LVwG-150158/2/MK LVwG-150159/2/MK LVwG-150160/2/MK

Linz, 10.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde (Vorstellung) der Ehegatten x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Mondsee vom 05.07.2010, AZ: Bau-29/2009-Ni, mit dem deren  Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Mondsee vom 11.05.2010, AZ: Bau- 29/2009-Ho, abgewiesen und Herrn x und Herrn x, beide wohnhaft in 5310 x, die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit acht Wohnungen auf Gst.Nr. x, KG Mondsee, erteilt wurde, den

 

B E S C H L U S S

(Ersatzentscheidung)

 

gefasst:

I.         Gemäß § 28 Abs.3 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Mondsee vom 11.05.2010, AZ: Bau- 29/2009-Ho, wurde Herrn X und Herrn X, beide wohnhaft in x, die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit acht Wohnungen auf Gst.Nr. x, erteilt.

 

In der von den Ehegatten x, dagegen eingebrachten Berufung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren – nach Vorlage von Austauschplänen, da eine sachverständige Beurteilung in der eingereichten Form nicht möglich gewesen wäre – die Übereinstimmung des Vorhaben mit dem Bebauungsplan nicht festgestellt worden sei. Vielmehr würde, unter Einbeziehung der Balkone und Stellflächen eine signifikant größere Fläche als die im Bebauungsplan festgeschriebenen 25 % des Bauplatzareals bebaut. Es sei auch keine Feststellung betreffend die Einhaltung der maximalen Gebäudehöhe getroffen worden. Die im Bebauungsplan vorgegebenen zwei Vollgeschoße sowie ein Dachgeschoß mit maximaler Übermauerung der obersten Rohbetongeschoßdecke von 0,5 m würden ebenso wenig eingehalten wir die Bruttogeschoßfläche von 450 [richtig: 400 m²]. Zu den betreffenden (Austausch-)Unterlagen und den dadurch geänderten Umständen hätten die Berufungswerber aber keine Stellungnahme abgeben können. Die vorher erhobenen Einwendungen der Berufungswerber seien im Ergebnis unberücksichtigt geblieben. Das Ermittlungsverfahren weise zudem keine qualifizierten Aussagen betreffend die Überschreitung der lt. Bebauungsplan erforderlichen Pkw-Stellplätze im Verhältnis 14:8 sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Immissionsbelastung der Berufungswerber auf. Schließlich würden auch die sich aus der Gebäudehöhe ergebenden Mindestabstände zu den Grundstücksgrenzen  nicht eingehalten werden. Es sei daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung nicht vorliegen würden, weshalb die Abweisung des Antrages begehrt würde.

 

I.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Mondsee vom 05.07.2010 (Berufungsvorentscheidung), AZ: Bau-29/2009-Ni, wurde diese Berufung mit der Begründung abgewiesen, dass in die Berechnung der maximal bebaubaren Fläche bzw. die Bruttogeschoßfläche die Balkone (als untergeordnete Bauteile) nicht einzurechnen wären. Auf dieser Basis würde sich eine Überschreitung der bebaubaren Fläche von 7,2 % ergeben, die in Analogie zu der in § 36 Abs.2 BauO 1994 iVm § 32 Oö. ROG 1994 normierten Überschreitungstoleranz von Baufluchtlinien im Ausmaß von 10 % als geringfügig zu bewerten wäre und nicht geeignet sei, Nachbarinteressen zu verletzen. Die Bruttogeschoßfläche wäre dementsprechend mit 390,34 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen anzunehmen. Das gleiche gelte für die Abstandsbestimmungen. Nach Maßgabe des Berechnungsansatzes h/3 ergebe sich ein Bauwich von 3,75 m, der mit den projektierten 5,005 m hinreichend eingehalten würde. Zur Anzahl der Stellplätze wäre auszuführen, dass die Mindestanzahl eingehalten würde und hinkünftig nicht mehr ein Stellplatz pro Wohneinheit, sondern 1,5 Plätze vorzusehen sein würden. Zudem würde sich aus der Anzahl der Stellplätze kein subjektiv-öffentliches Recht, welches im Wege einer Einwendung geltend gemacht werden könnte, ableiten lassen, da Stellplätze und deren Nutzung übliche Immissionen darstellen würden, die von den Nachbarn hingenommen werden müssten.

 

In ihrem Vorlageantrag führten die Berufungswerber zusammengefasst aus, dass die Bruttogeschoßfläche von der Behörde insbesondere deshalb unzutreffend beurteilt worden wäre, weil diese von einem „ausgebauten Dachraum“ ausgegangen sei, der nicht unter die Begriffsbestimmung des [seinerzeitigen] § 2 Z25 lit.a Oö. BauTG 1994 fallen würde. Tatsächlich aber würde ein (begrifflich in den Einreichunterlagen bereits so bezeichnetes) „Dachgeschoß“ vorgesehen sein, welches mit zahlreichen Fenstern, Gaupen und sogar Balkonen ausgestattet sei. Gestaltung und Nutzung seien – vor allem wegen des dort entwickelten Begriffsbestimmungselementes der Widmung zu Wohn-, Betriebs- oder Aufenthaltszwecken – mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Einklang zu bringen. Unter Einrechnung eines Dachgeschoßes sei die Bruttogeschoßfläche deutlich überschritten, weshalb neuerlich die Abweisung des Bewilligungsantrages beantragt würde.

 

I.3. In seiner Berufungsentscheidung wurde die Berufung durch den Gemeinderat der Marktgemeinde Mondsee nach einstimmiger Beschlussfassung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters vollinhaltlich bestätigt. Die Begründung erfolgte im Wesentlichen gleichlautend wie in der Berufungsvorentscheidung. Zur Beurteilung des obersten Bauteils als „ausgebauten Dachraum“ bzw. als „Dachgeschoß“ sei konkretisierend festzustellen, dass – entgegen der u.U. irreführenden Bezeichnung in den Einreichunterlagen – ein ausgebauter Dachraum vorliege, in dem Einbauten vorhanden sein könnten, eine Übermauerung bis 1,2 m über Rohbetondecke zulässig sei und der durch Wände, Dachschrägen und Decken umschlossen sein könne und Fenster nur in Giebelwänden oder in Form von Gaupen oder Dachflächenfenstern aufweise. Dies sei der Fall, weshalb die Bewilligung zu erteilen sei.

 

I.4. In der Vorstellung wiederholten die nunmehrigen Beschwerdeführer im Großen und Ganzen ihr seinerzeitiges Berufungsvorbringen.

 

Von der Aufsichtsbehörde wurde, unter ausführlichem Zitat des bisherigen Verfahrensganges und der einschlägigen Rechtslage der Vorstellung mit der im Wesentlichen gleichen Begründung wie in der Berufungsentscheidung keine Folge gegeben.

 

I.5. Mit Erkenntnis vom 30.01.2014, Zl. 2012/05/0045-13, wurde der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde dazu zusammenfassend ausgeführt:

 

Hinsichtlich der in der bekämpften Entscheidung tolerierten Überschreitung der maximal bebaubaren Fläche bzw. der Bruttogeschoßfläche läge ein (sich aus den Gesetzesmaterialien zwingend abzuleitender) „gesonderter begründeter Antrag“ ebensowenig vor wie auf sachverständiger Basis beruhende Feststellungen darüber, welche Gebäudeteile in diese Flächenberechnungen einzubeziehen wären. Alleine dadurch habe die belangte Behörde ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet.  Hinsichtlich der geltend gemachten Überschreitung der Lärmimmissionen könne zwar, was sich auch aus der bisherigen Rsp des VwGH ergeben würde, nicht bloß auf eine abstrakte Duldungspflicht widmungsüblicher Emissionen verwiesen werden, eine materielle Abwägung würde im konkreten Fall aber keine Unzulässigkeit der Stellplätze in der vorgesehenen Anzahl indizieren. Hinsichtlich der Bewertung des obersten Geschoßes als „ausgebauten Dachraum“ fehle eine ausreichend nachvollziehbare nähere Begründung, wobei auf der Grundlage der vorliegenden Einreichpläne durchaus Zweifel an der Richtigkeit dieser Qualifikation nahe liegen würden. Im fortgesetzten Verfahren sei hier eine nähere Begründung erforderlich.

 

 

II. Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakte.

 

Auf der Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist – unter Hinweis auf die bindende Wirkung der wesentlichen Begründungsargumentes des VwGH – beweiswürdigend davon auszugehen, dass zunächst fachkundig festzustellen sein wird, ob (und gegebenenfalls warum) es sich im vorliegenden Fall um einen „ausgebauten Dachraum“ handelt, wobei detailliert auf die technischen  Begriffsbestimmungselemente des Oö. BauTG 1994 und die von der Judikatur entwickelten Nutzungskriterien einzugehen sein wird.

 

In dieser Hinsicht ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht bloß ergänzungsbedürftig, sondern entbehrt jeglicher qualifizierter Feststellungen.

 

 

III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) bestimmt Folgendes:

 

Abs.1: Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Abs.2: Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen ist oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Abs.3. Liegen die Voraussetzungen des Abs.2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Entsprechend den Ausführungen des VwGH ist für die Bewilligung von Abweichungen von den Vorgaben einer Planverordnung ein gesonderter und begründeter Antrag erforderlich. Ein schlüssiges „Mitbeantragen“ ist nach dem ausdrücklichen Willen des Landesgesetzgebers ausgeschlossen.

 

Zudem haben – da der VwGH diesbezüglich offenkundige Zweifel hegt – im fortgesetzten Verfahren zunächst  die Bauwerber anzugeben bzw. darzustellen, dass Anzahl und Ausmaß der geplanten Geschoße den Vorgaben des rechtswirksamen Bebauungsplans entsprechen. Auf der Grundlage dieser grundlegenden Konkretisierung ist eine allenfalls vorliegende Flächenüberschreitung gesondert und begründet zu beantragen und in der Folge zu beurteilen.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wird ausdrücklich festgehalten, dass die Legalvergünstigung des „ausgebauten Dachraumes“ insbesondere deshalb restriktiv auszulegen ist, weil – innerhalb des Regelungsregimes klar differenzierend – auch das „Dachgeschoß“ definiert ist und sich daher sowohl in Nutzung wie in Gestaltung (vgl. etwa die dzt. aktuelle Definition einer „Gaupe“) Einschränkungen ergeben. Darüber hinaus ist es keinesfalls selbstverständlich, dass ein aufgeständerter Balkon von nicht gerade geringer Tiefe als untergeordneter Bauteil zu betrachten ist. Auch diese Entscheidungsannahme ist über das Niveau einer standardisierten Behauptung zu heben.

 

Alleine aus diesem Umstand ist davon auszugehen, dass es auf der Grundlage der einzuholenden Beweise zu u.U. weitreichenden Änderungen des eingereichten Bauvorhabens kommen kann, und letztlich die mögliche Bauausführung im Vergleich zur derzeit beabsichtigten als „neue  Sache“ zu bewerten sein wird. Eben dies abzuklären ist aber nicht Gegenstand eines fortgesetzten (Beschwerde-)Verfahrens sondern Grund- und Vorfrage des Baubewilligungsverfahrens an sich, welches (insbesondere im Fall des bislang völligen Fehlens einschlägiger Ermittlungen) sachlich wie örtlich dort anzusiedeln ist, wo diese essentiellen Klärungen einschließlich der erforderlichen Antragstellung stattzufinden haben. Schon aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus schiene die erstmalige – und gleichzeitig endgültige – Ermittlung und Entscheidung hinsichtlich eines Bauvorhabens durch das Oö. Landesverwaltungsgericht und die damit verbundene Quasi-Verkürzung des Instanzenzuges auch verfassungsrechtlich bedenklich.

 

Dass dies zudem rasch und kostengünstig im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erfolgen könnte, ist darüber hinaus nicht anzunehmen.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Sachverhalt in wesentlichen Elementen des Nachbarvorbringens erst grundlegend festzustellen ist. Derartig umfangreiche, v.a. aber grundlegende Änderungen des Bauvorhabens indizierende Ermittlungen entsprechen – auch wenn man die Zurückverweisung als eher seltenes Mittel der Wahl betrachtet – nicht den legistischen Vorgaben der Prozessökonomie.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger