LVwG-700138/3/MZ

Linz, 30.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerden des L Ö, geb x, Innenstadtbereich, L, gegen die Straferkenntnisse der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 27.1.2016, GZ: VStV/915301418314/2015, und GZ: VStV/915301386254/2015, wegen einer Übertretung des Polizeistrafgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gemäß § 52 Abs 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten der Beschwerdeverfahren in der Höhe von je 20,- Euro, gesamt daher 40,- Euro, zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

I.a) Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 27.1.2016, GZ: VStV/915301418314/2015, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 10 Abs 1 lit b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 2 Stunden, verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf an:

 

„Sie haben wie am 18.09.2015 um 14:15 Uhr in L, L.straße 105, Auf dem Gehweg vor dem Objekt festgestellt wurde, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort gebettelt und dabei eine unmündige minderjährige Person, 2 Kinder, mitgeführt.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

100,00 Euro 2 Tage(n) 2 Stunde(n) § 10 Abs. 1 lit. b Oö.

0 Minute(n) Polizeistrafgesetz“

 

Begründend führt die belangte Behörde ua. zunächst zum Sachverhalt aus:

 

„Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten -Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der Beamten des Stadtpolizeikommandos Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 24.9.2015 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 24.9.2015 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen unbegründeten Einspruch.

 

Mit Aufforderung vom 20.10.2015 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben. Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten.

 

Laut Rückschein wurde Ihnen die Aufforderung am 5.11.2015 zu eigenen Handen zugestellt. Sie haben weder innerhalb der Frist von zwei Wochen noch bis zum heutigen Tag eine Stellungnahme abgegeben, sodass das Strafverfahren, wie bereits angedroht, ohne Ihre Anhörung durchgeführt wurde.

 

Gemäß § 1a Abs.3 Pol. StG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OÖ. Pol. StG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1a Abs.3 Pol. StG mit Geldstrafe bis zu € 720,- zu bestrafen.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger glaubwürdig und schlüssig geschildert wurde. Da von Ihnen weitere Angaben im Strafverfahren unterblieben sind, war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen und auch kein Einkommen beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.“

 

b) Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 27.1.2016, GZ: VStV/915301386254/2015, wurde über den Bf gemäß § 10 Abs 1 lit b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 2 Stunden, verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf an:

 

„Sie haben wie am 17.09.2015 um 10:15 Uhr in L, V, Anhalteort: V ggü. Hausnr. 54 Bettelroute: F-S-V festgestellt wurde, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort gebettelt und dabei eine unmündige minderjährige Person, insgesamt 3 minderjährige Kinder, mitgeführt.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

100,00 Euro 2 Tage(n) 2 Stunde(n) § 10 Abs. 1 lit. b Oö.

0 Minute(n) Polizeistrafgesetz“

 

Die Begründung der Entscheidung ist, abgesehen von den Daten, wortident mit der oben dargestellten.

 

II. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis richten sich die rechtzeitig eingebrachten, wortidenten Beschwerden des Bf vom 19.2.2016, worin wie folgt ausgeführt und beantragt wird:

 

„Gegen das Straferkenntnis der LPD Oberösterreich … erhebe ich hiermit in der offenen Frist Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Gesetzwidrigkeit und stelle den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge das hier angefochtene Straferkenntnis aufheben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Zur Begründung führe ich aus:

 

Aufgrund der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage in meiner Heimat Rumänien ist es mir nicht möglich, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben. Auch in Österreich bin ich aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen darauf angewiesen, mein Einkommen durch stilles (und somit erlaubtes) Betteln zu sichern.

 

Gleichzeitig ist es aber auch meine gesetzliche Pflicht, mich um das Wohlergehen meines minderjährigen Kindes zu sorgen. Da ich keinen Zugang zu Betreuungsplätzen für meine Kinder habe und ich sie nicht gefährden will, indem ich sie alleine an einem öffentlichen Ort zurücklasse, kann ich mein Recht auf Betteln nur ausüben, wenn ich meine Kinder zum Betteln mitnehme.

 

Daher beschneidet mich die derzeitige gesetzliche Regelung in meinen Rechten – vor allem erlaubt sie mir nicht, von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, ohne dabei das Kindeswohl zu gefährden.

 

Auf diesem Hintergrund ersuche ich, meiner Beschwerde Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den Punkten I. und II.. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von keiner der Parteien beantragt. Von dieser konnte daher gem § 44 Abs 3 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da es sich bei der hier zu beurteilenden Frage um eine reine Rechtsfrage handelt.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Bf zum Tatzeitpunkt eine einschlägige Vormerkung aufweist.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Nach § 1a Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl 36/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (in der Folge: Oö. PolStG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer „in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt oder von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus umherzieht, um so zu betteln, oder gewerbsmäßig oder als Beteiligter einer organisierten Gruppe in dieser Weise bettelt“.

 

Gemäß § 1a Abs 3 OÖ. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, „[w]er eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt“.

 

Gemäß § 10 Oö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1, 1a, § 2 Abs 2 und § 3 Oö. PolStG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, bei Übertretungen nach § 1a Abs 1, 3 und 4 und § 2 Abs. 2 Oö. PolStG mit Geldstrafe bis 720 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

b) § 1a Abs 3 Oö. PolStG knüpft, anders als Abs 1 leg cit, an das Betteln schlechthin an (arg. „...in welcher Form auch immer...“). Es ist hingegen nicht erforderlich, dass das Betteln tatbildlich gem § 1a Abs 1 Oö. PolStG, also etwa aggressiv, aufdringlich oder oä, ist. Gefordert wird lediglich, dass beim Betteln eine minderjährige unmündige Person mitgeführt wird. Als derartige unmündige minderjährige Personen sind Personen zu verstehen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Blg 317/2011 StenProt LT 27. GP 4). Insofern tritt zum Schutz der Passanten und dem Schutz der bettelnden Personen vor Ausbeutung auch der Schutz von Kindern zum Schutzzweck der Norm hinzu (Blg 1172/2014 StenProt LT 27. GP 4).

 

c) Vor diesem Hintergrund gilt es das Verhalten des Bf einzuordnen. Wie der Bf in den Beschwerdeschriftsätzen selbst angibt, hat er still gebettelt. Hinzu tritt, dass der Bf nach eigenen Angaben bei diesem Vorgang seine Kinder bei sich hatte. Dass diese nicht minderjährig im Sinne obiger Ausführungen wären, wurde vom Bf nicht vorgebracht und ist auch dem Akt nicht zu entnehmen. Das Tatbild des § 1a Abs 3 Oö. PolStG ist sohin als erfüllt anzusehen.

 

d) § 1a Abs 3 Oö. PolStG stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Der Bf hat keine dem § 38 VwGVG iVm § 5 VStG entsprechende Glaubhaftmachung dargelegt und sind derartige Umstände auch nicht indiziert. Sohin ist die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen.

 

Mit seinem weiteren Vorbringen vermag der Bf auch keinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund aufzuzeigen. Insbesondere der implizit angesprochene wirtschaftliche Notstand – sei es in direkter oder indirekter Form – vermag den Bf weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen (s dazu grundlegend Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, Z 12 Rz 10, 29 und Z 20 Rz 12 mwN). Eine rechtfertigende Pflichtenkollision scheidet aufgrund des Nichtvorliegens der Rechtfertigungssituation ebenso aus.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken entstehen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund der Ausführungen des Bf in der Beschwerde nicht, da die Bezugnahme auf die Meinungsfreiheit nicht nachvollzogen zu werden vermag.

 

e) Betreffend die Strafbemessung gilt es festzuhalten, dass diese vom Bf in seiner Beschwerde nicht bekämpft wird (§ 27 VwGVG). Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist zudem auch nicht ersichtlich, dass der Strafbemessung der belangten Behörde, welche die einschlägige Vormerkung des Bf berücksichtigt und in Bezug auf die Beurteilung der spezialpräventiven Wirkung der Strafe kein relevantes Vermögen des Bf angenommen hat, entgegen getreten werden könnte.

 

f) In diesem Sinn ist dem Bf auch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe aufzuerlegen (vgl § 52 VwGVG).

 

 

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da hinsichtlich der Frage, ob jedwede Form der Bettelei bei der Mitführung von Kindern verboten ist, der Wortlaut des § 1a Abs 3 Oö. PolStG völlig unzweideutig ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer