LVwG-500218/17/Wg

Linz, 01.09.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des Dipl.-Ing. R S, vertreten durch WX Rechtsanwälte GmbH, Dr. A G, X, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. April 2016, GZ: Wa96-39-2016, betreffend eine Übertretung des Wasserrechtsgesetzes den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.1.      Im verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis vom 9. April 2016,
GZ: Wa96-39-2016, wirft die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer (Bf) eine zustimmungs­pflichtige Indirekteinleitung ohne Zustimmung der Marktgemeinde X als Kanali­sationsunternehmen im Tatzeitraum 1. Jänner 2016 - 18. Februar 2016 vor
(§ 137 Abs. 1 Z 24 iVm § 32b Abs. 1 WRG).

 

1.2.      Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die das Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich antragsgemäß am 10. August 2016 eine Verhandlung durchführte. Zusammengefasst bringt der Bf gegen das Straf­erkenntnis zwei grundsätzliche Beschwerdepunkte ins Treffen. Einerseits liege ohnedies eine bestehende Zustimmungserklärung vor, die seit dem Jahr 1986 unverändert bzw. unbefristet vorhanden ist. Schon deshalb könne der Vorwurf, es liege keine Zustimmung im Sinne des § 32b WRG vor, nicht berechtigterweise erhoben werden. Da schon vor Inkrafttreten des § 32b WRG eine Zustim­mungserklärung vorgelegen sei, könne § 32b WRG nicht maßgeblich sein. Des Weiteren sei festzuhalten, dass - selbst unter Annahme, es wäre hier noch eine gesonderte Zustimmungserklärung erforderlich - diese von der Marktgemeinde nicht verweigert werden dürfte bzw. nicht unter Hinweis auf nicht in der AEV-Xwirtschaft vorgesehene Parameter verweigert werden dürfte. Die AEV-Xwirtschaft sehe eben keinen Grenzwert für schwerflüchtige lipophile Stoffe vor, sondern treffe lediglich für direkt abscheidbare lipophile Leichtstoffe eine Vorgabe. Die von der Marktgemeinde X in der Zustimmungserklärung vom 6. Juli 2015 vorgeschlagene Vorgabe für schwerflüchtige lipophile Stoffe sei nicht von der AEV-Xwirtschaft gedeckt und verstoße insoweit gegen das Will­kürverbot.

 

1.3.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat wie folgt Beweis erhoben: Einsichtnahme in die vorgelegten Verfahrensakte, Anhörung des
Dipl.-Ing. S als Verfahrenspartei und des Dipl.-Ing. C H als informierte Auskunftsperson der Marktgemeinde X, Einvernahme der Amtssachverständigen (ASV) für Chemie Dipl.-Ing. M B. Nachdem der Bf auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet hatte, verfügte der Verhandlungs­leiter den Schluss der Beweisaufnahme und gab dem Bf die Gelegenheit, ein Schlussvorbringen zu erstatten.

 

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

2.1. Allgemeines:

 

Die M X GmbH betreibt im Gemeindegebiet der Marktgemeinde X eine X und leitete im angelasteten Tatzeitraum 1. Jänner 2016 - 18. Februar 2016 betriebliche Abwässer in die Ortskanalisation der Markt­gemeinde X ein. Die Marktgemeinde X ist Kanalisations­unternehmen und Bewilligungsinhaberin der wasserrechtlich bewilligten Kanalisationsanlage. Handelsrechtliche Geschäfts­führer der M X GmbH waren im Zeitraum 1. Jänner 2016 - 18. Februar 2016 Dipl.-Ing. S und Mag. D (Erörterung Akteninhalt Tonbandprotokoll Beilage zu ON 16 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Für die Einleitung der Xabwässer in die Ortskanalisation der Marktgemeinde wurde mit Bescheid vom 5. September 1984 eine unbefristete wasserrechtliche Bewilligung erteilt. Dieser Bewilligung liegt die zwischen M X GmbH und Marktgemeinde X abgeschlossene Verein­barung vom 27. März 1986 zugrunde. Gemäß Punkt II.2. dieser Vereinbarung hat die M bei Einleitung der Abwässer alle jene Bedingungen und Auflagen einzuhalten, die im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 5. September 1984 vorgeschrieben wurden. Die Vereinbarung wurde „auf die Dauer des Betriebs der gegenständlichen Abwasserbeseitigungsanlage“ abge­schlos­sen (Bescheid Beilage A, Vereinbarung Beilage B jeweils zu ON 13 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Mit Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetznovelle 1997 und der Indirektein­leiter­verordnung BGBl. Nr. 222/1998 entfiel die wasserrechtliche Bewilligungspflicht. Die belangte Behörde ging davon aus, dass keine wirksame Zustimmung des Kanalisationsunternehmens vorlag und forderte die M X GmbH mit Schreiben vom 31. März 2003 auf, eine solche bis 30. Juni 2003 vorzulegen. In weiterer Folge erteilte die Marktgemeinde zuletzt befristet bis 31. Dezember 2015 gesondert die Zustimmung zur Indirekt­einleitung. Die Marktgemeinde übermittelte der M X GmbH über deren Antrag mit Schreiben vom 6. Juli 2015 eine Zustimmungserklärung, in der unter anderem nähere Vorgaben für Qualität und Quantität (Punkt A), Verletzung der Vertragspflichten (Punkt E) und Kosten (Punkt F) enthalten sind. Schwerflüchtige lipophile Stoffe sind laut der Zustimmung auf max. 100 mg/l beschränkt. Unter Punkt E ist unter anderem vorgesehen: „Bei Verletzung der auf Grund der jeweiligen Kanalgebührenordnung der Gemeinde gegenüber bestehenden Zah­lungs­pflichten des Indirekteinleiters erfolgt die 1. schriftliche Mahnung 14 Tage nach Eintritt der Fälligkeit …“ Punkt F untergliedert sich in die Punkte F1 und F2. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2015 übermittelte die M X GmbH der Marktgemeinde die Zustimmungserklärung, wobei die unter Punkt A enthal­tene Vorgabe „schwerflüchtige lipophile Stoffe max. 100 mg/l“ gestrichen wurde und stattdessen handschriftlich eingefügt wurde: „direkt abscheidbare lipophile Leichtstoffe max. 100 mg/l“. Ein Absatz des Punktes E sowie die Punkte F1 und F2 waren ebenfalls gestrichen. Die Marktgemeinde hat sich mit diesen Abän­derun­gen bzw. Streichungen bislang nicht einverstanden erklärt (Schreiben Beilage D zu ON 13 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes, Schreiben der Markt­gemeinde ON 1 des Behördenaktes).

 

2.2. Zu den in Punkt A erwähnten schwerflüchtigen lipophilen Stoffen wird festgestellt:

 

Der von der M X GmbH vorgeschlagene Wert von max. 100 mg/l für den Parameter „direkt abscheidbare lipophile Leichtstoffe“ ent­spricht der Emissions­begrenzung der Einleitung in eine öffentliche Kanalisation in der derzeit gültigen branchenspezifischen Verordnung, die der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 33b Abs. 3 WRG erlassen hat. Bei dem von der Marktgemeinde X vorgeschlagenen Wert von 100 mg/l für den Parameter „schwerflüchtige lipophile Stoffe“ handelt es sich um einen Parameter, dessen Festlegung gemäß Fußnote I in Anlage A der branchenspezifischen Verordnung lautet: Die Festlegung des Parameters direkt abscheidbarer lipophiler Leichtstoffe erübrigt eine Festlegung für den Parameter schwerflüchtige lipophile Stoffe.“ Aus fachlicher Sicht ist für die M X GmbH nicht der von der Marktgemeinde herangezogene Parameter „schwer­flüchtige lipophile Stoffe“ maßgeblich, sondern der in der branchenspezifischen AEV-Xwirtschaft definierte Parameter „direkt abscheidbare lipophile Leichtstoffe“, wie es von der M X GmbH auch eingewendet wird (Angaben ASV Dipl.-Ing. B, Tonbandprotokoll Beilage zu ON 16 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Richtig ist, dass in den zuvor erteilten Zustimmungsvereinbarungen bis
31. Dezember 2015 der Parameter schwerflüchtige lipophile Stoffe grundsätzlich nicht als Grenzwert definiert wurde, sondern eben hier auf die direkt abscheidbaren lipophilen Leichtstoffe abgestellt wurde. Im Rahmen des Unter­suchungsprogrammes der M X GmbH wurden aber die schwerflüchtigen lipophilen Stoffe untersucht. Aus Sicht der Marktgemeinde X stand es dem Betrieb frei, die schwerflüchtigen lipophilen Stoffe oder die direkt abscheidbaren lipophilen Leichtstoffe zu untersuchen. Der Betrieb hat stets die schwerflüchtigen lipophilen Stoffe untersucht. Die direkt abscheidbaren lipophilen Leichtstoffe sind eine Teilmenge der schwerflüchtigen lipophilen Stoffe. Wird der Parameter bezüglich der schwerflüchtigen lipophilen Stoffe eingehalten, gilt daher auch der Grenzwert für direkt abscheidbare lipophile Leichtstoffe als eingehalten. Im Hinblick auf die Praxis der M X GmbH, hier die schwerflüchtigen lipophilen Stoffe zu untersuchen, nahm die Marktgemeinde X in die letzte Zustimmungserklärung vom 6. Juli 2015 unmittelbar die schwerflüchtigen lipophilen Stoffe auf, anstelle der direkt abscheidbaren lipophilen Leichtstoffe, wie es in den Zustimmungs­erklärungen davor der Fall gewesen ist.  Es wurde darauf abgestellt, um Problemen bei der Kläranlage vor­zu­beugen. Der Grenzwert schwerflüchtige lipophile Stoffe von max. 100 mg/l laut den alten Zustimmungsvereinbarungen wurde im Zeitraum 2015 und 2016 nicht überschritten. Als Vorsorgemaßnahme wollte die Marktgemeinde X in Zukunft diesen Grenzwert auch in die Zustimmungsvereinbarung mit aufnehmen (Angaben Dipl.-Ing. H Tonband­protokoll Beilage zu ON 16 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

2.3. Zu den Punkten E und F der Zustimmungserklärung:

 

Die M X GmbH hat 45,45 % der Errichtungskosten der Abwasser­reinigungsanlage finanziert. In der Vereinbarung vom 27. März 1986 sind für die Nutzung der Abwasserreinigungsanlage Regelungen über die Betriebskosten­abrechnung enthalten. Aus Sicht der Marktgemeinde X sind die Betriebs­kosten für die Anlage gemäß der Vereinbarung vom 27. März 1986 abzurechnen. Seitens der Marktgemeinde X werden seit dem Jahr 1986 hier regelmäßig solche Rechnungen gelegt. Zuletzt wurde mit der Rechnung vom 19. April 2016 hinsichtlich des erstens Quartals 2016 und damit für den Zeitraum 1. Jänner 2016 - 18. Februar 2016 eine Rechnung gelegt und von der M X GmbH auch bezahlt. Eine Kanalbenützungsgebühr ist aus Sicht der Markgemeinde wegen der Vereinbarung vom 27. März 1986 nicht erforderlich. Dies jedenfalls nicht für die Betriebskosten. Aus Sicht der Marktgemeinde sind der M X GmbH die in § 3 Punkt 8 der Kanalgebührenordnung vorgesehenen Gebühren vorzuschreiben. Des Weiteren der im § 5 Abs. 7 unter der Überschrift „Kanalbenützungsgebühren“ zur Abdeckung der Kosten im Zusam­menhang mit der Umsetzung der Indirekteinleiterverordnung (Aufbau eines Katasters, Berichtspflicht etc.) vorgesehene Zuschlag in der Höhe von 90,00 Euro zum Kanalbenützungsentgelt. Das Kanalbenützungsentgelt selber wird nicht nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 f vorgeschrieben, sondern wird eben über die Betriebskostenabrechnung laut Vereinbarung vom 27. März 1986 abge­rechnet. In den zuletzt bis 31. Dezember 2015 geltenden Zustimmungs­erklärungen war unter Punkt F (Kosten) ausdrücklich auch dieser Gebührensatz angeführt. Unter den Punkten F1 und Punkt F2 sind die in der Kanalgebüh­renordnung vorgesehenen Zuschlags­gebühren erwähnt. Die in den Punkten F1 und F2 vorgesehenen Gebührensätze bzw. Kosten werden nicht in der von der X GmbH, X, L, erstellten Betriebskosten­abrech­nung vorgeschrieben, sondern werden von der Gemeinde selber vorgeschrieben (Rech­nungen Beilagen 2 und 3, Kanalgebührenordnung Beilage 4 der Nieder­schrift ON 16 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Parteivorbringen und Angaben Dipl.-Ing. H Tonbandprotokoll Beilage zu ON 16 des verwal­tungs­gerichtlichen Aktes).

 

3. Beweiswürdigung:

 

Einleitend (1.) wird der Verfahrensgegenstand und Ablauf des verwaltungs­gerichtlichen Ermittlungsverfahrens zusammengefasst wieder­gegeben. In der Sache selbst (2.) ergeben sich die Feststellungen schlüssig und widerspruchslos aus den in Klammer angeführten Beweismitteln.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

4.1. Allgemeines zur Indirekteinleitung:

 

Voraussetzung für jede Indirekteinleitung ist die Zustimmung des Kanali­sations­unternehmens (VwGH 2.12.1965, Slg. 6816; 13.4.2000, 97/07/0167,
RdU 28/2000; 23.1.2002, 2000/07/0244). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass jeder Indirekteinleitung ein Vertrag zwischen Indirekteinleiter und Kanalisa­tionsunternehmen - oder eine ähnliche Rechtskonstruktion nach den Kanali­sationsvorschriften des Landes - zu Grunde liegt und damit die Festlegung der Bedingungen für die Indirekteinleitung den Beteiligten überlassen werden kann. Um die Einhaltung seines Konsenses sicherstellen zu können, unterliegt das Kanalunternehmen trotz Anschlusszwanges keinem Kontrahierungszwang, wohl aber einem allgemeinen Willkürverbot. Vor allem öffentliche Kanalisations­unter­nehmen werden daher verpflichtet sein, in vergleichbaren Fällen nach vergleich­baren Bedingungen vorzugehen und in ihren Geschäftsbedingungen sich Wege offen zu halten, die ihnen die Erfüllung ihrer eigenen Pflichten ermöglichen. Die Zustimmung nach § 32b kann auch konkludent erteilt werden. Ob eine bloße faktische Nichtuntersagung der Einleitung als Zustimmung anzusehen ist, hängt davon ab, ob sie unter den Gegebenheiten des jeweiligen Falles als konkludente Zustimmung angesehen werden kann. Die Neuregelung der Indirekteinleitung durch § 32b bzw. die IEV hat nicht bewirkt, dass Zustimmungen, die im Geltungsbereich des § 32 Abs. 4 erteilt wurden, mit dem Inkrafttreten der Neuregelung ihre Wirksamkeit verloren und für bestehende Indirekteinleitungen in jedem Fall eine neue Zustimmung erwirkt werden musste (VwGH 23.1.2008, 2005/07/0031; 24.3.2011, 2009/07/0153). Dies stellt Kanalisations­unternehmen vor erhebliche Probleme bei der Überwachung von älteren Indirekteinleitern. Verweigert das Kanalisationsunternehmen die Zustimmung zur Indirekteinleitung (was wohl ausdrücklich zu erfolgen hätte), so führt dies nicht dazu, dass die Indirekteinleitung bewilligungspflichtig wird, sondern dazu, dass eine Indirekt­einleitung - abgesehen von den Fällen, in denen die Rechtsordnung die Mög­lichkeit bietet, die fehlende Zustimmung des Kanalisationsunternehmens zu ersetzen - nicht stattfinden kann. Die Regelung des § 32b sollte einer Entbüro­kratisierung dienen. Ein wesentliches Element dieser Entbürokratisierung liegt darin, dass ein behördliches Verfahren bei Indirekteinleitern grundsätzlich nur mehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 32b Abs. 5 durchgeführt werden soll, während in den übrigen Fällen die Verantwortung für die Einhaltung der wasserrechtlichen Vorschriften dem Kanalisationsunternehmen und dem Indirekt­einleiter ohne in die Form einer Bewilligung gekleidetes behördliches Dazwischen­treten übertragen wird. § 32b Abs. 1 erster Satz schreibt für Indirekteinleiter die vollständige Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der AEVn verpflichtend vor; die bei Direkteinleitern von der Behörde zu treffende Auswahl der überwachungsbedürftigen Parameter bleibt für nicht bewilligungs­pflichtige Indirekteinleiter der Übereinkunft zwischen Indirekteinleiter und Kanali­sationsunternehmen überlassen. Gleiches gilt für die Überwachungsmodalitäten. Der Gestaltung der (zivil-)rechtlichen Grundlage des Indirekteinleiter­verhält­nisses kommt daher besondere Bedeutung zu (vgl. Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.03 § 32b RZ 8f).

 

4.2. Zur Zustimmungserklärung der Marktgemeinde X:

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine zustimmungspflichtige Indirekteinleitung, auf die entgegen dem Schlussvorbringen des Bf sehr wohl die  AEV-Xwirtschaft anzuwenden ist. Der Rechtsanwalt des Bf argumentierte wie folgt: „Vom Verhandlungsleiter befragt, inwieweit aus Sicht der M X GmbH die ursprüngliche Vereinbarung aus dem Jahr 1986 durch die befristeten Zustimmungserklärungen bzw. Vereinbarungen in den Jahren 2000 ff bis
31. Dezember 2015 ersetzt wurde, gebe ich an, dass die ursprüngliche Vereinbarung hier nicht ersetzt wurde. Die Unterfertigung seitens der M X GmbH erfolgte unsererseits nur aufgrund der falschen Rechtsauskunft der Bezirkshauptmannschaft. Ich verweise dazu auf das vorgelegte Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 31. März 2003. Die ursprünglich erteilte Vereinba­rung bzw. Zustimmung gilt weiter und wird durch die befristeten Zustimmungs­erklärungen, die von 2003 bis Ende 2015 vorliegen, nicht ersetzt. ... Da eine privatrechtliche Vereinbarung vorliegt, ist auch die Gebührenordnung nicht anwendbar.“

 

Dipl.-Ing. H führte als informierte Auskunftsperson der Marktgemeinde dazu aus: „Vom Verhandlungsleiter befragt, ob mit der Rechnung vom
19. April 2016 nicht jedenfalls hinsichtlich des erstens Quartals 2016 und damit für den Zeitraum  1. Jänner 2016 - 18. Februar 2016 eine Zustimmung im Sinne des § 32b WRG vorliegt, gebe ich an, dass aus unserer Sicht keine Zustimmung hier im Sinne der Indirekteinleiterverordnung vorliegt. Die Zustimmungs­erklärung würde bzw. müsste ja auch insbesondere Berichtspflichten und ähnliches erfassen, wie wir sie im Schreiben vom 6. Juli 2015 angeführt haben. Vom Verhandlungsleiter befragt, wieso hier eine Betriebskostenabrechnung unter Hinweis auf eine Vereinbarung vom 27. März 1986 erfolgt und nicht etwa eine Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühr, gebe ich an, dass aus unserer Sicht hier eben die Betriebskosten gemäß der Vereinbarung vom 27. März 1986 mit Rechnung abzurechnen sind. Eine Gebührenvorschreibung ist wegen der Vereinbarung vom 27. März 1986 nicht erforderlich. Dies jedenfalls nicht für die Betriebskosten.“

 

Aus Sicht der Marktgemeinde (2.3.) ist die ursprünglich vereinbarte Betriebs­kostenabrechnung nach wie vor gültig und werden auch entsprechende Rechnungen gelegt. Zivilrechtliche Vereinbarungen über die Indirekteinleitung sind gemäß § 32b WRG zulässig und erforderlich. Beide Vertragsparteien sehen die Vereinbarung vom 27. März 1986 betreffend die Betriebskosten als wirksam an. Die „Benützung“ der Kanalisationsanlage ist daher dem Grunde nach von der Vereinbarung aus dem Jahr 1986 erfasst und ergibt sich daraus eindeutig
(§ 914 ABGB) die Zustimmung zur Indirekteinleitung.

 

Nach den Feststellungen (2.1., 2.2.) ist nicht ausreichend nachvollziehbar, weshalb die Gemeinde nunmehr ihr Einverständnis von einem Grenzwert betreffend „schwerflüchtige lipophile Stoffe“ abhängig macht. Nach der AEV- Xwirtschaft kommt es auf die vom Bf herangezogenen „direkt abscheidbaren lipophilen Leichtstoffe“ an.

 

Die Punkte E und F stellen auf die Kanalgebührenordnung ab (2.1., 2.3.). Über die Frage der Aufrechnung gegen die Abgabenschuld mit zivilrechtlichen Gegenforderungen des Abgabepflichtigen ist weder im Abgabenfest­setzungs­verfahren noch im wasserrechtlichen Verfahren abzusprechen (vgl. VwGH 28.2.2000, 99/17/0323; 24.5.2016, Ra 2014/07/0037). Schließlich wird man gemäß Art. 116 Abs. 2 und Art. 118 Abs. 2 B-VG iVm § 879 ABGB bzw.
Oö. GemO - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.2.2000, 99/17/0323, andeutet - einen Handlungsspielraum für privatrecht­liche Vereinbarungen annehmen können, die zwar unter Umständen auf das Entstehen der Abgabenschuld keinen Einfluss haben, auf deren Grundlage aber eine zu verrechnende Abgabe letztlich als entrichtet gilt. Die Zustimmung zur Indirekteinleitung ist gemäß § 32b WRG jedenfalls nicht mit den Gebühren­tatbeständen verbunden.

 

Die M X GmbH hat im angelasteten Tatzeitraum keine Indirekt­einleitung ohne Zustimmung der Marktgemeinde im Sinne des § 32b WRG vorgenommen. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

5. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil keine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes dazu vorhanden ist, ob einvernehmliche Regelungen über die Betriebskosten unbeachtlich sind oder als gemäß § 32b WRG erforderliche privat­rechtliche Zustimmungserklärung und zivilrechtliche Abrechnungsmodalität wechselseitiger (Gegen)forderungen anzusehen sind (vgl. VwGH 28.2.2000, 99/17/0323; 24.5.2016, Ra 2014/07/0037).

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs-gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesver­waltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl