LVwG-601346/4/MZ

Linz, 09.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der I W-B, geb x 1981, Bundesrepublik Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 15.2.2016, VerkR96-994-2016, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 15.2.2016, VerkR96-994-2016, wurde über die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Sie wurden mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 19.11.2015, GZ: 081003527797, als Zulassungsbesitzer aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen x am 11.10.2015 um 17.53 Uhr in Hofkirchen an der Trattnach auf der B141 bei Strkm. 2.739 in Fahrtrichtung Grieskirchen gelenkt hat. Sie haben diese Auskunft nicht erteilt, zumal Sie am 18.12.2015 mitteilten, dass Sie nicht bestimmen können, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gefahren hat. Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

 

Tatort: Gemeinde Grieskirchen, Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen.

Tatzeit: 22.01.2016

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW

 

Die Bf habe daher § 103 Abs 2 KFG 1967 übertreten, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Stunden, verhängt wurde.

 

II. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf das Beschwerdevorbringen braucht mangels Verfahrensrelevanz nicht weiterer eingegangen zu werden.

 

III.a) Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Da sich im vorgelegten Behördenakt weder das im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses genannte Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 19.11.2015, GZ: 081003527797, noch ein anderes Schreiben, mit welchem die Bf aufgefordert wurde, den Lenker bzw eine Auskunftsperson zum relevanten Zeitpunkt namhaft zu machen, findet und auch ein Zustellnachweis für ein derartiges Schreiben fehlt, wurde die belangte Behörde vom Landesverwaltungsgericht aufgefordert, die entsprechenden Schriftstücke nachträglich vorzulegen.

 

Die belangte Behörde übermittelte in Folge ein Schreiben folgenden Inhalts:

„Im Fall [der Bf] handelt es sich um eine `natürliche Person´, bei welchen aufgrund des CBE-Verfahrens als Erstes die Anonymverfügung mit Infoletter ohne Rückschein versendet wird. Von der Anonymverfügung mit Infoletter gibt es auch keinen Ausdruck – dies erfolgt alles elektronisch.

 

- Meldet sich daraufhin die Person nicht – wird in weiterer Folge eine Strafverfügung nach dem Grunddelikt (Geschwindigkeitsübertretung) erlassen.

- Meldet sich die Person, wie im Falle [der Bf] und gibt bereits per Mail bekannt, dass Sie nicht sagen kann, wer zum Tatzeitpunkt der Fahrer des tatgegenständlichen Fahrzeuges war – wird eine Strafverfügung gemäß §103 Abs. 2 KFG 1967 erlassen.

 

Aus diesem Grund kann [die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen] keine weiteren Schriftstücke zum gegenständlichen Akt vorlegen.“

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in Punkt I. und in Punkt III.b dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass – laut vorgelegtem Verwaltungsakt – die Korrespondenz zwischen der belangten Behörde und der Bf mit E-Mail vom 8.12.2016 beginnt. Soweit ersichtlich bezieht sich die Bf in keiner Eingabe auf eine behördliche Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs 2 KFG 1967. Die Behörde teilt der Bf hingegen im Rahmen der Übermittlung eines Radarfotos mit E-Mail vom 18.12.2015 mit, „dass wir in Österreich nicht verpflichtet sind ein Radarfoto mit Lenkererkennung zu besitzen. … Sofern Sie uns den Lenker des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt nicht bekanntgeben bzw. die Anonymverfügung nicht beglichen wird, wird gegen den Zulassungsbesitzer (Halter, handelsrechtlichen Geschäftsführer) des Fahrzeuges eine Strafverfügung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 (Nichterteilung der Auskunft) erlassen.“

 

 

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG 1967, BGBl 1967/267 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten wie folgt:

 

" § 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

 

(1)          [...]

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

§ 134. Strafbestimmungen

 

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

 

b) Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge schützt die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG 1967 das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (vgl VwGH 22.3.2000, 99/03/0434 mwN). Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH 23.4.2010, 2010/02/0090 mwN). Die gesetzliche Auskunftspflicht ist dabei nicht davon abhängig, dass rechtmäßiger Weise eine Bestrafung des Lenkers wegen einer Verwaltungsübertretung erfolgen darf (vgl VwGH 11.5.1990, 89/18/0177 mwN; siehe auch VfSlg 7056/1973); die Lenkeranfrage darf seitens der Behörde bloß nicht grundlos und somit willkürlich erfolgen (vgl VwGH 15.1.1992, 91/03/0349; 12.7.1994, 92/03/0200; 19.12.2014, Ra 2014/02/0081).

 

Grundvoraussetzung für eine Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967 ist freilich, dass die Behörde überhaupt ein konkretes Verlangen nach einer Auskunft an den Zulassungsbesitzer gerichtet hat (vgl VwGH 25.4.1977, 1247/76; 10.4.1978, 2050/77). Oder anders gewendet: Eine Auskunftspflicht für den Zulassungsbesitzer entsteht erst im Zeitpunkt einer expliziten – allenfalls auch telefonischen – behördlichen Anfrage. Eine solche ist im gegenständlichen Fall, wie die belangte Behörde auf Nachfrage des Landesverwaltungsgerichtes mitgeteilt hat, offenbar nicht erfolgt. Vielmehr wurde, weil die Bf im Rahmen eines Strafverfahrens wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bekannt gegeben hat, den Fahrzeuglenker nicht zu kennen, ohne vorherige behördliche Anfrage eine Verweigerung der Auskunft angenommen und auf dieser Basis das gegenständliche Straferkenntnis erlassen.

 

Mangels konkreter Anfrage iSd § 103 Abs 2 KFG – auch die E-Mail vom 8.12.2015 stellt keine Lenkererhebung sondern lediglich das Aufzeigen einer Rechtsfolge dar – war die Bf freilich auch zu keiner Auskunft verpflichtet; vor diesem Hintergrund ist das angefochtene Straferkenntnis vom Landesverwaltungsgericht zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass, selbst wenn man von einer die Auskunftspflicht auslösenden (im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten) Lenkererhebung vom 19.11.2015 ausgehen würde, mangels Zustellnachweis nicht beurteilt werden kann, wann der Auskunftszeitraum abgelaufen und damit eine allfällige Auskunftsverweigerung erfolgt ist. Inwiefern die belangte Behörde als Tatzeit den 22.1.2016 festzulegen vermag, entzieht sich – von der Vollständigkeit des Verwaltungsaktes ausgehend – der Nachvollziehbarkeit des Landesverwaltungsgerichtes.

 

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung die belangte Behörde nicht daran hindert, eine ordnungsgemäße, die Auskunftspflicht gem § 103 Abs 2 KFG auslösende Anfrage an die Bf zu richten.

 

c) Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

Die Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages für die Bf hat daher zu unterbleiben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die ggst Entscheidung vollinhaltlich der zitierten, soweit ersichtlich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer