LVwG-601330/2/FP

Linz, 05.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von M, geb. x, M, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt-mannschaft Urfahr-Umgebung, Peuerbachstraße 26, 4041 Linz vom 8. März 2016, GZ. VerkR96-3129-2015, wegen einer Übertretung des KFG,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren gem. § 45 Abs 1 Z 1 VStG  eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Beiträge zu den Kosten der Verfahren zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 8. März 2016 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (Bf) vor, er habe es als zur Außenvertretung einer bestimmten, im Spruch genannten, Gesellschaft Berufener zu verantworten, dass nicht dafür gesorgt worden sei, dass der Zustand eines bestimmten Fahrzeuges den Vorschriften des KFG entspricht. Es sei festgestellt worden, dass für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende Teile nicht den Vorschriften des KFG entsprochen hätten, obwohl Kraftfahrzeuge so ausgerüstet sein müssten, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für die anderen Straßenbenützer noch ihrer Fahrzeuge entstünden. Es sei festgestellt worden, dass die Windschutzscheibe zwei durchgehende Risse aufgewiesen habe.

Die belangte Behörde stützte ihren Spruch auf § 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm § 10 Abs 1 KFG und § 9 VStG, verhängte eine Geldstrafe von 100 Euro (20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und sprach aus, dass der Bf 10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu bezahlen habe.

 

Auf das Wesentliche zusammengefasst, führte die belangte Behörde begründend aus, ein Sachverständiger des Amtes der Oö. Landesregierung habe bei einer Verkehrskontrolle festgestellt, dass die Windschutzscheibe des ggst. Fahrzeuges im Sichtfeld des Lenkers durchsprungen gewesen sei. Es stehe fest, dass der Bf als nach außen Berufener der Fahrzeughalterin zu verantworten habe, dass nicht dafür gesorgt worden sei, dass der Zustand des Fahrzeuges den Vorschriften des KFG entspricht. Das Fahrzeug sei gelenkt und sei festgestellt worden, dass für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende Teile nicht den Vorschriften des KFG entsprachen, obwohl Fahrzeuge so ausgerüstet sein müssten, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder ihre Fahrzeuge entstünden. Es sei festgestellt worden, dass die Windschutzscheibe zwei durchgehende Risse aufgewiesen habe.

Ihre Begründung des Verschuldens des Bf stützte die belangte Behörde auf § 5 VStG.   

  

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf am 31. März 2016 rechtzeitig Beschwerde und führte aus wie folgt:

 

„[...]Ich erhebe Einspruch gegen diesen Bescheid und weise darauf hin, dass bei der Überprüfung am 24.07.2015 vom Ö der Riss in der Windschutzscheibe bereits bemängelt wurde, allerdings weil er außerhalb des Hauptsichtbereichs des Lenkers war, als leichter Mangel gewertet wurde, und somit das Fahrzeug straßenverkehrstauglich war. In der Anlage übermittle ich Ihnen den Prüfbefund.“

 

Diesen schloss der Bf bei.

I.3. Mit Schreiben vom 6. April 2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter (§ 2 VwGVG).

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T  steht fest:

 

Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der im Firmenbuch zu FN x des Landesgerichtes Linz protokollierten S GmbH (vormals R S Gesellschaft m.b.H.). (Firmenbuch)

Diese ist Halterin eines LKW Citroen Jumper mit dem Kennzeichen x. (Anzeige)

Am 20. August 2015 lenkte ein Arbeitnehmer der Gesellschaft das genannte Fahrzeug in der Gemeinde Niederwaldkirchen auf der B 127 bei Straßenkilometer 30.300. Er geriet beim Kontrollplatz Kleinzell in eine Verkehrskontrolle. Im Rahmen einer Teiluntersuchung nach § 58 KFG wurde von einem anwesenden Sachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung u.a. festgestellt, dass die Windschutzscheibe im unteren Bereich durchsprungen war. Der Sachverständige stufte den Mangel als schwer ein und vermerkte, dass Gefahr im Verzug sei. (Teiluntersuchungsbefund, Gutachten vom 20. August 2016)

 

Der dem Bf in der Strafverfügung vom 28. August 2015 vorgeworfene Spruch lautet:

 

„Sie haben es als zur Vertretung nach außen Berufener (§9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz) der R S GmbH., diese ist Zulassungsbesitzerin des Klein-LKW, Citroen Jumper, zu verantworten, dass nicht dafür gesorgt wurde, dass der Zustand des Fahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von K E gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass – für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende – Teile nicht diesen Vorschriften entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge so ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Windschutzscheibe zwei durchgehende Risse aufwies.“

(Strafverfügung)

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

„Sie haben es als zur Vertretung nach außen Berufener (§9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz) der R S GmbH., diese ist Zulassungsbesitzerin des Klein-LKW, Citroen Jumper, zu verantworten, dass nicht dafür gesorgt wurde, dass der Zustand des Fahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von K E gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass – für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende – Teile nicht diesen Vorschriften entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge so ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Windschutzscheibe zwei durchgehende Risse aufwies.“

 

Auch eine Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. Februar 2016 enthielt den gleichen Vorwurf.

 

Dem Bf wurde niemals vorgeworfen, dass der Bruch nicht so weit Sicht ließ, dass das Fahrzeug bis zum Anhalten nicht sicher gelenkt werden konnte. (Straferkenntnis)

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.

Insbesondere ergeben sich aus den genannten Behördenakten der Wortlaut der dem Bf gemachten Vorwürfe, insbesondere aber, dass aus diesen nicht ableitbar ist, ob der Mangel sichtbehindernd war.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

III.1. Wesentliche zugrundeliegende Bestimmungen:

 

a)   § 10 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG, BGBl. Nr. 267/1967 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 615/1977) lautet:

 

§ 10. Windschutzscheiben und Verglasungen

(1) Windschutzscheiben und Klarsichtscheiben von Kraftfahrzeugen müssen aus einem unveränderlichen, vollkommen durchsichtigen Stoff bestehen. Sie dürfen Gegenstände nicht verzerrt erscheinen lassen und müssen auch bei Bruch wo weit Sicht lassen, daß das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann.

(2) Durchsichtige Stoffe, die Teile der Außenwand des Fahrzeuges einschließlich der Windschutzscheibe oder einer inneren Trennwand bilden, müssen so beschaffen sein, daß bei Bruch die Gefahr von Körperverletzungen so gering wie möglich ist.

 

b)   § 103 Abs 1 Z1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG, BGBl. Nr. 267/1967 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2016) lautet:

 

§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

(1) Der Zulassungsbesitzer

      1. hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder ‑bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

[...]

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.2.1. Vorwurf:

 

Vorliegend steht außer Zweifel, dass die Windschutzscheibe des ggst. LKW einen Sprung bzw. Sprünge aufwies. Dies bestätigt sowohl das im Akt befindliche Teilgutachten gem. § 58 KFG, als auch das Vorbringen des Bf selbst.

Im Rahmen seiner Einvernahme gab der feststellende Amtssachverständige an, die Windschutzscheibe sei im Sichtfeld des Lenkers durchsprungen gewesen. Die Anzeige ergibt, dass die Scheibe 2 durchgehende Risse aufgewiesen haben soll.

 

Dies hat die belangte Behörde zum Anlass genommen, dem Bf einen auf §§ 103 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 KFG gestützten Vorwurf zu machen.

 

Sie hat sich dabei des oben dargestellten Spruchs bedient, der unkonkretisiert Teile des Normtexts des § 4 Abs 2 KFG wiedergibt und feststellt, dass die Windschutzscheibe zwei durchgehende Risse aufwies.

 

Gem. § 103 Abs 1 Z1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspricht.

Als Vorschrift, der das KFZ zu entsprechen hat, zieht die belangte Behörde zu Recht § 10 Abs 1 KFG heran, der darstellt, dass Windschutzscheiben und Klarsichtscheiben von Kraftfahrzeugen aus einem unveränderlichen, vollkommen durchsichtigen Stoff bestehen müssen, Gegenstände nicht verzerrt erscheinen lassen dürfen und auch bei Bruch so weit Sicht lassen müssen, dass das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann. Es handelt sich bei § 10 Abs 1 KFG um eine lex specialis zur allgemeine Ausrüstungsvorschrift des § 4 Abs 2 KFG.

Letztlich ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung (arg. „auch bei Bruch so weit Sicht lassen müssen, dass das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann“), dass ein Verstoß gegen die Vorschrift nur dann gegeben ist, wenn die vorhandene Beschädigung eine Sichtbehinderung hervorruft.

Demgemäß sprach der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. Jänner 2005, 2004/02/0295 aus: „Der Vorschrift des § 10 Abs. 1 KFG 1967 ist zu entnehmen, dass eine Strafbarkeit des Lenkers bzw Zulassungsbesitzers des Kraftfahrzeuges (vgl. § 102 Abs. 1 und § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG 1967) vorliegt, wenn durch den Zustand der Windschutzscheibe vom Material her das "sichere Lenken" - sei es weil Gegenstände verzerrt erscheinen oder weil aus anderen Gründen keine ausreichende Sicht gegeben ist - unter dem Blickwinkel des Schutzzweckes des KFG 1967 (dh der Sicherheit der Teilnehmer am Straßenverkehr, vgl. dazu E 29. Juni 1994, 93/03/0266) nicht gewährleistet ist“.

 

Es kann in diesem Zusammenhang auch auf die Anlage 6 zur Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung hingewiesen werden, die in ihrem Punkt 3.2 wie folgt lautet:

 

 

3.

Sicht

 

 

 

 

 

 

3.1

[...]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2

Scheibenzustand

 

 

 

kein Sicherheitsglas (ausgenommen genehmigt)

SM, VM

 

 

Windschutzscheibe gesprungen

LM, SM

 

 

Windschutzscheibe im Hauptsichtbereich des Fahrers sichtbehindernd beschädigt oder gesprungen

SM, GV

 

 

Nicht vorschriftsmäßige Einfärbung der Scheibe durch Folien oder Lacke, erhebliche Veränderung der Scheibenoberfläche

SM, VM

z. B. sandgestrahlte Fahrgestellidentifizierungsnummern zulässig

 

Windschutzscheibe außerhalb des Hauptsichtbereiches des Lenkers beschädigt oder gesprungen

LM, SM

 

 

Heckscheibe u./o. hintere Seitenscheiben Sicht beeinträchtigt und zweiter Außenspiegel nicht vorhanden

LM, VM

 

 

Windschutzscheibe mit Folien oder Folienstreifen beklebt

SM, GV, VM

 

 

Es ergibt sich auch hier, dass ein schwerer Mangel, bzw. ein solcher, der Gefahr in Verzug auslöst nur dann vorliegt, wenn die Windschutzscheibe im Hauptsichtbereich des Fahrers sichtbehindernd beschädigt oder gesprungen ist.

 

Es reicht also für eine Bestrafung im Ergebnis nicht hin, dass ein Sprung im Hauptsichtbereich des Lenkers vorhanden ist, sondern kann erst dann von einem Verstoß gegen § 10 Abs 1 KFG ausgegangen werden, wenn die im § 10 Abs 1 KFG beschriebene Gefährdungslage (sicheres Lenken nicht mehr möglich) hinzutritt.

Die Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung konkretisiert dahingehend, dass erst dann ein Weiterfahren untersagt ist (Gefahr im Verzug!), wenn die Windschutzscheibe im Hauptsichtbereich des Fahrers sichtbehindernd beschädigt oder gesprungen ist. Ansonsten mag ein schwerer Mangel vorliegen, der die Ausfolgung einer Begutachtungsplakette zu hindern geeignet sein mag.

 

 

Eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; (VwGH 21. Oktober 2014, Ra 2014/03/0006).

 

„Die Umschreibung der Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1. 7. 2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12. 3. 2010, 2010/17/0017; 17. 4. 2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl VwGH 20. 7. 1988, 86/01/0258; 31. 1. 2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23. 4. 2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 unterliegen (vgl VwGH 24. 4. 2008, 2007/07/0124).

(vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 2).“

 

Die Tat ist dabei so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Täter in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257).

 

Der VwGH führt in der oben bereits dargestellten Entscheidung vom 25. Jänner 2005 (2004/02/0295) weiter aus:

„Mit dem im Beschwerdefall spruchgemäßen Vorwurf, die Windschutzscheibe habe „10 Steinschlagbeschädigungen aufgewiesen“, wird aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass diese entsprechend dem soeben dargelegten Inhalt des § 10 Abs 1 KFG dieser Vorschrift widersprochen hat“.

 

Die belangte Behörde wirft dem Bf lediglich vor, dass die Scheibe zwei durchgehende Risse aufwies. Dieser Umstand alleine vermag ein strafbares Handeln des Bf nicht darzustellen und hat die belangte Behörde dem Bf insofern kein strafbares Verhalten vorgeworfen.

Vielmehr hätte sie ermitteln, feststellen und dem Bf im Spruch vorwerfen müssen, dass durch die Beschädigung der Scheibe ein sicheres Lenken des Fahrzeuges nicht mehr möglich war.

 

Das Vorhandensein von Sprüngen alleine vermag eine Strafbarkeit nicht zu begründen.

 

III.2.2. Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Korrigierbarkeit durch das LVwG:

 

In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“

 

In seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass "‘Sache‘ des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“

 

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH v. 16. November 2015, Ra 2015/12/0026).

 

Eine Befugnis des VwG zur Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 hinaus, wurde durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 nicht geschaffen (Hinweis E vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018, mwN zur Rechtslage vor Schaffung der VwG; der VwGH hat darin festgehalten, es sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen abzugehen wäre). So würde etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraums erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem VwG eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 darstellen (vgl. VwGH v. 16. März 2016, Ro 2014/04/0072). Nichts anderes kann im Hinblick auf die Ausdehnung der Tathandlung (Tatbestandselemente) selbst gelten.

 

Eine Verfolgungshandlung hat sich nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften im Sinn des § 44a Z 2 VStG zu beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, Zl. 2013/08/0096, mwN). (VwGH 16. Februar 2016; Ra 2016/08/0025)

 

Zumal die belangte Behörde dem Bf nur vorgeworfen hat, dass die Windschutzscheibe durchgehende Risse aufwies, ihm jedoch nicht angelastet hat inwieweit dadurch die Verkehrssicherheit (sicheres Lenken) beeinträchtigt war und es deshalb an der Umschreibung einer strafbaren Handlung (und damit der ausreichenden Tatumschreibung)  fehlt, würde das Verwaltungsgericht durch eine erstmalige diesbezügliche Anlastung (die aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ohnehin nicht denkbar ist, weil sich das erforderliche Gefahrenpotential aus dem Akt nicht nachvollziehbar ableiten lässt) den Gegenstand des Verfahrens ausdehnen (Erweiterung des Vorwurfs), damit gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen und seine Zuständigkeit überschreiten.

 

Eine Korrektur des Spruchs ist im Übrigen bereits aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung ausgeschlossen.

 

III.3. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde (und das Verwaltungsgericht)  von einer Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn dem Beschuldigten die zur Last gelegte Tat [...] keine Verwaltungsübertretung bildet. Mangels Anlastung eines strafbaren Verhaltens durch die belangte Behörde war das ggst. Straferkenntnis deshalb aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

 

III.4. Bei diesem Ergebnis, waren dem Bf gem § 52 Abs 9 VwGVG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Verwaltungsgericht hat sich auf die verfügbare Judikatur des VwGH gestützt und ist diese der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

P o h l