LVwG-850614/10/Wg

Linz, 13.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der X GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S G, X, R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 19. Mai 2016, GZ: UR30-52-2015, betreffend Verfügung nach § 360 Abs. 1 GewO 1994

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Im Spruch des bekämpften Bescheides entfallen die Wortfolgen „entsprechend den Einreichunterlagen des Ingenieur-Büro
Dipl.-Ing. F W vom 26.06.2004“
sowie „die Manipula­tionen mit einem Radlader auf einen Zeitraum von maximal zwei Stunden und sechs Abkippvorgänge mit LKW. Die Wortfolge „und den im schalltechnischen Projekt der X S GmbH vom 17.06.2004 unter Punkt 2.2.2 festgelegten Materialumschlag auf ein tägliches Umschlagevolumen von 300 – 370 t mit 12-15 Lastkraft­fahrzeugbewegungen“ wird abgeändert und lautet nunmehr „entspre­chend den im schalltechnischen Projekt der X S GmbH vom 17. Juni 2004 unter Punkt 2.2.2 enthaltenen Vorgaben ‚Der maximale Umschlag pro Tag liegt bei 12 bis 15 LKW (300 bis 370 Tonnen)`“. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

 

 

II.      Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

1.1.      Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt im Standort X auf Grundstück Nr. X, KG X, eine gewerbliche Betriebsanlage. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (in der Folge: belangte Behörde) leitete auf Grund von Nachbarbeschwerden ein gewerbepolizeiliches Verfahren nach § 360 Abs. 1 GewO ein und erließ schließlich den bekämpften Bescheid, in dessen Spruch angeordnet wird: „Die X GmbH hat die Lagerung und Manipulation von Baumaterialien und die Zwischenlagerung von Baurestmassen auf den Umfang der gewerbebehördlichen Genehmigung vom 20.07.2004, GZ Ge20-67-2003, entsprechend den Einreichunterlagen des Ingenieur-Büro Dipl.-Ing. F W vom 26.06.2004 und den im schalltechnischen Projekt der X S GmbH vom 17.06.2004 unter Punkt 2.2.2 festgelegten Material­umschlag auf ein tägliches Umschlagevolumen von 300 – 370 t  mit 12-15 Lastkraftfahrzeugbewegungen, die Manipulationen mit einem Radlader auf einen Zeitraum von maximal zwei Stunden und sechs Abkippvorgänge mit LKW in der gewerblichen Betriebsanlage in X, GstNr. X, KG X mit sofortiger Wirkung einzuschränken.“ Begründend stützte sich die Behörde auf den ursprünglichen Genehmigungsbescheid vom 20. Juli 2004, GZ: Ge20-67-2003, und führte aus, die Erweiterung der betrieblichen Tätigkeit sei als unzweifelhaft außer Streit gestellt. Nach Ansicht der Behörde geht aus den im Akt dokumentierten Beschwerden hervor, dass jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum schon vor Erlassung der Verfahrensanordnung vom 22. Jänner 2016 und auch bis zur Erlassung des Bescheides vom 19. Mai 2016 und auch in der Folge mehr als 15 LKW-Fahrbewegungen mit Schotter stattgefunden haben.

 

1.2.      Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde zur Entscheidung vor. Im Vorlage­schreiben beantragte sie, das LVwG möge die Beschwerde als unzulässig zurück- oder als unbegründet abweisen. „In eventu“ erklärte sie einen Widerspruch im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG und beantragte die Behebung und Zurückver­weisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG.  Das LVwG führte am 25. August 2015 eine münd­liche Verhandlung (mV) durch. Die Bf legte in der mV vier weitere gewerbe­rechtliche Bescheide vor und führte aus, es liege kein einziges Beweisergebnis vor, wonach der gewerberechtliche Konsens überschritten worden sei. Das LVwG verwertete in der Beweisaufnahme folgende Beweismittel: Akteninhalt, Anhörung der Verfahrensparteien. Nachdem der Verhandlungsleiter die beabsichtigte Ent­schei­dung vorläufig zur Diskussion gestellt hatte, nahm der Behördenvertreter diese Ausführungen ausdrücklich zustimmend zur Kenntnis. Die Verfahrens­parteien (Bf und belangte Behörde) verzichteten auf eine weitere Beweisauf­nahme, woraufhin der Verhandlungsleiter den Schluss der Beweisaufnahme ver­fügte.

 

2.           Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sach­verhalt fest:

 

2.1.      Zur von der belangten Behörde herangezogenen Genehmigung vom
20. Juli 2004,  GZ: Ge20-67-2003:

 

2.1.1. Diese Genehmigung bezieht sich auf die Errichtung und den Betrieb einer Lagerstätte für Schotter, Aushubmaterial und Baustoffe des Baunebengewerbes, einer Betriebstankstelle, Werkstätte, Brückenwaage für 60 t Nutzlast und von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge. Dieser Genehmigung liegen unter anderem der im bekämpften Bescheid erwähnte „Aufstellungsplan Einreichplan vom 26.06.2004, verfasst von Dipl.-Ing W“ sowie das „schalltechnische Projekt vom 17.06.2004, GZ. X, FMim, verfasst von der X S GmbH zugrunde. Die „Hauptbetriebszeit“ beschränkt sich laut Bescheid vom 20. Juli 2004 auf „Montag bis Freitag von 6.00-18.00 Uhr“ sowie „Samstag von 8.00-14.00 Uhr“ (Bescheid vom 20. Juli 2004 ON 1 des Behördenaktes).

 

2.1.2. Unter Punkt 2.2.2 des schalltechnischen Projektes vom 17. Juni 2004 findet sich zum „Materialumschlag“ folgende Vorgabe: „Der maximale Umschlag pro Tag liegt bei 12 bis 15 LKW (300 bis 370 t).“ Für die innerbetrieblichen Manipulationen des Radladers wird auf Seite 9/27 unter Punkt 2.2.2 eine „durchschnittliche Einsatzzeit“ von 400 Stunden im Jahr und 2 Stunden am Tag angesetzt. Auf Seite 20/27 trifft das schalltechnische Projekt für die „ungünstigsten 8 Stunden“ am Tag folgende Vorgaben:

-      LKW-Zu- und -Abfahrt für An- oder Ablieferung von Schotter (nördliches Betriebs­areal): 12 (je eine Zu- und eine Abfahrt)

-      LKW-Zu- und -Abfahrt für diverse Baumaterialien (Lagerhalle, Sägewerk):
3 (je eine Zu- und eine Abfahrt)

-      LKW-Parkvorgänge im Bereich Tankstelle: 5

-      LKW-Zu- und -Abfahrt (Tankstelle, Parkplatz Süd): 3 (je eine Zu- und eine Abfahrt)

-      LKW-Abkippvorgänge (Schotter und Sand): 6

-      Radladerbetrieb für Verladung von diversen Materialien (Schotter, Sand):
2 Stunden

-      Staplerbetrieb (Lagerhalle, Sägewerk): 1,5 Stunden

-      Summe LKW: 18

(schalltechnisches Projekt vom 17. Juni 2004 ON 3 und Bescheid vom
20. Juli 2004 ON 1, jeweils des Behördenaktes)

 

2.2.      Zu den von der Bf in der mV vorgelegten weiteren vier gewerberechtlichen Bescheiden:

 

2.2.1. Die belangte Behörde nahm mit Bescheid vom 28. April 2008,
GZ: Ge20-67-2003, gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO die Änderung der mit Bescheid vom 20. Juli 2004 bewilligten Lagerstätte für Baumaterialien zum Zwecke der Einlagerung von Rohmaterialien der Firma H GmbH zur Kenntnis. Laut Begründung dieses Bescheides wird im Hinblick auf die genehmigte Lagerhalle und die damit verbundenen Manipulationen mit Stapler und Kraftfahrzeugen das Emissionsverhalten der Anlage nicht geändert. Aus dem Bescheid geht nicht hervor, dass zu der im schalltechnischen Projekt für die ungünstigsten 8 Stunden am Tag festgesetzten Summe von 18 LKW zusätzliche LKW-Fahrbewegungen oder ein zwei Stunden überschreitender Radladerbetrieb vorgesehen sind (Bescheid Beilage 2 der Niederschrift ON 9 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes).

 

2.2.2. Mit Bescheid  vom 20. Dezember 2011, GZ: UR30-91-2011, nahm die belangte Behörde die Anzeige über die dahingehende Änderung des mit Bescheid vom 20. Juli 2004 gewerbebehördlich genehmigten Lagerplatzes, als auf dem Lagerplatz neben den bisherigen Lagergütern auch Altpapier angeliefert und gelagert werden soll, gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 GewO zur Kenntnis. Laut Begründung dieses Bescheides wird im Hinblick auf die genehmigten Lager- und Abstellflächen mit der weiteren Lagerung von Altpapier das Emissions­verhalten der Gesamtanlage nicht nachteilig beeinflusst. Aus dem Bescheid geht nicht hervor, dass zu der im schalltechnischen Projekt für die ungünstigsten
8 Stunden am Tag festgesetzten Summe von 18 LKW zusätzliche LKW-Fahr­bewe­gungen oder ein zwei Stunden überschreitender Radladerbetrieb vorge­sehen sind (Bescheid Beilage 3 der Niederschrift ON 9 des verwaltungs­gericht­lichen Aktes).

 

2.2.3. Mit Bescheid vom 8. Juni 2015, GZ: UR30-92-2014, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 2. Juli 2015 wurde der Bf die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Putzerei- und Sandstrahlrückstände ohne jegliche Behandlung oder Verarbeitung in der gegenständlichen Betriebsanlage erteilt. Punkt 2. der Genehmigung ordnet an: „Die An- und Ablieferung der Bigbags darf nur im Betriebszeitraum Montag bis Freitag von 06:00 bis 18:00 Uhr durchgeführt werden.“ (Bescheide Beilagen 4 und 5 der Niederschrift ON 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

2.3.      Zu den in der Betriebsanlage verrichteten Tätigkeiten und zum behörd­lichen Verfahren im Sinne des § 360 GewO:

 

2.3.1. Im Jahr 2004 verfügte die Bf über das Güterbeförderungsgewerbe mit etwa 14 Lastkraftwägen. In der Zwischenzeit, also bis zum Jahr 2015 /2016 und heute, wurde eben dieser Stand aufgestockt auf 19 LKW. Diese LKW werden zum Umschlag für Schotter und Sand eingesetzt (Parteiangaben Tonbandprotokoll Beilage zu Niederschrift ON 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

2.3.2. Im Nahbereich wohnhafte Personen teilten der belangten Behörde in mehreren Eingaben mit, dass sie sich durch Lärm und Staub belästigt fühlen. Die belangte Behörde nahm bislang von einer zeugenschaftlichen - unter Wahrheits­pflicht erfolgten - Einvernahme der beschwerdeführenden Nachbarn Abstand. Auf Grund der Nachbarbeschwerden forderte die belangte Behörde die Bf unter Punkt 1. der Verfahrensanordnung vom 22. Jänner 2016 auf, „die Lagerung und Mani­pu­la­tion von Baumaterialien und Baurestmassen auf die im Aufstellungs­plan/Einreichplan vom 26.6.2004, verfasst von Ingenieur-Büro Dipl.-Ing. F W, dargestellte Fläche ‚Abbruchmaterial‘ und auf die betrieblichen Frequen­zen in den Fahrbewegungen entsprechend dem schalltechnischen Projekt der X S GmbH vom 17.06.2004 auf den unter Punkt 2.2.2 festgelegten Materialumfang zu beschränken“. Diese Verfahrensanordnung stellt damit aus­drück­lich nur auf den unter Punkt 2.2.2 des schalltechnischen Projektes  gere­gelten „Materialum­schlag“ ab (siehe oben 2.1.2.). Die auf Seite 20/27 des Projektes enthaltenen Vorgaben für die ungünstigsten 8 Stunden am Tag werden nicht angeführt  (schalltechnisches Projekt ON 3 und Verfahrensanordnung ON 13, jeweils des Behördenaktes).

 

2.3.3. Zwischen den Verfahrensparteien belangte Behörde und Bf ist unstrittig, dass nach Erlassung der Verfahrensanordnung die Tätigkeiten entsprechend den Einreichunterlagen des Dipl.-Ing. W vom 26. Juni 2004 angepasst und der rechtskonforme Zustand insoweit bereits vor Erlassung des bekämpften Bescheides hergestellt wurde. Die im bekämpften Bescheid erwähnten sechs Abkippvorgänge mit LKW werden nicht in Punkt 2.2.2 des schalltechnischen Projektes, sondern erst auf Seite 20/27, und zwar als Vorgabe für die
8 ungünstigsten Stunden am Tag, erwähnt. Auch wird unter Punkt 2.2.2 keine maximale, sondern eine durchschnittliche tägliche Einsatzzeit des Radladers festgelegt. Eine Beschränkung auf max. zwei Stunden ergibt sich aus Seite 20/27 für die 8 ungünstigsten Stunden am Tag. Die Verfahrensparteien nahmen insoweit wegen Abweichung von der Verfahrensanordnung die in der mV angekündigte Behebung des Bescheides zur Kenntnis. Abgesehen davon steht nicht fest, dass im ersten Halbjahr 2016 an einem bestimmten Tag der Radlader in einem Zeitraum von acht Stunden länger als zwei Stunden in Betrieb war. Es steht auch nicht fest, dass an einem Tag in den ungünstigsten 8 Stunden mehr als sechs Abkippvorgänge mit LKW stattgefunden haben (Erörterung Tonband­protokoll Beilage zu Niederschrift ON 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Behördenakt).

 

2.3.4. Zu den LKW-Fahrbewegungen wird festgestellt: Der Niederschrift über die mV ist ein Lageplan des Betriebsgeländes als Beilage 6 angeschlossen. Über die mit Kugelschreiber markierte Zufahrt wird zum Betriebsgelände zugefahren. Am 30. Mai 2016 wurde von einem Behördenvertreter vor Ort von ca. 06.50 Uhr bis 13.00 Uhr eine Kontrolle der Fahrbewegungen durchgeführt. Dabei wurde zusam­mengefasst festgestellt, dass 21 LKW das Firmengelände verließen. Derartige Fahrbewegungen sind auch an anderen Tagen im ersten Halbjahr 2016 vorgekommen. Diese 21 Fahrten aus dem Betriebsgelände kann man so aufschlüsseln, dass fünf (5) vermutlich leer zum Betriebsgelände zugefahren sind, um einen Lieferschein abzugeben und dieses Betriebsgelände auch leer wieder verlassen haben. Sieben (7) LKW werden den Tätigkeiten der Firma H zuzurechnen sein. Dann wird es zusätzlich etwa drei (3) Verwiegungen mit LKW geben. Diese drei (3) LKW gehören Fremdfirmen, die eben diese Wiegetätigkeit bei der Bf in Anspruch nehmen. Wenn dann noch sechs (6) LKW übrig anzusehen sind, handelt es sich dabei um klassische Schotterverlade- und Transport­tätigkeiten. Im ersten Halbjahr 2016 wurden in der Woche ca. ein oder zwei Anlieferungen Big-Bags laut Bescheid vom 8. Juni 2015 durchgeführt. Es steht nicht fest,

-       dass im ersten Halbjahr 2016 an einem Tag das Umschlagevolumen Sand/Schotter von 370 t überschritten wurde oder

-       dass an einem Tag im ersten Halbjahr 2016 mehr als 15 Schottertransporte zum Betriebsgelände zu- oder abgefahren sind

(Aktenvermerk ON 22 des Behördenaktes, Angaben J M Tonband­protokoll Beilage zu Niederschrift ON 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

2.3.5. Messergebnisse, wonach immissionsseitig im Konsens enthaltene Vorga­ben überschritten worden wären, liegen nicht vor. Es liegen aber auch keine Beweismittel vor, wonach die Erhöhung von 18 LKW-Ausfahrten auf 21 LKW-Ausfahrten innerhalb der 8 ungünstigsten Stunden am Tag zu keiner Erhöhung der Emissionen führen würde (Behördenakt, verwaltungsgerichtlicher Akt).

 

2.3.6. Da die Bf nach Ansicht der belangten Behörde die Vorgaben laut Bescheid vom 19. Mai 2016 nicht eingehalten hatte, verhängte sie mit Bescheid vom
31. Mai 2016 gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe in der Höhe von 200 Euro. Dagegen wurde mit gesonderter Eingabe Beschwerde erhoben. Die Behörde bezieht sich dabei auf das Ergebnis der Überprüfung vom 30. Mai 2016. Es steht, wie schon erwähnt, fest, dass an diesem Tag im angeführten Zeitraum 21 LKW das Betriebsgelände verlassen haben. Es steht aber nicht fest,

-       dass an diesem Tag das Umschlagevolumen Sand/Schotter von 370 t über­schritten wurde oder

-       dass an diesem Tag mehr als 15 Schottertransporte zum Betriebsgelände zu- oder abgefahren sind

(Schreiben ON 19, Aktenvermerk vom 30. Mai 2016 ON 22 und Bescheid ON 23, jeweils des Behördenaktes).

 

2.3.7. Am 1. Juni 2016 erörterte ein Behördenvertreter im Rahmen einer für die Nachbarn der Bf durchgeführten Informationsveranstaltung die Sach- und Rechts­lage. Die belangte Behörde wandte sich daraufhin mit Schreiben vom
15. Juni 2016, GZ: UR30-10-2016, an die Nachbarn und Bf. Darin teilte sie unter Hinweis auf das Ergebnis der Informationsveranstaltung mit: „Sofern Ihre Zustimmung einer vorübergehenden Duldung des bestehenden Zustandes als erwiesen anzusehen ist, wird der X GmbH im Grunde des § 360 Abs. 1a GewO der Auftrag erteilt, einen Antrag mit Einreichunterlagen zur Genehmigung

1.   einer künftigen Nutzung des Betriebes im bestehenden Standort X bis spätestens zum 30.11.2016 und

2.   für den neuen Standort zur (teilweisen) Auslagerung des Betriebes bis spätestens (!) zum 30.06.2017 einzureichen.

Unabhängig davon wird die X GmbH aufgefordert, die gewerblichen Tätigkeiten auf dem bestehenden Standort X unter möglichster Schonung der Nachbarn zu betreiben, also beispielsweise Tätigkeiten von jetzt auszulagern.“ (Protokoll über die Informationsveranstaltung und Schreiben vom 15. Juni 2016, jeweils ON 4 des Behördenaktes).

 

2.3.8. Eine nachweisliche Duldung sämtlicher Nachbarn liegt aktenkundig nicht vor (Stellungnahme Bf ON 5 und Stellungnahme belangte Behörde ON 3 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

3.           Beweiswürdigung:

 

Der maßgebliche Sachverhalt (2.) ergibt sich aus den in Klammer angeführten Beweismitteln.

 

3.1.      Zu den vorliegenden gewerberechtlichen Bescheiden (2.1. und 2.2.):

 

Der Bescheid vom 20. Juli 2004 (ON 2), die diesem Bescheid zugrundeliegende Verhandlungsschrift (ON 1) und das erwähnte schalltechnische Projekt (ON 3) befinden sich im Behördenakt. Die Bescheide vom 28. April 2008, vom
20. Dezember 2011 und vom 8. Juni 2015 samt Berichtigungsbescheid wurden von der Bf in der mV vorgelegt.

 

3.2.      Zu den in der Betriebsanlage verrichteten Tätigkeiten und zum behörd­lichen Verfahren im Sinne des § 360 GewO (2.3.):

 

Die Feststellungen zur Aufstockung der LKW  stützen sich auf die Angaben der Vertreter der Bf. Die Vertreter der Bf beschrieben anschaulich die Zufahrts­situation anhand eines Lageplanes.

 

Das gegenständliche Verfahren im Sinne des § 360 GewO wurde auf Grund von Nachbarbeschwerden eingeleitet. ON 4 des Behördenaktes enthält ein als „Beschwerde-Akt“ bezeichnetes Dokumentenkonvolut. Zeugenschaftliche Einvernah­men wurden von der Behörde nicht durchgeführt. Die mit Nachbarn am 21. Mai 2015 aufgenommene Niederschrift (ON 5) führte zur Erlassung der Verfahrensanordnung vom 21. Mai 2015 (ON 6) und wurde am 16. Juni 2015 eine behördliche Überprüfung durchgeführt (Niederschrift ON 7). Der in der Folge erlassene Bescheid vom 17. Juni 2015 (ON 8) bezieht sich auf in der Betriebsanlage „gelagerte Baurestmassen“. Am 30. Juni 2015 führte die Behörde eine Überprüfung durch, ob die Vorgaben dieses Bescheides eingehalten wurden (Niederschrift ON 9). Am 4. August 2015 gab ein Nachbar eine Beschwerde zu Protokoll (ON 10), dem ein „Staubprotokoll“ angeschlossen ist. In diesem Protokoll sind mehrere LKW-Fahrten dokumentiert, wird aber - wie schon im „Beschwerde-Akt“ ON 4 - nicht zwischen Zu- und Abfahrten unterschieden. Anzumerken ist, dass die belangte Behörde laut Aktenvermerk vom
15. März 2016 (Bestandteil ON 4) eine Nachbarin darüber informierte, dass die Anzahl der Fahrten (Mischwägen) pro Tag auf 18 beschränkt sei.  Der Aktenver­merk vom 18. und 19. August 2015 (ON 11) dokumentiert Planungen eines Sanierungsprojektes. Mit Schreiben vom 6. August 2015 (ON 12) wurde der Bf die Niederschrift ON 10 mit dem Ersuchen um Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Schließlich leitete die belangte Behörde mit der Verfahrens­anordnung vom 22. Jänner 2016 (ON 13) das nunmehr gegenständliche Verfahren ein, das mit dem Bescheid vom 19. Mai 2016 (ON 14) endete. Anzu­merken ist, dass die Niederschrift vom 19. Mai 2016 über die Beschwerde des Herrn D Bestandteil des Dokumentenkonvolutes ON 4 ist. In der mit Vertretern der Bf am selben Tag aufgenommenen Niederschrift (ON 15) wurde eine Nachbarinformation angekündigt. In ON 16 ist ein Telefonat mit Herrn D festgehalten, wonach am 20. Mai 2016 um 05.38 Uhr der erste LKW „hinausgefahren“ und um 05.40 Uhr der zweite LKW „hineingefahren“ sei. ON 17 enthält Schriftverkehr mit der Abteilung AUWR. ON 18 (Eingabe der E S vom
30. Mai 2016) enthält Beschwerdevorbringen - ohne konkrete Aufschlüsselung und zeitliche Zuordnung - und bezieht sich auf die Informationsveranstaltung vom 1. Juni 2016. Das über die Informationsveran­stal­tung angefertigte Protokoll ist Bestandteil der ON 4, ebenso wie das an Nachbarn und Bf ergangene Schreiben der Behörde vom 15. Juni 2016. Mit Schreiben vom 23. Mai 2016
(ON 19) drohte die belangte Behörde der Bf eine Zwangsstrafe an. Am
30. Mai 2016 gab ein Nachbar bei der belangten Behörde eine Tabelle über betriebliche Manipulationen am 11. April 2016, 13. April 2016, 18. April 2016, 10. Mai 2016, 27. Mai 2016 und 28. Mai 2016 ab (ON 20). Diese Tabellen weisen keine Unterschrift auf und enthalten keinen Hinweis auf den Verfasser. Für
11. April 2016 wurden zwei Tabellen erstellt. Handschriftlich sind zwischen
08.00 Uhr und 17.00 Uhr 35 LKW-Abfahrten notiert. Laut einer zweiten Tabelle wurden für 11. April 2016 26 Ausfahrten notiert. In einer auf 13. April 2016 datierten Tabelle sind handschriftlich betreffend Uhrzeit „07.15 Uhr-08.50 Uhr“ „großer Bagger“ sowie „laufend Lader, zweiter Lader“ eingetragen. Des Weiteren für die Uhrzeit 08.55 Uhr „2 Lader und 2 Bagger, fortlaufend mit kleinen Pausen bis ca. 15.00 Uhr“. Die handschriftlich erstellte Tabelle betreffend 18. April 2016 enthält mehrere Zeitangaben zwischen 08.40 Uhr bis 11.54 Uhr, wobei die handschriftlichen Anmerkungen abgesehen von den Begriffen „Bagger“ und „Stapler-Dauereinsatz“ nicht lesbar sind. Betreffend 10. Mai 2016 ist vermerkt „14.45 Uhr extremer Lärm, große Steine wurden abgeladen 16.40 Uhr extremer Lärm abgeladen“. Eine weitere Tabelle enthält betreffend 27. Mai 2016 eine Aufstellung von 15 Ein- und 22 Ausfahrten (06.00 Uhr bis 12.00 Uhr), für
28. Mai 2016 ist insoweit vermerkt „starker Radladerlärm sehr laut Betriebszeit 08.00 Uhr-14.00 Uhr“. I D brachte befindlichem E-Mail vom 27. Mai 2016 (Dokumentenkonvolut ON 4) vor, es wären am 27. Mai 2016 im Zeitraum von 06.00 Uhr bis um 12.03 Uhr bereits 40 LKW-Fahrbewegungen durchgeführt worden. Ein Protokoll vom 27. Mai 2016 (ON 21) dokumentiert behördliche Erhebungen zwischen 09.30 Uhr und 10.00 Uhr. Unstrittig ist, dass Fahrbewegungen, wie sie am 30. Mai 2016 (Akten­vermerk ON 22) von einem Behördenvertreter dokumentiert wurden, auch an anderen Tagen im ersten Halbjahr 2016 stattgefunden haben.

Es liegen zusammengefasst unterschiedliche (teilweise) konkreten Personen zuordenbare  Beschwerden vor. Die - nach Bescheiderlassung bei der Behörde abgegebenen - Tabellen ON 20 weisen keine Unterschrift auf. In der Begründung des Bescheides vom 31. Mai 2016 wird dazu lediglich angegeben, es handle sich um die Aufzeichnung „eines Nachbarn“.  Die Angaben der Nachbarn werden von der Bf bestritten. Es liegt jedenfalls keine zeugenschaftliche Aussage einer konkreten, namentlich genannten Person über eigene Wahrnehmungen vor, wonach an einem Tag im ersten Halbjahr 2016 in den 8 ungünstigsten Stunden

-      der Radladerbetrieb für Verladung von diversen Materialien (Schotter, Sand) zwei Stunden überschritten hat oder

-      mehr als sechs Abkippvorgänge mit LKW durchgeführt wurden.

 

Eine Unterscheidung zwischen „Schotterlieferungen“, „Einlagerung von Rohma­terial der Firma H GmbH“, „Anlieferung von Altpapier“ oder „Anlieferung von Big-Bags“ wird - wie die Bf zutreffend vorbringt - in den Eingaben der Nachbarn nicht vorgenommen. Es ist durchaus möglich, dass an einem Tag mehr als 15 Schottertransporte stattgefunden haben. Es ist aber genauso möglich, dass die LKW-Fahrbewegungen anderen betrieblichen Tätig­keiten zuzuordnen sind. In den vorliegenden Beweismitteln wird keine konkrete Zuordnung vorgenommen. Es kann daher nicht mit ausreichender Wahrschein­lichkeit festgestellt werden,

-       dass im ersten Halbjahr 2016 an einem Tag das Umschlagevolumen Sand/Schotter von 370 t überschritten wurde oder

-       dass an einem Tag im ersten Halbjahr 2016 mehr als 15 Schottertransporte zum Betriebsgelände zu- oder abgefahren sind.

 

Messergebnisse, wonach immissionsseitig im Konsens enthaltene Vorgaben über­schritten worden wären, liegen nicht vor. Es liegt aber auch kein Beweismittel vor, wonach die Erhöhung von 18 LKW-Ausfahrten auf 21 LKW-Ausfahrten innerhalb der 8 ungünstigsten Stunden am Tag zu keiner Erhöhung der Emis­sionen führen würde.

 

Dass die LKW-Fahrbewegungen in den ungünstigsten 8 Stunden nicht nur am
30. Mai 2016 sondern auch an anderen Tagen im ersten Halbjahr 2016 über­stiegen wurden, ist bereits durch die Angaben der Bf in der mV erwiesen.

 

4.           Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Zum Beschwerdegegenstand:

 

Der Verhandlungsleiter wies in der mV eingangs darauf hin, dass in der Beschwerde vom 16. Juni 2016 die Bescheide „vom 19. Mai und 24. Mai 2016“ genannt sind. Der Vertreter der belangten Behörde hielt dazu einleitend Folgendes fest: „Unterfertigt bzw. maßgeblicher Entwurf ist hier der Bescheid vom  19. Mai 2016. Es kann sein, dass bei der Ausfertigung dieses Bescheides vom 19. Mai 2016 für die Postsendung bei der Ausfertigung einmal ein Bescheid mit dem Datum 24. Mai 2016 wegen der automatischen Datumserstellung abgefertigt wurde.“ Der Rechtsanwalt der Bf hielt einleitend dazu fest: „Mir wurden zwei Bescheidausfertigungen zugestellt, nämlich einmal ein auf den
19. Mai 2016 datierter Bescheid und in der Folge auch ein auf den 24. Mai 2016 datierter Bescheid. Die beiden Ausfertigungen sind abgesehen von diesem Datum inhalts- und wortgleich. Es wird daher beantragt, die Bescheide vom
19. und 24. Mai 2016 sowie den Bescheid vom 31. Mai 2016 zu beheben und den Beschwerden insoweit stattzugeben.“
Rechtlich gesehen liegt nur ein Bescheid vor. Dieser ist auf den 19. Mai 2016 datiert. Der Umstand, dass dieser Bescheid offenbar auch mit einem anderen Datum abgefertigt wurde, ändert daran nichts. Verfahrensgegenstand bildet damit die Beschwerde gegen den Bescheid vom
19. Mai 2016. Über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 31. Mai 2016 (Zwangsstrafe nach VVG) wird zu GZ: LVwG-890009 entschieden.

 

4.2.      Allgemeines zur Genehmigungspflicht nach § 74 iVm § 81 GewO und zur Verwaltungsübertretung im Sinne des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO:

 

Wie die belangte Behörde zutreffend erkennt, ist die Änderung einer Betriebs­anlage gemäß § 81 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 GewO nur dann nicht genehmigungs­pflichtig, wenn eine Beeinträchtigung der genannten Schutzinteressen nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeschlossen werden kann. Es kommt also nicht auf den Erfahrungshorizont eines Professionisten oder geschulten Arbeitnehmers, sondern auf die allgemeine Lebenserfahrung des durchschnittlichen Laien ohne besondere betriebswirtschaftliche oder technische Kenntnisse an (vgl. VwGH 16. Dezember 2015, GZ: Ra 2015/04/0100). Ist bei Einhaltung des allgemeinen, für jeden Laien geltenden Sorgfaltsmaßstabes im Sinne des § 1297 ABGB eine Beeinträch­tigung ausgeschlossen, besteht keine Genehmigungspflicht. Bei dieser Beurtei­lung ist auf den „natürlichen Lauf der Dinge“, nicht aber auf die hypo­thetische Möglichkeit eines sorgfaltswidrigen oder anderen Rechtsvor­schrif­ten widerspre­chenden Verhaltens abzustellen (VwGH 25. Juli 2013,
GZ: 2010/07/0213, 30. Juni 2004, GZ: 2001/04/0204, 31. März 2016,
GZ: Ra 2015/07/0163, Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 74 [Stand: 1.3.2015, rdb.at] Rn 104). So be­gründet die Betätigung des Lichtschalters in einem gewerblich genutzten Büro­gebäude noch keine Genehmigungspflicht, auch wenn elektrischer Strom ab­strakt gesehen gefährlich sein kann (vgl. § 74 Abs. 7 GewO iVm § 2 Abs. 1 Z 2 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung).

 

Ob ein Gewerbetreibender dagegen mit entsprechend geschulten Arbeitnehmern unter Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabes im Sinne des § 1299 ABGB ohne behörd­liche Vor­schreibungen Beeinträchtigungen von Schutzinteressen verhin­dert oder verhin­dern kann, ist in formeller Hinsicht nicht für die Auslösung der Genehmigungs­pflicht nach § 81 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 GewO maßgeblich. Es kommt auch nicht darauf an, dass nach den Naturwissenschaften eine „absolute Sicherheit“ gege­ben ist, sofern für den Laien - unter Zugrundelegung des allgemeinen Sorgfalts­maßstabes im Sinne des § 1297 ABGB - ohne Beiziehung eines Sachverständigen Zweifel bleiben können. Blendet man die bei Gewerben im Sinne des § 94 GewO bereits im Anmel­deverfahren im Sinne des § 340 Abs. 1 GewO nachgewiesene - auch wissenschaftliche Kenntnisse im Sinne des § 71a GewO umfassende - Fachkunde aus, wäre dies unter Um­ständen eine europa­rechtlich zu begründende zusätzliche Zugangsbeschränkung. Nimmt ein Mitglied­staat die Gewerbeanmeldung zur Kenntnis, muss er den damit erbrachten Befähi­gungsnachweis auch in fortgesetzten Verfahren, die faktisch den Zugang zur Gewerbeausübung einschränken, gegen sich gelten lassen. Hat also ein Bau­meister (§ 94 Z 5 GewO) die Kenntnis diverser technischer Normen zur Errich­tung von Anlagen nachgewiesen, ist gemäß § 16 Abs. 2 GewO an sich davon auszu­gehen, dass er die seinem Gewerbe „eigentümlichen Tätigkeiten“ selbst­ständig - ohne weitere behördliche Vorschreibungen - ausüben kann. Ist bei Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabes im Sinne des § 1299 ABGB bereits der gesetzliche Befähigungsnachweis ausreichend, um eine Anlage so zu errichten, dass voraus­sehbare Gefährdungen vermieden und Beeinträchtigungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, wären weitergehende - insbesondere den Betrieb der Anlage betreffende - Vorschreibungen im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO nach den Umständen des Einzelfalles zu begründen und auf das unbedingt erforderliche Ausmaß zu beschrän­ken (vgl. VwGH 27. Jänner 2010,
GZ: 2008/04/0101). Dabei kann es sich insbeson­dere um Vorgaben für Immis­sionen handeln (vgl. OGH 28. Jänner 2016, GZ: 1Ob47/15s). Gleiches gilt sinngemäß für besondere Umwelt- und Sicherheits­managementsysteme, die bei Einhaltung des entsprechenden Sorgfaltsmaß­stabes im Sinne des § 1299 ABGB einen sicheren Betrieb erwarten lassen (vgl. auch § 82b Abs. 1 GewO). Dieser Umstand ist auch bei der Auslegung des § 81 Abs. 3 GewO zu beachten (dazu unten). Unter diesen Gesichtspunkten kommt den Unterlagen für die Beurteilung der zu erwartenden Emissionen der Anlage im Sinne des § 353 Z 2 lit. a GewO besondere Bedeutung zu.

 

Anders als § 21 Abs. 1 WRG sieht § 77 Abs. 1 GewO keine befristeten Genehmigungen vor. Auch ist anders als § 22 Abs. 1 WRG eine „persönliche Gebundenheit“ im Betriebsanlagenrecht nicht vorgesehen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage wird gemäß § 80 Abs. 5 GewO die Wirksamkeit der Genehmigung nicht berührt. Der Gesetzgeber wollte unabhängig von der konkreten Person des Betreibers auf einen unbefristeten Betrieb abstel­len.

 

Wie sich aus dem Wortlaut des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO - ändert oder nach der Änderung betreibt - ergibt, enthält diese Gesetzesstelle zwei - alternative - Straf­tatbestände. Der Tatbestand des „genehmigungslosen Änderns“ einer derarti­gen Betriebsanlage ist mit der Herbeiführung eines solcherart zu qualifizierenden Sachverhaltes abgeschlossen (Zustandsdelikt). Der Tatbestand des genehmi­gungslosen Änderns einer Betriebs­anlage ist mit der Herbeiführung eines solcherart zu qualifizierenden Sachver­haltes abgeschlossen (Zustandsdelikt) (vgl. VwGH 30. März 1993, GZ: 91/04/0220, 4. September 2002, GZ: 2002/04/0077, ständige Recht­sprechung).

 

Im Falle eines „Betriebes nach einer Änderung“ ist zu beachten: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein fort­gesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammen­hanges zu einer Einheit zusammentraten (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, GZ: 2006/09/0202, mwN).

 

4.3.      Allgemeines zu den Ausnahmetatbeständen im Sinne des § 81 Abs. 2, Anzeige­pflicht nach § 81 Abs. 3 GewO und Verwaltungsübertretung im Sinne des § 368 GewO:

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Änderungen, die nicht geeignet sind, die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen, bereits nach der allgemeinen Regel des § 81 Abs. 1 GewO 1994 nicht genehmi­gungspflichtig. Daher können solche Änderungen einer Betriebs­anlage auch nicht unter die Ausnahmeregel des § 81 Abs. 2 GewO 1994 und damit unter die Anzeigepflicht nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 fallen (vgl. so auch Grabler/Stolzlechner/Wendl Kommentar zur GewO3 [2011], Rz 29 zu § 81, wonach auch bei Anzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 iVm § 345 Abs. 6
GewO 1994 Voraussetzung ist, dass es sich um eine betriebsanlagenrelevante Änderung handelt, die also dem Grunde nach geeignet ist, die vom § 74 Abs. 2 GewO 1994 geschützten Interessen zu berühren). Der Betrieb einer geneh­migten Betriebs­anlage nach Vornahme einer anzeigepflichtigen Änderung ohne vorange­gangene Anzeige stellt keine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO, sondern eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 368 GewO dar (vgl. VwGH 18. März 2015, GZ: Ro 2015/04/0002). Dies gilt insbeson­dere für den Betrieb einer gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO anzeigepflichtigen Ände­rung entgegen der Anordnung des § 345 Abs. 6 GewO.

 

Die - jeweils Ausnahmen von der Genehmigungspflicht normierenden – Tatbe­stände des § 81 Abs. 2 Z 7 und 9 GewO stellen darauf ab, ob Änderungen (gegen­über dem bisherigen Konsens) das Emissionsverhalten der Anlage nach­teilig beeinflussen (vgl. VwGH 14. September 2005, GZ: 2001/04/0047, VwGH 27. Oktober 2014, GZ: 2013/04/0095; vgl. Paliege-Barfuß, Die Änderung der genehmigten Anlage, in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4 (Stand 1.1.2016, rdb.at) RZ 357). Dabei ist seit der Novelle
BGBl. I Nr. 85/2013 zwischen zeitlich befristeten und unbefristeten Änderungen zu unterscheiden bzw. wären nach dem Wortlaut des § 81 Abs. 2 Z 11 GewO während bestimmter Veranstaltungen sogar unzumutbare Belästigungen geneh­mi­gungsfrei. Maßgebliches Kriterium - vor allem bei Beurteilung der „besonderen Situation des Einzelfalles“ im Sinne des § 81 Abs. 2 Z 7 GewO - ist wohl, dass subjektive öffentliche Rechte Dritter gewahrt werden (vgl. VfGH 1. März 2012, GZ: B 606/11).

 

Mit dem Begriff der „emissionsneutralen Änderung“ wird der Tatbestand des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO angesprochen. Demnach besteht für „Änderungen, die das Emis­­sions­­verhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen“, keine Genehmi­gungspflicht; sie sind gemäß § 81 Abs. 3 GewO lediglich anzuzeigen. Wesentlich ist, dass der Tatbestand nicht darauf abstellt, dass sich die Emissionen der Anlage keinesfalls erhöhen dürften (also „neutral“ im Sinne von „gleich“ bleiben müssten). Mit der Bezugnahme auf eine „nicht nachteilige“ Beeinflussung des „Emissionsverhaltens“ wird zunächst eine Bewertung dahingehend verlangt, dass kein „Nachteil“ entsteht - das kann nach den Wertmaßstäben des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes nur ein Nachteil für die Schutzgüter der §§ 74ff GewO (Lebens- und Gesundheitsschutz des Gewerbetreibenden und seiner mittätigen Angehörigen, Nachbarn und Kunden; Schutz der Nachbarn vor unzumutbaren Belästigungen; Eigentumsschutz; Minimierungsgebot für Luftschadstoffe etc.) und des gemäß § 93 Abs. 1 ASchG mit zu berücksichtigenden Arbeitneh­merInnen­­schutzes sein. Mit der Wortfolge „Emissionsverhalten der Anlage“ wird zudem klargestellt, dass es nicht auf eine einzelne Emissionsquelle, sondern auf die Gesamtauswirkung der Anlage ankommt. Wird in einer stark lärmbelastenden Halle, in der ArbeitnehmerInnen schon bisher mit Gehörschutz arbeiten mussten, eine weitere Maschine mit zusätzlichen Lärmemissionen aufgestellt, sodass es im Halleninneren noch lauter wird (während außerhalb der Halle auf Grund deren Dämmung keine Erhöhung eintritt), so kann dies durchaus emissionsneutral sein, wenn - dank des Gehörschutzes - der Gesundheitsschutz der ArbeitnehmerInnen in gleicher Weise gewährleistet bleibt. Da für Lärm - anders als für Luftschad­stoffe - in der GewO (außerhalb des IPPC-Regimes) kein Minimierungsgebot statuiert ist, sondern nur eine Schutzpflicht gegenüber betroffenen Personen­gruppen, kann eine Lärmerhöhung, die sich nur in Bereichen auswirkt, in denen niemand aufhältig ist (z.B. im Luftraum über der Anlage) durchaus emissions­neutral im Sinne dieser Bestimmung sein. Im Unterschied zur Bestimmung des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO, die alle Schutzgüter im Blick hat, zielt Z 7 nur auf die „Neutralität“ gegenüber Nachbarn ab. Der Tatbestand lautet: „Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beein­flussen.“ Mit dieser Einschränkung auf den geschützten Personenkreis wird deutlich, dass etwa Erhöhungen, die sich auf Kunden oder ArbeitnehmerInnen nachteilig aus­wirken, der bloßen Anzeigepflicht nicht entgegenstehen, solange sie gegenüber den Nachbarn „neutral“ bleiben. Dringt der Lärm aus einer Halle trotz Dämmung deutlich nach außen, sodass er die Lärmbelastung für Kunden erhöht, allerdings - dank einer Lärmschutzwand - nicht zum nächstgelegenen Nachbarn vordringt, ist diese Erhöhung „nachbarneutral“, aber nicht (mehr) „emissions­neutral“ (vgl. RdU - U & T 2016/16 „emissions-, immissions-, nachbarneutral oder irrelevant?“).

 

Bei der gemäß § 345 Abs. 6 der Behörde aufgetragenen Prüfung der Voraussetzungen im Sinne des § 81 Abs. 2 GewO ist wegen des konstitutiven Charakters der Anzeige - der sich gemäß § 345 Abs. 6 letzter Satz GewO in Fällen des § 81 Abs. 2 Z 7 GewO vorerst auf das Recht der Errichtung  beschränkt  - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Einlangens abzu­stel­len (vgl. VwGH 17. Dezember 2002, GZ: 2002/04/0108). Infolge ihres konstitutiven Charakters muss eine Anzeige so klar gefasst sein, dass sie dem Betreiber jederzeit die Grenzen seines Verhaltens zweifelsfrei erkennen lässt (vgl. VwGH 3. September 2008, GZ: 2008/04/0085). Soweit die Voraussetzun­gen einer genehmigungsfreien Änderung im Sinne des § 81 Abs. 2 GewO erfüllt sind, wird mit der Anzeige ein Recht des Betreibers begründet (vgl. VwGH
28. November 2014, GZ: 2012/05/0088, VwGH 22. Jänner 2015,
GZ: 2013/06/0065). Mit der Zurkenntnisnahme wird diese Bestandteil des Geneh­mi­gungsbescheides.

 

Die Anzeige einer Änderung als „emissionsneutral“ kann grundsätzlich vom Wortlaut her nach allgemeinen Auslegungsregeln wohl nur so verstanden werden, dass die im bisherigen Konsens enthaltenen  Vorgaben für die Emis­sionen der Anlage (§ 353 Z 2 lit. a GewO) nicht nachteilig verändert werden. Ist nach dem Wortlaut ausdrücklich eine emissionswirksame Änderung oder Erweiterung der betrieblichen Tätigkeiten vorgesehen, wäre die Emissions- oder Nachbarneutralität besonders  zu begründen (siehe oben  RdU - U & T 2016/16 „emissions-, immissions-, nachbarneutral oder irrelevant?“). Folglich stellt sich die Frage, wie bei einer grundsätzlich bestehenden Genehmigungs­pflicht im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO vorzugehen ist, wenn der Gewerbe­treibende - gegebenenfalls mit einer Anzeige - Betriebsmodalitäten einwendet, die nicht schon bei Anwendung der für ihn gemäß § 16 Abs. 2 GewO iVm § 1299 ABGB maßgeb­lichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen die Emissions­neutralität im Sinne des § 81 Abs. 2 Z 7 oder Z 9 belegen oder im Sinne des
§ 45 Abs. 2 AVG erwarten lassen, sondern zu deren Beurteilung ein darüber hinausgehender, besonderer Sachverstand erforderlich ist, der nicht schon durch den Befähigungsnachweis als erbracht anzusehen ist. Gemäß § 52 Abs. 1 AVG wäre einer Beurteilung durch Amtssach­verständige der Vorzug gegenüber nicht amtlichen Sachverständigen zu geben. Gerade in Anbetracht der kurz bemes­senen Frist von zwei Monaten im Sinne des § 345 Abs. 6 GewO kann die Behörde berechtigt sein, auf der Anzeige im Sinne des § 353 GewO angeschlossene - von privaten Sachverständigen erstellte - Gutachten zurück­zugreifen (so explizit
§ 345 Abs. 6 vorletzter Satz GewO). Es gelten die allge­meinen an Gutachten zu stellenden Anforderungen. Es war die eindeutige Absicht des Gesetzgebers durch die Verkürzung der in § 73 Abs. 1 AVG vorgegebenen Frist von sechs Monaten auf zwei Monate im Sinne des § 345 Abs. 6 GewO im Regelfall eine „wesentliche Beschleunigung des Verfahrens“ zu bewirken (vgl. § 52 Abs. 3 AVG). Die Eigeninitiative des Betreibers ist mit erhöhter Eigenverantwortung verbunden, gewährleistet ein Anzeigeverfahren im Sinne der §§ 81 Abs. 3 iVm 345 GewO gegenüber Dritten doch geringeren Bestandsschutz und Rechtssicherheit als ein Genehmigungsverfahren im Sinne des § 356 GewO (vgl. VfGH 1. März 2012, GZ: B606/11).

 

4.4.      Allgemeines zum Beweismaß im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG im Verfahren nach § 360 Abs. 1 GewO:

 

4.4.1. Formelle und materielle Illegalität:

 

„Formelle Illegalität“ liegt vor, wenn eine Anlage bzw. deren Änderung „genehmigungspflichtig“ ist und die erforderliche (Änderungs)genehmigung nicht erteilt wurde (OVG NW 13.02.1987 - 10 A 29/87). „Materielle Illegalität“ liegt dagegen vor, wenn (darüber hinaus) die Voraussetzungen der „Genehmigungs­fähigkeit“ nicht erfüllt sind (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichtes für das Land N-W: [OVG NRW, 13.02.1987, 10 A 29/87]).

 

Die Bestimmung des § 360 GewO regelt „einstweilige Zwangs- und Sicherheits­maßnahmen“ und unterscheidet dabei zwischen

-      dem Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 bzw.
§ 367 Z 25 GewO (§ 360 Abs. 1 GewO und § 360 Abs. 1a GewO)

-      dem offenkundigen Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 4, 5 oder 6 GewO (§ 360 Abs. 2 GewO)

-      einer offenkundigen Übertretung im Sinne des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO (§ 360 Abs. 3 GewO)

-      der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum (§ 360 Abs. 4 GewO)

-      und der unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft (§ 360 Abs. 4 GewO).

 

Die in § 360 Abs. 1 verwendeten unbestimmten Gesetzesbegriffe beziehen sich auf die in § 74 Abs. 2 GewO bzw. § 81 Abs. 1 GewO geregelten Vorgaben für die „Genehmigungspflicht“, § 360 Abs. 4 GewO dagegen auf die in § 77 Abs. 1 und Abs. 2 GewO geregelten Vorgaben für die „Genehmigungsfähigkeit“.  § 360
Abs. 1 GewO stellt folglich auf die „formelle Illegalität“, § 360 Abs. 4 GewO dage­gen auf die „materielle Illegalität“ ab.

 

4.4.2. Zum Beweismaß im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG:

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme einer Tatsache als erwiesen (vgl. § 45 Abs. 2 AVG) keine „absolute Sicherheit“ erforderlich, sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel 3 168f: an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die erforderliche Überzeu­gung der Behörde kann sowohl durch unmittelbare als auch durch mittelbare Beweise herbeigeführt werden (§ 46 Rz 3f). Lässt sich eine Tatsache nicht fest­stellen („non liquet“ [Fasching Rz 878]; „Beweisnotstand“ [VwGH
20. April 1995, GZ: 93/09/0408]), dann hat die Behörde grundsätzlich von deren Nichtvorliegen auszugehen (VwGH 16. Juni 1992, GZ: 92/08/0062;
29. Juni 2000, GZ: 2000/07/0024; siehe auch § 39 Rz 14). Das bedeu­tet aber nicht, dass vom bloßen Misslingen eines Nachweises auf das Erwiesen­sein des Gegenteiles geschlossen werden kann (vgl. VwGH 20. September 1995,
GZ: 93/13/0006; ferner VwGH 26. Februar 1986, GZ: 84/03/0388). Allerdings gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für den im AVG nicht geregelten Fall, dass eine Beweisführung nicht möglich ist, als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaf­fenen Situation (z.B. der bewil­ligungslosen Errichtung eines Brunnens) keine Vorteile gezogen werden dürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 45 Rz 2 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).

 

Bei Beurteilung von anlagenspezifischen Emissionen ist folgende Beweis­regel zu beachten: Nach der Judikatur ist es in dem Fall, dass eine Messung am entschei­denden Immissionspunkt möglich ist - von Ausnahmefällen abgesehen -, unzu­läs­sig, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren. Auf dem Boden dieser Recht­sprechung ist der Durchführung von Messungen - soweit diese möglich sind - grundsätzlich der Vorrang vor Berechnungen einzuräumen. „Grundsätzlich“ bedeutet, dass diese Verpflichtung nicht allgemein besteht, sobald eine Messung (technisch) möglich ist, allerdings kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen. Eine Messung darf unterbleiben, wenn sie nicht möglich ist oder nach dem Stand der Technik, angesichts der mittels Berechnung erzielten Werte, ein Messergebnis, das hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte, ausge­schlossen werden kann (vgl. VwGH 26. November 2015, GZ: 2012/07/0027, 18. Mai 2016, GZ: Ra 2015/04/0053).

 

Die Behörde ist daher grundsätzlich nur dann berechtigt, von einer durch betriebliche Emissionen verursachten „Gefahr“ oder „Belästigung“ im Sinne des
§ 77 Abs. 1, Abs. 2 iVm § 360 Abs. 4 GewO auszugehen, wenn diese durch ein am maßgeblichen Immissionspunkt belegtes Messergebnis „als erwiesen“ im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG anzusehen ist. Nach dem Wortlaut des § 360 Abs. 4 GewO iVm § 77 GewO ist die Behörde nicht verpflichtet, amtswegig Messungen durchzuführen. Ist die materielle Illegalität nicht im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG erwiesen und besteht lediglich der Verdacht, dass im Konsens vorgesehene Beschrän­kungen überschritten sind, wäre bei Vorliegen der gesetzlichen Voraus­setzungen nach § 360 Abs. 1 GewO vorzugehen.

 

Anders als in einem allfälligen Strafverfahren, bei dem naturgemäß ein umfas­sendes, verdichtetes Ermittlungsverfahren zu einem abschließenden und unzwei­fel­haften Ermittlungsergebnis führen muss, erschöpfen sich die Ermittlungen im Rahmen eines Verfahrens nach § 360 Abs. 1 GewO zunächst im Nachweis „des Verdachts einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3“ (vgl. VwGH
23. Februar 2012, GZ: 2012/17/0033, 15. Jänner 2014, GZ: 2012/17/0587)
. Schon begrifflich kommt es nicht darauf an, dass tatsächlich eine Verwal­tungs­übertretung als erwiesen im Sinne des  § 45 Abs. 2 AVG anzusehen ist.

 

4.4.3. Der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 GewO:

 

Beschränkt sich der Verdacht darauf, dass eine Verwaltungsübertretung in der Vergangenheit begangen wurde, kommen nach allgemeinen Überlegungen des VStG Zwangsmaßnahmen „zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes“ an sich nicht in Betracht (vgl. § 35 Z 3 VStG). Der in § 360 Abs. 1 GewO geforderte „Verdacht“ setzt daher einen ausreichenden „Gegenwartsbezug“ voraus, auch wenn nicht ausdrücklich wie in § 360 Abs. 2 GewO auf einen „Grund zur Annahme“ einer fortgesetzten Verwaltungsübertretung abgestellt wird (vgl. Giese, Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen, in Stolzlech­ner/Wendl/Berg­thaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4 (Stand 1.1.2016, rdb.at)). Besteht auf Grund einer Anzeige eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes (lediglich) der Verdacht, dass ein Gastronomiebetrieb an einem in der Vergangenheit liegenden Tag eine im Genehmigungsbescheid enthaltene Betriebszeitenregelung nicht eingehalten hat, besteht noch nicht die Notwendigkeit „einstweilige Zwangsmaßnahmen“ im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO zu veranlassen.

 

Im hier maßgeblichen Zusammenhang ist zwischen dem Tatbestand des „Änderns einer Betriebsanlage“ (Zustandsdelikt) und dem - als fortgesetztes Delikt begangenen - „Betrieb nach einer Änderung“ zu unterscheiden (vgl. Ziermann, Das Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahren im Zusam­menhang mit gewerblichen Betriebsanlagen, in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4 (Stand 1.1.2016, rdb.at) RZ 390).  Soweit die gewerbliche Tätigkeit eingestellt wird, ist die GewO - unbeschadet der Bestimmung des § 83 GewO - nicht mehr anwendbar (§ 1 Abs. 1 GewO). § 83 ist auch auf Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 anzuwenden, die (unzu­lässigerweise) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betrieben werden. Der Bescheid im Sinne des § 83 Abs. 3 GewO ist von Amts wegen zu erlassen; es bedarf keines Antrages des auflassenden Inhabers. Ein Antragsrecht des auflassenden Inhabers kann aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, da der auflassende Inhaber wohl ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erlassung dieses Bescheides haben wird (Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 83 (Stand: 1.3.2015, rdb.at) RZ 4 und 18).

 

Reicht eine formlose Abmahnung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aus, ist schon begrifflich kein Verdacht einer gegenwärtigen, nicht bloß vergan­genen, Tatbegehung mehr gegeben. Für diese Auslegung spricht - außerhalb des Anwendungsbereiches der Anlage 3 der GewO - die in den erläuternden Bemerkungen zu § 360 Abs. 1a GewO erwähnte Grobprüfung „an Ort und Stelle“.  Vor Erlassung einer Verfahrensanordnung im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO hat der Betreiber also grundsätzlich Anspruch darauf, dass die Verdachtsmomente im Rahmen einer Grobprüfung an Ort und Stelle mit ihm erörtert werden (§ 37 AVG).

 

4.4.4. Die Verfahrensanordnung im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO:

 

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO ist zwischen dem vom Anlageninhaber zu setzenden Verhalten und den von der Behörde zu verfügenden Maßnahmen zu unter­scheiden. Sache des Anlageninhabers ist es, den der Rechtsordnung entspre­chenden Zustand herzustellen, und zwar auf die von ihm zu wählende Art und Weise, d.h., mit den von ihm zu wählenden Maßnahmen. Tut er dies innerhalb der festgesetzten Frist nicht, so hat die Behörde die zur Erreichung des Sollzu­standes notwendigen Maßnahmen zu verfügen. In der Verfahrensanordnung ist somit der Sollzustand so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (VwGH 16. Juli 1996, GZ: 96/04/0062).

 

4.4.5. Der Duldungsverwaltungsakt im Sinne des § 360 Abs. 1a GewO:

 

Denkbar wäre, aus § 360 Abs. 1a GewO eine zeitliche (arg. „solange“) Einschränkung der Genehmigungspflicht für den konkreten Betrieb einer bestimm­ten Person (arg. „im konkreten Einzelfall“) abzuleiten. Die Bestimmungen des § 74 Abs. 2 iVm § 81 Abs. 1 GewO und damit auch der in
§ 360 Abs. 1 GewO erwähnte „
Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1
Z 1, 2 oder 3“
stellen schließlich grundsätzlich auf eine unbefristete, nicht an eine konkrete Person gebundene, Betriebsführung ab und begründen bei systema­tischer Interpretation nicht zwingend eine Genehmigungspflicht für einen zeitlich befristeten Betrieb einer Person, die über die dafür gemäß § 1297 bzw. 1299 ABGB erforderlichen Kenntnisse verfügt. Dagegen sprechen die erläuternden Bemer­kungen, die offenbar davon ausgehen, dass die Frist in der Verfahrens­anordnung im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO kürzer als die gemäß § 360 Abs. 1a GewO „gleichzeitig“ festzusetzende Frist ist. Zitat: „§ 360 Abs. 1 GewO 1994 soll in betriebsanlagenrechtlichen Fällen dadurch ergänzt werden, dass die Behörde gleichzeitig mit dem Erlassen der Verfahrensanordnung die Möglichkeit hat, zusätzlich eine Frist aufzutragen, innerhalb derer der Betriebsinhaber um betriebs­an­lagenrechtliche Genehmigung anzusuchen hat.“ (vgl. Giese, Einst­weilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen, in Stolzlech­ner/Wendl/Berg­thaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4 (Stand 1.1.2016, rdb.at)). Die Annahme einer zeitlich befristeten Bewilligungsfreistellung würde abgesehen davon zu Abgren­zungsschwierigkeiten mit den Tatbeständen des § 81 Abs. 2 GewO führen.

 

Richtigerweise wird man von der Anordnung eines Duldungsverwaltungsaktes ausgehen müssen (vgl. Franz-Joseph Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht
11. Auflage, RN 348f zu § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz). Ein Duldungsver­wal­tungsakt ist der österreichischen Rechtsordnung nicht unbekannt (vgl. § 46a FPG, VfGH 9. Dezember 2014,  GZ: G160/2014, ua; GZ: G171/2014, ua). Auch im Anlagenrecht kann sich ein Anspruch auf staatliche Duldung eines rechts­widrigen Zustandes unmittelbar aus den Grundrechten der EMRK ergeben (vgl. EGMR 21. April 2016, application no. 46577/15).

 

§ 360 Abs. 1a GewO stellt auf „Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im
§ 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen“
ab, die an sich nur im Genehmigungs­verfahren und bei Vorschreibung befristeter Maßnahmen maßgeblich sind (§ 77 Abs. 1 letzter Satz, des weiteren § 79 Abs. 1, § 79d Abs. 2 Z 2 GewO).  Wenn die GewO von „Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen“ spricht, ordnet sie nach Ansicht des LVwG eine individuelle Beurteilung an (vgl. GZ: LVwG-800122).

 

Sinn der Bestimmung des § 360 Abs. 1a GewO ist daher zum einen, den Zustand „formeller Legalität“ wiederherzustellen. Welche Frist dafür „angemessen“ ist, beurteilt sich primär nach dem Zeitraum, innerhalb dem ein vollständiges, den  „formellen“ Vorschriften entsprechendes Ansuchen samt Projektsunterlagen im Sinne des § 353 GewO erstellt werden kann. Die Dauer des anschließenden Genehmigungsverfahrens ist dagegen nicht in die Frist einzurechnen und hat auf die Duldung keine Auswirkungen (arg. „und sodann auf Grund dieses Ansuchens ein entsprechender Genehmigungsbescheid erlassen wird“, vgl. dazu VwGH
24. Mai 2016, GZ: Ro 2016/01/0001). Gleichzeitig soll die „materielle Legalität“, also die Einhaltung der die Genehmigungsfähigkeit regelnden Vorschriften, gewährleistet sein.

 

Daraus folgt: Ist von der formellen Illegalität einer nicht der Anlage 3 der GewO unterliegenden Betriebsanlage bzw. deren Änderung auszugehen, aber keine materielle Illegalität im Sinne des § 360 Abs. 4 GewO erwiesen, darf die Behörde gemäß § 360 Abs. 1a GewO grundsätzlich keine materielle Illegalität unter­stellen. Anderes gilt, wenn konkrete Hinweise darauf bestehen, dass der Betrei­ber nicht in der Lage ist, nach dem für ihn geltenden erhöhten Sorgfaltsmaßstab im Sinne des § 1299 ABGB einen sicheren - die Schutzinteressen im Sinne des
§ 74 Abs. 2 GewO wahrenden und damit genehmigungsfähigen (materiell legalen) - Betrieb zu gewährleisten (vgl. § 77 Abs. 1 letzter Satz GewO iVm
§ 360 Abs. 1a Z 1 GewO, siehe oben 4.2.).

 

Die individuelle Beurteilung im Sinne des § 360 Abs. 1a GewO erfolgt
- abweichend von § 360 Abs. 4 GewO - ausschließlich im Rahmen einer Grob­prüfung und ist nicht in jeder Hinsicht mit der in der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 auf Seite 58 beschriebenen „individuellen schalltechnischen und lärmmedi­zinischen Beurteilung“ gleichzusetzen. So führen die erläuternden Bemerkungen aus: „Eine Abschätzung muss ohne weiteres an Ort und Stelle im Rahmen einer Grobprüfung möglich sein. Zu prüfen sind hervorkommende Bedenken hinsicht­lich konkreter Auswirkungen im Einzelfall.“

 

Anzumerken ist: Gemäß § 360 Abs. 1a GewO hat der Betreiber zwar „wenn und solange im konkreten Einzelfall“ Schutzgüter nicht beeinträchtigt werden, Anspruch auf behördliche Duldung (arg. „hat ein Bescheid nach Abs. 1 nicht zu ergehen“; vgl. GZ: LVwG-850301). Die Gewerbebehörde ist gemäß § 360
Abs. 1a GewO aber nicht verpflichtet, außerhalb eines Anzeigeverfahrens umfas­send zu prüfen, ob ein Tatbestand im Sinne des § 81 Abs. 2 GewO erfüllt ist. Folgerichtig bezieht sich die Aufforderung im Sinne des § 360 Abs. 1a GewO auf die Einbringung eines „Ansuchens (§ 353) um die erforderliche Genehmigung“ und nicht etwa auf die „Einbringung der erforderlichen Anzeige“. Wendet der Betreiber innerhalb der festgesetzten Frist mit einer Anzeige im Sinne des § 81 Abs. 3 GewO eine Genehmigungsfreistellung im Sinne des § 81 Abs. 2 GewO ein, gelten die Bestimmungen des § 345 Abs. 5 und 6 GewO. § 345 Abs. 5 GewO verweist bewusst lediglich auf die Bestimmungen des § 366ff (arg. „unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff“) und stellt damit klar, dass § 360 Abs. 1 GewO grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. Sollte im Anzeigeverfahren die Geneh­migungsfreistellung  nachgewiesen werden, steht dies gemäß § 345 Abs. 5 GewO der Ahndung einer (vor Einbringung der Anzeige begangenen) Verwal­tungs­übertretung nicht entgegen. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungs­gerichtes der BRD vom 7. August 2012, GZ: BVerwG 7 C 7.11, können für die mit den Novellen BGBl. I Nr. 85/2012, BGBl. I Nr. 85/2013 und
BGBl. I Nr. 125/2013 geschaffene Regelungssystematik der GewO wohl folgende Überlegungen abgeleitet werden: Besteht der Sinn und Zweck des Anzeige­verfahrens im Sinne des § 345 Abs. 6 GewO gerade darin, den Anlagenbetreiber vor Maßnahmen zu schützen, die an die formelle Illegalität anknüpfen, folgt daraus zugleich, dass § 360 Abs. 1 GewO nur eingeschränkt zur Anwendung kommen kann.
Aus § 360 Abs. 1 GewO ergeben sich im Anzeigeverfahren gemäß § 81 Abs. 3, § 345 Abs. 5 und Abs. 6 GewO keine behördlichen Handlungs­pflichten. Im Falle einer erwiesenermaßen missbräuchlichen Anzeige würde den Betreiber ein Vorgehen nach § 360 Abs. 1 GewO aber nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. VwGH 22. Jänner 2015, GZ: 2013/06/0065, 17. Februar 2015, GZ: Ro 2014/01/0036).

 

Bestehen keine Bedenken vom Standpunkt der in § 360 Abs. 1a Z 1 GewO genannten Interessen, könnte nach Ablauf der „nicht erstreckbaren Frist“ im Beschwerdeverfahren gegen einen Bescheid nach § 360 Abs. 1 GewO überprüft werden, ob auch über einen längeren als von der Behörde angenommenen Zeitraum ein Duldungsanspruch bestanden hätte. Ein Duldungsanspruch ist von der Behörde unter Umständen ex lege ohnedies auch im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. VfGH 9. Dezember 2014, GZ: G160/2014, ua;
GZ: G171/2014, ua; EGMR 21. April 2016, application no. 46577/15; VwGH
27. Juni 2007, GZ: 2004/04/0221, § 2 Abs. 1 VVG).

 

4.4.6. Die mit Bescheid gemäß § 360 Abs. 1 GewO anzuordnenden Maßnahmen:

 

Geht der Bescheid über die in der Verfahrensanordnung getroffenen Anord­nungen hinaus, ist er grundsätzlich mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl.
UVS Oö. 16. Juli 2010, GZ: VwSen-531037/4/Re/Sta).

 

Die - auf die Verfahrensanordnung im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO - folgende Erlassung eines Bescheides „zur Herstellung des der Rechtsordnung entspre­chenden Zustandes“ setzt voraus, dass der Anlageninhaber der vorange­gan­genen Aufforderung „nicht nachgekommen ist“. Letzteres muss im Sinne des
§ 45 Abs. 2 AVG erwiesen sein. Der bloße Verdacht reicht insoweit nicht aus.

 

Zweck der nach § 360 Abs. 1 GewO 1994 zu verfügenden Maßnahmen ist die kurzfristige Beseitigung einer (möglichen) Gefahr oder Belästigung, wie dies auch aus der beispielhaften Aufzählung der anzuordnenden Maßnahmen (Stilllegung von Maschinen, Schließung von Teilen des Betriebes oder Schließung des gesamten Betriebes) zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 8. November 2000,
GZ: 2000/04/0156). Bei der Beurteilung der „Notwendigkeit“ ist seit Inkraft­treten der Bestimmung des § 360 Abs. 1a GewO danach zu unterscheiden, ob die Maßnahme auf die „formelle“ oder die „materielle“ Legalität abzielt. Die Herstel­lung der „formellen Legalität“ ist grundsätzlich erst nach ungenütztem Ablauf der „nicht erstreckbaren“ Frist bzw. erfolgter Ab- oder Zurückweisung des Ansuchens im Sinne des § 353 GewO vorgesehen. Zur Ausräumung von konkreten „Beden­ken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Inter­essen“ und damit zur Sicherstellung „materieller Legalität“ notwendige Maßnah­men wären bereits zuvor in einem Bescheid nach § 360 Abs. 1 GewO aufzu­greifen.

 

Ein strittiger Konsens kann dabei im Rahmen einer Vorschreibung „notwendiger Maßnahmen“ im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO klargestellt werden. Ein solcher Bescheid spricht über die gewerberechtliche Genehmigungspflicht ab (vgl. VwGH 28. April 2011, GZ: 2010/07/0096, 16. Dezember 2015, GZ: Ra 2015/04/0100).

 

4.5.      Ergebnis:

 

4.5.1. Zum maßgeblichen Konsens:

 

Belangte Behörde und Bf sind unterschiedlicher  Auffassung darüber, wieviele Fahrbewegungen als genehmigt anzusehen sind (2.1. und 2.2.). Mit den Bescheiden vom 28. April 2008 und vom 20. Dezember 2011 wurden Anzeigen der Bf zur Kenntnis genommen, die einen Bestandteil des Bescheides vom
20. Juli 2004 bilden.

 

Den relevanten Sachverhalt bilden weniger die von der belangten Behörde heran­gezogenen Vorgaben für den  „Materialumschlag“, als die emissionswirk­samen Vorgaben für die 8 ungünstigsten Stunden am Tag (2.1.2.). Die einge­brachten Anzeigen der Bf beziehen sich auf im ursprünglichen Genehmi­gungsbescheid vom 20. Juli 2004 noch nicht vorgesehene Manipulationen. Der Einwand der Bf, damit sei zwangsläufig eine Ausdehnung der genehmigten Radlader- und LKW-Fahrbewegungen verbunden, ist nicht nachvollziehbar. Die Bf hat 21 LKW-(Ab-)Fahrten und damit eine (lediglich) geringfügige Überschreitung der Maximalvorgabe von 18 LKW laut Seite 20/27 des schalltechnischen Projektes vom 17. Juni 2004 eingeräumt. Nimmt die Anzahl an Transporten für die Firma H zu, ist das Unternehmen offenbar in der Lage, die Schotter­transporte zu verringern. In den Bescheiden vom 28. April 2008 und vom
20. Dezember 2011 wird unbestritten nicht ausdrücklich von LKW-Fahrbewe­gungen oder Fahrbewegungen des Radladers gesprochen.

 

Den gegenständlichen Anzeigen „emissionsneutraler“ Änderungen kann nach dem bisherigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und den von der Bf einge­reichten Unterlagen zufolge  nicht der Erklärungswert beigemessen werden, dass die im bisherigen Konsens enthaltenen Vorgaben (18 LKW in den 8 ungüns­tig­sten Stunden am Tag, maximal zwei Stunden Radladerbetrieb für die Verladung diverser Materialien) ausgedehnt werden sollten. Die Zurkenntnisnahme der Anzei­gen ist nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens mangels gegenteiliger Anhaltspunkte daher so zu verstehen, dass zwar auch andere als die auf Seite 20/27 des schalltechnischen Projektes vom 17. Juni 2004 genannten Manipula­tionen stattfinden, aber die emissionstechnischen Vorgaben für die „8 ungün­stig­­sten Stunden“ nicht erhöht werden (4.3.).

 

Anlieferungen von „Big-Bags“ (2.2.3., 2.3.4.) fanden am 30. Mai 2016 nicht statt und sind daher im gegenständlichen Zusammenhang nicht relevant.

 

4.5.2. Zu den Anordnungen des bekämpften Bescheides:

 

Messergebnisse, wonach immissionsseitig im Konsens enthaltene Vorgaben über­schritten worden wären, liegen nicht vor. Da nicht von „materieller Illegalität“ im Sinne des § 360 Abs. 4 GewO auszugehen war (2.3.5., 4.4.1. und 4.4.2.), prüfte die belangte Behörde entsprechend der in § 360 GewO vorgenommenen klaren Abstufung im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 360 Abs. 1 bzw. 1a GewO, ob eine allenfalls bestehende „formelle Illegalität“ nach Maßgabe einer individuellen Grobprüfung im Sinne des § 360 Abs. 1a GewO aufzugreifen ist.

 

Es ist im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG nicht erwiesen, dass die Bf den in der Verfahrensanordnung vom 22. Jänner 2016 enthaltenen Anordnungen betreffend die Einreichunterlagen des Ingenieur-Büro Dipl.-Ing. F W, den Mani­pula­tionen mit einem Radlader und Abkippvorgängen mit LKW „nicht nachge­kom­men ist“ (vgl. 2.3.3.). Dies führt zum Entfall der jeweiligen Anordnungen im Spruch des bekämpften Bescheides (4.4.6.).

 

Es bleibt zu prüfen, ob die Anordnung betreffend den im schalltechnischen Projekt der X S GmbH vom 17.06.2004 unter Punkt 2.2.2 festgelegten Materialumschlag „auf ein tägliches Umschlagevolumen von 300 – 370 t mit 12-15 Lastkraftfahrzeugbewegungen“ zu Recht ergangen ist.

 

Da im Verfahren nach § 360 GewO Nachbarn keine Parteistellung haben, steht deren Einvernahme als Zeugen im Verwaltungsverfahren grundsätzlich kein recht­liches Hindernis entgegen. Ob das nicht im Rahmen einer zeugen­schaftlichen Einvernahme vorgetragene Vorbringen von Nachbarn bei rechtlicher Würdigung den „Verdacht“ begründen kann, der Materialumschlag habe „ein tägliches Umschlagevolumen von 300 – 370 t mit 12-15 Lastkraftfahrzeugbewe­gungen“ überschritten und sei gegenwärtig mit weiteren solchen Fahrbewe­gun­gen zu rechnen, ist unter Berücksichtigung aller Begleitumstände zu beurteilen. Grundsätzlich wäre gemäß § 360 Abs. 1a GewO einer behördlichen Grobprüfung und Wahrung des Parteiengehörs im Sinne des § 37 AVG  „an Ort und Stelle“ der Vorzug zu geben. Die Annahme eines Verdachts sollte zumindest auf eine Zäh­lung der „Lastkraftfahrzeugbewegungen“ gestützt werden. Darauf braucht aber nicht weiter eingegangen zu werden.

 

Wie schon erwähnt, kommt es vor allem darauf an, ob 18 LKW innerhalb von
acht Stunden an einem Tag das Betriebsgelände verlassen haben. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens besteht nicht nur der Verdacht, sondern ist es als erwiesen im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG anzusehen, dass am 30. Mai 2016 wie auch an anderen Tagen im ersten Halbjahr 2016 21 LKW innerhalb von acht Stunden das Betriebsgelände verlassen haben (2.3.4.).

 

Die Erhöhung von 18 auf 21 LKW-Abfahrten ist gemäß § 81 Abs. 1 iVm § 74
Abs. 2 GewO genehmigungspflichtig, kann doch unter Einhaltung des allgemei­nen, für jeden Laien geltenden Sorgfaltsmaßstabes im Sinne des § 1297 ABGB eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm nicht ausgeschlossen werden (4.2.). Es liegen keine Beweismittel vor, wonach die Erhöhung von 18 LKW- Ausfahrten auf 21 LKW-Ausfahrten innerhalb der 8 ungünstigsten Stunden am Tag zu keiner Erhöhung der Emissionen führen würde und damit ein Ausnahme­tatbestand im Sinne des § 81 Abs. 2 Z 7 oder 9 GewO als erfüllt anzusehen ist (2.3.5., 4.3.).

 

Der  Duldungsverwaltungsakt ist laut Schreiben vom 15. Juni 2016 vorgesehen, „sofern die Zustimmung einer vorübergehenden Duldung“ erwiesen ist. Bei der in § 360 Abs. 1a GewO geforderten individuellen Beurteilung mittels Grobprüfung erscheint es nicht ausgeschlossen, unter dem Gesichtspunkt der Schutzinter­essen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 GewO im Rahmen der Dispositionsfreiheit des Nachbarn dessen (befristete) Einwilligung zu berücksichtigen (vgl. VwGH
25. Juni 2015, GZ: Ra 2014/07/0087, VwGH
18. Mai 2016,
GZ: Ra 2015/04/0093). Eine nachweisliche Duldung liegt aber nicht vor, weshalb § 360 Abs. 1a GewO einem Bescheid nach § 360 Abs. 1 GewO derzeit nicht entgegensteht (2.3.8.).

 

Verfahrensanordnung und bekämpfter Bescheid beziehen sich nur auf den in Punkt 2.2.2 des schalltechnischen Projektes vom 17. Juni 2004 geregelten „Materialumschlag“ und damit auf einen Teilbereich der betrieblichen Tätigkeiten. Eine Ausdehnung auf andere betriebliche Tätigkeiten würde den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten. Das LVwG ist auf die Überprüfung der Verfahrensanordnung und des bekämpften Bescheides beschränkt (VwGH
25. Mai 2016, GZ: Ra 2015/12/0032, 30. Juni 2016, GZ: Ra 2016/11/0044, 4.4.4.). Es bleibt bei der im Spruch erfolgten Richtigstellung, wird die Bf durch die von der Behörde insoweit beabsichtigte Klarstellung des Konsenses betref­fend die zum „Materialumschlag“ eingesetzten LKW doch nicht in ihren Rechten verletzt. Dem steht auch der im Vorlageschreiben erklärte Widerspruch im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG der Behörde nicht entgegen, hat diese die beabsichtigte Entscheidung doch zustimmend zur Kenntnis genommen.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5.           Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil keine Rechtsprechung des Verwal­tungs­gerichtshofes

-      zur beschriebenen Auslegung von Anzeigen im Sinne des § 81 Abs. 2 GewO (4.3.)

-      zur Auslegung des § 360 Abs. 1a GewO (4.4.5.)

-      zur Frage, ob ein Widerspruch im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG im verwaltungspolizeilichen Verfahren relevant ist und von der Behörde zurück­gezogen werden kann oder ob ein „non liquet“ die Behebung und Zurück­verweisung nach sich zieht (1.2.)

-      und zur Frage, ob das LVwG eine von der Behörde mit Bescheid im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO angeordnete Einschränkung bestimmter Manipulation auf andere betriebliche Vorgänge ausweiten darf

vorhanden ist.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzu­bringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­ver­waltungs­gericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 12. April 2018, Ro 2016/04/0057-6