LVwG-350246/5/KLi/AKe

Linz, 18.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 25. Mai 2016 der A.S., geb. x, x, S., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. Mai 2016, GZ: BHUUSO-2016-49121/5-PF, wegen Hilfe zur Sicherung des Lebens­unterhaltes und des Wohnbedarfs (bedarfsorientierte Mindestsicherung) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der behördliche Bescheid bestätigt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. Mai 2016, GZ: BHUUSO-2016-49121/5-PF, wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 3. Februar 2016 auf Erteilung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs bedarfsorientierte Mindestsicherung wie folgt zuerkannt:

 

„I. Ihnen wird ab 01.04.2016 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalt und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen wie folgt zuerkannt:

 

a) S.A., geb. am x

Mindeststandard für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben (§ 1 Abs. 1 Z. 3 lit. a Oö. BMSV)

b)         K.F., geb. am x

Mindeststandard für unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (§ 1 Abs. 1 Z. 5 lit. a Oö. BMSV)

c) K.F.I., geb. am x

Mindeststandard für unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (§ 1 Abs. 1 Z. 5 lit. a Oö. BMSV)

 

II. Als eigene Mittel sind einzusetzen

a) S.A., geb. am x

- Kinderbetreuungsgeld (OÖ. GKK)“

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 3. Februar 2016 den Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt. Sie wohne mit ihrem Lebensgefährten und ihren zwei Kindern in einer Mietwohnung in S. Die Miete für diese Wohnung betrage inklusive Betriebskosten monatlich 598 Euro. Laut ihren Angaben habe ihr Lebensgefährte einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (Rot-Weiß-Rot-Karte) gestellt. Offensichtlich sei über den Antrag noch nicht entschieden worden. Er stehe daher zurzeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Nachdem der Lebensgefährte somit über kein Daueraufenthaltsrecht verfüge, könne er bei der Berechnung der Mindestsicherung nicht berücksichtigt werden.

 

Die Beschwerdeführerin selbst beziehe seit 12. März 2016 das Kinderbetreuungs­geld von täglich 20,59 Euro. Vorher habe sie Wochengeld von täglich ca. 52 Euro bezogen. Nachdem bis einschließlich März 2016 ihre Einkünfte die Mindest­standards für sie und ihre zwei Kinder überschritten hätten, könne die Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung erst ab 1. April 2016 gewährt werden. In der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 1. März 2016 sei ihr dieser Sachverhalt bereits zur Kenntnis gebracht worden.

 

Nachdem sich die Beschwerdeführerin aufgrund der im Berechnungsblatt darge­stellten Einkommenssituation in einer sozialen Notlage befinde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde von 25. Mai 2016.

 

Die Beschwerdeführerin bringt darin vor, die Beschwerde richte sich gegen die berechneten Mindeststandards ihrer Person, wobei hier der Mindeststandard „Mitbewohner“ angewendet worden sei.

 

Sie lebe mit ihren beiden Kindern sowie ihrem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung. Da ihr Lebensgefährte noch keine Arbeitserlaubnis habe bzw. seit ca. einem Jahr auf die Erteilung eines Visums warte, sei sie momentan alleine für die finanzielle Versorgung der Familie verantwortlich. Ihr sei natürlich klar, dass ihr Lebensgefährte keinerlei Ansprüche auf Sozialleistungen habe, jedoch sei ihr nicht klar, warum er trotzdem in die Berechnung ihres Mindeststandards miteinbezogen werde, wo er kein Gehalt oder dergleichen in den Haushalt miteinbringe.

 

Bevor sie ihren Lebensmittelpunkt nach Oberösterreich verlegt hätten, hätten sie in Wien gelebt. Dort sei sie ebenfalls für einen Zeitraum von ca. sechs Monaten Bezieherin der bedarfsorientierten Mindestsicherung gewesen. Ebenfalls habe sie mit ihrem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung gelebt, jedoch seien dort immer die Mindeststandards für Alleinstehende zur Berechnung heran­gezogen worden. Somit seien die Mindeststandards für ihre zwei minderjährigen Kinder und sie in der Höhe von 1.274,84 Euro berechnet worden. In Oberösterreich würden die Mindeststandards für ihre zwei minderjährigen Kinder und sie in Höhe von 1.064,50 Euro berechnet.

 

Sie ersuche um Prüfung, sowie um Richtigstellung des Bescheides.

 

I.3. Vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fand daraufhin am 17. August 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die Sach- und Rechtslage mit der Beschwerdeführerin und einem Vertreter der belangten Behörde erhoben bzw. erörtert wurde.

 

Außerdem wurden die Beschwerdeführerin und deren Lebensgefährte zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen befragt.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Beschwerdeführerin ist am x geboren. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten, S.K., in Lebensgemeinschaft. Die Lebensgefährten haben zwei minderjährige Kinder, F.K., geb. am x, und F.K., geb. am x.

 

Die gesamte Familie bewohnt eine Wohnung in S., x. Die Wohnung hat ein Ausmaß von 50 und beträgt die Miete 598 Euro im Monat. Wohnbeihilfe wird nicht bezogen. Die Beschwerdeführerin bzw. ihre Familie verfügt über kein Vermögen bzw. ist die Beschwerdeführerin lediglich Halterin eines Opel Vectra, Baujahr 2000.

 

Bis März 2016 bezog die Beschwerdeführerin Wochengeld von täglich ca. 52 Euro, weshalb sie bis dorthin mit ihren Einkünften die Mindeststandards für sie und ihre minderjährigen Kinder überschritt. Seit 12. März 2016 bezieht sie Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich 20,59 Euro. Die Beschwerdeführerin hat somit seit 1. April 2016 Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung für sich und ihre Kinder.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der Beschwerdeführerin und ihren Kindern die zu Punkt I.1. dargestellten Zahlungen bedarfsorientierter Mindest­sicherung gewährt.

 

II.2. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Aus­stellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte gestellt. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung war über diesen Antrag noch nicht entschieden bzw. war der Antrag auch im Zeitpunkt der Beschwerde noch nicht entschieden. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich war dieses Verfahren positiv abgeschlossen. Der Lebensgefährte ist Inhaber einer Rot-Weiß-Rot-Karte und seit 26. Juli 2016 beim AMS Linz arbeitssuchend gemeldet. Der Lebensgefährte hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosen­versicherungsgesetz.

 

Die Beschwerdeführerin gesteht diesbezüglich selber zu, dass ihr Lebensgefährte keinen Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat.

 

II.3. Die Beschwerde richtet sich aber dagegen, dass der Lebensgefährte bei Bemessung der bedarfsorientierten Mindestsicherung berücksichtigt wird, insbesondere nämlich gegen die Heranziehung des Mindeststandards der Beschwerdeführerin nicht als Alleinstehende sondern als Mitbewohnerin, obgleich ihr Lebensgefährte keinen finanziellen Beitrag zur Haushaltsführung leistet.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung für sich und ihre Familie. Die Beschwerdeführerin hat Unterlagen zur Gewährung des Kinderbetreuungs­geldes vorgelegt.

 

III.2. Dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin derzeit keinen Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat, ist unstrittig und wird auch von der Beschwerdeführerin zugestanden. Strittig ist aber nach dem Beschwerde­vorbringen, welcher Mindeststandard für die Beschwerdeführerin (Alleinstehende oder Mitbewohnerin) heranzuziehen ist.

 

III.3. Letztendlich hat am 17. August 2016 vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Auch die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten wurden in dieser Verhandlung nochmals erhoben und überprüft.

 

 

IV. Rechtslage:

 

§ 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG lautet:

(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.   a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familien- angehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Daueraufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungs­nachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

(2) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von Abs.1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken können. Nach Abs. 2 leg.cit. umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe. Nach Abs. 5 leg.cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Gemäß § 13 Abs. 1 Oö. BMSG erfolgt die Hilfe zur Sicherung des Lebens­unterhalts und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

Gemäß § 13 Abs. 2 Oö. BMSG hat die Landesregierung durch Verordnung

  1. jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs.1 und
  2. die näheren Kriterien zur Zuordnung zu einzelnen Mindeststandard­kategorien gemäß Abs.3 festzusetzen: sie hat dabei auf die Höhe der um die Beträge für die gesetzliche Krankenversicherung reduzierte Ausgleichs­zulage nach den pensionsversicherungsrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen.

 

§ 1 Oö. BMSV (Oö. Mindestsicherungsverordnung) idF LGBl. Nr. 152/2015 regelt die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs:

(1) Die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs betragen für

1. alleinstehende oder alleinerziehende Personen 914 Euro

[...]

3. volljährige Personen die in Haushaltsgemeinschaft leben

a) pro Person 643,90 Euro

[...]

5. unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben

a) für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für die ersten drei minderjährigen Kinder 210,30 Euro

[...]

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hierzu erwogen:

 

Gegenständlich stellt sich somit die Frage, ob für die Beschwerdeführerin zu Recht der Mindeststandard für „Mitbewohner“ herangezogen wurde, oder ob für die Beschwerdeführerin, nachdem ihr Lebensgefährte keinen finanziellen Beitrag zum Haushaltseinkommen leistet, der Mindeststandard für „Alleinstehende“ herangezogen werden hätte müssen; mit anderen Worten fragt sich also, ob der fehlende Anspruch des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin diese zu einer alleinstehenden Person macht.

 

V.1. Mit dieser Frage hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/10/0058 auseinanderzusetzen. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lag eine Entscheidung des Landes­verwaltungsgerichtes Tirol (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) zugrunde. Die dortige Beschwerdeführerin lebte mit ihrem Lebensgefährten, einem Asylwerber, in einer gemeinsamen Wohnung. Der Lebensgefährte hatte keinen Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung. Das Landes­verwaltungsgericht Tirol gewährte daraufhin in Abänderung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der Beschwerdeführerin bedarfsorientierte Mindestsicherung unter Heranziehung des Mindestsatzes für Alleinstehende. Gegen diese Entscheidung richtete sich die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mit dem Vorbringen, dass die mitbeteiligte Partei eine Lebensgemeinschaft mit ihrem Lebensgefährten bilde, weshalb sie eine „Haushaltsangehörige“ sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aus:

 

„4. Dieses Vorbringen führt die Revision im Ergebnis zum Erfolg.

4.1. Nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 TMSG wäre die mitbeteiligte Partei nur dann "Alleinstehende" (und käme für sie sohin der Mindestsatz nach § 5 Abs. 2 lit. a leg. cit. zur Anwendung), wenn sie mit ihrem Lebensgefährten nicht im "gemeinsamen Haushalt" lebte. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 6 TMSG setzt das Leben im gemeinsamen Haushalt mit einer anderen Person das Teilen einer Wohnung "bei einheitlicher Wirtschaftsführung" voraus.

Die Gesetzesmaterialien (RV 498/10, 15. GP TirLT) zum TMSG führen dazu aus:

"... Aufgrund der Definition des „gemeinsamen Haushaltes“… ist nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auch ein Mitglied einer Wohngemeinschaft als alleinstehend anzusehen ist, und zwar dann, wenn das für einen gemeinsamen Haushalt wesentliche Element der einheitlichen Wirtschaftsführung ungeachtet der Teilung des Wohnraumes nicht gegeben ist ...

Dieser Mindestsatz (Anm: nach § 5 Abs. 2 lit. b) kommt daher für Volljährige zur Anwendung, die zusammen im gemeinsamen Haushalt leben und somit bei gemeinsamer Wirtschaftsführung eine Wohnung teilen. ... Die Ungleichbehandlung im Vergleich zum Alleinstehenden oder Alleinerzieher in diesen Fällen ist deswegen gerechtfertigt, weil bei einer gemeinsamen Wirtschaftsführung regelmäßig von einem geringeren Aufwand zur Deckung des Lebensunterhaltes auszugehen ist und sich dadurch erzielende Synergieeffekte jeweils bedarfsmindernd auswirken, was im Mindestsatz des Abs. 2 lit. b seinen Niederschlag findet ..."

4.2. Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die mitbeteiligte Partei mit ihrem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung in Lebensgemeinschaft lebt (vgl. zum Wesen der Lebensgemeinschaft etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. November 2012, Zl. 2010/08/0118, und vom 13. November 2013, Zl. 2013/08/0152). Die mitbeteiligte Partei bildet daher mit ihrem Lebensgefährten, dessen Unterhalt durch Leistungen der Grundversorgung gesichert wird, eine "Wohngemeinschaft" im Sinne der zitierten Gesetzesmaterialien; für die Annahme, dass das - für einen gemeinsamen Haushalt wesentliche - Element der "einheitlichen" Wirtschaftsführung nicht gegeben wäre, gibt es im Revisionsfall keine Anhaltspunkte.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorliegen einer einheitlichen Wirtschaftsführung bereits dann zu verneinen sei, wenn die Lebensgefährtin/der Lebensgefährte des Mindestsicherungsbeziehers/der Mindestsicherungsbezieherin mangels hinreichenden Einkommens keinen (adäquaten) finanziellen Beitrag zur Lebensgemeinschaft leistet, findet im Gesetz keine Stütze.

4.3. Die Annahme der Revisionswerberin, dass das Tatbestandsmerkmal der "einheitlichen Wirtschaftsführung" im Sinne des § 2 Abs. 6 TMSG im vorliegenden Fall erfüllt ist, ist sohin nicht zu beanstanden. Die mitbeteiligte Partei lebte demnach mit ihrem Lebensgefährten im maßgeblichen Zeitraum (Juli 2014) im gemeinsamen Haushalt und war somit nicht alleinstehend im Sinne des § 2 Abs. 4 iVm § 5 Abs. 2 lit. a leg. cit. Indem das Verwaltungsgericht den Mindestsatz nach der letztgenannten Bestimmung herangezogen hat, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.“

 

V.2. Daran anknüpfend befasste sich der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 27. April 2016, Ro 2016/10/0013, wiederum mit dieser Rechtsfrage. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes lagen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zugrunde. In seinem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

 

„5. Die für die Zulassung der ordentlichen Revision jeweils ausschlaggebende und von den Revisionen aufgegriffene Rechtsfrage des heranzuziehenden Mindeststandards bei Haushaltsgemeinschaft des Antragstellers mit einem Asylwerber, dem kein Anspruch auf Mindestsicherung zukommt, wurde inzwischen durch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Zl. Ra 2015/10/0058, gelöst.

6. Mit diesem Erkenntnis wurde zum in den hier wesentlichen Punkten mit dem Niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz übereinstimmenden Tiroler Mindestsicherungsgesetz ausgesprochen, dass bei Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft mit einem Asylwerber, der keinen Anspruch auf Mindestsicherung habe und lediglich - gegenüber dem Mindeststandard deutlich geringere - Leistungen der Grundversorgung beziehe, die Anwendung des Richtsatzes für Alleinstehende und Alleinerzieher rechtswidrig sei. Vielmehr sei der um 25 % reduzierte Mindeststandard für nicht alleinstehende oder alleinerziehende Personen heranzuziehen.“

 

V.3. Mit der Definition der Haushaltsgemeinschaft setzte sich der Verwaltungsgerichtshof schon davor zum Niederösterreichischen Mindest­sicherungsgesetz auseinander und können diese Erwägungen auch für das Oberösterreichische Mindestsicherungsgesetz herangezogen werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof führte insbesondere Nachfolgendes aus:

 

Nach dem Willen des Gesetzgebers liegt ein „gemeinsamer Haushalt“ vor, wenn das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt. Ein gemeinsamer Haushalt liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Teil der Wohn­einheit (unter)vermietet wird. Es kommt vielmehr darauf an, dass zumindest in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschafts­führung besteht. Eine solche gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen ist etwa dann gegebenen, wenn der (Unter-)Mieter auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind, wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine mitbenützt. Weist der (unter)gemietete Bereich einer Wohneinheit also etwa keine eigenen Einrichtungen zum Kochen, zur Körperreinigung und zum Waschen der Wäsche auf, so wird das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinn des Nö MSG anzunehmen sein, wenn der Hilfesuchende nicht nachweist, diese Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheit zu befriedigen (VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020).

 

V.4. Zusammengefasst hat der Verwaltungsgerichtshof also für die Heran­ziehung des Mindeststandards ausgesprochen, dass selbst dann der Mindeststandard für „Mitbewohner“ gerechtfertigt ist, wenn der Lebensgefährte keine finanziellen Beiträge leistet bzw. leisten kann, aber eine entsprechende Wohn- bzw. Wirtschaftsgemeinschaft besteht.

 

Mit anderen Worten wird dadurch, dass der Lebensgefährte der Beschwerde­führerin keine (adäquaten) finanziellen Beiträge leisten kann, die Lebensgefährtin nicht zu einer alleinstehenden Person. Die belangte Behörde hat insofern zu Recht den Mindeststandard für „Mitbewohner“ herangezogen.

 

Dass über die Ansprüche auf bedarfsorientierte Mindestsicherung der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Familie in Wien (ihrem Vorbringen) nach anders entschieden wurde, vermag dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht zum Erfolg zu verhelfen.

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung wird in den jeweiligen Landesgesetzen, hier also im Oö. BMSG, geregelt. Dieses entspricht im Wesentlichen dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz bzw. dem Nieder­österreichischen Mindestsicherungs­gesetz, zu welchen Gesetzen bereits Entscheidungen des Verwaltungs­gerichtshofes ergangen sind. Die in Wien geltende Rechtslage, welche im Übrigen für den gegenständlichen Fall nicht zu überprüfen war, ist also unerheblich.

 

V.6. Wenngleich die Beschwerdeführerin ihre finanzielle Situation nachvollzieh­bar dargestellt hat, kann eine Unterstützung nur im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gewährt werden.

 

Zusammengefasst war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

 

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

VI.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

VI.2. Darüber hinaus steht die vorliegende Entscheidung im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere mit den jüngsten Erkenntnissen vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/10/0058, und vom 27. April 2016, Ro 2016/10/0013.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer