbar eine Gefahren­situation besteht. Vielmehr reicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 aus. Bei der Lagerung von Fahrzeugen bzw. Fahrzeug­teilen, die noch nicht von sämtlichen Betriebsmitteln befreit sind, ist diese Gefahrensituation jedenfalls zwingend anzunehmen. In diesem Sinne erfüllen daher die Fahrzeugkarossen und die beiden Motorblöcke auch den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 AWG 2002. Auch die Lagerung von asbesthaltigen Eternitplatten und Leuchtstoffröhren, welche auf Grund der Abfallschlüsselnum­mern 31412 und 35339 den gefährlichen Abfällen zuordenbar sind, auf unbe­festigter Fläche widerspricht den Schutzinteressen des § 1 Abs.3 AWG 2002, zumal eine Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus nicht auszuschließen ist. Diese Gegenstände erfüllen somit ebenfalls den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 AWG 2002.

 

Nicht trocken gelegte Autowracks (Motoren) sind auf Grund der vorhandenen umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen wie z.B. Bremsflüssigkeiten oder Motoröl nach der Lebenserfahrung gefährlicher Abfall (VwGH 25.7.2013, Zl. 2013/07/0032 mwN).

 

4. Der abfallpolizeiliche Auftrag ist nach den verba legalia dem „Verpflich­teten“ und somit nicht dem Abfallbesitzer schlechthin aufzutragen. Der Verpflich­tete im Sinne des § 73 AWG 2002 wird auch Primärverpflichteter bezeichnet; subsidiär zu ihm haften der Liegenschaftseigentümer und dessen Rechtsnach­folger im Liegenschaftseigentum nach § 74 leg.cit. (Scheichl/Zauner/Berl AWG 2002, Kurzkommentar, § 73 RZ 20).

 

Für einen abfallpolizeilichen Auftrag ist Voraussetzung, dass eine abfallrechts­widrige Handlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird („Verursacher“); mang­elnder Besitzwille an den Abfällen ist nicht verfahrensrelevant (VwGH 28.11.2013, Zl. 2010/07/0144). Auf ein Verschulden des Verpflichteten kommt es nicht an (VwGH 20.2.2014, Zl. 2011/07/0225). Ob der Verpflichtete Eigen­tümer der Abfälle ist, ist für die Erteilung eines abfallpolizeilichen Auftrages ohne Bedeutung (VwGH 21.11.2012, Zl. 2009/07/0118).

 

Tatsache ist, dass nicht durch eine Handlung des Bf sondern behördlicherseits im Zuge eines Zwangsvollstreckungsverfahrens die in der abzutragenden Halle auf­bewahrten, nunmehr gegenständlichen gefährlichen Abfälle innerhalb des Folientunnels, der auf unbefestigtem Grund errichtet war, gelagert wurden. Bei diesem Folientunnel handelt es sich weder um eine genehmigte Abfallbehand­lungsanlage noch - aufgrund der Tatsache der unbefestigten Fläche - um einen im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002 geeigneten Ort für die Lagerung von gefährlichen Abfällen. Geeigneter Ort im Sinne der genannten Bestimmung kann nur jener sein, bei dem durch die Lagerung von gefährlichen Abfällen keine Schutzgüter im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 beeinträchtigt werden können. Die Eignung des Ortes richtet sich daher nach fachlichen Kriterien, es darf dadurch zu keiner Beeinträchtigung der Schutzgüter im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 kommen (VwGH 30.3.2010, 2007/07/0167).

 

Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus (§ 1 Abs. 3 Z 4 AWG 2002) ist der tatsächliche Austritt von Öl oder sonstigen Betriebsmitteln aus Autowracks nicht erforderlich. Es genügt vielmehr die Möglichkeit eines Austrittes von Betriebsmitteln aus den vorgefundenen Autowracks (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18.1.2000, Zl. 2000/07/0217 und vom 16.10.2003, Zl. 2002/07/0162). Ein Ort, bei dem es zu einer Verletzung von § 1 Abs. 3 Z 4 AWG 2002 kommt, ist als ungeeignet anzusehen (VwGH vom 18.2.2010, 2009/07/0131). Mithin ist festzustellen, dass die spruchgegenständlichen Abfälle im Wege der Zwangsvollstreckung entgegen den Bestimmungen des § 15 Abs. 3 AWG 2002 gelagert wurden.

 

Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat, kann dem Bf nicht entgegen getreten werden, wenn er ausführt, dass er die Lagerung der Abfälle auf unbefestigtem Grund nicht zu vertreten hat, ihm damit die entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 erfolgte Lagerung nicht zurechenbar ist. Der Bf kann damit nicht als Primärver­pflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 in Anspruch genommen werden.

 

Die belangte Behörde geht aufgrund der Zitierung des § 74 Abs. 1 AWG 2002 in den Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides - ohne dies im Spruch zu konkretisieren - offensichtlich davon aus, dass der Bf als Liegenschaftseigen­tümer subsidiär zur Verantwortung zu ziehen ist. Erst durch die Begründung des angefochtenen Bescheides tritt dieser Umstand zu Tage. Die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers im Sinne des § 74 Abs. 1 AWG wird ausschließlich dann schlagend, wenn alle in Frage kommenden Primärverpflichteten nicht fest­stellbar sind, sie zur Erfüllung des Auftrages rechtlich nicht im Stande sind oder aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden können. Da gegenständlich diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, trifft den Bf als Liegenschaftseigentümer keine subsidiäre Haftung im Sinne des § 74 Abs. 1 AWG 2002. Eine Prüfung der Frage, ob der Bf gemäß § 74 Abs. 2 AWG 2002 der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaß­nahmen unterlassen hat, ist bei diesem Ergebnis nicht geboten.

 

5. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall der Bf weder als Primärverpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 für die Lagerung der im Spruch der angefochtenen Entscheidung bezeichneten gefähr­lichen Abfälle verantwortlich zeichnet, noch subsidiär als Liegenschaftseigen­tümer gemäß § 74 Abs. 1 AWG 2002 mangels Vorliegen der Voraussetzungen als Adressat des Behandlungsauftrags herangezogen werden kann. In diesem Sinne war daher dem Beschwerdevorbringen zu folgen und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 24. April 2018, Zl.: Ra 2016/05/0100-8