LVwG-601431/11/MB/SA

Linz, 24.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des B K, geb. x, S, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 24. Mai 2016,
GZ. VerkR96-1646-2016,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Sowohl im Hinblick auf Spruchpunkt 1) als auch auf Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses wird die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der belangten Behörde bestätigt.

 

II.         Gemäß § 52 VwGVG hat der Beschwerdeführer sowohl zu Spruchpunkt 1) als auch zu Spruchpunkt 2) zusätzlich zu den behördlichen Verfahrenskosten einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 40 Euro zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Straferkenntnis vom 24. Mai 2016 zur Zahl GZ. VerkR96-1646-2016 erkannte der Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding (in der Folge: belangte Behörde) den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) für schuldig, am
23. März 2016 im Gemeindegebiet Suben, B 149 bei km 3.500 1) mit dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen x, PKW, Skoda Octavia Combi, grün ein Fahrzeug überholt zu haben, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden und 2) ein Fahrzeug überholt zu haben, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Der Bf habe dadurch 1) § 16 Abs.1 lit.a StVO und 2) § 16 Abs.1 lit.c StVO verletzt und ist gem. § 99 Abs. 3 lit.a StVO mit einer Geldstrafe von 1) 200 Euro (EFS: 72 Stunden) und 2) 200 Euro (EFS: 72 Stunden) zuzüglich eines Verfahrenskostenbeitrages idHv. 40 Euro (= Gesamtbetrag: 440 Euro) zu bestrafen.

 

Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Die strafbaren Tatbestände sind durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organs der Polizeiinspektion Münzkirchen als erwiesen anzusehen.

 

Zur Rechtslage:

S 16 Abs. 1 StVO 1960:

Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:

a) wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist, b)[...]

c) wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, [...].

 

§ 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

Zur Sachlage:

Laut Anzeige der Polizeiinspektion Münzkirchen vom 30.03.2016 haben Sie den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x, am 23.03.2016 um 16:50 Uhr im Gemeindegebiet von Suben auf der B 149 Subener Straße in Fahrtrichtung Schärding gelenkt. Ab der Ortschaft Schnelldorf hatte sich hinter einem Traktor eine Kolonne in Richtung Schärding gebildet, wobei Sie das 5. Fahrzeug in der Kolonne lenkten. Auf Höhe des Strkm 3,500 brachen Sie plötzlich - trotz Gegenverkehr - nach links aus und überholten den vor Ihnen fahrenden PKW in weiterer Folge zogen Sie Ihren PKW wieder nach rechts, um sich einzuordnen. Durch dieses Fahrmanöver mussten sowohl der entgegen kommende Lenker, als auch der Lenker des überholten PKW abbremsen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern.

 

Gegen Sie wurde am 06.04.2106 eine Strafverfügung wegen Übertretungen nach § 16 Abs. 1 lit.a StVO 1960 und § 16 Abs. 1 lit.c StVO 1960 erlassen, worin Geldstrafen in einer Gesamthöhe von 400,00 Euro, gesamt 144 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wurden.

 

Dagegen erhoben Sie mit Schreiben vom 13.04.2016 Einspruch. Begründet wurde dieser nicht. Mit Schreiben vom 21.04.2016 wurde Ihnen die gelegte Anzeige zur Kenntnis gebracht. Dazu wurde Ihnen die Möglichkeit innerhalb 2-wöchiger Frist eingeräumt, den Einspruch näher zu begründen   und   eine   Stellungnahme   abzugeben.   Gleichzeitig   wurden   Sie   auf   Ihre

Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen. Eine Stellungnahme bzw. eine Begründung des Einspruches haben Sie bis dato nicht abgegeben.

 

Erwägungen:

Die Behörde nimmt nochmals Bezug auf die gelegte Anzeige der Polizeiinspektion Münzkirchen. Diese Anzeige ist schlüssig und nachvollziehbar. Es sind keine Umstände bekannt geworden, welche die darin enthaltenen Angaben in

Frage stellen würden. Solche Umstände wurden Ihrerseits auch nicht behauptet. Die gelegte Anzeige kann daher dem Verfahren zugrunde gelegt werden.

 

Für die Behörde steht daher unter Hinweis auf den obigen Sachverhalt auch zweifelsfrei fest, dass Sie die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen - wie im Spruch dieses Straferkenntnisses angeführt - sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten haben.

 

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1991, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht wirksam vorgebracht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben. Gegenständlich ist jedenfalls von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

 

Zur Strafbemessung:

Im Verwaltungsvorstrafenregister der BH Schärding sind gegen Sie bereits mehrere Vorstrafen evident, weshalb Ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugebilligt werden kann. Jedoch sind diese Vorstrafen auch nicht einschlägiger Natur, weshalb keine Erschwerungsgründe vorliegen.

 

Die übertretenen Rechtsnormen zielen wie nahezu alle Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, trägt zur Erhöhung der Gefahren des Straßenverkehrs bei und gefährdet die Verkehrssicherheit.

 

Bei der Strafbemessung wurden mangels Angaben Ihrerseits ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500,00 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, berücksichtigt. Die Strafhöhe ist unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen nicht als überhöht zu betrachten, sondern tat-und schuldangemessen. Die verhängten Geldstrafen bewegen sich im unteren Bereich des Strafrahmens und betragen lediglich 27,5 % der möglichen Höchststrafe (726 Euro). Einer Herabsetzung der in der Strafverfügung verhängten Geldstrafen standen general- und spezialpräventive Überlegungen entgegen.

 

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

2. Mit Schreiben vom 17. Juni 2016 erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin wie folgt aus:

 

Unter Bezug auf VerkR96-1646-2016, erhebe ich nun B E S C H W E R D E, gegen alle Punkte, welche Ihr Schreiben vom 24.5.2016 umfassen.

 

Im Vorfeld möchte ich kurz erwähnen, dass ich Ihnen bereits am 29.4.2016, meinen Einspruch übermittelt hätte. Leider hat dieser nach Auskunft, Ihre Behörde nie erreicht. Ich lege Ihnen daher, diesen Einspruch erneut bei, ersuche Sie aber, diesen nur „zur Ergänzung"- im Akt, beizulegen.

 

1)         TATVORWURF

 

Ich werde natürlich nicht bestreiten, den Überholvorgang, in der angegeben Zeit getätigt zu haben: Entgegen den Behauptungen des einzelnen Polizeibeamten, habe ich aber nicht, trotz Gegenverkehr überholt. Ich überholte eine Fahrzeugkolonne vor einem Traktor. Leider, oder einfach gesagt-verkehrsbedingt, musste ich mich vor dem Traktor wieder einordnen, da ein Gegenverkehr kam, welcher aber so vordem Überholvorgang nicht wahrgenommen werden konnte.

Ich kann Ihnen eventuell einräumen, dass ich vielleicht einen anderen Fahrzeuglenker vor dem Traktor, leicht gedrängt hätte, abzubremsen, aber dies auch nur aus der Situation heraus, welche sich aus dem geringen Sicherheitsabstand ergeben hat. Da hier kein Überholverbot war, ich wegen den Traktor, mit Sicherheit nicht zu schnell überholt habe, kann man im Prinzip von einer normalen Verkehrssituation reden, welche eben einen leicht unkalkulierbaren Charakter erhalten hat.

 

2)         BEWEISFÜHRUNG

 

Natürlich nehme ich die Aussage des Polizeibeamten zur Kenntnis, verweise aber eindringlich auf die Beweiswürdigung. Die seitens Ihrer Behörde, dargestellten Punkte, stützen sich alleine auf die Aussage eines einzelnen Polizisten.

So etwas kann und wird logischerweise keine Beweiskraft haben, um schon alleine zb. Korruption, ect... im Keim zu ersticken.

 

Ich benötige daher von Ihnen folgende dargelegte Punkte:

 

-      Welche Personen habe ich konkret gefährdet?

-      Haben diese Personen, bereits ihre Zeugenaussage getätigt, oder bereits ebenfalls Anzeige gegen mich gestellt?

-      Wieviele Polzisten können diesen Vorfall ebenfalls im Sinne des Strafbescheides bestätigen? - Und somit das Mehrheitsprinzip bestätigen, um die Glaubhaftigkeit dieses Falles zu erreichen?

-      Wurde dieser Vorfall per Video dokumentiert?

-      Weitere eindeutige Beweise gerne erwünscht

 

3) STRAFBEMESSUNG

 

Meine persönlichen Verhältnisse, möchte ich nun- wie folgt angeben: Monatliches Einkommen ca 1350€ (+\-)

 

Darüber hinaus möchte ich Sie kurz darauf hinweisen, dass hier anscheinend eine Doppelbestrafung vorliegt.

Beide „Vergehen" überschneiden sich aneinander, und somit ist eine drastische Senkung der „Geldstrafe", zwingend erforderlich.

 

-Ich ersuche Sie nun, diesen Fall intensiv zu prüfen. Um die Glaubhaftigkeit, der mir angelasteten Tatumstände zu bestätigen, beanspruche ich einen Einblick, in sämtliche Unterlagen, sowie Zeugenaussagen, welche mich belasten.

Diesbezüglich stehe ich natürlich, für eine mündliche Befragung, jederzeit zur Verfügung

 

3. Mit Schreiben vom 23. Juni 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

 

II.

 

1. Gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 131 B-VG iVm § 2 VwGVG iVm StVO ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung durch seinen Einzelrichter zuständig.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsicht in die Akten der belangten Behörde bzw. die erstatteten Schriftsätze. Zusätzlich dazu wurde am 9. August 2016 amtswegig eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, obschon dies vom Bf nicht beantragt wurde. Über den sich aus den Akten bzw. den unter Pkt. I dargestellten Schriftsätzen ergebenden unstrittigen Sachverhalt wird zusätzlich festgestellt:

 

Der gesamte Überholvorgang wurde vom anzeigenden Organ deutlich wahrgenommen. Dies deshalb, da der Beschwerdeführer hinter dem Traktor als fünftes Fahrzeug in einer Fahrzeugkolonne eingeordnet war und das Dienstfahrzeug des anzeigenden Beamten als siebtes Fahrzeug in der Kolonne situiert war. Der Zeuge (anzeigender Beamte) schilderte klar und ohne Widersprüche, dass er sowohl gesehen hat, dass im Zeitpunkt des „Ausschärens“ und Überholens durch den Beschwerdeführer ein Gegenverkehr sichtbar vorhanden war und im Zuge dieses Überholvorganges der Gegenverkehr abbremsen musste und zudem im Zeitraum des Einordnens auf die rechte Spur das wiederum hinter dem Beschwerdeführer befindliche Kolonnenauto abbremsen musste, um dem Beschwerdeführer das Einordnen zu ermöglichen. Die Bremsvorgänge der beiden betroffenen Fahrzeuge (Gegenverkehr und Fahrzeug hinter dem Beschwerdeführer) mussten derart stark abbremsen um eben einen Unfall (Kollision) zu verhindern. Zudem ist festzustellen, dass keinerlei Verbindung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Anzeigenden besteht, welche die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebrachten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Anzeigenden bestätigt (Korruption usw.).

 

In weiterer Folge ist der Beschwerdeführer durch das anzeigende Organ aufgehalten wurden. Der Beschwerdeführer zeigte sich bei diesem Gespräch als uneinsichtig. Er argumentierte, dass er nichts Unrechtmäßiges getan habe da ja schließlich sowohl der Gegenverkehr als auch der Personenverkehr bremsen können und dies aus seiner Sicht überhaupt kein Problem darstellt.

 

3. Gem. § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Aus
§ 27 VwGVG 2014 kann sich insofern eine Einschränkung des Prüfungsauftrages für das VwG, nicht aber eine solche seiner Entscheidungsbefugnis ergeben
(s dazu VwGH vom 27. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/22/0087).

 

 

III.

 

1.1. Gem. § 16 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung, BGBl 159/1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, (in der Folge: StVO) darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Gem. § 16 Abs. 1 lit. c Straßenverkehrsordnung, BGBl 159/1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, (in der Folge: StVO) darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gem. § 99 Abs. 3 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

1.2. Der nach § 99 Abs 3 lit a StVO iVm § 16 Abs 1 lit a StVO strafbare Tatbestand besteht darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, dh mit dem Überholen beginnt oder dieses nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt hat der Beschwerdeführer einen Überholvorgang (Kolonnenbildung mit dem Bf als 5. Fahrzeug hinter einem Traktor) eingeleitet, obwohl bereits zu Beginn des Überholvorganges der Kolonne der Gegenverkehr klar für ihn nahend ersichtlich war und der Überholvorgang im Ergebnis sowohl den Gegenverkehr gefährdet hat, da der Gegenverkehr stark abbremsen musste und zudem auch im Ergebnis für diesen Überholvorgang kein ausreichender Platz war. Für den Beschwerdeführer war es bereits zu Beginn des Überholvorganges ersichtlich, dass dies nicht ohne Beeinträchtigung der sonstigen Verkehrsteilnehmer möglich war. Dies ergibt sich Rückblickend aus der akuten Gefährdungssituation und wird bestätigt durch die Verantwortung des Bf selbst, da dieser eben angibt in seinem Verhalten kein Problem zu sehen, da der Gegenverkehr ja abbremsen könne (Verantwortung bei der Polizeikontrolle). Sohin ist das Tatbild des § 16 Abs. 1 lit a StVO erfüllt.

 

Dass – obschon es im konkreten Fall angenommen werden kann – eine tatsächliche Gefährdung des Gegenverkehrs stattgefunden hat, wird vom Tatbild nicht gefordert, da der Normtext davon spricht, dass andere Straßenbenutzer gefährdet oder behindert werden könnten. Insofern gehen die Einwendungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die konkret gefährdeten Personen (und die darin anknüpfenden Themenkreise) ins Leere.

 

1.3. Im Hinblick auf das Tatbild des § 16 Abs. 1 lit c StVO ist zunächst festzuhalten, dass ob der verschiedenen Schutzrichtungen keine Scheinkonkurrenz zu § 16 Abs. 1 lit a StVO gegeben ist (s implizit VwGH 27.2.1992, 91/02/0145. Weiters fordert § 16 Abs. 1 lit c StVO keine konkrete tatsächliche Gefährdungssituation. Sohin geht der Einwand des Bf betreffend Feststellung der tatsächlich gefährdeten Personen ebenso ins Leere.

 

Weiters ist zu erkennen, dass es der allgemeinen Erfahrung entspricht, dass bei dichtem Kolonnenverkehr zu Beginn eines Überholvorganges eine Behinderung anderer Fahrzeuge beim späteren Einordnen nicht ausgeschlossen werden kann (Hinweis E 1986/10/23 86/02/0097, VwSlg 12277 A/1986). Der Tatbestand des § 16 Abs 1 lit c StVO ist schon dann vollendet, wenn der Lenker eines Fahrzeuges den Überholvorgang begonnen hat, ohne geprüft und einwandfrei erkannt zu haben, dass er andere Straßenbenützer weder gefährden noch behindern kann; dies ist (jedenfalls) dann der Fall, wenn der Überholende im Hinblick auf die vor ihm fahrende Fahrzeugkolonne keine Möglichkeit einer Einordnung seines Fahrzeuges erkannt hat, bei welcher eine Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer auszuschließen war. Dabei ist eine konkrete Behinderung oder Gefährdung nicht erforderlich.

 

Insofern erhellt der Bf hier wiederum selbst, dass er eine vom Tatbild geforderte Überprüfung nicht durchgeführt hat, da er den Überholvorgang unter der Prämisse gestartet hat, dass eine Einordnung durch das Bremsen der Kolonnenfahrzeuge ermöglicht werden sollte (s dazu Beschwerde des Bf Seite 1 ad Tatvorwurf „....ich kann ihnen eventuell einräumen, dass ich vielleicht einen anderen Fahrzeuglenker vor dem Traktor leicht gedrängt hätte abzubremsen,...“). Zudem war im Zeitpunkt des Überholvorganges bereits der Gegenverkehr sichtbar und ebenso die Länge der Kolonne.

 

2. Da keine Umstände hervorgekommen sind, welche den Bf subjektiv entlasten hätten können, war gemäß § 5 Abs. 1 VStG zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen. Mangelndes Verschulden (§ 5 Abs. 2 VStG) konnte der Bf mit seiner Verantwortung nicht glaubhaft machen. Die Tat ist somit auch in subjektiver Hinsicht als erfüllt zu bewerten.

 

3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG iVm § 38 VwGVG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der bezughabenden Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den § 99 Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 StVO zu bestrafen ist.

 

Die belangte Behörde ist bei der Bemessung der Strafe von einem monatlichen Einkommen des Bf in Höhe von 1500 Euro netto, keinem Vermögen und keinen Schulden ausgegangen. Der Bf bringt dahingehend vor, dass er ca. 1350 Euro netto ins Verdienen bringt.

 

Laut Aktenlage stellt die zu beurteilende Verwaltungsübertretung nicht die erste Verfehlung des Bf im Verwaltungsbereich der belangten Behörde dar. Vielmehr weist der Bf drei weitere Verwaltungsvorstrafen – wenn auch nicht einschlägig auf.

 

Weitere – über die von der belangten Behörde zur Strafbemessung herangezogenen – Strafmilderungs- bzw. Erschwerungsgründe konnten nicht festgestellt werden.

 

In Anbetracht des als hoch einzuschätzenden Unrechtsgehaltes der vom Bf begangenen Überschreitung (Rechtsgüterschutz: Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer) erachtet daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe in Höhe von 400 Euro tat- und schuldangemessen obschon eine Reduzierung der Vermögensannahme um ca. 150 Euro vorzunehmen ist – im Übrigen tritt der Bf der Strafbemessung der belangten Behörde nicht entgegen.

 

Vor allem aber aus spezialpräventiver Sicht erkennt das Landesverwaltungsgericht beide Geldstrafen in der festgesetzten Höhe als unbedingt erforderlich, um den Bf künftig von weiteren (einschlägigen) Tatbegehungen abzuhalten und ihn entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der Bestimmungen für das Überholen im Straßenverkehr von wesentlicher Bedeutung sind um das Leben und die Gesundheit des Bf und der weiteren Verkehrsteilnehmer zu schützen. Der Bf lässt hier jedwede Einsicht vermissen und versucht sich mit der Erklärung der Straftat als „normale Verkehrssituation“ zu exkulpieren. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen.

 

4. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist  Abs. 2 leg. cit. zufolge für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen.

 

In diesem Sinne waren dem Bf für das Beschwerdeverfahren jeweils 20 Euro Verfahrenskostenbeitrag (in Summe: 40 Euro) vorzuschreiben.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Markus Brandstetter