LVwG-150955/7/DM - 150956/3

Linz, 19.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde 1. der K. S. und 2. der H. S., beide x, B, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 16.2.2016, GZ. IIIa/605/2-3/2016-Ing. EF/Ab, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs.  1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 16.2.2016, GZ. IIIa/605/2-3/2016-Ing. EF/Ab, ersatzlos aufgehoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.  133 Abs.  4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

I.1. Am 22.1.2015 wurde der Stadtgemeinde Braunau angezeigt, dass sich auf dem Gst. Nr. x, EZ x, KG R, eine konsenslos errichtete bauliche Anlage befinde. Die Behörde stellte daraufhin durch Auswertung einer Feld­aufnahme der Geometer B. vom 3.9.2014 sowie einer Fotografie der baulichen Anlage fest, dass es sich dabei um eine zum bisherigen Baubestand hinzugefügte „Hütte“ handle. Jedenfalls war die bauliche Anlage am 21.3.1997, dem Datum der letzten baupolizeilichen Besichtigung der Liegenschaft, noch nicht errichtet worden (Aktenvermerk vom 26.3.1997). An besagter Stelle habe lediglich eine kleine Pergola gestanden, die nicht bewilligungspflichtig gewesen sei. Bei dieser Gelegenheit sei den Liegenschafts­eigentümern und nunmehrigen Beschwerdeführern (im Folgenden: Bf) mitgeteilt worden, dass „eine Überdachung der Pergola eine Bewilligungspflicht auslösen wird und aufgrund des Naheverhältnisses der Baulichkeit zur Nachbarliegenschaft und der bereits vorhandenen Baukörperlänge an der Grundgrenze (ca. 20 m) eine zusätzliche Baumaßnahme in diesem Bereich nicht mehr zulässig erscheint“. Die weitere Überprüfung des Bauaktenbestands zur gegenständlichen Liegenschaft habe ergeben, dass für die gegenständliche „Hütte“ kein Bau­konsens vorliege.

 

I.2. Am 2.3.2015 wurden die Bf schriftlich über diesen Sachverhalt informiert und zur Stellungnahme aufgefordert. Im Antwortschreiben vom 19.3.2015 führten die Bf ua. aus, es handle sich beim gegenständlichen Bauwerk um kein Gebäude, es habe kein Fundament, vielmehr sei es ein vor ca. 15 Jahren von den Bf selbst errichteter Holzunterstellplatz. Eine Skizze davon sei dem zuständigen Bauamtsmitarbeiter persönlich abgegeben worden.

 

I.3. Am 25.3.2015 hielt der zuständige Bauamtsmitarbeiter in einem Aktenvermerk fest, dass es sich bei der gegenständlichen Baumaßnahme offensichtlich um eine neu errichtete Konstruktion mit Überdachung handle und daher nie Gegenstand der seinerzeit angeführten Baumaßnahme gewesen sei. Es sei von keinem baubehördlichen Konsens auszugehen, zumal auch keine dementsprechende Genehmigung vorliege.

 

I.4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 21.7.2015 wurde die Beseitigung der baulichen Anlage aufgetragen, weil die maximal zulässige Summe der Länge der Bauwerke im Seitenabstand gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 lit. c Oö. BauTG 2013 überschritten sei. Die Möglichkeit, nachträglich eine Bewilligung für die konsenslose Hütte zu beantragen, könne deshalb auch nicht gewährt werden.

 

I.5. Am 4.8.2015 erteilten die Bf der Baubehörde telefonisch Auskünfte zu den Dimensionen und der Lage der „Hütte (Holzunterstellplatz)“: Diese sei 1,30 m breit und 3,80 m lang, das Dach messe 2,50 x 5,00 m; der Abstand zur Grund­grenze betrage 70 cm.

 

I.6. Gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 21.7.2015 erhoben die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 5.8.2015 Berufung und machten – soweit hier wesentlich – folgende Beschwerdepunkte geltend: Erstens sei die Errichtung der gegenständlichen Hütte konsensfähig und vor ca. 15 Jahren mit dem damals zuständigen Mitarbeiter des Bauamtes abgesprochen worden, weshalb kein konsensloser Bau vorliege. Zweitens habe es die Behörde unterlassen, den Eigentümern die Möglichkeit der Beantragung einer nachträglichen Bewilligung gemäß § 49 Oö. BauO 1994 einzuräumen, daher sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Drittens sei das Ermittlungsverfahren mit Mängeln behaftet, da der Bürgermeister die Erlassung des Bescheides ua. auf eine baupolizeiliche Über­prüfung stütze, von der die Bf nicht verständigt worden seien und deshalb nicht die Möglichkeit gehabt hätten, daran teilzunehmen.

 

I.7. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 16.2.2016 wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde angeführt, dass seinerzeit keine Zusage in Bezug auf eine Überdachung und folglich eine Genehmigung gemacht wurde, es liege kein Baukonsens vor. Das Bauwerk sei auch nicht konsensfähig, da bereits mit dem bestehenden Baubestand die Ausmaße der zulässigen Bebauung im seitlichen Bauwich ausgeschöpft seien. Aus diesem Grund sei es der Behörde auch verwehrt, den Bf die Möglichkeit einzuräumen, eine nachträgliche Bewilligung gemäß § 49 Abs. 1 BauO 1994 zu beantragen. Weiters habe keine baupolizeiliche Überprüfung vor Ort stattgefunden, da die der Behörde vorliegenden Beweise ausgereicht hätten, um das Ermittlungsverfahren abzuschließen.

 

I.8. Gegen diesen Bescheid richtete sich die – als Einspruch bezeichnete –rechtzeitige Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht vom 16.3.2016. Darin wiederholten die – nunmehr nicht mehr rechtsfreundlich vertretenen – Bf ihr Vorbringen, es liege eine Baugenehmigung für den „Holzunterstellplatz“ vor.

 

I.9. Die Beschwerde samt Verfahrensakt wurde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich von der belangten Behörde mit Schreiben vom 27.5.2016, eingelangt am 6.6.2016, vorgelegt.

 

 

 

 

II.            Beweiswürdigung:

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde inkl. Plan­urkunden sowie Einholung eines Grundbuchsauszugs zum Grundstück der Bf.

 

II.2. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens geht das Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich von nachstehendem entscheidungs-wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Die gegenständliche bauliche Anlage am Gst. Nr. x, KG R, wurde vor ca. 15 Jahren, also ungefähr im Jahr 2000 errichtet. Diese bauliche Anlage ist 1,30 m breit und 3,80 m lang, das Dach misst 2,50 x 5,00 m; sie ist an drei Seiten offen; der Abstand zur Grundgrenze beträgt 70 cm. Verwendet wird sie als Holzunterstellplatz. Der Baubehörde liegt keine Baubewilligung bzw. Bau­anzeige vor.

 

II.3. Der unter I. dargelegte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte die Durchführung einer Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Im Übrigen wurde auch kein entsprechender Antrag der Bf gestellt.

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage:

 

III.1. Nach § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

 

III.2. Die hier relevanten Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994, in der Fassung LGBl. Nr. 102/1999, lauten auszugsweise wie folgt:

 

„§ 24

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

 

(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:

1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

2. die Errichtung oder wesentliche (umbaugleiche) Änderung sonstiger Bauten über oder unter der Erde, die auf Grund ihrer Verwendung, Größe, Lage, Art oder Umgebung geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen herbeizuführen oder das Orts- und Landschaftsbild zu stören;

[...]

 

§ 25

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

 

(1) Folgende Bauvorhaben sind der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen (Bauanzeige), soweit § 26 nichts anderes bestimmt:

[...]

9. die Errichtung oder wesentliche (umbaugleiche) Änderung von nicht Wohnzwecken dienenden ebenerdigen (eingeschossigen) Gebäuden mit einer bebauten Fläche bis zu 12 m2;

[...]“

 

III.3. Die hier relevanten Bestimmungen des Oö. Bautechnikgesetzes 1994 (Oö. BauTG 1994), LGBl. Nr. 67/1994, in der Fassung LGBl. Nr. 102/1999, lauten auszugsweise wie folgt:

 

„§ 2

Begriffsbestimmungen

 

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

[...]

20. Gebäude: ein begehbarer überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter;

[...]

 

§ 5

Lage und Höhe der Gebäude, Abstandsvorschriften, Vorgarten

 

Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden:

1. Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

[...]

 

 

 

 

§ 6

Ausnahmen von den Vorschriften betreffend Abstände und Vorgärten

 

(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für:

[...]“

 

 

IV.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 setzt voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist. Für die Klärung der Frage aber, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Abbruchauftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. VwGH 30.1.2014, 2013/05/0223). Für lediglich anzeigepflichtige Bauvorhaben gelten die Bestimmungen des § 49 Oö. BauO 1994 kraft § 25a Abs. 5 leg. cit. sinngemäß.

 

Die beschwerdegegenständliche bauliche Anlage wurde etwa im Jahr 2000 errichtet. Es ist daher zu prüfen, wie diese bauliche Anlage im Jahr 2000 baurechtlich beurteilt werden musste.

 

Die belangte Behörde spricht im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen baulichen Anlage von einem Gebäude „Hütte“. Da diese bauliche Anlage aber an drei Seiten offen ist, erfüllt sie die hier maßgebliche Definition des Begriffes „Gebäude“ gemäß § 2 Z 20 Oö. BauTG idF LGBl. Nr. 102/1999 und die dazu entwickelte Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes, wonach es sich bei einem Gebäude um ein allseits umschlossenes Bauwerk handeln muss (vgl. etwa VwGH 7.4.2000, 2000/05/0081), nicht.

 

Nach aktueller Terminologie handelt es sich bei der baulichen Anlage um ein Schutzdach gemäß § 2 Z 23 Oö BauTG 2013. Im Jahr 2000 wurde dieser Begriff im Oö. BauTG 1994 idF LGBl. Nr. 102/1999 noch nicht legaldefiniert. Festgehalten wird, dass es sich bei der beschwerdegegenständlichen baulichen Anlage um kein Gebäude iSd Definition des § 2 Z 20 Oö. BauTG handelt.

 

Weder in § 24 noch in § 25 Oö. BauO 1994 idF LGBl. Nr. 102/1999 findet sich ein Bewilligungs- bzw. Anzeigetatbestand für ein derartiges (Holzlager)Schutzdach mit einer bebauten Fläche von 12,5 m2. Die gegenständliche bauliche Anlage war daher im Jahr 2000 bewilligungs- und anzeigefrei.

 

Doch auch bewilligungs- und anzeigefreie bauliche Anlagen müssen den baurechtlichen Vorschriften entsprechen. Es ist daher weiters zu prüfen, ob die im Jahr 2000 geltenden Abstandsvorschriften des Oö. BauTG idF LGBl. Nr. 102/1999 eingehalten sind. Die in § 5 Oö. BauTG festgelegten Mindestabstände (zu den Bauplatz- bzw. Nachbargrundgrenzen) und die dazu in § 6 Oö. BauTG normierten Ausnahmen gelten lediglich für Gebäude. Da im beschwerdegegenständlichen Fall jedoch kein Gebäude vorliegt, können die diesbezüglichen Bestimmungen nicht zur Anwendung gelangen. Das bedeutet, dass es im Jahr 2000 für ein derartiges Schutzdach (Holzunterstellplatz) keine Abstandsvorschriften gab. Daraus folgt, dass das gegenständliche Schutzdach auch nicht in die maximal zulässige Längenbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 Oö. BauTG einzurechnen war bzw. ist. Das beschwerdegegenständliche Schutz­dach wurde daher im Einklang mit der im Jahr 2000 geltenden Baurechtslage errichtet. Somit konnte aber kein auf § 49 Oö. BauO 1994 gestützter Beseitigungsauftrag erlassen werden, weshalb dieser aufzuheben war.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter