LVwG-300995/13/KLi/HG

Linz, 06.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine RichterinDr. Lidauer über die Beschwerde des A.S., geb. x, x, O., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P.M., x, B., gegen das Straferkenntnis der Bezirks­hauptmannschaft Gmunden vom 11. Februar 2016, GZ: SV96-93-2015, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verwaltungsstraf­verfahrens noch des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (in der Folge: belangte Behörde) vom 11. Februar 2016, GZ: SV96-93-2015, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe iHv. 1.460,00 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 224 Stunden gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verhängt, weil er als Verantwortlicher der Firma S. GmbH mit Sitz in O., X, dafür verantwortlich war, dass zwei näher bezeichnete Personen, welche am 16. April 2015 um 22:10 Uhr für das Unternehmen tätig waren, vor Arbeitsantritt nicht zur Pflichtversicherung bei der Oberösterreichischen Gebiets­krankenkasse angemeldet worden sind.

 

Im Detail liegen dem Straferkenntnis folgende zwei Tatvorwürfe zugrunde:

 

"1) Sie haben als Verantwortlicher der Firma S. GmbH mit Sitz in O., X, zu verantworten, dass die genannte Firma als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, am 16.04.2015 um 22:10 Uhr beschäftigt hat, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurde. Die genannte Firma wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

 

Name des Beschäftigten:

M.M., geb. x

 

Arbeitsantritt:

09.04.2015

 

Beschäftigungsort:

O., X

 

Tatort:

Gemeinde O., X

 

Tatzeit:

16.04.2015, 22:10 Uhr

 

 

2) Sie haben als Verantwortlicher der Firma S. GmbH mit Sitz in O., X, zu verantworten, dass die genannte Firma als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, am 16.04.2015 um 22:10 Uhr beschäftigt hat, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurde. Die genannte Firma wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

 

Name des Beschäftigten:

M.S., geb. x

 

Arbeitsantritt:

11.04.2015

 

Beschäftigungsort:

O., X

 

Tatort:

Gemeinde O., X

 

Tatzeit:

16.04.2015, 22:10 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) § 111 Abs. 1 Ziff. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz idgF.

2) § 111 Abs. 1 Ziff. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz idgF.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1)         730,00 Euro
2)         730,00 Euro

112 Stunden
112 Stunden

-
-

§ 111 Abs. 1 ASVG
§ 111 Abs. 1 ASVG

 

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

-

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 146,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen, das sind 10 % der Strafe;

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher:

1.606,00 Euro"

 

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass durch die Abgabenbehörde bei einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und Erhebungen nach § 89 Abs. 3 Einkommensteuergesetz die r. Staatsangehörigen Herr M.M., geb. x, und Herr M.S., geb. x, im Seehotel in O., X, deren Eigentümerin die S. GmbH ist, Arbeitstätigkeiten auf der dortigen Baustelle verrichtet haben. Eine Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozial­versicherungsträger hat ergeben, dass weder Herr M. noch Herr S. zum Zeitpunkt der Kontrolle von der S. GmbH zur Sozial­versicherung angemeldet waren.

 

Wie von den Kontrollorganen der Abgabenbehörde eindeutig festgestellt, wurden Herr M. und Herr S. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten.

 

Bezüglich der Angaben des Bf, dass Herr S. der Bruder seiner Gattin und Herr M. ein guter Freund sei und beide keine Bezahlung erhalten würden, stellte die belangte Behörde fest, dass es nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht, dass eine Person so ohne weiteres einer Kapitalgesellschaft "zur Hand geht" und über die erbrachte Leistung nicht einmal eine Gegenleistung erhält. Auch wenn Herr M. und Herr S. zwar übereinstimmend angaben, dass sie keine Entlohnung erhalten würden, gaben sie jedoch auch an, dass sie zumindest weisungsgebunden und über mehrere Tage hinweg beschäftigt waren. Die Argumentation des Bf, dass es sich lediglich um einen Freundschaftsdienst (Gefälligkeitsdienst) bzw. familiären Beistand gehandelt hätte, vermochte die belangte Behörde daher nicht zu überzeugen und wurde als bloße Schutz­behauptung gewertet.

 

Die belangte Behörde stellte daher fest, dass es sich im gegenständlichen Fall sehr wohl um ein Arbeitsverhältnis, zumindest jedenfalls um ein arbeitnehmer­ähnliches Verhältnis, handelt. Für die Beurteilung, ob eine Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis vorliegt, ist ausschließlich der wahre wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die Dienstnehmer waren daher als Beschäftigte von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG nicht ausgenommen und waren daher voll zu versichern.

 

Zur Strafbemessung ging die belangte Behörde von einem monatlichen Netto­einkommen in der Höhe von 2.000,00 Euro aus. Da der Bf unbescholten war, wurde eine Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens festgesetzt.

 

2. Mit Schreiben vom 22. März 2016 erhob der Bf in rechtsfreundlicher Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin zusammengefasst wie folgt aus:

 

Bei der Abgrenzung eines Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienstes von einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Die belangte Behörde hätte daher die Gattin des Bf, Frau I.S., sowie Herrn S. und Herrn M. einvernehmen müssen, um zu erkennen, dass Hilfsdienste im Rahmen einer familiendienstlichen bzw. freundschaftlichen Mithilfe, unentgeltlich und in geringfügigem Rahmen bei lediglich einfachen manuellen Verrichtungen erfolgten.

 

Weiters traf die belangte Behörde keine Feststellungen darüber, welche Position der Bf innerhalb der S. GmbH ausfüllt. Der Bf ist sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter der S. GmbH, weswegen eine echte Trennung zwischen dem Bf als natürliche Person und der GmbH bei der Beurteilung, ob Gefälligkeitsdienste für eine natürlich Person oder für eine Kapitalgesellschaft vorliegen, de facto nicht möglich ist.

 

Die belangte Behörde trifft auch keine Feststellung über den Familiengrad zwischen dem Bf und Herrn S. Dadurch würde sich der familiäre Bezug im Sinn einer spezifischen Bindung des Herrn S. zum Bf und dessen Intention bei seinen Hilfsdiensten ergeben. Ebenso wird keine Feststellung bezüglich des Verhältnisses von Herrn M. zum Bf getroffen. Herr M. ist ein langjähriger Freund des Bf, welcher seinerseits Herrn M. vor einigen Jahren auch im Rahmen eines Umzugs geholfen hat.

 

Auch der Umstand, dass der Bf für die Umbauarbeiten hauptsächlich Professionisten mit nicht unerheblichen Auftragsvolumen eingesetzt hat, wurde von der belangten Behörde nicht berücksichtigt. Dadurch würde sich aber insgesamt zeigen, dass es sich bei den Arbeiten von Herrn S. und Herrn M. lediglich um untergeordnete, kleine Tätigkeiten gehandelt hat. Für die Annahme der belangten Behörde, dass die beiden dem Bf auch disziplinär verantwortlich gewesen wären, liegen keine Hinweise vor.

 

Es sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass diese von einer organisatorischen Eingliederung aufgrund einer Weisungsbefugnis ausgeht. Insgesamt sei aus rechtlicher Sicht das Vorliegen von Gefälligkeits­diensten zu bejahen und die belangte Behörde hätte zum Schluss kommen müssen, dass aufgrund der Art und Ausgestaltung der Arbeiten bzw. deren kurzfristiger Dauer und insbesondere aufgrund der bestehenden spezifischen Bindungen, der Freiwilligkeit der Leistungen und der Unentgeltlichkeit keine Verstöße gegen das AuslBG oder das ASVG vorliegen.

 

Selbst bei Vorliegen des von der belangten Behörde angenommenen Sach­verhalts hätte diese lediglich eine Ermahnung erteilen müssen. Dies insbesondere in Hinblick auf die verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit des Bf und die Tatsache, dass Professionisten eingesetzt wurden. Das von der belangten Behörde verhängte Strafausmaß ist beim vorliegenden Strafrahmen jedenfalls zu hoch angesetzt.

 

Der Bf stellte daher die Anträge, den Bescheid – eventuell nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ersatzlos aufzuheben oder lediglich eine Ermahnung zu erteilen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 24. März 2016 zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, das Beschwerdevorbringen und die öffentliche mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2016. Bei der mündlichen Vorhandlung wurden seitens des Bf mehrere Rechnungen vorgelegt, die zeigen sollen, dass für einzelne Tätigkeiten die Leistungen von konzessionierten Betrieben in Anspruch genommen wurden.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Firma S. GmbH mit Sitz in O., X. Das S an derselben Adresse befindet sich im Eigentum der S. GmbH.

 

Am 16. April 2015 um etwa 22:10 Uhr gab es eine Kontrolle durch die Finanz­polizei Gmunden Vöcklabruck auf der Baustelle im oben genannten S. Zu diesem Zeitpunkt haben der Bf, Herr M.M. und Herr M.S. auf der Baustelle gearbeitet.

 

Herr M.M., geb. x, ist r. Staatsbürger und hat im Zeitraum vom 9. April 2015 bis 16. April 2015 auf der Baustelle im oben genannten S geholfen. Herr M. ist ein langjähriger Freund des Bf und hat diesen besucht, nachdem er in K. (T.) eine Kur gemacht hatte. Für die Arbeiten auf der Baustelle, bei denen es sich um einfache Hilfs­tätigkeiten gehandelt hat, hat Herr M. kein Entgelt bekommen, sondern er hat diese als freundschaftliche Gefälligkeit für den Bf durchgeführt. Er war in diesem Zeitraum nicht bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflicht­versicherung angemeldet.

 

Herr M.S., geb. x, ist r. Staatsbürger und hat im Zeitraum vom 11. April 2015 bis 16. April 2015 auf der Baustelle im oben genannten Seehotel geholfen. Herr S. ist der Bruder der Gattin des Bf und hat diesen – wie auch schon öfters in der Vergangenheit – besucht und hat in der Zeit des Besuchs auch Ausflüge in der Umgebung unternommen. Für die Arbeiten auf der Baustelle, bei denen es sich um einfache Hilfstätigkeiten gehandelt hat, hat Herr S. kein Entgelt bekommen, sondern er hat diese als verwandtschaftliche Gefälligkeit für den Bf durchgeführt. Er war in diesem Zeit­raum nicht bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflicht­versicherung angemeldet.

 

Für professionelle Arbeiten auf der Baustelle im S der S. GmbH hat der Bf konzessionierte Betriebe beauftragt.

 

 

II.             

 

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich überwiegend aus dem vorgelegten Akt.

 

Von wesentlicher Bedeutung war die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Bf und Herrn S. oder Herrn M. vorgelegen hat, insbesondere ob es sich um eine entgeltliche Tätigkeit gehandelt hat oder von einem bloßen Gefälligkeitsdienst auszugehen war. Hierzu wurden bei der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2016 Frau I.S., Herr M.M. und Herr M.S. als Zeugen einvernommen.

 

Herr M. und Herr S. gaben an, dass es sich bei den Arbeiten um einfache Hilfstätigkeiten, wie zum Beispiel das Transportieren von Möbeln, auf der Baustelle im Seehotel gehandelt hat. Dass professionelle Arbeiten durch konzessionierte Betriebe durchgeführt worden sind, konnte der Bf anhand von Rechnungen darlegen, welche er der belangten Behörde mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 sowie dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2016 vorgelegt hat.

 

Dass Herr M. ein freundschaftliches Verhältnis zum Bf hat, kann als unstrittig angenommen werden. Fraglich ist nur, inwieweit bei einer solchen Freundschaft von einem Naheverhältnis ausgegangen werden kann, die einen unentgeltlichen Gefälligkeitsdienst als glaubwürdig erscheinen lässt. Herr M. war auf Kur in K. (T.) und hat danach den Bf in dessen S besucht. Er hat somit die Reise von R. nach Österreich nicht zwecks einer Tätigkeit auf der Baustelle des Bf unternommen, sondern hat die Reise genutzt, um sich (auch) das Hotel des Bf anzusehen. Dass Herr M. dabei kostenlos im Hotel untergebracht gewesen ist, ist im Rahmen des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen ihm und dem Bf nicht ungewöhnlich und war keine Gegenleistung für die Hilfstätigkeit auf der Baustelle. Es war laut Aussage von Herrn M. für ihn selbstverständlich, dem Bf unentgeltlich zu helfen. Umgekehrt hat auch der Bf vor einigen Jahren Herrn M. mehrere Tage beim Umzug in R. geholfen. Zur Beurteilung der Frage, ob solche unentgeltlichen Gefälligkeits­dienste nur auf Grund einer freundschaftlichen Beziehung glaubwürdig sind, ist auch zu berücksichtigen, dass laut übereinstimmender Aussagen aller Beteiligten unentgeltliche Gefälligkeiten zwischen Verwandten und Freunden in R. üblicher sind als in Österreich. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände sowie der Zeugenaussagen bei der mündlichen Verhandlung gibt es für das erkennende Gericht keinen Grund an der Darstellung zu zweifeln, dass Herr M. die Tätigkeiten auf der Baustelle unentgeltlich für den Bf als Gefälligkeits­dienst durchgeführt hat. Selbst wenn es leichte Zweifel gäbe, so wäre aufgrund der nicht unglaubwürdigen Aussagen der Zeugen, welche auch der allgemeinen Lebenserfahrung nicht gänzlich widersprechen, in dubio pro reo von einer Unentgeltlichkeit auszugehen.

 

Dass Herr S. der Schwager des Bf (der Bruder der Gattin des Bf) ist, ergibt sich unzweifelhaft aus den im Akt vorliegenden Urkunden. Herr S. gab bei der mündlichen Verhandlung an, dass es für ihn selbstverständlich gewesen sei, dem Bf zu helfen. Der Bf würde ihm umgekehrt genauso helfen, sie seien schließlich eine Familie. Herr S. war insgesamt zwei Wochen beim Bf und hat aber auch nicht die ganze Zeit über geholfen, sondern hat auch Urlaub gemacht und Ausflüge unternommen. Herr S. hat für die Unterkunft im Hotel nichts bezahlt. Dies war jedoch keine Gegenleistung für seine Hilfstätigkeit, vielmehr war in der Vergangenheit auch schon die ganze Familie zu Besuch und hat kostenlos beim Bf gewohnt. Es war auch für Frau I.S., die Gattin des Bf und Schwester von Herrn S., eine Selbstverständlichkeit, dass ihr Bruder für die Hilfstätigkeiten kein Entgelt bekommen hat, da dies keine Arbeit sondern „in der Familie“ gewesen ist. Für das erkennende Gericht gibt es keinen Grund an der Darstellung zu zweifeln, dass Herr S. die Tätigkeiten auf der Baustelle unentgeltlich für den Bf als Gefälligkeitsdienst durchgeführt hat. Weder die kostenlose Unterbringung von Herrn S. im Seehotel noch die unentgeltliche Tätigkeit auf der Baustelle durch Herrn S. widersprechen der allgemeinen Lebenserfahrung. Noch dazu ist zu berücksichtigen, dass laut übereinstimmender Aussagen aller Beteiligten unentgeltliche Gefälligkeiten zwischen Verwandten und Freunden in R. üblicher sind als in Österreich.

 

Auch die Aussage des Bf, dass es für ihn schwierig gewesen sei, bezahlte Arbeits­kräfte zu finden, welche ihm auf der Baustelle bei solchen Tätigkeiten geholfen hätten, die Herr M. und Herr S. durchgeführt haben, kann nicht als Bestätigung dafür gesehen werden, dass eine entgeltliche Leistung vorgelegen hat. Zusätzlich haben sowohl Herr S. als auch Herr M. in den Personenblättern der Finanzpolizei unabhängig voneinander angegeben unentgeltlich einen Freundschafts- bzw. Familiendienst zu verrichten.

 

 

III.            

 

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 und Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm. § 3 VwGVG ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig. Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

2. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 2/2015, sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab) meldung durch den Dienst­geber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs. 1a ASVG kann der Dienstgeber die Anmeldeverpflichtung (auch) so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheits­strafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

3. Eine Strafbarkeit gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG liegt dann vor, wenn es ein Dienstgeber verabsäumt hat, einen Dienstnehmer vor Arbeits­antritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Ein Dienst­nehmer im Sinne des ASVG ist jemand, der vom Dienstgeber in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

 

Wesentlich ist also, dass der Beschäftigte für die Tätigkeit auch ein Entgelt erhält. Unentgeltliche Tätigkeiten sind daher aus dem Anwendungsbereich des ASVG und der Pflicht zur Meldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger ausgenommen.

 

4. Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienst­verhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht atypische Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Spricht also die Vermutung für ein Dienst­verhältnis, dann muss die dies bestreitende Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man Anderes ableiten könnte (vgl. VwGH vom 16.11.2011, Zl. 2008/08/0262, vom 19.12.2012, Zl. 2012/08/0165, sowie vom 15.05.2013, Zl. 2011/08/0130).

 

Als solche atypischen Umstände macht der Bf das Vorliegen unentgeltlicher Gefälligkeitsdienste auf Grund familiärer bzw. verwandtschaftlicher Bindung geltend.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Unentgeltlichkeit einer Verwendung bzw. ein Gefälligkeitsdienst nicht schon bei bloßem Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten. Die Unentgeltlichkeit muss vielmehr - wenigstens den Umständen nach konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in einer idealistischen Einstellung begründet sein. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind insbesondere kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden. Es ist Sache der Partei, hiezu entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. nochmals VwGH vom 19.12.2012, Zl. 2012/08/0165 sowie VwGH vom 14.03.2013, Zl. 2010/08/0229).

 

5. Wie unter Punkt II. dargelegt, hat der Bf das Vorhandensein solcher spezifischen Bindungen darlegen können, die eine unentgeltliche Leistung durch Herrn M. und Herrn S. als glaubwürdig erscheinen lassen.

 

Der Bf ist mit Herrn M. schon seit längerer Zeit befreundet und hat diesem auch in der Vergangenheit unter anderem mehrere Tage bei einem Umzug in R. unentgeltlich geholfen. Die kostenlose Unterbringung von Herrn M. im Seehotel war in diesem Fall auch nicht als Gegenleistung für die Hilfsdienste anzusehen, weil Herr M. auch ohne die Erbringung dieser Dienste beim Bf unentgeltlich hätte wohnen können.

 

Zwischen dem Bf und Herrn S. besteht ein enges verwandtschaftliches Verhältnis, da der Bf mit Herrn S. verschwägert ist; die Tochter des Bf ist sein Patenkind. Die kostenlose Unterbringung von Herrn S. im Seehotel war in diesem Fall auch nicht als Gegenleistung für die Hilfsdienste anzusehen, weil Herr S. auch in der Vergangenheit ohne die Erbringung dieser Dienste beim Bf unentgeltlich wohnen hat können.

 

Die durchgeführten Arbeitstätigkeiten waren auch - bezogen auf die gesamte Dauer der Umbauarbeiten im S - als kurzfristig zu qualifizieren.

 

6. Im Gegensatz zu den Ausführungen der belangten Behörde stellt das ASVG auch nicht auf ein „arbeitnehmerähnliches Verhältnis“ ab, sondern verlangt explizit die Beschäftigung gegen Entgelt. Dass die Arbeitsleistung unentgeltlich erbracht worden ist, wurde bereits oben dargelegt.

 

Auch das von der Abgabenbehörde zitierte Merkblatt der Wirtschaftskammer Österreich zur Abgrenzung von familienhafter Mitarbeit gegenüber einem Dienst­verhältnis zum Zwecke der Sozialversicherungspflicht stellt nur eine Orientierungshilfe dar, da es sich bei der Frage, ob ein Dienstverhältnis oder familienhafte Mitarbeit vorliegt, stets um eine Einzelfallbeurteilung handelt. Diese Einzelfallbeurteilung wurde in den obigen Ausführungen vorgenommen.

 

Bezüglich der Vorbehalte, dass es sich bei der Eigentümerin des S, der S. GmbH, um eine juristische Person handelt und deshalb Gefälligkeits­dienste auf Grund eines Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhältnisses nicht möglich seien, ist festzuhalten, dass der Bf alleiniger Eigentümer der S. GmbH ist. Gefälligkeiten für die S. GmbH kommen daher in gleichem Ausmaß dem Bf zu Gute. Eine Unterscheidung bezüglich des Tätigwerdens für eine juristische Person oder eine natürliche Person kann daher für die Beurteilung des Sachverhalts hintangestellt bleiben.

 

7. Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich steht daher fest, dass kein Arbeitsverhältnis im Sinne des ASVG vorgelegen hat, weshalb das Tatbild in objektiver Hinsicht nicht erfüllt wurde.

 

Es war somit im Ergebnis der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 38 VwGVG iVm. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Nachdem der Beschwerde stattgegeben wurde, waren keine Verfahrenskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufzuerlegen.

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer